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Figurationen sozialer Macht: Autorität — Stellvertretung — Koalition PDF

287 Pages·1991·11.216 MB·German
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Wolfgang Sofsky / Rainer Paris Figurationen sozialer Macht Wolfgang Sofsky Rainer Paris Figurationen sozialer Macht Autorität - Stellvertretung - Koalition + Leske Budrich, Opladen 1991 ISBN 978-3-322-97218-7 ISBN 978-3-322-97217-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97217-0 © 1991 by Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwenung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfiiltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich, Opladen Inhalt Vorbemerkung ................................................................... 7 I. Einleitung: Macht und Organisation.............................. 9 11. Autorität .............................................................. . 19 1. Die Struktur der Autorität ......................................... . 20 2. Autoritätstypen in Organisationen ................................ . 34 2. 1. Amtsautorität ........................................................ . 35 2.2. Sachautorität ......................................................... . 41 Fallstudie: Anweisungen ohne Anweisung ...................... . 45-50 2.3. Organisationsautorität .............................................. . 52 Fallstudie: Alternative Geschäftsführung ....................... . 54-59 2.4. Funktionsautorität ................................................... . 62 2.5. Charisma ............................................................. . 67 3. Autoritätsprozesse ................................................... . 73 3.1. Aufbau und Reproduktion ......................................... . 73 Fallstudie: Die Arbeitsbesprechung .............................. . 85-96 3.2. Zerfall ................................................................ . 98 111. Stellvertretung ............. ........... ............... ................. 111 1. Die Struktur der Stellvertretung ................................... 112 2. Vertretungsmuster .................... .................. .............. 118 3. Verselbständigung ..... ............... ............ ........... ......... 127 3.1. Die Organisation der Stellvertretung .......... ........ ... ......... 128 3.2. Regelstrukturen ...... ................. ................ ....... ......... 134 Fallstudie: Betriebsverfassung und Delegationsregeln ......... 141-145 4. Das Publikum ........................................................ 145 Fallstudie: Der oppositionelle Betriebsrat ....................... 149-153 5. Die Rhetorik der Repräsentation ...... ....... ..................... 159 6. Transformationen ....... ..... ..... .... ... ........ .................... 166 5 7. Revolution. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Koalition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Die Struktur der Koalition .......................................... 188 2. Koalitionstypen ....................................................... 192 Fallstudie: Der Streit um die Druckfarbe ........................ 196 -200 3. Koalitionsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3.1. Kontaktlinien und Kanalarbeit ..................................... 206 3.2. Verschiebungen im Machtfeld ...................................... 213 Fallstudie: Partizipation zwischen Reform und Hierarchie .... 218-225 3.3. Gemeinsamkeiten .................................................... 229 Fallstudie: Unternehmen COSA oder: Der unendliche Marsch der Allparteienkoalition . 233 -240 3.4. Normative Strukturen ............................................... 246 3.5. Anlässe und Themenarbeit ......................................... 250 4. Stabilität und Zerfall .......... .............................. ......... 257 4.1. Gefahren ............................................................... 258 4.2. Maßnahmen ........................................................... 267 4.3. Das Ende.................................... .......................... 276 Literatur ..................................................................... 287 6 Vorbemerkung Die vorliegende Studie beruht auf einer Forschungsarbeit, die von der Deut schen Forschungsgemeinschaft gefördert und am Soziologischen Seminar der Universität Göningen durchgeführt wurde. Beiden Institutionen danken wir für die Unterstützung. Dank schulden wir auch allen Informanten im Feld, die uns bereitwillig Auskunft gegeben oder unabsichtlich ihre Machtspiele vorge führt haben. Besonders dankbar sind wir Walter Girschner, der frühere Fassungen des Manuskripts kritisch kommentiert hat. Seine Projektleitung zeichnete sich durch die Abwesenheit jeglicher Macht und immer hilfreiche Unterstützung aus. Angelika Mauterodt-Schnell war an der Erhebung und Interpretation der empirischen Daten beteiligt. Das Kapitel 11. wurde von Rainer Paris, die Kapitel III. und IV. von Wolf gang Sofsky geschrieben, der auch das gesamte Vorhaben konzipiert hat. Diese Arbeitsteilung berührt nicht unsere gemeinsame Verantwortung für die gesamte Studie. Göuingen / Berlin im Juli 1990 Wolfgang Sofsky Rainer Paris 7 I. Einleitung: Macht und Organisation Niemand hat Macht für sich allein. Macht entsteht, wenn Menschen aufeinan der treffen und zusammen handeln, und sie verschwindet, sobald sie sich wie der zerstreuen. Die sicherste Methode, Macht zu verhindern, ist die Auflö sung der Gesellschaft. Denn Macht ist stets soziale Macht. Der Wille des ei nen ist das Tun des anderen. Jemand hat Macht, weil er Macht über andere hat, weil er ihnen seinen Willen aufzwingen kann. Die einzige Bedingung, die für die Entstehung von Macht unerläßlich ist, ist die Existenz eines sozialen Zusammenhangs. Macht gibt es nur, wo Menschen sich zueinander verhalten, wo sie gemeinsam arbeiten, miteinander sprechen oder einander bekämpfen. Umgekehrt gilt freilich ebenso: Wo immer Menschen sich zueinander verhal ten, kann sich Macht herausbilden. Allezeit ist Macht eine menschliche Mög lichkeit. Wer Macht sagt, sagt auch Gesellschaft, doch wer Gesellschaft sagt, sagt immer auch Macht. Der Grund dafür ist einfach. Solange Menschen han deln und nicht zu Marionetten fremder Mächte verkümmern, überschreiten sie sich selbst und stoßen dabei immerzu auf andere, die sich ihnen entgegen stellen können. Eine Gesellschaft ohne Macht wäre eine Gesellschaft von Ja sagern. Wer sie abschaffen wollte, müßte alle der Fähigkeit berauben, Nein sagen zu können. Denn das Handeln des einen endet am Widerstand des ande ren, seiner unhintergehbaren Selbständigkeit und Freiheit, etwas anderes zu tun, als von ihm erwartet wird. Dagegen geht die Macht vor. Sie erweitert die Freiheit des einen gegen den anderen, indem sie sein Nein bricht, seine Frei heit negiert. Macht ist Freiheit zur Vernichtung von Freiheit. Aber umgekehrt verteidigt Macht auch die Freiheit, schützt sie vor fremden Übergriffen und bewahrt die eigene Selbständigkeit. Sie bedroht die Freiheit und pariert die Bedrohung. Soziale Pluralität erzeugt Macht und begrenzt sie zugleich. Indem Menschen sich zueinander verhalten, ordnen sie ihre Verhältnisse. In ihrem Handeln verhandeln sie darüber, welche Stellung jedem zukommt, wer etwas zu sagen und wer zu schweigen hat. Sie sortieren die Themen, über die sie sprechen wollen, und legen fest, was zu tun und zu lassen ist. Sie umgren zen Bezirke ihres Handeins und beschließen, wer zusammengehört und wer 9 ausgeschlossen wird. Soziales Handeln erzeugt, verändert oder zerstört Be ziehungen, es organisiert dauerhafte Strukturen, in die sich die Menschen einzuordnen haben. So schaffen sie selbst die Bedingungen ihres Handeins. Kaum in die Welt gesetzt, gewinnen die Verhältnisse ein Eigenleben, das de nen, die sie hervorgebracht haben und die sie in ihrem Handeln immerfort wiederholen, auferlegt ist. Die Organisation, die als Verkettung wechselseiti ger Aktionen begann, wird zu einem stabilen Geflecht, an das die Handlun gen angekettet sind. Schon durch die Organisation ihres Zusammenhangs er zeugen die Menschen die Macht, die sie beherrscht. Macht wird gemacht. Der eine lockt den anderen mit reizvollen Angebo ten, um sein Widerstreben aufzulösen. Er droht mit Nachteilen und Strafen, manipuliert gezielt seine Informationen, erklärt und rechtfertigt seine Privile gien. Im Machtspiel sozialer Konflikte ziehen die Kontrahenten allerlei Trümpfe, um den Gegner auszustechen und ihn davon zu überzeugen, daß er zu Recht im Hintertreffen liegt. Anweisungen und Befehle, Drohungen und Strafen, Anreize und Legitimationen, in aB diesen Aktivitäten tritt Macht of fen zutage. Ihr Gesicht ist nur zu offensichtlich. Weit weniger augenfallig ge schehen dagegen jene Prozesse sozialer Macht, die sich aus der Organisation der sozialen Beziehungen ergeben. Indem die Menschen ihre Verhältnisse ordnen, verteilen sie zugleich Macht untereinander. Bevor irgendein Konflikt ausbricht und die Karten ausgespielt werden, sind längst die Trümpfe verge ben und die Regeln fixiert worden, die den Ablauf des Spiels steuern. Der manifesten Macht liegt eine Struktur zugrunde, zu der sich der offene Macht gebrauch ähnlich verhält wie der gesprochene Satz zum Regelapparat der Sprache. Die vorliegenden Studien handeln daher von etwas sehr Einfachem: Sie untersuchen die Grammatik sozialer Machtprozesse, die Menschen her vorbringen und denen sie unterliegen, wenn sie ihr Handeln organisieren. Ihr Thema ist die Organisation der Macht und die Macht sozialer Organisation. Diese Sichtweise ist nicht eben üblich. Der Alltagsverstand, der die Sozio logie der Macht ebenso durchdringt wie die Soziologie der Organisation, neigt dazu, Vorgänge zu Gegenständen zu verdinglichen. Allzu oft verbindet sich mit dem Begriff der Macht die Vorstellung, Macht sei ein Besitz, ein Vermögen, das von Zeit zu Zeit eingesetzt wird, um fremden Widerstand zu brechen. Jeder ist, was er hat. Und was er hat, ist das Kapital, das er gehortet hat. Des einen Reichtum ist das Wissen, das er angesammelt hat, andere hal ten Geldreserven für Macht, wieder andere stützen sich auf ihre Ämter, als seien sie ihr unveräußerliches Eigentum. So hockt jeder auf seinen Machtmit teln und ist baß erstaunt, wenn er plötzlich von einer kleinen, aber wohIorga nisierten Gruppe, die kaum materielle Besitztümer ihr eigen nennt, entmach tet wird. Wie das Kapital in Wahrheit ein soziales Verhältnis ist, so ist auch die Macht ein fortwährender sozialer Prozeß zwischen einer Vielzahl von In stanzen. Daß sie unverrückbare Stabilität zu gewinnen, zum immobilen Be sitz zu gerinnen scheint, dazu tragen die Unterworfenen ebenso bei wie die 10 Übergeordneten, aus Überzeugung oder Angst, aus Trägheit oder Gewohn heit. Kaum weniger verzerrt ist das Bild, das man sich oftmals von sozialen Orga nisationen macht. Organisationen scheinen stabile Gebilde zu sein, mit klarer Arbeitsteilung, starren Hierarchien, unerbittlichen Normen und Regeln, ein Gehäuse der Unterordnung, in dem Macht ein für allemal den einzelnen Posi tionen zugeordnet ist. Niemand wird ernstlich bestreiten wollen, daß es auch solche Organisationen gibt. Aber Systeme dieses Typs markieren nur den Endpunkt einer Skala. Davor rangieren all jene, deren Elemente nur locker miteinander verknüpft sind, deren Formalisierungsgrad gering und deren Au ßengrenzen relativ durchlässig sind. Entscheidend jedoch ist ein anderer Sachverhalt: Jedes organisatorische Gefüge, wie starr es uns auch immer er scheinen mag, ist ein Ergebnis sozialen Handeins. Was den Menschen als ob jektive und fremde Wirklichkeit entgegentritt, gründet letztlich auf ihrem ei genen Handeln. Wie Macht so ist auch Organisation ein fortwährender Vor gang, ein Prozeß des Organisierens, der beginnt, wenn Menschen aufeinander treffen und der noch lange nicht beendet ist, wenn die Struktur errichtet ist. Die Verdinglichung verkürzt die analytische Perspektive. Meistens betrach tet man lediglich die Macht in der Organisation. Gegeben ist ein konstantes System, in dem Stockwerke von Ämtern übereinander gebaut sind. Die Infor mationen laufen über Treppen auf- oder abwärts, sammeln sich mitunter auf einer Etage in einem Nebenraum, wo ein Stab sein Domizil hat. Hier und dort findet sich ein Hinterzimmer, eine Zone der Ungewißheit, zu der kaum je mand Zutritt hat, oder ein Fenster zur Umwelt, eine Außen stelle, wo jemand die Verbindungen nach außen besetzt hält. Sind diese Machtorte im Haus lo kalisiert und die entsprechenden Positionen markiert, scheint die Lage klar. Macht haben dann jene, die im Entscheidungszentrum sitzen, Ungewißheiten bewältigen, unentbehrliche Arbeiten verrichten oder in der Ämterhierarchie über anderen rangieren. Wie allerdings Entscheidungszentren zustande kom men, wenn Menschen andere für sich entscheiden lassen, wie Menschen mit einander gegen andere agieren und weshalb sie sich überhaupt jenen unter werfen, die anscheinend mehr können und wissen als sie selbst, solcherlei Fragen kommen der konventionellen Sichtweise erst gar nicht in den Blick. Die vorliegenden Studien schlagen einen anderen Weg ein. Sie betrachten weniger die Macht in Organisationen, als vielmehr die Organisation der Macht. Sie suchen keine Machtorte im Fertighaus, sondern beobachten den Auf-und Umbau sozialer Macht, die Bestandsreparaturen und den Zerfall. Ihr Augenmerk gilt der Bildung, der Reproduktion und dem Verlust der Macht. Anstatt Organisationen nach ihrer Machtverteilung zu befragen, widmen sie sich der Struktur und Dynamik von drei elementaren Machtfigurationen: Au torität, Stellvertretung und Koalition. Sie sind Bausteine der sozialen Welt, Grundmuster für die Ordnung sozialer Beziehungen und für den Aufbau man cher formaler Organisationen. Wer sich zu einem Bündnis vereinigt, handelt 11 miteinander gegen andere. Wer andere mit der Vertretung seiner selbst beauf tragt, läßt andere für sich handeln. Und wer jemanden als Autorität anerkennt, stellt ihn über sich und die anderen. Übereinander, Füreinander und Gegen einander, diese universalen Formen der sozialen Ordnung lassen sich zwi schen Individuen ebenso finden wie zwischen Gruppen. Sie entwickeln sich vor und jenseits der formalen Organisation und stellen sich oft quer zur wohl vertrauten Hierarchie der Positionen. Der Wechsel von einer speziellen Machtsoziologie der Organisation zur all gemeinen Organisationssoziologie der Macht, wie er hier in den Blick genom men wird, bedarf einiger Vorbereitung. Ihr Gegenstandsbereich umfaßt keine Dinge und Eigenschaften, sondern Formen, Beziehungen und Prozesse. Sie rekonstruiert Typen, Dilemmata, Abläufe und Transformationen, keine Ge bilde oder festgefügten Systeme. Sie beschreibt Netze, Figurationen und Handlungsweisen, und was sie als Struktur ermittelt, ist eine Grammatik, die den Aktivitäten zugrundeliegt. Im einzelnen nehmen die Studien ihren Aus gang von folgenden Leitideen: (1) Das soziale Feld, in dem Macht erworben, gesichert oder eingebüßt wird, umfaßt in der Regel mehr als zwei Instanzen. Es gibt nicht nur den Mächtigen, den Mindermächtigen oder Ohnmächtigen, sondern auch Dritte und Vierte, die am Machtspiel beteiligt sind. Sie dienen der Macht als Gehil fen oder Stabstruppe, verbünden sich mit dem Ersten oder Zweiten zu Koali tionen, verhandeln mit den Bevollmächtigten oder betrachten das Geschehen als mehr oder minder interessierte Zuschauer. Eine Machtfiguration ist ein komplexes Geflecht asymmetrischer und wechselseitiger Beziehungen, in dem mehrere Personen, Gruppen oder Parteien miteinander verknüpft sind und in dem Veränderungen einer Relation auch die anderen Relationen verän dern. Autorität ist in Wahrheit keine persönliche Eigenschaft, sondern eine Zuschreibung anderer, die häufig durch Zwischenautoritäten vermittelt und vom Autoritätsglauben Dritter bestärkt wird. Stellvertretung ist offenkundig eine triadische Figur: Eine Gruppe entsendet ihren Repräsentanten, der sie gegenüber Dritten und Vierten zu vertreten hat. Bei Koalitionen verbünden sich mindestens zwei Parteien gegen eine dritte, die selbst wiederum nach Al liierten Ausschau hält, um der Gegenseite Paroli bieten zu können. Das Konzept der Machtfiguration erlaubt eine genuin soziologische Ana lyse. Es rekonstruiert die Dynamik von Machtprozessen nicht aus der Art der Machtinstrumente, sondern aus dem sozialen Verhältnis selbst. Im Vorder grund stehen deshalb nicht die Mittel der Macht, sei es Geld, Körperkraft, In formation oder die Sanktionsgewalt eines Amtes, sondern das strukturelle Ar rangement der Macht. Fragt man nach Machtmitteln, so studiert man die Trümpfe des Machtspiels, mit denen Konflikte ausgefochten, Widerstand ge leistet oder gebrochen wird. Betrachtet man hingegen die Figuration, so ana lysiert man die MachtquelIen, die den Akteuren allererst ihre Trümpfe an die 12

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