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Faszination Zarathushtra: Zoroaster und die Europäische Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit - Teil 2 PDF

508 Pages·1998·48.685 MB·German
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Preview Faszination Zarathushtra: Zoroaster und die Europäische Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit - Teil 2

Michael Stausberg Faszination Zarathushtra w DE G Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten herausgegeben von Fritz Graf Hans G. Kippenberg Lawrence E. Sullivan Band 42 2. Teil Walter de Gruyter Berlin • New York 1998 Faszination Zarathushtra Zoroaster und die Europäische Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit von Michael Stausberg Walter de Gruyter Berlin • New York 1998 Die Reihe Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten wurde 1903 begründet von Albrecht Dieterich und Richard Wünsch. Die Bände I-XV erschienen 1903-1915 unter der Herausgeberschaft von Ludwig Deubner und Richard Wünsch. Die Bände XVI-XXVII erschienen 1916-1939 unter der Herausgeberschaft von Ludolf Malten und Otto Weinreich. Die Bände XXVIII - XXXVIII erschienen 1969-1982 unter der Herausgeberschaft von Walter Burkert und Carsten Colpe. © Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Stausberg, Michael: Faszination Zarathushtra : Zoroaster und die europäische Religions- geschichte der frühen Neuzeit / von Michael Stausberg. — Berlin ; New York : de Gruyter (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten ; Bd. 42) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-11-014959-1 Teil 2 (1998) © Copyright 1997 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer- tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset- zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Rotaprint-Druck Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin C Die Zoroaster-Kritik des 17. Jahrhunderts Wie alle historischen Prozesse ist auch die Zoroaster-Rezeptionsgeschich- te nicht geradlinig verlaufen (und erst Recht nicht im Sinne eines linearen Fortschritts). Die voranstehenden Diskurse (bes. XVII. und XVIII.) haben immer wieder rezeptionsgeschichtliche Synchronismen und Anachronis- men zum Vorschein gebracht und gezeigt, daß es seit der Frühen Neuzeit zu keiner Zeit mehr nur einen gültigen und normativen Zoroaster-Diskurs gegeben hat. Diese bekannten Phänomene der Gleichzeitigkeit des Un- gleichzeitigen' könnten als Gegenbelege gegen jede chronologische Glie- derung angeführt werden. Wenn hier dennoch rezeptionsgeschichtliche Epochen differenziert werden, so geschieht das mit dem Ziel, historische Diskontinuitäten zu markieren (so wie die Diskurse XVL-XVIII. ihrerseits u.a. toposgeschichtliche Kontinuitäten vorgestellt haben). Diese Diskontinuitäten, die zwischen den in Teil B und C analysierten Zoroaster-Konstruktionen festzustellen sind, beziehen sich nicht nur auf inhaltliche Aspekte des Zoroaster-Diskurses, sondern sie gelten auch für seine Geographie: Während die fünf bislang behandelten Autoren aus Ita- lien (bzw. Griechenland) stammen, gehören die im folgenden vorzustellen- den Autoren nach Mitteleuropa (Schweiz, Frankreich, England, Deutsch- land, Niederlande).1 Gleichzeitig verändert sich der konfessionelle Hin- tergrund der Zoroaster-Rezipienten: Die meisten der in Teil C zu behan- delnden Autoren gehören nicht dem Katholizismus an (Ausnahmen: Barna- be Brisson, Johannes Bissel und Pierre-Daniel Huet). Eine weitere Verän- derung besteht in den Textgattungen: Statt philosophischer überwiegen nun philologische, historische, theologische oder religionsgeschichtliche Texte. Während sich die Zoroaster-Konstruktionen aller oben in Teil B be- handelten Autoren im Rahmen einer neoplatonischen Philosophie artikulie- Das heißt jedoch nicht, daß die Zoroaster-Rezeptionsgeschichte mit Patrizi in Italien an ihr Ende gekommen wäre; für italienische Autoren nach Patrizi s. oben XVI.h.-i.; XVII.b.a.; b.d.; XVIII.e.; f.; s.; t. Umgekehrt hat sich die frühneuzeitliche Zoroaster-Rezeptionsgeschichte natürlich auch schon vor dem 17. Jh. nördlich der Alpen abgespielt, s. z.B. oben VI.; VI.; VIII.; X.; XVI.d.-g.; XVIII.e.; XlX.a. 582 C Die Zoroaster-Kritik des 17. Jahrhunderts ren, hat der Neoplatonismus für die in Teil C zu behandelnden Autoren kei- ne Relevanz mehr. In gleichem Maße büßt das Konzept einer,alten Theolo- gie' Plausibilität ein. Mit dem Piatonismus scheinen auch die Chaldäischen Orakel an Attraktivität zu verlieren:2 Abgesehen von Thomas Stanley spielen die Chaldäischen Orakel für die Zoroaster-Konstruktionen der in Teil C zu besprechenden Autoren keine Rolle; ihre Exegese verspricht kei- nen philosophisch-theologischen Erkenntnisgewinn mehr. Mit dem Inter- esse an den Chaldäischen Orakeln wiederum schwindet die Aktualität Zoroasters als eines Protagonisten einer fernen und dennoch relevanten Weisheit. Die begeisterte Renaissance' Zoroasters weicht einer distan- zierten oder auch empörten,Kritik'. Die vor allem von Thomas Hyde und in gewisser Weise auch schon von Gerard Voss und Pierre-Daniel Huet be- triebene Revision dieser Zoroaster-Kritik hat ihrerseits neues Diskurspo- tential freigesetzt (und leitet daher zu Teil D dieser Studie über). Der skizzierte Umschlag in der Zoroaster-Rezeptionsgeschichte von einer Renaissance' Zoroasters zur Zoroaster-Kritik findet im 17. Jh. seine definitive Form.3 Um die skizzierten Transformationen des Zoroaster- 2 Umgekehrt tritt das Interesse an den Chaldäischen Orakel auch mit neopla- tonischen Entwürfen wieder in den Vordergrund, so z.B. in England bei Cud- worth (s. oben XVI.j.) und Taylor (s. oben II.). 3 Wie verbreitet im Frankreich des 17. Jhs. in literarischen Kreisen allerdings noch jene neoplatonischen prisca theologia-Theoreme waren, in deren Rah- men sich das Interesse an Zoroaster artikuliert, zeigt eine Episode aus den ungefähr im Jahre 1659 abgeschlossenen, aber erst 1834-35 publizierten Kurzbiographien Tallement des Réaux' (1619-1692). Hier erfährt man, es wer- de berichtet, daß Françoise de Diodé (1610 - ca. 1667) aus Marseille, die viel las und sich am liebsten über Bücher unterhielt, eines Tages Besuch von einem jungen Malteserritter erhielt. Da sie jedoch nur Aristoteles, Piaton, Zoroaster und Hermes Trismegistos zitiert habe, habe der junge Mann sich nicht besonders amüsiert. Als Mademoiselle ihn habe hinausbegleiten wollen, habe sich der Malteserritter vor ihr auf die Knie geworfen und sie angefleht: „Par Platon, par Aristote, par Zoroastre, Mademoiselle, je vous conjure, ne mais faittes point cet affront", Tallement des Réaux, Historiettes II Hg. Adam 485. Tallement des Réaux streicht heraus, daß diese .platonischen' Vorlieben Françoise de Diodé gesellschaftlich etwas isoliert hätten. Ihre Freundin Mademoiselle de Scudery vermerkt in einem Brief vom 13.12. 1644: „une demoiselle belle et jeune, qui dans les conversations ordinaires, cite souvent, si j'ai bien retenu, Trismegiste, Zoroastre, et autres semblables messieurs qui ne sont pas de ma connoissance" (Tallement des Réaux ebd. 13165). Mademoiselle de Scudery habe ihre Freundin schließlich ein wenig von dieser „conversation pedantesque" über Zoroaster und Konsorten geheilt (ebd. 486). Tallement des Réaux läßt keinen Zweifel daran, daß er diese Konversationsthemen für exzentrisch hielt. Die Episode illustriert somit Theodor Zwinger 583 Diskurses zu illustrieren, sollen zunächst jedoch zwei Schriften behandelt werden, die noch zu Lebzeiten Patrizis publiziert wurden. Der erste der in Teil C vorzustellenden Autoren, Theodor Zwinger, ist ein Zeitgenosse und in gewisser Weise sogar ein Sympathisant Patrizis. Denn auf Zwingers Vermittlung hin ist im Jahre 1581 die vollständige, vierbändige Ausgabe von Patrizis Discussiones peripateäcae bei Perna in Basel erschienen.4 Dennoch hat Zwingers Zoroaster-Diskurs nichts mit Patrizis Zoroaster- Konstruktion gemeinsam. 1. Theodor Zwinger (1533-1588) Der Baseler Universalgelehrte Theodor Zwinger wurde von Genf postum mit dem Titel ,yarro des Jahrhunderts"5 gepriesen. Dennoch hat seine fortuna ein eigenartiges Schicksal erlitten: „Nur wenige große Gelehrte des 16. Jahrhunderts wurden zu Lebzeiten so anerkannt und gefeiert wie Zwinger; kein einziger unter ihnen geriet aber so schnell und vollkommen in Vergessenheit wie er."6 Aus Theodor Zwingers äußerst umfangreichem und vielseitigem Werk ragt das Theatrum vitae humanae heraus. Das Theatrum, „die erste neu- zeitliche Enzyklopädie in praktischer Hinsicht",7 wurde zu Zwingers Lebzeiten in drei Bearbeitungsstufen veröffentlicht:8 „Stellt das Thea- trum von 1565 eher den Versuch dar, die Vorschriften der Nikomachischen Ethik des Aristoteles mit Beispielen aus der ganzen menschlichen Ge- schichte zu versehen, so wird in der Ausgabe von 1571 die wissenschaftli- che Bedeutung der ,mechanischen Künste' hervorgehoben, während das Theatrum von 1586 einer wahren Realenzyklopädie des Menschen gleich- kommt".9 Während die erste Ausgabe des Theatrum 1428 Folio-Seiten zählt und weitgehend auf den Vorarbeiten von Zwingers Stiefvater, dem Theologen nicht nur die Verbreitung Zoroasters, sondern vor allem die kulturelle Di- stanznahme zu diesem Thema. 4 S. oben B 5.4. 5 Vgl. Gilly, "Zwischen Erfahrung und Spekulation" I 63. 6 Gilly, "Zwischen Erfahrung und Spekulation" II 217. 7 Schmidt-Biggemann, Topica universalis 62. 8 Zu L. Beyerlincks Umdisposition des Werkes: Schmidt-Biggemann, Topica universalis 65-66. 9 Gilly, "Zwischen Erfahrung und Spekulation" II 157. Zu den konzeptionellen Entwicklungen: Schmidt-Biggemann, Topica universalis 62-64. 584 C Die Zoroaster-Kritik des 17. Jahrhunderts und Philologen Conrad Lycosthenes (1518-1561),10 beruht, besteht die dritte Ausgabe aus 29 Büchern in 5 Folianten und zählt nicht weniger als 4374 Folio-Seiten.» Theodor Zwingers Theatrum, das Robert J.W. Evans als das „most fa- mous handbook" jenes Zeitalters bezeichnet,12 ist eine der elaborierten Enzyklopädien des 16. Jhs., die ihre Wurzel im Erbe mittelalterlicher Enzy- klopädik, dem Aufkommen des Lullismus und kabbalistischer Spekulatio- nen haben, die aber auch für eine veränderte Gedächtniskultur stehen, in- dem sie sich nicht mehr mit dem Erstellen von möglichst effizienten Re- geln zur ars reminiscendi begnügen, sondern versuchen, Erinnerung über die Erzeugung eines umfassenden Spiegelbilds der Realität zu leisten.13 Das menschliche Leben als ein Theaterstück (Tragödie oder Komödie) und den Menschen als einen Schauspieler zu sehen, ist eine in Antike und (seltener) im Mittelalter verbreitete Metapher, die auf Piaton zurückgeht und die sich im 16. und 17. Jh. großer Verbreitung erfreute.14 So wie das Theater in der Renaissance als ein theatrum mundi den Kosmos abbilde- te15 - „the world stage on which the Microcosm acted his parts"16 -, so konnte die Theater-Metapher zur moralischen Allegorie des menschli- chen Lebens herangezogen werden.17 Eine ,Realenzyklopädie des Men- schen' als Theatrum vitae humanae zu konzipieren, ist von daher eine kon- sequente Fortführung der Metaphorik. Das Theater, das Theodor Zwinger konstruiert, sucht alle aus der Ge- schichte bezeugten Handlungen, Charakteristika, Techniken und Leistun- gen des Menschen systematisch-enzyklopädisch zu erfassen.18 Ein sol- ches Konzept, in dem „Historie ... zur Scheune von Beispielen" und das „Ordnen ... zentrale Aufgabe der Dialektik"19 wird, gibt einer Zoroaster- Rezeptionsgeschichte Gelegenheit, paradigmatisch jene Kontexte zu er- fassen, in denen für den Autor (oder Kompilator) Zoroaster wahrzunehmen ist. Ein Theatrum vitae humae beinhaltet die Aufführung der okzidentalen 10 Zur Person: Beyer, "Lycosthenes, Conrad". 11 Die Angaben beziehen sich auf die 1604 in Basel erschienene Ausgabe, nach der im folgenden zitiert wird. 12 Evans, The Making of the Habsburg Monarchy 33. 13 Vgl. Rossi, Clavis universalis 129. 14 Vgl. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter 148-154; Jacquot, ",Le théâtre du monde' de Shakespeare à Calderon". 15 Vgl. Hawkins, ",A11 the World's a Stage"' 174-175; Bernheimer "Theatrum mundi"; Yates, Theatre of the World 165,188-189. 16 Yates, Theatre ofthe World 189. 17 Vgl. Yates, Theatre ofthe World 165. 18 Zur Methodologie: Gilly, "Zwischen Erfahrung und Spekulation" II 150. 19 Schmidt-Biggemann, Topica universalis 63. Theodor Zwinger 585 memoria: es zeigt die Orte (topoi, loci) der Erinnerung,20 an denen sich Zoroaster im kollektiven Gedächtnis Europas diskurstopographisch ver- steckt hält;21 anders gefragt: Welche Rollen spielt Zoroaster in einem europäischen Theater des menschlichen Lebens? Zwinger entnimmt seine Informationen über Zoroaster fast ausschließ- lich antiken Quellen (vor allem Plinius). Es gibt eine einzige Ausnahme: Auch Zwinger ist den Fälschungen des Dominikaners Giovanni Nanni auf- gesessen.22 Auf Nannis Pseudo-Berosos verweist er z.B. an einer Stelle seiner Abhandlung über die Wunder der Magie. Zu derartigen Wundern zählt Zwinger u.a. die Fähigkeit, Krankheiten herbeizuführen. Als eine sol- che Krankheit führt der Gelehrte die Impotenz oder Sterilität (Impotentiam veneris, Sterilitatem) an, um als erläuterndes Beispiel Nannis Bericht über Ham/Zoroaster zu paraphrasieren: Ham, der deshalb Zoroaster genannt worden sei, weil er die magischen Künste erhellt habe (artibus magicis claruit, unde Zoroastres dictus fiiit), habe seinen betrunkenen Vater durch einen magischen Gesang (magico carmine) impotent gemacht, damit die- ser ihn ebenso liebe wie seine Geschwister.23 Eine weitere Kategorie der miracula magica besteht laut Zwinger dar- in, die Ordnung der natürlichen Dinge umzukehren (naturarum rerum in- vertere). Dazu zählt Zwinger Phänomene bzw. Fähigkeiten wie Sterne herabziehen (sidera detrahere), in den Mond schreiben (in Luna scribere) oder Blitze hervorrufen (fulgura eiere). Die letztgenannte Fähigkeit wird neben dem dritten König Roms, Tullus Hostilius, dem König der Perser, Zo- roaster, zugeschrieben, der Blitze hervorgelockt habe (ZOROASTRES Per- sarum rex fulgura proliciebat).24 Das magische Wunderwirken ist ein riskantes Geschäft. Zwinger illu- striert das anhand von Beispielen aus der Geschichte. Das Theatrum vitae enthält eine eigene Abteilung über die Irrtümer und/oder Strafen, die den Häretikern und den Magiern widerfahren seien. Es könne vorkommen, daß die magischen Wunder entweder gar nicht einträten - der Vorgang ist irri- tus - oder es könne zu fatalen Fehlschlägen kommen - der Vorgang ist in- felix. Ein solch tragisches Ende soll Zoroaster, den Erfinder der Magie (ZOROASTRES Magiae inventorem), ereilt haben: Als er seinen Dämon zur Zu diesem mnemotechnischen Konzept: Yates, Gedächtnis und Erinnern. Zu den Welttheatern und der europäischen Mnemotechnik im 16. Jh.: Rossi, Clavis universalis 103-129. Zu Nanni s. oben XVII.a.t. Vgl. Zwinger, Theatrum vitae humanae II 1521a. Nannis Zoroaster-Mythos wird auch ebd. 11141a referiert. Zwinger, Theatrum vitae humanae II 1530 (Anspielung auf die pseudokle- mentinischen Rekognitionen). Zu den Pseudoklementinen s. oben XVII.a.a. 586 C Die Zoroaster-Kritik des 17. Jahrhunderts Unzeit belästigt habe, sei er von ihm in den Flammen verbrannt worden (cum famüiarem daemonem importunius urgeret, ab eo succensus est).25 Die Faszination des pseudoklementinischen Mythos ist ungebrochen... Nicht nur diese Beispiele zeigen, daß der Komplex der Magie den be- vorzugten Rahmen für Zwingers Interesse an Zoroaster darstellt. Das vier- te Buch des fünften Bandes des Theatrum, aus dem auch die zuletzt ange- führten Belegstellen stammen, behandelt die göttliche Philosophie (De Phi- losophia divina), ein Oberbegriff, unter denen der Baseler sowohl die Theologie (wiederum eingeteilt in ,wahre' und ,falsche') als auch die Magie begreift. In der ersten Sektion werden die Erfinder (inventores) dieser ver- schiedenen Disziplinen vorgestellt: Es ist natürlich Zoroaster, der gegen Ninos, den ersten König der Assyrer, unterlegene König der Baktrier, der als erster die magischen Künste erfunden haben soll,26 wobei Zwinger sich auf lustin, Plinius und Orosius27 beruft. An einer anderen Stelle wird Zoroaster zu den Magiae doctores gerechnet und als „magicarum artium institutor"28 bezeichnet. Die Magier (Magi) stellt Zwinger als Gruppe neben die prophetae divi- ni, aber auch neben die haeretici. Klassifiziert werden sie zunächst „in ge- nere", also nach Völkern und Familien (populi, familiae), dann „in specie", z.B. nach Geschlecht. Zu den Männern wird natürlich wieder Zoroaster ge- rechnet, der Schöpfer der persischen Magie (Persicae autorem esse ZO- ROASTREM), die ihrerseits (nach Plinius) die medizinische Variante der Magie darstelle.29 Wenig später auf der gleichen Seite findet sich erneut ein Verweis auf Zoroaster, den König (jetzt wieder) der Baktrier, der die magischen Künste erfunden habe.30 Ergänzend erwähnt der Baseler zwei Hypothesen zur Datierung Zoroasters, den die einen für Mizrajim, den Sohn Hams hielten, andere hingegen in die Zeit Abrahams versetz- ten.31 Zwinger will sich zwischen den konkurrierenden Möglichkeiten nicht entscheiden. Auffälligerweise aber fehlt plötzlich jeder Hinweis auf Giovanni Nanni und dessen Identifikation Zoroasters mit Ham. 25 Vgl. Zwinger, Theatrum vitae humanae II 1531. 26 Zwinger, Theatrum vitae humanae II 1305b: „ZOROASTRES Bactrianorum rex (contra quem primus Assyriorum rex Ninus bella [sic] suseepit) primus dicitur artes magicae invenisse)". 27 Zu Orosius s. oben XVII.a.c. 28 Zwinger, Theatrum vitae humanae II 1310a. 29 Vgl. Zwinger, Theatrum vitae humanae II 1330a. 30 Vgl. Zwinger, Theatrum vitae humanae II 1330b. 31 Zwinger ebd.: „Hunc quidem Mizraim Chami F. esse volunt: alij vero diver- sum, floruisse enima annis plus octigentis ante bellum Troianum tempore Abrahami".

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