EIN VORSCHLAG ZUR EHERECHTSREFORM EIN ENTWURF ZU EINEM GESETZ, BETREFFEND DIE ABANDERUNG DER BESTIMMUNGEN OBER DAS EHERECHT UND DESSEN BEGRONDUNG VON HARRY H. ALMA WIEN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1930 ISBN-13:978-3-7091-9554-3 e-ISBN-13:978-3-7091-9801-8 DOl: 10.1007/978-3-7091-9801-8 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER fiHERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN Vorwort 1m Dezember vergangenen Jahres hat der Nationalrat neuerlich verlangt, das osterreichische Eherecht an das deutsche anzugleichen. Die beiliegende Arbeit solI einen Weg zeigen, auf welchem diese An gleichung erfolgen kann. Es handelt sich hierbei um einen Gesetzes entwurf, welcher in Form einer Novelle die geltenden Bestimmungen tiber das Eherecht (Allgemeines biirgerliches Gesetzbuch, erster Teil, zweites Hauptsttick) abandert und sie inhaltlich in den wesentlichen Punkten an die Bestimmungen des deutschen biirgerlichen Gesetzbuches iiber die "biirgerliche Ehe" (Deutsches biirgerliches Gesetzbuch, viertes Buch, erster Abschnitt) angleicht. Wien, im Juli 1930. Harry H. Alma Inhaltsverzeiebnis I. Einleitung Einleitung • • • . • • • • • • . . • . • • . • • • . • • • • . • . • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 1 II. Entwurl zu einem Gesetz, betreffend die Abiinderung der Bestimmungen fiber das Eherecht Enter Teil: Die Abltnderungen des bilrgerHchen Gesetzbuches 1. Abschnitt: Ehehindernisse und Anfechtungsgriinde (Art. 1 bis 10) 17 2. Abschnitt: Eheschlie.Bung (Art. 11 bis 15) • .• .. .. . .. .. . .. . .. .. .. 20 3. Abschnitt: Dispensation (Art. 16 bis 19) •.....••...••.•.•..•.•• 21 4. Abschnitt: Konvalidation einer ungiiltigen Ehe (Art. 20). .. . •• .. • 22 5. Abschnitt: Ungiiltigkeitserklii.rung (Art. 21 bis 22) ••••••••..•.•• 22 6. Abschnitt: Ehetrennung und Scheidung (Art. 23 bis 34)......... 23 7. Abschnitt: Unterhaltspflicht (Art. 35) •• ••..•.•.. .•.••.. ... •. .•• 30 8. Abschnitt: Losung der Ehe durch Tod und durch Todeserklarung (Art. 36 bis 37) ..••.•••..••...•...•..•••....•••••• 32 9. Abschnitt: Wiederverehelichung (Art. 38 bis 39) .......•.....•.. 33 10. Abschnitt: Kirchliche Verpflichtungen (Art. 40) ... .••.. •..•• •.. • 34 11. Abschnitt: Sonstige Bestimmungen (Art. 41 bis 47) .•••••••••.•• 34 Zweiter Teil: Elnfllhrungsbestbnmungen 1. Abschnitt: VerhaItnis zu anderen Gesetzen (Art. 48 bis 55) .••• . • 36 2. Abschnitt: tlbergangsbestimmungen (Art. 56 bis 73)............. 41 m. Begrilndung Ehehindernisse und Anfoohtungsgriinde •.•..•••.•••••••..•••.•••.• 45 Eheschlie.Bung •.•...•••...........•.•.••..•.•......•..•.....•••. 70 Dispensation...... ••••••.. •• .. .••. . •. .••..••. •• •..•••.• •.•..•.•• 81 Konvalidation einer ungiiltigen Ehe ....•...•....•...•....•.•••..• 83 Ungiiltigkeitserklii.rung .••• .••. .• •. . .•.•... ..••••••. ..•.••.• .••.•• 84 Ehetrennung und Scheidung...................................... 96 Unterhaltspflicht ••••••.•.•.. . . • • . . • . • . • • . • • . . • • • . . • • • • . • • . . . • . •• 152 Losung der Ehe durch Tod und durch Todeserklarung ••..•....•.•• 172 Wiederverehelichung • • • • • • • • • . . . . . . • . . . • • • . • • . . • . . • . • • . . • • • • • • • .• 179 Kirchliche Verpflichtungen .•••.••..••. , ••..••.•••••.•....•.•••..• 180 Sonstige BeBtimmungen •.•••...•.....•.•...•..•••..•.•..•.•.•••• 182 VerhaItnis zu anderen Gesetzen .•.•.•...••..•..••.•..••..•....•..• 194 tlbergangsbestimmungen •..•...••.•••..•••••••••••..•.•.••.•.•.•• 210 Anhang Verordnung des Justizministeriums, betreffend das Verfahren in strei tigen Eheangelegenheiten •.•••.••.••••• :..................... 218 Berichtigungen Seite 47, Zelle 1 statt: "der Verfassungsgerichtshof wiirde, getreu seinem jetzigen Standpunkt" lies: "der Verfassungsgerichtshof wiirde vielleicht, wie er es bisher getan hat," " 81, Zelle 17 und 18 statt: "zwischen den Zivilgerichten einerseits, Verwaltungsbehorden und Verfassungsgerichtshot andererseits" lies: "zwischen Zivilgerichten und Verwaltungsbehorden, vielleicht auch Verfassungsgerichtshof andererseits" " 97, Zelle 15 statt: "Verfassungsgerichtshof" lies: "Verwaltungs behorden" " 212, Zelle 31 statt: "des Verfassungsgerichtshofes" lies: "der Ver waltungsbehorden" A I m a. Eherecht&reform I. Einleitung Unser geltendes Eherecht ist in der letzten Zeit einer der urn strittensten Punkte unserer Rechtsordnung geworden. Und das ist viel~ leicht kein Wunder. Unser geltendes Eherecht stammt aus dem Jahre 18ll, ist also rund 120 Jahre alt. Aber selbst dieses Alter ist nicht ganz richtig. Denn das Eherecht, wie es im allgemeinen biirgerlichen Gesetz buch aus dem Jahre 18ll enthalten ist, beruht zum groBten Teil auf dem Josefinischen Gesetzbuch aus dem Jahre 1786, so daB man nicht fehl geht, wenn man das Alter unseres Eherechtes mit rund anderthalb Jahrhunderten ansetzt. Diese Tatsache allein ware vielleicht Grund genug, das geltende Eherecht aufzuheben. Denn wenn man bedenkt, daB die Ehe einerseits die Grundlage der Gesellschaft, anderseits aber ein Produkt der jeweils herrschenden Gesellschaftsanschauung ist, so miissen schwere Zweifel aufsteigen, ob dieses 150 Jahre alte Eherecht den Anspriichen der heutigen Zeit und der heutigen Gesellschaft noch geniigen kann. Mehr noch als sein Alter spricht aber ein anderer Umstand zu seineD Ungunsten; die Art, in der die Materie des Eherechtes behandelt wird. Das allgemeine biirgerliche Gesetzbuch ist hierin den Anschauungen seiner Zeit gefolgt. Als im Mittelalter gesatztes Recht so ziemlich fehlte und fast die ganze Rechtsordnung auf oft schwankendem und haufig nur schwer feststellbarem Gewohnheitsrecht beruhte, empfand man es als wohltuend, als die katholische Kirche wenigstens ein Rechtsgebiet, das Eherecht, in die Hand nahm und es auf ihre Weise regelte. Auch ala zu Beginn der Neuzeit das romische Recht iibernommen wurde, fand man mit den Bestimmungen des romischen Eherechtes, die einer ganz anderen Zeit und Anschauung entsprungen waren, nicht sein Auskommen und iiberlieB die Materie des Eherechtes auch weiterhin der Kirche, nur daB es eben nicht mehr allein die katholische Kirche war, sondern seit der Reformation auch die anderen Religionsgesellschaften. Dieser Zustand hat sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten. Das konfessionelle Eherecht hatte sich im Laufe der Zeit so eingebiirgert, war so selbst verstandlich geworden, daB auch dann, als die staatliche Gesetzgebung erstarkte, und die Regelung des Eherechtes wieder selbst in die Hand nahm, niemand daran dachte, mit dem konfessionellen Eherecht zu AIm a, Eherechtsreform 1 2 Einleitung brechen, sondern ganz selbstverstandlicherweise die Ehegesetzgebung eine konfessionelle war. Niemand dachte daran, das Eherecht in iiber konfessioneller Weise zu regeIn. Diesen Standpunkt hat als Kind seiner Zeit auch unser allgemeines biirgerliches Gesetzbuch eingenommen. Es regelt daher das Eherecht in dreifacher Weise: einerseits fiir die Katho liken, anderseits fiir die akatholischen Christen und drittens fiir die Israeliten. Zu diesem dreifachen Eherecht kommt dann als viertes das Eherecht fiir die Konfessionslosen und endlich als fiinftes das Eherecht fiir die burgenlandischen Landesbiirger. Osterreich hat also gegenwartig fiinf verschiedene Eherechte. Diese Tatsache ware nun schon wieder fiir sich AnlaB genug, das geltende Eherecht neu zu regeIn. Denn wenn man bedenkt, daB Deutsch land mit iiber sechzig Millionen Einwohnern ein einheitliches Eherecht hat, so erscheint es geradezu widersinnig, daB das kleine Osterreich mit sechs Millionen Einwohnern fiinf konfessionell und territorial verschiedene Eherechte hat. LaBt schon diese Tatsache eine Eherechtsreform wiinschenswert erscheinen, so gilt dies noch mehr, wenn man die Konsequenzen bedenkt, die sich daraus ergeben haben. Das osterreichische Eherecht ist, wie ge sagt, ein konfessionelles; es kommen also fiir die Ehen der Angehorigen der einzeInen Konfessionen diejenigen Vorschriften zur Anwendung, wie sie das religiOse Bekenntnis der einzeInen Ehegatten aufstellt. Dies gilt ins besonders fiir die Eingehung und Losung der Ehe. Hinsichtlich der Ein gehung der Ehe ware dieses Dbel nicht so groB; die Bestimmung, daB die Ehe vor dem Seelsorger der Ehegatten geschlossen werden muB, wird viel leicht schon ofters jemandem als driickend vorgekommen sein; immerhin laBt sich diese Bestimmung zur Not ertragen. Um so mehr gilt dies aber von der Auflosungsmoglichkeit der Ehe. Auch hieriiber entscheidet das religiose Bekenntnis und hier ist es insbesonders eine Vorschrift, die als unertraglich driickend empfunden wird, die Vorschrift des § III ABGB.: "Das Band einer giiltigen Ehe kann zwischen katholischen Personen nur durch den Tod des einen Ehegatten getrennt werden. Ebenso unauflos lich ist das Band der Ehe, wenn auch nur ein Teil schon zur Zeit der geschlossenen Ehe der katholischen Religion zugetan war." Diese Be stimmung lauft demnach darauf hinaus, daB ein katholischer Ehegatte bei Lebzeiten des anderen Teiles keine neue Ehe schlieBen darf. 1m Jahre 1811 wurde vielleicht diese Bestimmung nicht als so driickend empfunden, da, wie gesagt, das konfessionelle Eherecht damals das allein herrschende war und niemand daran dachte, daB es noch eine andere Moglichkeit gebe und man sich diesen Bestimmungen nicht unterwerfen miisse. In der Folge haben sich aber die Verhaltnisse ganz wesentlich geandert. Man fand die Bestimmung, die es einem katholischen Ehegatten unter sagte, bei Lebzeiten des anderen Teiles eine neue Ehe einzugehen, eine Einleitung 3 Bestimmung, die nicht damit rechnete, daB auch eine EheschlieBung ein MiBgriff sein konne und einen solchen MiBgriff zu einem unheilbaren, nicht wieder gutzumachenden stempelte, indem sie demjenigen, der ein mal verheiratet war, so ziemlich jede Aussicht auf eine neue Ehe nahm, als furchtbar driickend und unertraglich hart. Insbesonders als das Staatsgrundgesetz von 1867, das noch heute als Verfassungsgesetz gilt, die rechtliche Gleichstellung aller Konfessionen verhieB, fand man es mit den Tendenzen dieses Gesetzes wenig ubereinstimmend, daB noch immer das konfessionelle Eherecht mit seiner Unlosbarkeit der katho lischen Ehe aufrecht erhalten wurde. Es ist jedenfalls bezeichnend, daB der Oberste Gerichtshof nach dem Inkrafttreten des Staatsgrundgesetzes von 1867 mehrmals in seinen Urteilsspruchen erklaren muBte, das kon fessionelle Eherecht sei durch das Staatsgrundgesetz nicht aufgehoben worden, sondern bestehe immer noch. In der Folge setzten nun verschiedene Bewegungen ein, die darauf gerichtet waren, das geltende Eherecht teils auf gesetzlichem Wege auf zuheben, teils dasselbe zu umgehen. Das letztere war dadurch moglich, daB verschiedene Personen die Staatsbiirgerschaft eines auslandischen Staates erwarben, der die Trennung katholischer Ehen zulleB - seit dem Inkrafttreten des ungarischen Ehegesetzes aus dem Jahre 1894 war es insbesonders Ungaro - und dann im Ausland die Trennung ihrer Ehe erwirkten, die dann von den osterreichischen Gerichten anerkannt werden muBte. Dieser Weg war jedoch mit Kosten verbunden und daher nur wohlhabenden Leuten moglich. Die armeren Schichten der Be volkerung muBten auf diese Losungsmoglichkeit der Ehe verzichten und hatten weiter unter den Bestimmungen des osterreichischen Eherechtes zu leiden. Um so eifriger setzten Aktionen ein, die eine gesetzliche Ande rung der Bestimmungen uber das Eherecht erreichen wollten; es ent standen Vereine zur Reform des Eherechtes u. dgl. Diese Bemiihungen hatten zwar bis jetzt keinen auBeren Erfolg, immerhin erreichten sie aber, daB seit ungefahr Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts das oster reichische Eherecht ein heftig umstrittenes Gebiet war; zahlreiche Stimmen verlangten eine Eherechtsreform, aber man konnte sich doch nicht recht entschlieBen, die Frage im Parlament aufzurollen. Dies zeigt z. B. folgendes: Als seit 1904 Bestrebungen einsetzten, eine Reform des biirgerlichen Rechtes uberhaupt zu bewerkstelligen, entstand die Frage, ob man dies auf die Weise machen solIe, daB man ein neues biirger liches Gesetzbuch schaffe oder in der Weise, daB man zum biirgerlichen Gesetzbuch eine Novelle schaffen solle. Man entschied sich schlieBlich fiir das letztere, und zwar wegen des Eherechtes. Denn wenn man dem biirgerlichen Gesetzbuch eine neue Fassung verliehen hatte, dann hatte man auch auf irgend eine Weise zum Eherecht Stellung nehmen mussen, sei es, daB man den alten Zustand ubernommen hatte, sei es, daB man 1* 4 Einleitung neue Bestimmungen geschaffen hatte. Man befiirchtete aber, daB iiber diesen Punkt ein solcher Streit ausgebrochen ware, daB dariiber das ganze Reformwerk gescheitert ware. Deshalb entschloB man sich, zu einer Novelle (die spateren drei Teilnovellen) zu schreiten und nur einzelne Bestimmungen des geltenden biirgerlichen Gesetzbuches zu andern, bei welcher Methode man die Moglichkeit hatte, die Klippe des Eherechtes zu umgehen. Tatsachlich haben auch die aus diesen Reformarbeiten hervorgegangenen drei Teilnovellen das Eherecht als ein "Noli me tangere" betrachtet; um die Novellen nicht dadurch zu gefahrden, daB man auch das Eherecht in die Reform einbezog, blieb das Eherecht iiberhaupt ganzlich unberiihrt. Damit sollte nicht gesagt sein, daB das Eherecht nicht reformbediirftig sei, man wollte jedoch nicht, daB auch die sonstigen Bestimmungen der N ovellen an der Eherechtsfrage scheiterten und iiber lieB daher die Reform des Eherechtes einem besonderen Gesetz. Dies war der Stand der Dinge bis zum Inkrafttreten der drei Teil novellen, also ungefahr bis zum Ende des Weltkrieges. Seit diesem Zeit punkt ist aber eine einschneidende Veranderung vor sich gegangen. Bis dahin war eine Eherechtsreform wohl wiinschenswert gewesen, immerhin konnte man damals, wie gerade das Beispiel der drei Teilnovellen zeigt, noch nicht von einer dringenden N otwendigkeit der Eherechtsreform sprechen. Reute ist die Sachlage erne andere. Es handelt sich heute nicht mehr darum, ob eine Eherechtsreform wiinschenswert oder vorteil haft ware, sie ist heute unabweisliche Notwendigkeit geworden; ob er wiinscht oder nicht erwiinscht - sie muB erfolgen. Dies ist durch den Lauf der Verhaltnisse bedingt, den diese seit Beendigung des Welt krieges genommen haben. Zunachst einmal war die Not auf dem Gebiete des Eherechtes be deutend gestiegen, da in diesen J ahren zahlreiche Ehen in die Briiche gingen und geschieden wurden. Grund hiefiir war einerseits, daB durch die lange Trennung, die viele Ehegatten wahrend des Weltkrieges erlitten, sowie durch die miBlichen Verhaltnisse der Nachkriegszeit, insbesonders durch die Geldinflation und den Umsturz, wodurch soundso viele Existenzen untergraben und vernichtet wurden, zahlreiche Ehen zer riittet wurden; anderseits waren im Kriege sovoie in der unmittelbaren Nachkriegszeit viele Ehen rasch und uniiberlegt geschlossen worden, oft auch nur aus wirtschaftlichen Motiven, z. B. um eine Kriegsunterstiitzung oder die Zuweisung einer Wohnung zu erhalten; auch diese Ehen konnten auf die Dauer nicht bestehen, da auf die notwendige gegenseitige Eignung der Ehegatten zueinander viel zu wenig Bedacht genommen worden war; auch sie wurden vielfach geschieden. Der § III ABGB., der katholische Ehen fiir un16sbar erklart, machte sich bei diesen vielen Scheidungen doppelt stark fiihlbar, da die meisten dieser geschiedenen Ehegatten Katholiken waren und eine neue Ehe nicht mehr eingehen konnten. Die