ETH Library Die Entstehung der Objekte Überlegungen zu einer exakten Wissenschaft von Bewusstsein Doctoral Thesis Author(s): Prentner, Robert Publication date: 2017 Permanent link: https://doi.org/10.3929/ethz-b-000186325 Rights / license: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For more information, please consult the Terms of use. Diss. ETH Nr. 24329 Die Entstehung der Objekte ¨ Uberlegungen zu einer exakten Wissenschaft von Bewusstsein Abhandlung zur Erlangung des Titels Doktor der Wissenschaften (Dr. sc. ETH) vorgelegt von Dr. sc. Robert Prentner MSc & MA, ETH Zu¨rich geboren am 26. 07. 1984 ¨ von Osterreich Angenommen auf Antrag von Prof. Dr. Michael Hampe Prof. Dr. Peter Simons, Prof. Dr. Achim Stephan 2017 Danksagung Die vorliegende Arbeit ist als Promotionsschrift an der Professur fu¨r Philosophie der ETH Zu¨rich und nicht ohne Hilfe von vielen gesch¨atzten Menschen entstanden. Ich danke Michael Hampe fu¨r die Betreuung der Arbeit sowie meinen Zweitgutach- tern, Peter Simons vom Trinity College, Dublin und Achim Stephan vom Institut fu¨r Kognitionswissenschaft der Universit¨at Osnabru¨ck, fu¨r die U¨bernahme des Ko- referats. Zudem danke ich Harald Atmanspacher, Don Ho↵man, Norman Sieroka, Paul Sko- kowsiundDanielStrassbergfu¨rIhreHilfestellungenundDiskussionen.DesWeiteren gilt mein Dank allen Mitarbeiten der Professur fu¨r Philosophie der ETH Zu¨rich und insbesondere Victoria Laszlo fu¨r Ihre administrative Arbeit. Folgende Publikationen sind dieser Arbeit vorausgegangen: Chemistry, Context and the Objects of Thought, Foundations of Chemistry, • 19(1): 29–41, 2017. Erweiterter Geist – Erweitertes Bewusstsein? in: J. G. Michel, K. J. Bostr¨om • und M. Pohl (Hg.), ‘Ist der Geist im Kopf? Die These des erweiterten Geistes in Philosophie und Wissenschaft’, mentis, Mu¨nster, 2016. A Framework for Critical Materialists, Mind and Matter, 12(1): 93–118, 2014. • Ich danke den Herausgebern, Verlagen und Gutachtern fu¨r ihre Hilfe und Geduld. Fu¨rihreUnterstu¨tzungabseitsdesuniversit¨arenBetriebsm¨ochteichmichbeimeiner Frau Caroline, meiner Familie und meinen Freunden herzlich bedanken. Zollikon am 20. September 2017 i Zusammenfassung In dieser Arbeit sollen das Verh¨altnis von Subjekten und Objekten n¨aher untersucht und geeignete Methoden zu dessen formaler Darstellung entwickelt werden. Den Ausgangspunkt hierzu bildete der zeitgen¨ossische Diskurs in der analytischen Philosophie des Geistes, der sich um den Begri↵ des Bewusstseins dreht und dessen zugrundeliegenden, aber oft impliziten Annahmen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen fu¨r eine Wissenschaft vom Bewusstsein“ n¨aher untersucht wurden. ” Besonderes Augenmerk kam dabei denjenigen Strategien zu, die auf eine naturwis- senschaftliche Beschreibung des Bewusstseins abzielen und bei denen der Begri↵ der Emergenz oftmals eine zentrale Rolle spielt. Dies wurde an einigen Beispielen aus den Einzelwissenschaften veranschaulicht, aber auch auf systematischer Ebene be- leuchtet und fu¨hrte auf die Ansicht, wonach Emergenzph¨anomene als strukturelle, muster-relative oder kontextuelle verstanden werden mu¨ssen, wie sie typischerweise in Prozessen der Selbstorganisation zu beobachten sind. Diese Lesart unterscheidet sich von einer in der philosophischen Literatur oft u¨blichen, die sich auf starke“ ” oder schwache“ Auspr¨agung des Emergenzbegri↵s beschr¨ankt. ” Vor diesem Hintergrund wurde anhand einer ausfu¨hrlichen Darstellung, die sich auf die M¨oglichkeit der Naturalisierung einiger paradigmatischer mentaler Begri↵e im Rahmen der biologischen Kybernetik bezieht, und einer anschließenden Kritik an einer funktionalistischen Interpretation fu¨r die Notwendigkeit eines U¨bergangs zu einem zeichentheoretischen Verst¨andnis von Bewusstsein argumentiert. Um dies pr¨aziser fassen zu k¨onnen, schloss sich daran die Untersuchung der Beziehung von Teilen und Systemganzen an, wie sie auf unterschiedliche Weise etwa von Stanis- law Le´sniewski, Edmund Husserl oder Nelson Goodman konzipiert wurde und in einer einheitlichen, mathematischen Sprache formuliert und axiomatisiert werden kann. Dabei wurde die Unterscheidung zwischen kompositionalen und zerlegenden Ans¨atzen eingefu¨hrt und ein konkretes Modell eines zerlegenden Ansatzes – pro- ” jektive extensionale Mereologie“ – entwickelt, das in Folge auf die Darstellung von Wahrnehmungsph¨anomenen Anwendung fand: Empirisch motiviert und angelehnt an die Ph¨anomenlogie, wurde bewusste Wahr- nehmung als Herausbildung verweisender Objekte auf der Basis einer noch nicht di↵erenzierten Mannigfaltig von Teilobjekten beschrieben, die selbst noch nicht auf bestimmte Gegenst¨ande außerhalb der Erfahrung verweisen. iii Bewusstsein, so die daraus abgeleitete These, ist mit der Form derjenigen Prozesse zu identifizieren, die bezeichnende Objekte in der Wahrnehmung erst hervorbrin- gen. Die zuvor entwickelten, formalen Werkzeuge k¨onnen der n¨aheren Explikation der Struktur solcher Prozesse dienen. Dies bildet den Grundstein einer naturalis- tisch verstandenen Emergenztheorie, welche im Gegensatz zur Ansicht steht, dass Bewusstsein selbst gegenst¨andlich zu betrachten w¨are. Somit unterscheidet sich das hier vorgestellte Bild von den meisten Bewusstseinstheorien“, die in den Neuro- ” und Kognitionswissenschaften derzeit verhandelt werden. Zum Schluss wurde die A¨hnlichkeit zu Projekten diskutiert, die sich als Spielar- ten einer naturalisierten Ph¨anomenologie“ oder einer akteursbasierten Kogniti- ” ” onswissenschaft“ in bio-physikalischen Systemen verstehen lassen. Ebenfalls wurden Querverweise auf die kosmologischen Philosophien von William James und Alfred North Whitehead gezogen, wobei ein Naturbegri↵ vorgestellt wird, der sich durch dessen Produktivit¨at“ auszeichnet und sich panpsychistisch interpretieren l¨asst. ” iv Abstract In this thesis the relation between subjects and objects shall be examined, and ap- propriate tools shall be developed to formally represent it. The work’s point of departure was the contemporary discourse in the analytic philo- sophy of mind that centers around the notion of consciousness. Its foundational but often implicit assumptions and their consequences for a “science of consciousness” were investigated. Those strategies that aim at a scientific description of conscious- ness thereby received particular attention. Often, the concept of emergence plays a crucial role within these strategies. This was illustrated using examples from the special sciences but was also discussed more systematically, which led to an under- standing of emergence as structural, pattern-relative or contextual phenomenon, as it typically occurs in process of self-organization. Such an understanding is opposed to those often found in the philosophical literature which restrict themselves to the notion of either “strong” or “weak” emergence. Following a detailed discussion of biological cybernetics which tries to render in- telligible the naturalization of some paradigmatic mental phenomena and a criti- cism of functionalist interpretations thereof, a shift from functionalism to a semiotic theory of consciousness was proposed against this background. In order to give a more precise statement of the theory, the relation of parts to wholes which has been investigated by scholars like Stanislaw Le´sniewski, Edmund Husserl or Nelson Good- manwasinvestigatedandformalizedwithinanaxiomaticmathematicalsystem.The distinction between compositional and decompositional approaches was thereby in- troduced and a concrete model of such a decompositional approach – “projective extensional mereology”– was consequentlydeveloped and applied tothe phenomena of perception: Empirically motivated and along the lines of a Phenomenological investigation, con- scious perception was described by the formation of signifying objects, based on an initially undi↵erentiated manifold of partial objects which themselves do not signify concrete things outside experience. Consciousness, according to the hypothesis informed by this work, is identical to the form of those processes that lead to the emergence of objects in the first place. The formal tools developed in this work could be used to further explicate the struc- ture of such processes. This forms the starting point of a (naturalistic) account of emergence which, however, is opposed to those views that try to reify conscious- v ness. Thus, the picture put forward in this work is substantially di↵erent from the “theories of consciousness” which are currently being investigated in the (cognitive) neurosciences. Finally, the similarity to projects that could be labeled as “naturalized phenome- nology” or “agent-based cognitive science” in bio-physical system were discussed. Also, references to the cosmological philosophies of William James and Alfred North Whitehead were given, leading to the proposal of a concept of nature that empha- sizes nature’s “productivity” which could be given a panpsychist interpretation. vi Inhaltsverzeichnis Danksagung i Zusammenfassung iii Abstract v 1 Exposition 1 1.1 U¨ber das L¨osen von R¨atseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Eine kleine U¨bersicht u¨ber metaphysische Positionen . . . . . . . . . 8 1.3 Methodisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Anmerkungen zu Abschnitt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2 Wider die Abbildung 35 2.1 Schwierigkeiten fu¨r eine gegenst¨andliche Theorie des Bewusstseins . . 35 2.2 Bilder und Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3 Emergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Anmerkungen zu Abschnitt 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3 Geist und Gehirn 71 3.1 Das Gehirn, ein guter Regulator? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.2 Funktionen des Bewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.3 Zeichen und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Anmerkungen zu Abschnitt 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4 Der Relationale Aufbau der Gegenst¨ande 97 4.1 Die Theorie vom Ganzem und seinen Teilen . . . . . . . . . . . . . . 97 4.2 Klassische Mereologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 vii
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