Iman Hajji Ein Mann spricht für die Frauen ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 291 begründet von Klaus Schwarz herausgegeben von Gerd Winkelhane 2 ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 291 Iman Hajji Ein Mann spricht für die Frauen aÔ-ÓÁhir al-¼addÁd und seine Schrift „Die tunesische Frau in Gesetz und Gesellschaft“ 3 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. British Library Cataloguing in Publication data A catalogue record for this book is available from the British Library. http://www.bl.uk Library of Congress control number available http://www.loc.gov www.klaus-schwarz-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. © 2009 by Klaus Schwarz Verlag GmbH Erstausgabe 1. Auflage Gesamtherstellung: J2P Berlin Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-87997-365-1 4 INHALT Danksagungen................................................................................8 I. Einleitung.......................................................................................9 II. Biographie....................................................................................16 III. Denken und Wirken......................................................................19 1. Politisches Wirken........................................................................20 2. Soziales Wirken............................................................................23 AÔ-ÓÁhir al-ÍaddÁds Modernisierungsdiskurs in ImraÞatunÁ fÐ š-šarÐÝa wa-l-muÊtamaÝ.......................................................................................24 Rechtlicher Teil......................................................................................26 Die bürgerlichen Rechte der Frau..........................................................28 Zeugenaussage und Verwalten ihrer Angelegenheiten....................................................................................28 Das Recht auf individuelle Lebens-Gestaltung......................................30 Das Erbrecht..........................................................................................34 Die Ehe..................................................................................................39 Freie Wahl des Ehepartners ...................................................................40 Pflichten.................................................................................................41 Geschlechtsverkehr ...............................................................................42 Polygamie..............................................................................................43 Die Scheidung........................................................................................46 Scheidungsgerichte................................................................................48 Gesellschaftlicher Teil............................................................................51 Die Bildung der Frau.............................................................................52 Traditionelle Bildung.............................................................................52 Offizielle Bildung..................................................................................55 Die Praxis der Eheschließung................................................................57 Reformbedürftige Phänomene...............................................................60 Gesellschaftliches Elend und sozialer Zerfall........................................60 Der Schleier...........................................................................................63 AÔ-ÓÁhir al-ÍaddÁds Schlußbetrachtung................................................65 5 Zeitgenössische Reaktionen...................................................................66 Die Kampagne gegen aÔ-ÓÁhir al-ÍaddÁd..............................................66 Die Laudatio auf aÔ-ÓÁhir al-ÍaddÁd und seine Schrift..........................71 Abschließende Reflektionen..................................................................72 Literatur.......................................................................................................78 Anhang:............................................................................................................ Fragenkatalog aus ImraÞatunÁ fÐ š-šarÐÝa wa-l-muÊtamaÝ...................81 Werkverzeichnis zu aÔ-ÓÁhir al-ÍaddÁd.................................................83 ËawÁÔir aÔ-ÓÁhir al-ÍaddÁd ..................................................................87 Die Gedanken aÔ-ÓÁhir al-ÍaddÁds........................................................99 Bilder...................................................................................................118 Index...................................................................................................121 6 Meinen geliebten Eltern 7 Danksagungen An dieser Stelle ist es mir ein besonderes Anliegen, all denjenigen meinen besonderen Dank auszusprechen, die mich bei dieser Arbeit unterstützt ha- ben. Mein Dank gilt zunächst Frau Prof. Dr. Monika Gronke (Köln) und Herrn Prof. Dr. Marco Schöller (Münster) für die großartige Betreuung mei- ner Magisterarbeit. Meinem Lehrer Prof. Dr. Marco Schöller bin ich dabei zu besonderem Dank verpflichtet. Er regte mich nicht nur zu der Publikation dieser Arbeit an, sondern stand mir dabei auch mit Rat und Tat zur Seite. Den Mitarbeitern der Nationalbibliothek in Tunis – und besonders Fathia Borkani und Tarek Ben Massoud – danke ich für ihre außergewöhnlich herz- liche Aufnahme und die tatkräftige Unterstützung meiner Recherche. Meinem Kollegen und Freund Bachir Amroune (Köln) danke ich für sei- ne besonders wertvolle Hilfe und Geduld. Mit großer Dankbarkeit erwähne ich die Mitarbeiter des Club Tahar Had- dad (Tunis), Raja Taleb (Bizerte), Lotfi Hajji (Bizerte) und Bechir Akacha (Braunschweig). Meinem Mouez danke ich für viel moralische Unterstützung. Durch die Übernahme des Druckkostenzuschusses ermöglichte er außerdem auch fi- nanziell die Publikation dieser Arbeit. Merci. 8 I. Einleitung „Derjenige, der aÔ-ÓÁhir al-ÍaddÁd nicht kennt, und nicht weiß, wie seine Geschichte ausgegangen ist, ist nicht in der Lage, sich dieses traurige und bekümmernde Geschehen vorzustellen.“ (MaÎmÙd al-MisaÝdÐ) Kaum ein Thema prägt im Westen die öffentliche Debatte über den Islam wie die Frage nach der Rolle der Frau. Dabei sind es besonders Begrifflich- keiten wie Ehrenmord, Zwangsheirat oder Frauenbeschneidung, die im Vor- dergrund stehen. Indem man sich auf gesellschaftlich auffallende Aspekte im Zusammenhang mit der muslimischen Frau beschränkt und diese dem Is- lam zuschreibt, gerät die Diskussion unweigerlich auf eine vorurteilsbehaf- tete Schiene und wird nicht selten emotional und allzu vereinfacht ausgetra- gen. Die Kopftuchdebatte wie sie in Deutschland, Frankreich, aber auch in der Türkei geführt wird, ist Teil dieser Auseinandersetzung und offenbart noch einmal deutlich die große Bedeutung, die äußerlichen Erscheinungen in der Meinungsbildung beigemessen wird. Diese derzeitig geführte Diskus- sion sollte jedoch nicht zu der Annahme verleiten, daß es sich hierbei um eine ausschließlich gegenwärtige Auseinandersetzung handelt. Tatsächlich scheint die Frage der Frau im Islam den Westen schon sehr lange zu be- schäftigen. Im Jahre 1809 erschien in Paris Malte-Bruns Annales des Voyages, welches u.a. den Artikel La Liberté des Femmes en Orient ou leur sort comparé à celui des anglaises von Mirza Abou Taleb Khan enthält. Der Autor sah sich nach seinem Aufenthalt in London (1799-1801) dazu veran- lasst, auf die Vorwürfe, die er dort vernahm, zu reagieren und die orientali- sche Frau mit der europäischen zu vergleichen: „Une dame anglaise, m’adressant la parole, observa que les femmes de l’Asie n’avoient aucune liberté, et vivoient dans la maison de leurs maris comme de véritables esclaves, sans aucune espèce de pouvoir ni de considération. Cette dame reprochoit aux Orientaux trop de rigueur, et à leurs femmes une soumission qui les dégradoit. J’eus beau essayer de la convaincre (comme je l’étois moi-même) que les femmes ont réelement en Europe moins de pouvoir qu’en Asie, je ne pus la faire revenir tout à fait de son erreur qui étoit le contre-pied de la réalité.“1 1 Khan: Liberté, in: Malte-Brun: Annales des Voyages, S. 28 f. 9 Durch die Konfrontation mit westlichen Diskursen und westlichem Gedan- kengut (nicht zuletzt durch die Kolonialisierung weiter Teile der islamischen Welt und das Wirken westlicher Missionare) entstand eine arabische Renais- sance, die sogenannte nahÃa, in deren Verlauf sich islamische Gelehrte auch verstärkt mit der Frauenfrage auseinandersetzten. Tunesien erlebte unter dem auf Modernisierung bedachten AÎmad Bey (1837-1855) seine eigene nahÃa. Einige tunesische Gelehrte widmeten ihr Interesse der Frau in muslimischen Gesellschaften. Dabei knüpften sie an den Diskurs ihrer ägyptischen Zeitgenossen an, übernahmen jedoch zum Teil die Führung. Diese tunesischen Bemühungen blieben allerdings auf- grund einer gewissen Vorreiterrolle der Ägypter größtenteils unbeachtet. AÎmad Ibn AbÐ Ã-ÂiyÁf (1803-1874) war Privatsekretär von AÎmad Bey, den er 1846 auf eine Reise nach Frankreich begleitete. Während des Aufent- halts in Frankreich sahen sich die Tunesier ein Theaterstück im Palais-Royal Theater an. Ibn AbÐ Ã-ÂiyÁf war von der weiblichen Protagonistin besonders angetan, die darauf bestand, den Mann ihrer Wahl zu heiraten und dabei be- tonte, daß selbst Könige nicht das Recht hätten, ihre Gedanken durch Ge- walt zu kontrollieren, da jeder Bürger ein freier Mensch sei.2 Zehn Jahre später verfasste Ibn AbÐ Ã-ÂiyÁf eine Abhandlung unter dem Titel RisÁla fÐ l-marÞa (Eine Epistel über die Frau), in der er Antworten auf insgesamt dreiundzwanzig Fragen liefert, die ihm vom französischen Gene- ralkonsul, der Arabist gewesen ist, gestellt worden sind. In der Abhandlung wird ein weites Spektrum der unterschiedlichen Rechtsposition von Mann und Frau im Islam behandelt, welches von der Bildung der Frau bis hin zu Polygamie und Scheidung reicht. Aus heutiger Sicht erscheint die Abhand- lung eher unspektakulär, denn Ibn AbÐ Ã-ÂiyÁf diskutiert durchaus konserva- tiv. So argumentiert er für die Polygamie und unterstreicht u.a. die Pflicht der Ehefrau zum Gehorsam gegenüber ihrem Ehemann und das damit ver- bundene Recht des Ehemanns zur Züchtigung seiner Ehefrau bei Ungehor- sam.3 Dennoch ist es bemerkenswert, daß überhaupt eine Abhandlung der Frauenfrage gewidmet wurde, denn dies macht deutlich, daß sich ein Be- wußtsein dafür zu entwickeln begann. Während Ibn AbÐ Ã-ÂiyÁf sich gegen eine umfassende Bildung der Frau wandte, da er der Meinung war, eine Frau bräuchte nur dasjenige Wissen zu erlangen, das es ihr ermögliche, ihrer Mutterrolle nachzukommen, schlug SulaymÁn al-ÍarÁÞirÐ (1824-1877), ein ZaytÙna-Absolvent, einen anderen Weg ein. SulaymÁn al-ÍarÁÞirÐ ging nach Paris und blieb dort als Lehrer am 2 Vgl. Husni/Newman: Muslim Women, S. 8. 3 Vgl. Ebd. S. 10 10