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Geologie auf Schritt und Tritt – am Wiesbadener „Rheinsteig" PDF

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119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 119 Jb. nass. Ver. Naturkde. 128 S. 119-136 13 Abb. Wiesbaden 2007 Geologie auf Schritt und Tritt – am Wiesbadener „Rheinsteig“ EBERHARDKÜMMERLE Rhein, Rheinsteig, Geologie, Fossilien, Landschaft, Quellen Kurzfassung: Nach der Erfahrung, dass man nur das sieht oder beachtet, was man weiß, werden geologische Details dargestellt, die sich dem interessierten Wanderer auf dem Rheinsteig zeigen. Inhaltsverzeichnis 1 Zielsetzung ........................................................................................... 119 2 Am alten und neuen Rheinufer ............................................................. 119 3 Zur Küste des Mainzer Meeresbeckens ................................................ 123 4 Landschaft aus einigen der ältesten Gesteine Europas .......................... 126 5 Im Tal der Quellen und Schlangen ........................................................ 131 6 Dank ..................................................................................................... 135 7 Literatur ................................................................................................ 135 1 Zielsetzung Der Rheinsteig, ein 320 km langer, an Abwechslung reicher Wanderweg, führt von Wiesbaden-Biebrich durch den Rheingau, das Mittelrheintal und das Sieben- gebirge bis nach Bonn. Er wurde im September 2005 eröffnet. Er hat nicht nur im Hinblick auf die wunderschöne Landschaft, auf die vielen Burgen und die male- rischen Dörfer und kleinen Städte, die er tangiert, viel zu bieten, sondern auch be- züglich der Geologie. Das Anliegen des Verfassers ist es, den Wanderer mit geo- logischen Besonderheiten des Rheinsteigs im Raum Wiesbaden näher bekannt zu machen. 2 Am alten und neuen Rheinufer Für geologisch Interessierte beginnt der Rheinsteig nicht erst am Biebricher Schloss. Schon am Ufer in Höhe der Rathausstraße hat der Verschönerungsverein Biebrich eine Art Gesteinslehrpfad geschaffen. Das Brunnenbecken des „Flöten- spielers“ ist mit Würfeln von rotem Granit aus Indien aufgebaut, und ein Block von Runkeler Riffkalkstein erhebt sich aus dem Wasser. Dieses „Steedener Grau“ der Steinmetze stammt aus der Zeit des Mitteldevons und ist mindestens 380 Mil- lionen Jahre alt. „Lahnmarmor“ ist u.a. im Biebricher Schloss, im Kurhaus und in der Russischen Kapelle zu sehen, wurde aber auch in Paris und Moskau, auf Java und auf Kuba verbaut. Der Riffkalk wurde aber auch wegen seiner gut erhaltenen Fauna bekannt: Kalkabscheidende Schwämme, sogenannte Stromatoporen, See- lilien und Brachiopoden – Armkiemer – zeugen von einem warmen Meer, damals 119 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 120 EBERHARDKÜMMERLE in Äquatornähe gelegen. Vergleichbares Gestein gibt es auch bei Bingen und Stromberg. Gegenüber dem Brunnen erhebt sich ein Gedenkstein an Kaiser Ludwig den Deutschen. Das Material ist violettroter, sehr feinkörniger Sandstein aus Italien. Der Stein erinnert nicht nur an den Kaiser und sein Gefolge, sondern auch an die Ersterwähnung von Biebrich als „Biburg“. Gemeint ist mit dem Namen vermut- lich die Pentzeburg, der Vorgängerbau der Mosburg im Schlosspark. Wenige Schritte abwärts liegt ein großer Basaltblock aus dem Vogelsberg: er- starrte Lava von Vulkanausbrüchen in der Tertiärzeit vor rund 20 Millionen Jah- ren. Vor dem Schloss an der Uferpromenade steht ein monumentaler Brunnen aus grauem Fichtelgebirgsgranit. Die Monolith-Brunnenschale diente als Pferdeträn- ke an der Uferstraße. Der Brunnen war ein Geschenk des Tierschutzvereins Wies- baden an die Gemeinde Biebrich im Jahre 1898. Bei extremem Niedrigwasser wie 1983, 1989/90 und 2003 erscheint vor dem Schloss das nackte Rheinbett in Gestalt weißgrauer Kalksteine und graugrüner und gelblicher Mergel der Hydrobienschichten, vergleichbar jenen Gesteinen, die im Steinbruch Dyckerhoff zu Zement verarbeitet werden. Die Schichten liegen flach und sind stark geklüftet. Zusammen mit fossilen Trockenrissen bilden die Klüfte ein unregelmäßiges Netzwerk (Abb. 1). Entsprechende Gesteine bilden auch den Untergrund des Schiersteiner Hafens (s.u.). Am westlichen Ende des Schlossparks mündet der Mosbach oder Ochsenbach, nachdem er die letzten 300 m seines Laufes unter die Straße Am Parkfeld verbannt ist. Wenige Schritte weiter wendet sich die Rheingaustraße vom Rhein ab und er- Abbildung1: Rheinsohle vor dem Schloss Biebrich bei Niedrigwasser. 120 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 121 Geologie auf Schritt und Tritt – am Wiesbadener „Rheinsteig“ reicht ansteigend das Niveau der „Talwegterrasse“, so genannt, weil auf ihr Straße und Eisenbahn – Hochwasser sicher – verlaufen. Vor der „Villa Annika“, in der Richard Wagner 1862 wohnte, ist die Böschung mit aufrecht gestellten Platten aus hellgrünem Serizitgneis befestigt. Es ist das Hausgestein von Wiesbaden, in der Saalgasse und am Kureck unter den Häusern anstehend, und wurde in großen Brüchen bei Sonnenberg und Rambach abgebaut. Dieser „Meta-Rhyolith“, ein metamorphes Vulkangestein, ist eines der ältesten Gesteine Europas aus dem Si- lur vor gut 400 Millionen Jahren. Im Spülsaum am Ufer erkennt man Rhein- und Maingerölle, dazwischen mas- senweise leere Schalen der Körbchenmuschel Corbicula. Sie ist erdgeschichtlich nicht uninteressant. In den warmen Zwischeneiszeiten wanderten Tiere dieser Art aus dem subtropischen Südosteuropa bei uns ein, und schon im Mainzer Meeres- becken des Jungtertiärs vor 20 Millionen Jahren bildeten sie ganze Schille, die den „Corbicula-Schichten“ den Namen gaben. Ab 1987 wurde die Muschel erst- mals wieder im Rhein bei Walluf entdeckt und ab 1991 besiedelt sie den Rhein mindestens von Karlsruhe bis zur Mündung. Die Uferstraße folgt der ursprünglichen Uferlinie, denn das ganze rheinseitig vor- gelagerte Wiesengelände fiel erst nach Anlage des Schiersteiner Hafens trocken. Im Freizeitgelände „Rheinwiesen“ erreicht die junge Schwemmfläche eine Brei- te von über 200 m. Bei starken Hochwässern wie 1970, 1988 oder 1998 (WINK- LER2005) erobert sich der Fluss das Bett, das er vor dem Hafenbau besaß, vor- übergehend zurück. Auch die Uferstraße kann dann unter Wasser liegen. Weil der Rhein beim Zurückweichen Hochflutsediment hinterlässt, sind so in historischer Zeit bis zu 2 m Sand und Lehm aufgehäuft worden. Darauf lagern noch einmal mehrere Meter künstliche Aufschüttung, wie Bohrungen zum Bau der Schierstei- ner Brücke ergaben. Um 1856/57 betrieb die „Nassauische Eisenhüttengesellschaft“ ein Hochofen- werk. Es stand dicht östlich der heutigen Rheinparkstraße in Verlängerung der Rheinhüttenstraße. Pferdewagen brachten Eisenerz von der Lahn und vom Revier Wildsachsen über die „Eisenstraße“. Schon 1861 wurde aber der mit Holzkohle betriebene Hochofen stillgelegt und das Werk in eine Eisengießerei mit Cupol- ofenbetrieb umgewandelt. Der Schiersteiner Hafen wurde unter Einbeziehung von zwei kleinen Inseln in den Strom hinaus gebaut. Zuvor hatte sich der Fluss in diesem Bereich noch in weitgehend unberührtem Zustand befunden, so um 1795 (Abb. 2). Eine „Schiersteiner Aue“ reichte weit nach Westen und war durch einen schma- len Arm von der „Biebericher Aue“ getrennt. Bei den alten Kartenbildern ist zu berücksichtigen, dass die Umrisse der noch unbefestigten Inseln sich mit den Wasserständen veränderten. Überhaupt ist mit Erscheinen und wieder Ver- schwinden von Auen zu rechnen, so mit Strömungsänderungen z.B. nach Hoch- wässern (KÜMMERLE2005). Aus dem 15. Jh. wird gegenüber Biebrich eine „War- tenberger Au“ erwähnt, und zwischen Biebrich und Schierstein gab es ein „Schwarzwert“ und ein „Ziegenwert“ (RENKHOFF1980). Das Hafenbecken wurde zwischen 1856 und 1860 umschlossen und die „Bis- marksaue“, eine der beiden Inseln vor Schierstein, dadurch mit dem Festland ver- bunden. Sie ist nach dem Grafen Johann Heinrich Ludwig von Bismark benannt, 121 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 122 EBERHARDKÜMMERLE Abbildung 2: Das Gebiet des Schiersteiner Hafens zwischen 1795 (oben) und heute. 1795 Karte von Mainz und Umgebung beim Sturm auf die französischen Linien am 29. Oktober 1795; ca. 1:75000, Stadtarchiv Mainz 365 B. 1876 Grad-Abtheilung Bande I Bl. 6, 48 Wiesbaden 1:25000, hrsg. Königl. Ministerium für Han- del etc. 1908 Ministerium für öffentliche Arbeiten (Hrsg.): Die Vertiefung des Rheins von St. Goar bis zur Mainmündung. 1:20000.- Berlin (Sittenfeld). 2005 Topographische Freizeitkarte DTK 25, 1, Rheingau. 1:25000.- Hessisches Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation Wiesbaden. Generaladjutant Herzog Friedrich Augusts von Nassau (1738-1816). Vor allem stromaufwärts wurden zahlreiche Buhnen angelegt. Zusammen mit dem Hafen- damm bewirkten sie, dass durch Anlandung neue Landflächen entstanden. „Der Rhein wurde durch die Technik kleiner“, schrieb der Biebricher Wilhelm Hein- rich Riehl. Um 1876 liegt die Bismarksaue dicht westlich der Hafenein- und -aus- fahrt, westlich davon die Schiersteiner Aue, vielleicht ein Rest der lang- gestreckten Insel des 18. Jhs. Um 1908 breiten sich westlich des Hafens schmale 122 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 123 Geologie auf Schritt und Tritt – am Wiesbadener „Rheinsteig“ verlandende Altarme und sumpfige Flächen aus. Die hier gelegene „Bauernaue“, eine Wildnis von Rohr und Weiden (RABENSTEIN1974), konnte nur auf einem höl- zernen Steg betreten werden. Im 1. Weltkrieg wurden auf ihr 10 ha Ödland in Wie- sen umgewandelt (KOPP1986). Zwischen 1921 und 1923 wurde der Hafen nach Westen erweitert und ein Hochwasserdamm angelegt. Die verbreiterte Hafenöff- nung schnitt die alte Bismarksaue an. Heute wird mit „Bismarksaue“ die von Osten her reichende Landzunge bezeichnet, die den Hafen rheinseitig begrenzt. Die elegante Dyckerhoffbrücke verbindet sozusagen die alte mit der neuen Bis- marksaue. Es ist eine Leichbeton-Bogenbrücke, erstellt unter Verwendung von LECA- Blähschiefer. Ihre Stützweite ist 95 m, die Scheitelhöhe über Wasser 16 m (Abb. 3). Abbildung 3: Der geologische Untergrund bei der Brücke über die Hafeneinfahrt Schierstein. 1 Künstliche Aufschüttung und Hochflutsediment (Holozän) 2 Niederterrasse des Rheins (Pleistozän) 3 Hydrobien- und Corbiculaschichten (Jungtertiär) Aus Teilen der Schiersteiner Aue des 18. Jhs. wurde inzwischen die Rettbergsaue. Benannt ist sie nach dem nassauischen Offizier Freiherr Carl von Rettberg. Er kämpfte zur Zeit des Spanienfeldzugs (1808-1813) in der Reitertruppe „Nassaui- sche Jäger“ und war Adjutant von Herzog Wilhelm und dessen Sohn Herzog Adolf von Nassau. Die Insel ist nach 1850 mehr und mehr mit dem Biebricher Wörth zusammengewachsen. Nur höhere Wasserstände lassen den ehemaligen Rheinarm zwischen beiden vorübergehend wieder erscheinen. Der Lindenbach, den man nach 1879 aus dem damaligen Hafenbecken in das Sumpfgebiet im Westen verlegt hatte, mündet seit 1923 wieder in den Hafen. Der gegen Hochwasser schützende Deich wurde nach Westen hin verlängert, indem man Aushubmaterial der Hafenerweiterung sowie Frauensteiner Sand und Kies aus den Gruben beim Grorother Hof (s.u.) verwendete (KOPP1986). 3 ZurKüste des MainzerMeeresbeckens An der Hafennordseite nahe der Jupitersäule von 221 n. Chr. mündet der Linden- bach. Im Bachtal etwa 1,5 km oberhalb plätschert das Grunselsbörnchen. Es wird von einer perennierenden (=ganzjährig schüttenden) Quelle im Hang gespeist. Sein frisches Wasser hat selbst im heißen Sommer nur etwa 12 °C. Der Nitratge- halt ist für Quellen in gärtnerisch genutztem Gelände erstaunlich gering (Abb. 4). Hier und weiter aufwärts liegt der Uferbereich des Mainzer Beckens der Tertiär- zeit vor rund 30 Millionen Jahren. Hätte Frauenstein damals schon bestanden, 123 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 124 EBERHARDKÜMMERLE Abbildung 4: Der Grunselsborn im Lindenbachtal oberhalb Schierstein. wäre es kein Kirschen-, sondern ein Fischerdorf gewesen. Der Taunus, in Hebung begriffen und damit starker Erosion ausgesetzt, lieferte Massen von Abtragungs- und Verwitterungsschutt, eine Art Molasse, die am Gebirgsfuß in der Brandung zerrieben wurde. Das ergab Kies und Sand aus den Gesteinen, die das nahe Ge- birge aufbauen: Quarzit und Quarz, Serizitgneis und Keratophyr. Eine tonige Grundmasse entstand aus Tonschiefer. Diese Ufer- oder Randfazies wird am Ho- nigberg und Höllberg ab und zu bei Rodungen angeschnitten. Auch ist sie bei den Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken in großer Mächtigkeit erbohrt. Sie geht über in den feiner körnigen Frauensteiner Meeressand, der als Stubenstreusand gefragt war. Nahe Hof Groroth und 250 m südlich von diesem wurde er gewonnen und in die umliegenden Städte und Dörfer geliefert. Man brauchte ihn zum Reinigen von Herdplatten, Töpfen und Pfannen und zum Scheuern von Holzfußböden. Der Kies wurde z.B. am Rheinufer und bei der A66 verbaut. Dass es sich tatsächlich um marine Ablagerungen handelt, beweisen Fossilien. Sie heute zu suchen, lohnt kaum. Kalkschalen waren in dem durchweg kalkfreien Sediment kaum erhal- tungsfähig. Der Wiesbadener Geologe Carl Koch fand dennoch hier die Muscheln Pernaund Ostrea(Abb. 5, KOCH1880). In einer früheren Sandgrube am Geiskopf gegenüber der Grorother Mühle kamen fossile Muschelreste und Grabgänge von dekapoden (zehnfüßigen) Krebsen zu Tage. Sie gruben sich in der Gezeitenzone des Mainzer Meeres in Sand ein und 124 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 125 Geologie auf Schritt und Tritt – am Wiesbadener „Rheinsteig“ Abbildung 5: Beispiele von Meeressandfossilien: Ostrea, Auster, jetzt Crassostrea, links, und Perna, Schinkenmuschel, jetzt Isognomon(nach WENZ1921). verklebten ihn röhrenförmig. Wellenrippeln und fossile Eindrücke von Regen- tropfen deuten auf die Nähe der Küste (ANDERLE& THEWS1969). MORDZIOLhat 1911 in zwei Profilskizzen die Lagerungsverhältnisse des Frauen- steiner Meeressandes dargestellt (Abb. 6, 7). Abbildung 6: Sandgrube südlich Grorother Hof, 2fach überhöht. a = lehmiger Ackerboden, ocu = Frauensteiner Stubenstreusand, om = (Oberer) Meeressand. 125 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 126 EBERHARDKÜMMERLE Abbildung 7: Profil südlich Grorother Hof, 2fach überhöht. oco = Ton, dunkel, darüber Mergel, hell = Cyrenenmergel, ocu = Frauensteiner Stubenstreusand, om = (Oberer) Meeressand (nach MORDZIOL 1911). 4 Landschaft aus einigen derältesten Gesteine Europas Der aus Richtung Märchenland kommende Leierbach hat wie Leierkopf und Lei- erwiese seinen Namen von lei= Fels, Schiefer, einem uralten Gestein, das den Un- tergrund von Frauenstein aufbaut. Beim Anstieg zum Nürnberger Hof erscheint der Schiefer nur gelegentlich bei Rodungen. Sonst ist er von Löss, Lehm und Fließerden verdeckt. Der kalireiche Schieferboden bringt an den Hängen des Herrnberges und Marschalls berühmte Weine hervor. Der Nürnberger Hof ist seit nassauischer Zeit Gaststätte und vor allem durch Goethes Besuch bekannt. Der Name des Hofes beruht auf dem heimischen Namen „norr“ für steinigen Boden, eben den aus Schiefer entstandenen. Weiter aufwärts erhebt sich der Rücken des Spitzen Steins. Eine vor Urzeiten in dem Tonschiefer infolge Krustendehnung aufgerissene Erdspalte wurde im Lauf von Jahrmillionen mit der Fracht heißer wässriger Lösungen aufgefüllt. Die primär karbonatische, dann barytische Füllung wurde mit der Zeit durch Gang- quarz ersetzt. Dabei machten sich die Kristallmassen gegenseitig den Platz strei- tig, so dass man schön gewachsene Einzelkristalle, die ja Platz brauchen, nicht immer findet. So die „Kappenquarze“: unregelmäßige Stoffzufuhr beim Wachs- tum führte zu dunkleren Nähten mit Eisenoxid oder tonigem Material, dann er- scheint der obere Teil eines Kristalls wie eine aufgesetzte Kappe (Abb. 8). Die tafelig gewachsenen „Pseudomorphosen-Quarze“ ahmen die Kristallform der von ihnen ausgefüllten Schwerspatkristalle gleichsam nach, sie sind wie die Kappenquarze kennzeichnend für die jungen, postvariskischen Quarzgänge des Taunus, zu denen der Frauensteiner Gang gehört. Die Gangfüllung aus kaum löslichem, nahezu unvergänglichem Quarz ragt als Härtling heraus, während das schiefrige Nebengestein hydrothermal zu Ton und Lehm zersetzt und durch die Erosion immer mehr erniedrigt wurde. Neben dem mauerartig stehen gebliebenen Gangquarz läuft man über den gelblichen Schie- ferlehm. Am Spitzen Stein kommen Schwerspat (Baryt), Kupferkies, Azurit, Malachit, Chalcedon und Brauneisenkiesel neben Quarz in Spuren vor (MICHELS 1931). 126 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 127 Geologie auf Schritt und Tritt – am Wiesbadener „Rheinsteig“ Abbildung 8: Kappenquarze vom Spitzen Stein über Frauenstein. Das Alter dieses und anderer Quarzgänge des Taunus war lange unklar. Sie müs- sen postvariskisch sein, weil ihnen Deformation durch Gebirgsbildung fehlt. Um- gelagerte Kappenquarze treten noch nicht im Rotliegenden, sondern erst im höhe- ren Eozän in den Pechelbronn-Schichten bei Wallau auf (seit rund 35 Millionen Jahren). Neue radiometrische Messungen, basierend auf dem radioaktiven Zerfall gewisser Isotope, ergaben ein Alter der Gänge von 279-265 Millionen Jahren, das entspricht dem Grenzbereich Oberrotliegend / Zechstein (SCHNEIDER1997). „Mittag auf dem Hofe. Im Freyen schöne Aussicht. Quarzfelsen.“ So lautet die Eintragung in Goethes Tagebuch vom 6. Juli 1815. Der schon im 19. Jh. gebräuchliche Name des Bergrückens, Spitzer Stein, inspirierte zu dem spit- zen Denkmal. Es wurde 117 Jahre nach dem Besuch des Dichters errichtet (Abb. 9). Das Material ist Quarz aus benachbarten kleinen Brüchen. Die Idee zu dem ori- ginellen Denkmal hatte der Wiesbadener Karl Mollath, Inhaber eines Ladens für Gartenbedarf am Michelsberg, der Entwurf stammte von Regierungsbaurat Ru- dolf Artur Zichner. Im Streichen des Quarzganges steht ein hölzerner Aussichtsturm, und unterhalb am Hang ist ein Weinbergslehrpfad angelegt. Der steile Quarzfels bot sich auch zur Anlage der Burg Frauenstein an. Beim Aus- hub des Halsgrabens fielen reichlich Quarzblöcke an, die man beim Bau verwen- den konnte. Dazu kamen Taunusquarzit, Grünschiefer und Phyllit, wie das Mau- erwerk des Bergfrieds ausweist. Sein Untergeschoss ruht auf der rauen Ober- 127 119-136-Kümmerleneu 03.12.2007 10:25 Uhr Seite 128 EBERHARDKÜMMERLE Abbildung 9: Goethedenkmal aus Quarzblöcken. Nur in den kalkhaltigen Mörtelfugen findet ein spär- licher Pflanzenwuchs Nahrung. fläche des Quarzfelsens. Die dendrochronologische Untersuchung eines erhalte- nen Eichenbalkens ergab, dass der Baum zwischen 1182 und 1201 gefällt wurde (Burgverein 2002, Abb. 10). Am jenseitigen Hang, dem Osthang des Sommerbergs, verdeckt Löss den Quarz und das Nebengestein. Erst am Westhang des Berges, wo bis 1936 Wein gedieh, am „Schlangenpfad“ und am Lindenbach, steigen Schieferfelsen empor. In einem kleinen Steinbruch am Hangfuß gut 300 m westlich Schloss Sommerberg ist der Schiefer von Frauenstein aufgeschlossen. Es ist ein „Phyllit“, ein tektonisch stark verändertes Metasediment, entstanden aus mehr oder weniger sandigem Ton, meist fein gefältelt und steil gestellt. Quarzgängchen, „Trümer“, sind parallel zur Schieferung und Fältelung eingeregelt. Die graugrüne Farbe des Gesteins geht vor allem auf die Blättchen des Glimmerminerals Serizit zurück. Sie verursachen auch den typischen Seidenglanz (Phyllos = Blatt). Intensiver grüne Partien ent- halten das Mineral Chlorit, blauviolette führen Spuren von Eisenglanz (Hämatit, Blutstein). Im genannten Steinbruch finden sich auch schmale Einschaltungen von gneisartigem Phyllit, die kompakter sind und einen etwas anderen Mineral- bestand haben, sowie Quarziteinlagen mit grün schimmerndem Serizit. Der Phyllit von Frauenstein wird dem „Eppsteiner Schiefer“ zugeordnet und gehört zur Metamorphen Zone des Südtaunus (ANDERLE2001). Es ist neben dem Seri- zitgneis eines der ältesten Gesteine Europas aus der Zeit des Silurs vor über 400 Millionen Jahren. Das Gestein findet sich auch im Untergrund von Wiesbaden: unter Kurpark und Staatstheater. Beim Aufstieg in Richtung Monstranzenbaum durch das Naturschutzgebiet feh- len geologische Aufschlüsse; größere Gangquarzblöcke liegen in lehmigem So- 128

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