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Frankreich-Jahrbuch 1995: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Geschichte, Kultur PDF

284 Pages·1996·5.93 MB·German
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Frankreich-Jahrbuch 1995 Frankreich-J ahrbuch 1995 Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Geschichte, Kultur Herausgeber: Deutsch-Französisches Institut in Verbindung mit Lothar Albertin . Hans Manfred Bock Marieluise Christadler . Adolf Kimmel logo Kolboom . Robert Picht Redaktion: Henrik Uterwedde Leske + Budrich, Opladen 1996 ISBN 978-3-322-97330-6 ISBN 978-3-322-97329-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97329-0 © 1996 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. lede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfáltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich Vorwort Der achte Band des Frankreich-Jahrbuches, den wir hier vorlegen, bildet die Fortsetzung einer Initiative des "Arbeitskreises sozialwissenschaftliche deut sche Frankreichforschung" beim Deutsch-Französischen Institut. Das Jahrbuch versteht sich als Beitrag der Wissenschaft zu besserer Frank reichkenntnis für eine gröBere Öffentlichkeit. Es ist also nicht als Sammel band für Spezialstudien angel egt. Diese sollen weiterhin dort erscheinen, wo sie hingehören: in den Zeitschriften der einzelnen Fachdisziplinen. Das Frank reich-Jahrbuch geht weiter. Es versucht, Zusammenhänge zu erschlieBen und sie so darzustellen, daB sie für alle diejenigen aufschluBreich sind, die sich in Politik, Wirtschaft, Kultur und Bildung mit französischen Fragen befassen oder sich ganz allgemein für unseren wichtigsten Nachbarn interessieren. Mit anderen Worten: Es will jenes Hintergrundwissen vermitteln, das zum Ver ständnis der Berichterstattung in den Medien, aber auch zur Erarbeitung ei gener Stellungnahmen erforderlich ist. Daher wird das Jahrbuch kontroverse Meinungen, wie sie selbstverständlich auch unter Frankreich-Forschern be stehen, dokumentieren. Die ErschlieBung von Zusammenhängen ist nur unter zwei Voraussetzun gen möglich. Zum einen erfordert sie einen multidisziplinären Ansatz. Wir verstehen Frankreich-Forschung nicht sozialwissenschaftlich im engeren Sinn. Ohne Beiträge zur Geschichte, Philosophie, Literatur, Kunst und Alltagskultur ist die Entwicklung der französischen Gesellschaft nicht zu verstehen. Zum an deren wird es darum gehen, Frankreich nicht als freischwebende Monade (etwa aus der Sicht der sogenannten "Landeskunde"), sondern als integralen Bestand teil Westeuropas zu begreifen. Das bedeutet, neben den Eigenarten der franzö sischen Problematik auch die Tendenzen zu untersuchen, die allgemeinerer Natur sind: Dies wirft Licht auf Strukturen, die der Alte Kontinent als Grundla ge einer gemeinsamen Zukunft herauszubilden beginnt. Die Herausgeber: Lothar Albertin, Hans Manfred Bock Marieluise Christadler Adolf Kimmei Inga Kolboom Robert Picht Inhalt Vorwort..................................................................................................... 5 Gilbert Ziebura Staat, Wirtschaft und Gesellschaft am Ende der Ära Mitterrand. Kontinuitäten, Brüche, Perspektiven......................................................... 9 Themenschwerpunkt: Wahrnehmungsmuster zwischen Deutschland und Frankreich Hans Manfred Bock Wechselseitige Wahrnehmung als Problem deutsch-französischer Beziehungen . ............ ...... .......... ................................. ................................ 35 JosephJurt Deutsch-französische Fremd-und Selbstbilder in der Literatur und Publizistik der Gegenwart ........ ........ ............................ ........ .......... ........... 57 Ursula Koch Wechselseitige Wahrnehmung in den Medien ...................... .................... 81 Michel Grunewald Frankreich in deutschen Kulturzeitschriften 1871-1939. Einige Überlegungen zur Konstituierung von Wahrnehmungsmustern im bilateralen Kontext............................................................................... 97 Mechtild Rahner Selbst-und Fremdwahrnehmungsmuster in der Rezeption des französischen Existentialismus nach 1945 in Deutschland.. .......... ..... 113 Jacques Pateau Die Lösung von technischen und organisatorischen Problemen in deutsch-französischen Unternehmen: ein interkultureller vergleichender Ansatz ........................................................................................................ 133 Axel Sauder Integration und Souveränität: Paradigmen der deutschen und französischen Sicherheitspolitik ................................................................ 153 8 lnhalt Robert Picht Welches Europa soli es sein? Unterschiedliche Wahrnehmungsmuster deutscher und französischer Europapolitik ............................................... 175 Beiträge Wolfgang Asholt "Das Ungeheuer, das Paris umgibt". Banlieue und französische Gegenwartsliteratur ................................................................................... 189 Gerhard Höhn Das Ende der Meisterdenker oder: Was kommt nach dem Poststrukturalismus? Ein kritischer Versuch über die französische Philosophie zum Fin de siècle ................................................................... 201 Rezensionen Margot Taureck Neue Sicht auf Deutschland von links des Rheins? .. ... ..... .......... .............. 219 Hans-Jürgen Lüsebrink Neuerscheinungen im Bereich der "French Cultural Studies" .................. 229 Joachim Schild Wandel politischer Beteiligungsformen in Frankreieh .............................. 233 Dokumentation Chronik 1994/95........................................................................................ 241 Wirtschaftliche und soziale Basisdaten ..................................................... 249 Präsidentschaftswahl vom 23.4.n.5.95 ..................................................... 251 Zusammensetzung der Regierung Juppé ................................................... 251 Kommunalwahlen vom 11.118.6.1995 ...................................................... 252 Senatswahlen vom September 1995 .......................................................... 253 Deutschsprachige Neuerscheinungen zum Thema Frankreieh.................. 254 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................... 283 Personenregister ....................... ................................................................. 285 Sachregister .............................. ............... ................................ .................. 290 Zu den Autoren ...... .......... ................ ........... ......................... ..................... 292 Gilbert Ziebura Staat, Wirtschaft und Gesellschaft am Ende der Ära Mitterrand Kontinuitäten, Brüche, Perspektiven 1. Die Dialektik van Kantinuität und Wandel Die erste Frage stellt sich von selbst: Wie hat Frankreich auf die gewaltigen Umbrüche der externen Rahmenbedingungen, die Globalisierung der Ökono mien und den Zusammenbruch der Nachkriegsordnung, mit denen es unter der doppelten Präsidentschaft François Mitterrands konfrontiert war, rea giert? Die gröBte Herausforderung für alle Länder in dieser Periode bestand ja darin, daB sie angesichts der Doppelkrise von Weltwirtschaft und Welt poli tik zu Anpassungen gezwungen waren, die von auBen auferlegt wurden: Die "Definitionsmacht" (Narr/Schubert 1994) über innergesellschaftliche Pro zesse verlagerte sich in neu entstehende transnationale Realitäten. Daraus er gab sich ein grundlegender Widerspruch: Während die Handlungsmargen der Nationalstaaten enger werden, wird von ihnen und den sozialen Akteuren zugleich ein ungeheurer Kraftakt zur Bewältigung der Veränderungen ver langt. Wie viele andere Länder muB auch Frankreich, dem es freilich beson ders schwer fällt, den Weg von der "Logik der (nationalen) Unabhängigkeit" zur "Log ik der Interdependenz" (Taddéi/Coriat 1993, 335) finden, einen Weg, der, in den Worten des Commissariat général du Plan, "weder den ver zweifeiten Rückzug auf das nationale Sanktuarium noch den leichtfertigen Verzicht auf jede legitime Besonderheit" bedeutet (de Foucauld 1993, 54). Mitterrand war sich dieses Umstands voll bewuBt. In einem erstaunlich of fenherzigen Interview am Ende seines Mandats erklärte er: "Der Wirtschaftsaufschwung kommt von auBen. wie auch die Krise von auBen kam. Das ist ein Faktum, das nicht von der Politik der französischen Regierung abhängt, aber je nachdem, wa~ die se tut, wird Frankreich mehr oder weniger davon profitieren" (Le Figaro, 8.9.1994). Die Kunst der Politik reduziert sich auf richtiges Reagieren ! Wie verhält es sich aber mit den viel beschworenen auBenwirtschaftlichen Anpassungszwängen (contraintes extérieures) genau? Dienen sie nicht bis weilen als Alibi für Politikverzicht, für Resignation? Wie immer: Entschei dend ist die Frage, was an diesem AnpassungsprozeB spezifisch französisch oder aber Teil eines allgemeinen, übergreifenden Entwicklungstrends ist, dem sich alle (besonders westeuropäische) Länder mehr oder weniger unter werfen müssen? Wie sieht das Verhältnis von Subjekt- und Objektrolle, von interner Selbstbestimmung und externer Determinierung aus, wie also stellt sich das Problem nationaler Gestaltungsspielräume? JO Gilbert Ziebura "Die Frage lautet, ob wir fáhig sind, genügend vorauszuschauen, urn uns behutsam über frei diskutierte und akzeptierte Entscheidungen anzupassen, oder ob wir abwarten müssen, bis die Gesellschaft explodiert, urn dann unter dem Druck der Ereignisse zu versuchen, ei ne letzte Antwort auf Herausforderungen zu finden, denen wir ausgesetzt sind" (de Jouvenel 1994, 72). LäBt sich unter diesen Bedingungen eingeschränkter Handlungsfähigkeit über haupt von einer "Ära Mitterrand" reden? Mitterrand selbst hat immer wieder beklagt, nicht das erreicht zu haben, was er hätte erreichen wollen (z.B. Mit terrand/Wiesel 1995, 205ff.). Er habe die Schwerkraft der Gesellschaft, das Gewicht der Gewohnheiten unterschätzt. Aber das ist nicht die ganze Wahr heit. Vergleicht man ihn mit dem General de GaulIe, den er lange bekämpft, aber heimlich bewundert hat, wird der Unterschied deutlich. De GaulIe besaB ein Projekt, verkörperte ei ne "Idee von Frankreich" jenseits aller Kontingen zen, lieB sich von der Vision einer stolzen, starken Nation vorantreiben, mit welcher Berechtigung und welchem Erfolg auch immer. Seine Prägekraft auf die jüngste Geschichte Frankreichs ist evident. Immerhin war es allein ihm zu verdanken, wenn die Katastrophe der Niederlage von 1940 nicht tiefere Spuren in der nationalen Psyche hinterlassen hat. Nichts dergleichen läBt sich von Mitterrand sagen. De GaulIe gegenüber wirkt er, schon äuBerlich, blaB, schattenhaft, verschlossen, fast in sich ge kehrt.1 Visionen verfolgte er nur, wenn es urn die Verwirklichung groBer Bauvorhaben ging, die nun in der Tat das Stadtbild von Paris schmücken. Während de GaulIe Politik als Strategie im Dienst einer groBen Ambition verstand, erschöpfte sie sich für Mitterrand in der freilich meisterhaft ge handhabten Taktik des Tagesgeschäfts. Er hantierte mit ihr wie mit einem Florett, alle Finessen nutzend bis in die Abgründe des Machiavellisrnus hin ein. Kein Wunder, wenn er groBe Schwierigkeiten hatte, den weltgeschicht lichen Umbruch von 1989/91 zu begreifen. Alain Minc wirft ihm vor, er habe versäumt, an die Stelle der nun zwangsläufig niedergehenden tradierten Eu ropäischen Gemeinschaft ein neues Konzept gesetzt zu haben (was leichter gesagt als getan ist!). Für ihn ist Mitterrand kein Erneuerer, sondern ein "Ab wehrspieler", während de Gaulle als "Stürmer" agierte (Minc/Séguin 1995, 107f.). In dies es Bild paGt es, wenn Mitterrand selbst als wichtigste Bilanz seiner Amtszeit die Verteidigung von Recht und Gerechtigkeit, die Abschaf fung der Todesstrafe, den Kampf gegen Segregation und Unterdrückung in der Dritten Welt nennt (Mitterrand/WieseI1995, 207). Oder haben die (sich mehrenden) Stimmen recht, die mit der "Ära Mit terrand" ambivalente, sogar eindeutig negative Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft verbinden? Die vier Machtwechsel, die 1981, 1986, 1988 und 1993 stattgefunden haben, bewirkten unzweifelhaft eine "Banalisierung" der Institutionen der Fünften Republik. Ihre Akzeptanz ist im Grundsatz unUID stritten. Aber die Frage stellt sich, ob der Preis, der dafür gezahlt werden muB- Aus seinem Gespräch mit Elie Wiesel (S. 17) erfáhrt man, daB er schon als Kind Schwierigkeiten hatte, mit anderen zu kommunizieren, daB er schüchtern war und sich niemanden anvertraut hat. Staat, Wirtschaft und Gesel/schaft am Ende der Ära Mitterrand 11 te, nicht zu hoch ist: die tiefgreifende Entideologisierung, die Aufweichung des überkommenen Rechts-Links-Schemas (Schweisguth 1994; ImbertiJulli ard 1995; Généreux 1995), der Niedergang der Sozialistischen Partei und die Hegemonie eines heterogenen Bündnisses aus (Neo)Liberalen, Konservati ven und Neogaullisten. Ist damit das, was als "französische Ausnahme", also als Kern nationaler Identität, gilt, einer neuen Normalität im Sinn der Anpas sung an transnational-europäische Realitäten gewichen (Leggewie 1989; Saint-Étienne 1992; Ziebura 1993; Weinberg 1994)? Besteht das wesentliche Erbe des Mitterrandismus in einem faden Konformismus der Mitte (Furetl Julliard/Rosanvallon 1988), in einer "Vollendung des Giscardismus", mehr noch im Verfall oder zumindest in einer Transformation des Politischen selbst (Rémond 1993; Thibaud 1995; Minc 1995)? Haben hier die immer wie der beklagte geistige Leere und Orientierungslosigkeit, vor allem aber die "Karenz der Moral" (Colombani/Portelli 1995, 11), die im Land herrschen sollen, ihre Wurzeln? In ei ne ähnliche Richtung weist die zwei te StoBrichtung der Kritik: die unter Mitterrand vorangetriebene "Präsidentialisierung" des Regimes bis hin zur Entstehung einer "republikanischen Monarchie". Der Entideologisierung entsprach damit eine Entdemokratisierung, nicht zuletzt über den weiteren Bedeutungsverlust der intermediären Kräfte. Tatsächlich hat die oft höchst undurchsichtige, sphinxhafte Manipulation der Macht, wie sie Mitterrand mit Hilfe eines aufgeblähten Apparats vom Elysée-Palast aus bis in marginale ta gespolitische Probleme hinein betrieben hat, einen Trend zur Oligarchisie rung und Feudalisierung, sogar zur Korruption mangels KontrolIe begünstigt. Es ist schon ein bemerkenswerter und bezeichnender Treppenwitz der Ge schichte, wenn Mitterrand, der die Verfassung der Fünften Republik aus der Opposition als "permanenten Staatsstreich" bezeichnet hat, nun genau das noch akzentuierte, was er de GaulIe vorgeworfen hatte. So hat in den Augen vieler Franzosen ausgerechnet ein "linker" Staatspräsident dazu beigetragen, das republikanische System, den Staat der mündigen Bürger, zu schwächen und damit die Kluft zur Gesellschaft, Quelle vieler Frustationen, zu vertiefen. Es trat ein, was man die "französische Regression" genannt hat (Joffrin 1992; Cayrol 1994; Plenel 1994 u.a.), die freilich auch anderswo zu beobachten ist. Träfe diese Einschätzung der "Ära Mitterrand" zu, steIlte sie ei ne Periode in der Geschichte Frankreichs dar, in der das Land (wieder einmal) nicht auf der Höhe der historischen Herausforderungen gestanden hat. Natürlich liegen die Dinge komplizierter. Die entscheidende Frage nach den Handlungsspielräumen, oh ne die auch die Rolle des Staatspräsidenten nicht zu beurteilen ist, läBt sich erst nach dem Versuch einer Analyse der Dialektik von Kontinuität und Wandel unter den Bedingungen veränderter internationaler Rahmenbedingungen beantworten. Dieses reichlich ambitio niert erscheinende Vorhaben wird dadurch erleichtert, daB (zufällig?) sowohl am Anfang wie am Ende der Amtszeit Mitterrands je ein Dokument vorliegt, in dem sich der geballte Sachverstand einer (jeweils anders zusammengesetz ten) groBen Zahl hervorragender.Experten darum bemühte, den Zustand des 12 Gilbert Ziebura Landes in einer parteipolitisch neutralen und daher streckenweise sehr kriti sc hen Wahrheitssuche zu ergründen. Was fanden sie heraus? Die Dialektik von Kontinuität und Veränderung Im Juni 1981 ernannte Premierminister Pierre Mauroy auf Veranlassung Mit terrands eine "Commission du Bilan" unter dem Vorsitz des damals wohl einfluBreichsten Technokraten, des Inspecteur général des finances François Bloch-Lainé. Bereits Ende des Jahres legte sie ihren Bericht vor.2 Referenz periode war die Präsidentschaft Giscard d'Estaings, die im Mai 1974 wäh rend der ersten Welle der Weltwirtschaftskrise begann, urn im Mai 1981 während der zweiten Welle dieser Krise in einer Stimmung aIlgemeiner Nie dergeschlagenheit zu enden. Die zentrale Fragestellung der Kommission lau tete, ob Frankreich "die durch die Entwicklung der modernen Welt (konkret durch die Weltwirtschaftskrise, G.Z.) und durch die Schwerkraft seiner eige nen Vergangenheit gestellten Probleme besser oder weniger gut als ver gleichbare Länder gelöst hat." Folgerichtig stand die Rolle externer Einflüs se, historisch gewachsener Strukturen und des Staates im Mittelpunkt des Interesses. Die grundlegenden Aussagen des Berichts kann man nur als nieder schmetternd bezeichnen. Was den Zustand von Wirtschaft und Gesellschaft betrifft, so ist er von einem tiefen KrisenbewuBtsein geprägt. Man habe die Komplexität der Krise unterschätzt, insbesondere die Mutationen der Welt wirtschaft und die Auswirkungen niedrigerer Wachstumsraten. Das Drama habe vor allem darin bestanden, daB die Krise Frankreich getroffen hat, be vor es seine tradierten Schwächen überwinden konnte: die inflationistischen Gewohnheiten, die dünne Finanzdecke der Unternehmen, die tiefen sozialen Ungleichheiten, die zentralistischen Strukturen. Daraus erklärt sich, daB sich Anfang 1981 die Probleme kumulierten: Schwächung des Franc; wachsende Haushaltsdefizite (besonders der Sozialversicherung), also ei ne Krise der öf fentlichen Finanzen; gravierende Verschlechterung der Handelsbilanz; unge bremste Preissteigerungen; Krise der "planification". In ihrem Urteil nahm die Kommission kein Blatt vor den Mund: Bei der Bekämpfung der struktu rellen Ursachen der Inflation, insbesondere aber der Arbeitslosigkeit (Mai 1981 = 1,6 Millionen) habe die Politik jämmerlich versagt; sie sei "die schwer ste Niederlage Giscards" und "unbestritten die Hauptursache der Schwäche Frankreichs zu Beginn der achtziger Jahre." Unter Berücksichtigung der be schleunigten Internationalisierung der ökonomischen Aktivitäten (Export = = quote 1961 14,5%; 1980 22,1%) und der damit verbundenen vertieften Integration in die internationale Arbeitsteilung steIlte sich für die Kommissi- 2 Der Bericht besteht aus einem "rapport général" und fünf "rapports sectoriels", sämt lich Fundgruben reichen empirischen MateriaIs. Hier können nur einige Leitgedan ken des "rapport général" herausgearbeitet werden.

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