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Ganzheitliche Pflege von alten Menschen PDF

148 Pages·2015·5.619 MB·German
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Ganzheitliche Pflege von alten Menschen Monika Specht-Tomann Ganzheitliche Pflege von alten Menschen Mit 25 Abbildungen 2123 Monika Specht-Tomann Graz Austria ISBN 978-3-662-47504-1 ISBN 978-3-662-47505-8(eBook) DOI 10.1007/978-3-662-47505-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über 7 http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Umschlaggestaltung: deblik Berlin Fotonachweis Umschlag: © Kzenon/fotolia.com Satz: Crest Premedia Solutions (P) Ltd., Pune, India Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer-Verlag ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer.com V Vorwort Der Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung nimmt stetig zu. Damit rückt auch die Frage nach geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten und Betreuungskonzepten für eine immer größer werdende Anzahl von alten Menschen und deren Familien ins Zentrum sowohl individueller als auch gesellschaftspolitischer Überlegungen. Altenpflegeeinrich- tungen sind der letzte wichtige Lebensraum, das letzte »Zuhause« alter Menschen. Sie soll- ten nicht nur »Versorgungsorte« sein, sondern vielfältige Möglichkeiten schaffen, um den körperlichen, seelischen und sozialen Bedürfnissen gleichermaßen gerecht zu werden und einen Verbleib bis zum Tod zu ermöglichen. Demnach ist es besonders wichtig, einen ganz- heitlichen Pflegansatz zu realisieren und Aspekte der Hospizkultur, Palliative Care und End- of-Life Care zu integrieren. Eine bedürfnisorientierte Altenpflege und -begleitung kann dann besonders gut gelingen, wenn das gesamte Team einer Altenpflegeinrichtung ihre Betreuungsaufmerksamkeit im Sinne einer palliativen Grundhaltung wahrnimmt – zum Wohle der Bewohner und Be- wohnerinnen und zur Steigerung der eigenen Berufszufriedenheit. Hospizkultur und pal- liative Begleitansätze sind nicht ausschließlich für die terminale Lebensphase hilfreich, son- dern sollten vom ersten Schritt eines Menschen in ein Heim bedacht werden. Damit dies gelingen kann, ist es notwendig, dass alle in einer Altenpflegeinrichtung Tätigen, über ein Basiswissen in relevanten Bereichen verfügen und sich als Teil eines Teams begreifen, bei dem jedes Mitglied einen wichtigen Beitrag einer bedürfnisorientierten Betreuung und Be- gleitung alter Menschen leisten kann. Durch einen bedürfnisorientierten Pflegeansatz, bei dem eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zentraler Bestandteil ist, können altersbedingte Veränderungsprozesse besonders einfühlsam begleitet und die Auswirkungen unterschied- licher Erkrankungsbilder bestmöglich behandelt oder gelindert werden. So kann ein Leben in Würde bis zuletzt möglich werden. z »Bedürfnisorientierte Altenpflege« wird den Leserinnen und Lesern in drei Kapiteln nahe gebracht Im ersten Kapitel steht der Lebensabschnitt Alter im Mittelpunkt der Ausführungen. Es wird sowohl auf biologische als auch auf psychosoziale Veränderungen eingegangen, die diesen Lebensabschnitt charakterisieren. Unterschiedliche theoretische Modelle werden he- rangezogen, um die große Bandbreite individueller Zugänge zum Thema Alter verständlich zu machen. Der Blick auf vielfältige Bedürfnisse von Menschen im Allgemeinen und von alten Menschen im Besonderen soll den Grundstein für das Verständnis einer »bedürfnis- orientierten Altenpflege« legen. Schließlich wird ganz konkret auf die komplexe Situation einer Fremdunterbringung Bezug genommen und jener seelische Prozess beleuchtet, der bei vielen Bewohnern und Bewohnerinnen offen oder verdeckt zu beobachten ist: Trauer. Das zweite Kapitel beginnt mit dem ersten Schritt eines Menschen in ein Heim. Gerade der Beginn einer Fremdunterbringung ist für das künftige Wohlbefinden wichtig, und so wird dem Aufnahmegespräch besondere Beachtung geschenkt. Wesentliche Aspekte der ange- wandten Kommunikation – u. a. aktives Zuhören, Gesprächsführung, Biografiearbeit – wer- den aufbereitet und hinsichtlich ihrer Bedeutung für eine bedürfnisorientierte Begleitung und Pflege alter Menschen beleuchtet. Zwei Hauptthemen sind aus dem breiten Spektrum VI Vorwort altersbedingter Zustandsbilder nicht wegzudenken: Schmerzen und Demenz. Im vorliegen- den Abschnitt wird auf beide Kernthemen Bezug genommen. Neben theoretischen Erklä- rungsansätzen und diagnostischen Möglichkeiten werden speziell die Begleitmöglichkeiten beleuchtet, die den alten Menschen das Gefühl vermitteln, verstanden und angenommen zu werden. Dabei wird immer wieder auf die Bedeutung einer palliativen Grundhaltung aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Bezug genommen und auf deren jeweils individuell sehr unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten eingegangen. Der letzte Abschnitt dieses Ka- pitels befasst sich mit der terminalen Phase und greift Themen auf, die im Zusammenhang mit Hospizarbeit und »End-of-Life Care« diskutiert werden. Hier werden nicht nur Begleit- möglichkeiten für sterbende Bewohner und Bewohnerinnen aufgezeigt, sondern auch auf Angebote für deren Angehörige hingewiesen. Das abschließende Kapitel setzt sich mit den Möglichkeiten bedürfnisorientierter Alten- pflege auseinander, die einen Verbleib alter Menschen in einer Altenpflegeeinrichtung bis zum Tod ermöglichen. Die meisten Menschen haben den Wunsch, zu Hause zu sterben. Be- denkt man, dass Altenpflegeeinrichtungen als letztes Zuhause angesehen werden, kommt einer Sterbebegleitung in Heimen eine besondere Bedeutung zu. Damit dies gelingen kann, bedarf es spezieller institutioneller Rahmenbedingungen und eines gut geschulten Teams von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Interdisziplinäre Schulungen und damit verbunde- ne Organisationsentwicklungsprozesse können wesentlich dazu beitragen, dem anspruchs- vollen Ansatz einer bedürfnisorientierten Altenbegleitung und -pflege vom Beginn einer Fremdunterbringung bis zum Tod gerecht zu werden. Anhand eines konkreten Praxisbei- spiels wird dies dokumentiert. Das vorliegende Buch wendet sich nicht nur an Pflegefachkräfte, sondern soll allen in einer Altenpflegeinrichtung Tätigen einen umfassenden Einblick in die Situation der ihnen an- vertrauten Menschen geben. Darüber hinaus möchte es ein Bewusstsein dafür schaffe, dass »bedürfnisorientierte Altenpflege« nur dann gelingen kann, wenn alle Mitarbeiter und Mit- arbeiterinnen ihre Ideen, ihr Können und Engagement gleichberechtigt einbringen können. Neben der Darstellung hilfreicher theoretischer Modelle und diagnostischer Möglichkeiten wird speziell auf konkrete Begleitmöglichkeiten im Kontakt mit alten Menschen hingewie- sen. Beispiele aus der Praxis und Fallgeschichten ergänzen die Ausführungen. Schließlich sollen Impulse für eine persönliche Auseinandersetzung mit den Kernthemen eine indivi- duelle Vertiefung unter dem Aspekt der Psychohygiene erleichtern. Viele haben dazu beigetragen, dass dieses Buch entstehen konnte. An erster Stelle möchte ich mich bei jenen alten Menschen bedanken, die mir ihre Geschichten und ihre Geschichte anvertraut und aus ihrem Leben erzählt haben. Ihnen verdanke ich eine wesentliche Erwei- terung meiner Sichtweise von Altsein! Danken möchte ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen innerhalb und außerhalb von Altenpflegeeinrichtungen für die bereichernden Dis- kussionen und Denkanstöße. Meiner Familie ein Dank für ihre Geduld und ihre Unterstüt- zung, das Buch Wirklichkeit werden zu lassen. Schließlich möchte ich dem Springer-Team um Ulrike Niesel danken, das mir einmal mehr sein Vertrauen geschenkt und die Realisie- rung meiner Idee ermöglicht hat. VII Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 1 2 Alter – eine besondere Lebenszeit � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 5 2�1 Veränderungen im Alter � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 8 2�1�1 Biologische Veränderungen im Alter � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 9 2�1�2 Psychosoziale Veränderungen im Alter � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 11 2�2 Altern aus der Sicht von Defizit- und Aktivitätsmodellen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 15 2�3 Was das Altern schwer machen kann: vom Umgang mit Kränkungen � � � � � � � � � � � � � � � � � 18 2�4 Bedürfnisse und ihr Stellenwert in der Altenpflege � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 22 2�5 Fremdunterbringung: zwischen Verlust und Entlastung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 25 2�5�1 Ausgangssituationen einer Fremdunterbringung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 25 2�5�2 Trauer als mögliche Reaktion auf Fremdunterbringung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 30 2�6 Fazit � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 37 Verwendete und weiterführende Literatur � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 38 3 Alte Menschen verstehen und begleiten: ganzheitliche Betreuungsarbeit � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 41 3�1 Der erste Schritt ins Heim � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 42 3�1�1 Das Erstaufnahmegespräch � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 43 3�1�2 Wichtige Kommunikationsaspekte für die Praxis � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 46 3�1�3 Biografiearbeit � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 54 3�2 Schmerzzustände alter Menschen: Verstehen und Lindern � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 65 3�2�1 Unterschiedliche Schmerzformen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 66 3�2�2 Schmerzerleben � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 69 3�2�3 Schmerzen erfassen und lindern � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 71 3�2�4 Komplementäre Schmerztherapie am Beispiel »heilsame Berührungen« � � � � � � � � � � � � � � � � � 78 3�3 Das Syndrom Demenz: auf der Suche nach geeigneten Begleitmöglichkeiten � � � � � � � � 81 3�3�1 Psychosoziale Begleitmöglichkeiten bei Demenz � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 83 3�3�2 Vom Umgang mit Schmerzen bei dementen Menschen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 94 3�4 Sterbebegleitung im Heim: Herausforderung und Chance � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 99 3�4�1 Wenn das Leben zu Ende geht: Sterbeprozess � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 100 3�4�2 Begleitansätze für den letzten Lebensabschnitt � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 102 3�4�3 Angehörigenbegleitung � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 112 3�4�4 Abschiedskultur in Heimen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 116 3�5 Fazit � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 119 Verwendete und weiterführende Literatur � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 121 4 Interdisziplinäre Weiterbildungen am Beispiel Hospizkultur und Palliative Care in der Altenpflege: ein Ausblick � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 125 Verwendete und weiterführende Literatur � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 136 Serviceteil Stichwortverzeichnis � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 138 1 1 Einleitung Monika Specht-Tomann M. Specht-Tomann, Ganzheitliche Pflege von alten Menschen, DOI 10.1007/978-3-662-47505-8_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 2 Kapitel 1 • Einleitung Ein Altenheim ist der letzte wichtige Lebensraum lassen den relativ klar vorgegebenen Weg, den es 1 für Menschen, die nicht mehr in den eigenen vier für bestimmte Krankheitsbilder in der Pflege gibt. Wänden leben können oder wollen. Es ist ein Ort, Sie führen in Bereiche, in denen es um eine Zu- an dem Menschen in der Regel körperlich gut und sammenschau unterschiedlichster Lebens- und Er- umfassend betreut und begleitet werden. Dies ist lebensbereiche der Bewohner und Bewohnerinnen aber auch ein Ort, an dem alte Menschen in ihrer geht. Es geht um ein ganz bewusstes Wahrnehmen Einzigartigkeit wahrgenommen und als Personen individueller Bedürfnisse seitens der Pflegenden mit Geschichte gewürdigt, wertgeschätzt und be- auf dem Hintergrund des jeweils gelebten Lebens gleitet werden sollten. In diesem Zusammenhang der Betreuten. sei gleich zu Beginn der Begriff »biopsychosozial« Bedürfnisorientierte Pflege ist mehr als ein eingeführt, der darauf hinweist, dass es sich bei »Versorgen« alter Menschen. Bedürfnisorientierte dem in diesem Buch vertretenen Konzept von Al- Pflege meint, den alten Menschen dort abzuholen, tenarbeit sowohl um Begleitansätze auf der körper- wo er nach all den vielen Lebensjahren steht – und lichen Ebene handelt, als auch um Vorstellungen das wird bei jedem Einzelnen ein bisschen anders und Überlegungen, die sich auf den seelischen und aussehen. Durch die Komplexität eines solchen sozialen Bereich beziehen. Betreuungsansatzes ist es notwendig, einzelne Bau- Nur durch das Eingehen auf die drei unter- steine genauer zu betrachten, die für eine positive schiedlichen Ebenen – die körperliche, die seelische Implementierung einer bedürfnisorientierten Pfle- und die soziale – kann eine bedürfnisorientierte ge in Institutionen notwendig sind. Die inhaltliche und ganzheitliche Pflege greifen und zu einer guten Positionierung ist ein ganz wichtiges Element bei Lebensqualität der Bewohner und Bewohnerinnen diesem Prozess und lässt sich auch in Pflegestan- von Altenpflegeeinrichtungen führen. Dabei han- dards zusammenfassend festlegen. Darüber hinaus delt es sich um ein sehr ambitioniertes Anliegen, ist aber auch daran zu denken, wer für den jeweili- das spezielle Anforderungen an die Heimleitungen gen Bewohner, für die jeweilige Bewohnerin als Be- und alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellt. zugsperson wichtig und bedeutsam wird. Der »letz- Die Realisierung dieses Ansatzes in Altenpflegeins- te Lebensraum Altenheim« besteht nicht nur aus titutionen ist bislang noch keine Selbstverständlich- Pflegefachkräften. Er besteht auch aus einer ganzen keit. Dies mag unter anderem daran liegen, dass es Reihe anderer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, bisher einer jahrzehntelangen Tradition entsprach, die in der Begegnung mit den alten Menschen zu Altenpflegeeinrichtungen eher in Anlehnung an wichtigen Orientierungshilfen und Gesprächspart- Krankenstationen auszurichten und somit die Be- nern werden können. Soll eine bedürfnisorientierte treuungsaufmerksamkeit auf die körperliche Ebene Pflege gelingen und zum Wohl der Bewohnerin- zu konzentrieren. Wenn man sich die vielfältigen nen und Bewohner funktionieren, müssen alle Einschränkungen und körperlichen Beschwerden Personen, die in der Institution Altenpflegeheim von alten Menschen in den entsprechenden Insti- tätig sind, über die wesentlichen Säulen einer be- tutionen vor Augen hält, lässt sich dieser Zugang dürfnisorientierten Pflege informiert sein und an- durchaus nachvollziehen. wendungsbezogen geschult werden. Es geht dabei Anders sieht es allerdings dann aus, wenn man zum einen um Wissensvermittlung, zum anderen beim Thema der Fremdunterbringung in Pflege- um die Sensibilisierung für eine wertschätzende, heimen den Aspekt »letzter Lebensraum« stärker verständnisvolle und einfühlsame Grundhaltung betont. Was bedeutet es, diese letzte Umwelt für gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern Betroffene schön und lebenswert zu gestalten? Was und deren Bedürfnissen. Ein Blick in die Praxis so bedeutet es, umfassende Bedürfnisse wahrzuneh- mancher Pflegeeinrichtungen zeigt, dass hier noch men und ihnen auf einer jeweils sehr individuel- großer Aufholbedarf besteht – auch wenn Leitbil- len Ebene zu begegnen? Wie kann gelebtes Leben der von Pflegeeinrichtungen oft den Eindruck ver- gewürdigt und wertgeschätzt werden? Wie kann mitteln, »alles« sei möglich und bereits realisiert der letzte Lebensabschnitt gestaltet und nicht nur worden. verwaltet werden? Diese und ähnliche Fragen ver- 1 3 Einleitung Im vorliegenden Buch werden jene Aspekte ge- gen? Welche Möglichkeiten der Schmerzlinderung nauer beleuchtet, die zu einer umfassenden Betreu- stehen zu Verfügung? Was ist im Umgang mit de- ungsaufmerksamkeit gehören und eine bedürfnis- menten Menschen zu berücksichtigen? Wie kann orientierte, ganzheitliche Altenpflege und -beglei- man auf Trauernde zugehen? Was brauchen Men- tung ermöglichen, die von einer palliativen Grund- schen in ihren letzten Lebensstunden? Antworten haltung aller Beteiligter getragen wird. Diese pal- auf diese und ähnliche Fragen sollen professionel- liative Grundhaltung beinhaltet ein tiefes inneres len Begleiterinnen und Begleitern Basisinformatio- Akzeptieren, dass körperliche, seelische, spirituelle nen, Orientierungshilfen und Denkanstöße liefern. oder soziale Probleme, Einschränkungen, Defizite Schließlich wird auch der Frage nachgegangen, und Beeinträchtigungen zwar in vielen Fällen nicht wie es gelingen kann, einen bedürfnisorientierten geheilt – »kuriert« – wohl aber gelindert werden Pflegeansatz in den Institutionen zu implemen- können. Das Eingehen auf die jeweils vorliegen- tieren. Anhand eines konkreten Projekts aus der de Symptomatik und ein einfühlsames Begleiten Pflegepraxis kann aufgezeigt werden, welche Vor- im Sinne palliativer Maßnahmen ist nicht nur auf teile dieser Ansatz sowohl für die Mitarbeiter und eine Sterbebegleitung im engeren Sinn beschränkt Mitarbeiterinnen als auch für die Bewohner und und beginnt demnach nicht erst in den letzten Le- Bewohnerinnen und deren Angehörige hat. Er- benstagen, sondern sollte bereits bei Eintritt in eine gänzt und konkretisiert werden die theoretischen Pflegeinstitution greifen. Ausführungen durch Beispiele aus dem Lebens- Zu Beginn der nachfolgenden Ausführungen alltag von Bewohnern und Bewohnerinnen. Sie werden Leser und Leserinnen über wichtige Wis- machen sichtbar, wie unterschiedlich die an einer sensaspekte zur Lebensspanne Alter informiert. Es bedürfnisorientierten Altenpflege ausgerichteten geht dabei um alterstypische Merkmale, um spezi- Begleitungen ausfallen können. Dabei wird auch fische Veränderungen im Alter und jene psychoso- deutlich, wie wichtig die Arbeit an einer »inneren zialen Aspekte, die in der Betreuung und Beglei- Haltung« aller am Pflegeprozess Beteiligten ist, wie tung von hoher Relevanz sind. Ein Blick auf die sehr fachliche und überfachliche Fähigkeiten und menschlichen Grundbedürfnisse in ihrer Bedeu- Fertigkeiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tung für den Umgang mit alten Menschen liefert zum Wohl aller einfließen und so nicht nur zu einer ergänzende Informationen. Durch die Ausführun- erhöhten Betreuungszufriedenheit seitens der Be- gen soll den Betreuerinnen und Betreuern in Pfle- wohner und Bewohnerinnen führen, sondern auch geeinrichtungen ein emotionales Nachempfinden zu einer größeren Berufszufriedenheit der in einer der Lebenssituation ihrer Bewohner und Bewohne- Altenpflegeeinrichtung Tätigen. rinnen erleichtert werden. Neben der Vermittlung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, dem gan- und Vertiefung fundierter Grundkenntnisse wer- zen Team einer Einrichtung einen Zugang zu Di- den Möglichkeiten aufgezeigt, wie dieses Wissen mensionen der Begleitung zu ermöglichen, die in eine an der Individualität der alten Menschen den Rahmen enger fachlicher Qualifizierung und orientierten Begleitung einfließen kann. Spezifizierung ergänzen und erweitern. Ganzheit- Im Anschluss an die Ausführungen über die liche Betreuungs- und Pflegekonzepte in die Pflege- Besonderheiten des Lebensabschnitts Alter und realität umzusetzen bedarf einer fachspezifischen erste Ausblicke auf betreuungsbezogene Aspek- und fachübergreifenden Schulung, aber auch einer te werden jene Bereiche dargestellt, die im Zu- intensiven Auseinandersetzung mit persönlichen sammenhang mit einer Fremdunterbringung von Werten und inneren Grundhaltungen. In einem hoher Praxisrelevanz sind. Dabei wird ein weiter ausgewogenen Zusammenspiel dieser Elemente Bogen gespannt, der von der Aufnahme einer Be- kann Pflege eine neue Qualitätsdimension errei- wohnerin oder eines Bewohners bis hin zu seinen chen und sich nachhaltig positiv auf das Klima in letzten Stunden in der Institution Altenheim reicht. den Altenpflegeeinrichtungen auswirken. »Bedürf- Dementsprechend kommen die Themen Kommu- nisorientierte Altenpflege« liefert Bausteine für ein nikation, Schmerz, Demenz, Trauer und Sterbebe- Gelingen dieses Pflegeansatzes und möchte so seine gleitung zur Sprache: Wie können Gespräche gelin- Umsetzung in möglichst vielen Pflegeeinrichtungen

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