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Drucksache 18/13193 PDF

12 Pages·2017·0.18 MB·German
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D eutscher Bundestag Drucksache 18/13193 18. Wahlperiode 25.07.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Omid Nouripour, Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/12916 – Zu weltweiten Menschenrechtsverletzungen gegen die Ahmadiyya Muslim Jamaat Vorbemerkung der Fragesteller Die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) bezeichnet sich selbst als eine islami- sche Reformgemeinde und ist mit schätzungsweise mehreren 10 Millionen Mit- gliedern in über 200 Staaten der Welt vertreten. In Deutschland zählt die AMJ circa 35 000 Anhänger. Die AMJ ist Mitglied der deutschen Islamkonferenz und Kooperationspartner der hessischen Landesregierung bei der Erteilung des be- kenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts. Sie hat in den Bundes- ländern Hessen und Hamburg den Status einer öffentlich-rechtlichen Körper- schaft. Die Bundesregierung führt in ihrem Bericht zur weltweiten Lage der Re- ligions- und Weltanschauungsfreiheit 2016 die Verfolgungssituation der AMJ mehrfach an. In Pakistan wird die Gemeinde seit den 1950er Jahren verfolgt. Die Bezeich- nung als islamisch ist der AMJ in Pakistan gesetzlich untersagt. Trotz der ver- fassungsrechtlich gewährleisteten Religionsfreiheit in Pakistan wird diese der AMJ durch einzelgesetzliche Regelungen des pakistanischen Strafrechts de facto verwehrt. Die Gemeindemitglieder dürfen sich aufgrund der strafrechtli- chen Regelung in Pakistan entgegen ihrem eigenen Selbstverständnis nicht als Muslime bezeichnen. Des Weiteren werden ihnen islamische Religionsprakti- ken wie das Feiern islamischer Feste, die Pilgerfahrt nach Mekka und sogar der Muezzin-Ruf unter Strafandrohung verboten. Selbst der Verkauf von gemein- deeigenen religiösen Werken an die eigenen Mitglieder wird durch die pakista- nische Rechtslage verboten. Seit dem Jahr 1974 hat die pakistanische Regierung den Mitgliedern der AMJ de facto sowohl das passive als auch das aktive Wahl- recht aberkannt. Dieses wird formal zwar gewährt, allerdings nur unter der Vo- raussetzung, dass ein Mitglied der AMJ sich selbst als dem Islam nicht zugehö- rig bezeichnet. Im Juli 2014 wurden im Bundesland Punjab gezielt Häuser von Angehörigen der AMJ in Brand gesetzt. Die pakistanische Menschenrechtskommission re- gistrierte im selben Jahr den Tod von elf Ahmadis durch gezielte Angriffe. Bei einem Terroranschlag auf zwei Moscheen der Gemeinde in Lahore am 28. Mai 2010 gab es 86 Tote und 124 Verletzte. Begründet werden solche Taten mit Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 24. Juli 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/13193 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode unhaltbaren Vorwürfen unter Berufung auf das pakistanische Blasphemie-Ge- setz. Dieses Gesetz hat zur Folge, dass jede religiöse Minderheit in Pakistan einer ständigen Gefahr von Angriffen ausgesetzt ist, ungeachtet dessen, ob es sich um Christen, Sikhs oder Ahmadis handelt. In Indonesien sind die Ahmadis Opfer vergleichbarer Menschenrechtsverlet- zungen. Auch dort wird die Religionsfreiheit zwar verfassungsrechtlich gewähr- leistet, jedoch durch einzelgesetzliche Regelungen immer wieder eingeschränkt. So darf man beispielsweise in Indonesien zwar offiziell den Glauben wechseln, jedoch verbietet ein Erlass aus dem Jahr 2008 der Ahmadiyya-Gemeinde die Missionierungstätigkeit und ahndet diese sogar mit fünf Jahren Freiheitsstrafe. Des Weiteren sind Diskriminierungen beim Zugang zu öffentlichen Ämtern und gewaltsame Übergriffe durch extremistische Gruppierungen gegen religiöse Minderheiten wie die Ahmadiyya, die oft bis zur Vertreibung aus ihren Dörfern führten, in Indonesien nicht unüblich. Anfang Mai 2017 ist der Gouverneur von Jakarta wegen angeblicher Blasphemie zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Im sri-lankischem Parlament haben sich internen Berichten der AMJ Sri Lanka zufolge 21 Abgeordnete vereinigt, um die AMJ als nichtislamische Minderheit einzustufen. Dabei wollen die Abgeordneten eine Organisation mit dem Namen Defenders of Khatm-e-Nabuwwat (Bewahrer der Finalität des Prophetentums) gründen, dessen Ziel die Ausradierung der AMJ in Sri Lanka sein soll. Die Situation in Bangladesch ist ebenfalls besorgniserregend. Zu den jüngsten Vorfällen zählt ein Angriff am 8. Mai 2017, bei dem ein Imam der AMJ von drei Studenten einer Moscheeschule lebensgefährlich verletzt wurde. Damit setzt sich die Serie der Angriffe gegen Angehörige der AMJ in Bangladesch fort. Die Organisationen Jamaat-e-Islami und die Hifazat-e-Islam fordern ein gänzliches Verbot der AMJ in Bangladesch. Auch der sogenannte Islamische Staat hatte in der Vergangenheit die Verantwortung für Angriffe gegen die AMJ für sich reklamiert. Auch auf dem afrikanischen Kontinent nehmen die Diskriminierungstendenzen zu. Ein Verband muslimischer Gelehrter hat die AMJ in Gambia zu Nicht-Mus- limen erklärt, wodurch sie erhebliche Beeinträchtigungen in ihrer Religionsfrei- heit zu erleiden hat. In Algerien wurden im Juni 2016 neun Personen wegen ihrer Zugehörigkeit zur AMJ verhaftet. Weitere Verhaftungen erfolgten wenige Monate später, dabei wurden 20 Ahmadis festgenommen, weil sie das Freitags- gebet verrichteten. Auf den Komoren-Inseln hat die Situation der AMJ in jüngs- ter Vergangenheit ebenfalls eine schlechte Wendung genommen. So wurde An- fang 2017 eine neuerrichtete Moschee der AMJ auf Anordnung des Innenminis- teriums teilweise zerstört und zu einer Polizeistation umfunktioniert. Vergleichbare Rechtsprobleme wie in Pakistan oder Indonesien haben sich vor Kurzem in Kasachstan und Kirgisistan ergeben. Durch eine Registrierung als privater Verein wurde der Religionsgemeinschaft zunächst Rechtspersönlich- keit verliehen und somit vorerst die organisierte Religionsausübung ermöglicht. In Kasachstan wurde jedoch die seit 1994 bestehende Registrierung als privater Verein im Jahr 2011 nicht verlängert. Die zuvor bestehende Rechtspersönlich- keit wurde somit willkürlich aberkannt. In Kirgisistan wurde 2002 ein Antrag des staatlichen Komitees genehmigt, welcher die Aufhebung der Registrierung der AMJ zum Gegenstand hatte. Ein Berufungsverfahren aus dem Jahr 2014 vor dem Obersten Gericht wurde ebenfalls gegen die AMJ entschieden, sodass sie auch in Kirgisistan keine Rechtspersönlichkeit besitzt. Besonders besorgniserregend ist, dass sich die Diskriminierung gegen die AMJ in Europa fortsetzt. Im März 2016 wurde ein Kioskbesitzer in Glasgow, der der AMJ angehörte, aufgrund seines Glaubens brutal erstochen. Im April desselben Jahres fand man in einer Londoner Moschee Broschüren, in der zur Ermordung von Angehörigen der AMJ aufgerufen wurde. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13193 In Bulgarien wurde ein Antrag auf Zulassung als islamische Gemeinde zuerst vom Amtsgericht Sofia (31. Mai 2007) und sodann beim Berufungsverfahren vor dem Bundesgericht Bulgariens (29. April 2008) abgelehnt. Bei der Entschei- dung hat man sich auf den Rat des obersten Muftis von Bulgarien berufen. Das Bundesgericht berücksichtigte den Mufti als objektiven Sachverständigen, der die AMJ als eine nicht-muslimische Gemeinde bezeichnete. Auch in der Bundesrepublik Deutschland berichtet die AMJ von Erfahrungen mit Diskriminierung (bis hin zu Todesdrohungen) aus islamistischen Kreisen. Vor dem Hintergrund völkerrechtlicher Verträge sowie der im Grundgesetz ent- haltenen Werte wie dem Diskriminierungsverbot und Freiheitsrechte wie der Glaubens- und Religionsfreiheit fragen wir die Bundesregierung: 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Gewalt gegen die AMJ in Pakistan, und wie positioniert sie sich gegenüber der Regierung Pakistans dazu? Der Bundesregierung ist die schwierige Situation der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Pakistan bekannt, insbesondere dass Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft nicht nur durch gesetzliche Regelungen benachteiligt werden, sondern auch An- feindungen und Übergriffen aus der Bevölkerung ausgesetzt sind. Das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit wie auch der Schutz von Minderheiten – ausdrücklich auch religiösen, muslimischen wie nicht-muslimischen – sind zent- rale und regelmäßige Themen des politischen Dialogs der Bundesregierung mit Pakistan. 2. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über Angriffe von maskierten Po- lizisten auf die Büros der weltweiten Zentrale der AMJ, wobei ohne gericht- lichen Beschluss und Haftbefehl Personen verhaftet wurden und Eigentum beschlagnahmt wurde, und wie wird dieser Fall mit den pakistanischen Be- hörden aufgenommen? Die Bundesregierung hat von der Durchsuchung des Zentralbüros der AMJ durch pakistanische Polizeikräfte, durch pakistanische Medienberichte und durch die AMJ in Pakistan direkt erfahren. Der Vorfall war zudem Thema eines Treffens der Delegation der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten vor Ort mit Vertretern der AMJ im Dezember 2016 in Islamabad. Die Bundesregierung spricht Vorfälle wie diese im Rahmen ihrer regelmäßigen Gespräche mit pakistanischen Regierungsvertretern an, bei denen Menschen- rechte, der Schutz von Minderheiten sowie das Recht auf Religions- und Weltan- schauungsfreiheit eine Rolle spielen. 3. Hat die Bundesregierung in Folge des Berichts vom 9. Juni 2016 zur welt- weiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit Maßnahmen er- griffen, um politischen Druck auf die „Verletzer-Staaten“ auszuüben, welche die AMJ verfolgen und diskriminieren? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden ergriffen, und welche Staaten sind von diesen betroffen? Die Förderung und der Schutz des Rechtes auf Religions- und Weltanschauungs- freiheit und des friedlichen Zusammenlebens religiöser, konfessioneller und eth- nischer Minderheiten sind wichtige Bestandteile der deutschen Außenpolitik. In ihren Außenbeziehungen verfolgt die Bundesregierung die Lage religiöser oder weltanschaulicher Minderheiten sehr aufmerksam und steht in regelmäßigem Kontakt mit deren Vertretern beziehungsweise Gemeinden. Die Bundesregierung Drucksache 18/13193 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode und ihre Auslandsvertretungen setzen sich in vielen konkreten Einzelfällen für Personen und Gruppen ein, die aufgrund ihrer Konfession oder Weltanschauung diskriminiert oder bedroht werden, oder deren Recht auf Religions- und Weltan- schauungsfreiheit verletzt wurde. In den Ländern, in denen der Bundesregierung eine Diskriminierung der AMJ bekannt ist, setzt sie sich im Rahmen ihres politischen Dialogs mit den jeweiligen Regierungen für eine Verwirklichung des Rechtes der AMJ auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein. 4. Welche Position vertritt die Bundesregierung zu den sogenannten Blasphe- mie-Gesetzen, (Artikel 298-B, 298-C sowie 295-A PPC des pakistanischen Strafgesetzbuchs), durch welche religiöse Minderheiten in Pakistan – neben den Ahmadis, insbesondere auch Christen und Hindus – einer ständigen will- kürlich-strafrechtlichen Verfolgung, welche bis zur Todesstrafe reicht, aus- gesetzt sind? Die Bundesregierung setzt sich prinzipiell für eine Abschaffung der sogenannten Blasphemie-Gesetze in Pakistan ein, die nach ihrer Auffassung zu einem Klima der Intoleranz beitragen. Diese Gesetze werden in Pakistan jedoch von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen, so dass eine Abschaffung zum jet- zigen Zeitpunkt nicht realistisch ist. Deshalb fordert die Bundesregierung bei ih- ren pakistanischen Gesprächspartnern eine Unterbindung der diskriminierenden beziehungsweise missbräuchlichen Anwendung dieser Vorschriften ein. Ein Fortschritt ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des pakistanischen Obersten Gerichtshofs vom 7. Oktober 2015, wonach Kritik an der Blasphemie- Gesetzgebung keine Blasphemie ist und die Blasphemie-Gesetzgebung keine Rechtfertigung für Selbstjustiz darstellt. 5. Wie beurteilt die Bundesregierung den Fall, in dem die Christin Asia Bibi aufgrund des pakistanischen Blasphemie-Gesetzes zur Todesstrafe verurteilt wurde? Die Botschaft in Islamabad beobachtet den Verlauf des Verfahrens von Asia Bibi kontinuierlich und steht in regelmäßigem Kontakt mit ihrem Anwalt sowie mit pakistanischen Menschenrechtsverteidigern. In enger Abstimmung mit der EU- Delegation und anderen EU-Mitgliedstaaten sowie den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada setzt sich die Bundesregierung bei den pakistanischen Be- hörden für die Freilassung von Asia Bibi ein. 6. Inwieweit ist die Bundesregierung bemüht, die pakistanische Regierung zur Abschaffung der sogenannten Blasphemie-Gesetze zu bewegen? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 7. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung konkret ergriffen, um zusam- men mit den EU-Partnern internationalen Druck auf Pakistan und andere Staaten aufzubauen, welche religiöse Minderheiten auf Grundlage staatli- cher Regelungen verfolgen und gezielt diskriminieren? Das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie der Schutz von Minderheiten sind zentrale Themen im politischen Dialog der Bundesregierung mit Pakistan und anderen Staaten. Die Botschaft Islamabad steht vor Ort in engem Kontakt mit pakistanischen Menschenrechtsverteidigern und thematisiert, in Ab- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13193 stimmung mit der EU-Delegation und den vor Ort vertretenen EU-Mitgliedstaa- ten, Menschenrechtsverletzungen sowohl allgemein als auch in spezifischen Ein- zelfällen gegenüber der pakistanischen Regierung. Die Sorge über die Mensch- rechtslage in Pakistan ist zudem regelmäßig Gegenstand von EU-Ratsschlussfol- gerungen (zuletzt am 17. Juli 2017) sowie Thema unterschiedlicher Konsultati- onsmechanismen, wie etwa bei dem kommenden dritten Strategischen Dialog zwischen der EU und Pakistan am 4. Oktober 2017. Die schwierige Situation religiöser Minderheiten in Pakistan wird sich aus Sicht der Bundesregierung nur verbessern lassen, wenn den Prinzipien der Meinungs- und Religionsfreiheit und des Minderheitenschutzes in der pakistanischen Gesell- schaft und in der Rechtsordnung Pakistans mehr Geltung verschafft wird. Die Bundesregierung setzt sich hierfür unter anderem durch die Unterstützung von Projekten ein, die sich den Schutz religiöser Minderheiten, den interreligiösen Austausch und Extremismusprävention zum Ziel gesetzt haben. Zudem werden die Lage der Menschenrechte sowie das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit im jüngsten Menschenrechtsbericht der Bundesregie- rung ausführlich thematisiert. 8. Sind der Bundesregierung die Menschenrechtsverletzungen gegen die AMJ in Indonesien – insbesondere die Tatsache, dass ein Erlass aus dem Jahr 2008 der AMJ die Missionierungstätigkeit mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe unter Strafe stellt – bekannt, und wie beurteilt sie diese? Mit der Anweisung „die Verbreitung von Interpretationen und Aktivitäten einzu- stellen, die vom Inhalt der Lehre der islamischen Religion abweichen, namentlich der Glaube an die Existenz eines Propheten und seiner Lehren nach dem Prophe- ten Mohammed“ verbietet ein interministerieller Erlass der indonesischen Regie- rung aus dem Jahr 2008 der indonesischen Gemeinschaft der Ahmadiyya (Jemaat Ahmadiyah Indonesia, JAI), ihren Glauben öffentlich zu praktizieren. Gleichzei- tig verbietet der Erlass „widerrechtliche gegen Anhänger, Mitglieder oder Vor- standsmitglieder der JAI gerichtete Handlungen“, um die „interreligiöse Harmo- nie, die Sicherheit und die Ordnung des öffentlichen Lebens“ aufrechtzuerhalten. Die Glaubensausübung in Privaträumen ist gestattet. Der Erlass von 2008 selbst sieht kein Strafmaß für Verstöße gegen diese Vor- schriften vor, verweist allerdings auf weitere Gesetze und einzelne Elemente des indonesischen Strafgesetzbuches, darunter die Paragraphen 156 und 156a, die eine maximale Freiheitsstrafe von fünf Jahren für den Tatbestand der Blasphemie vorsehen. Das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie der Schutz religiöser Minderheiten werden regelmäßig im politischen Dialog zwi- schen der Bundesregierung und der indonesischen Regierung sowie im jährlich stattfindenden Menschenrechtsdialog zwischen der EU und Indonesien themati- siert. Anlässlich des Universellen Staatenüberprüfungsverfahrens (Universal Pe- riodic Review, UPR) Indonesiens durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (VN-Menschenrechtsrat) im Mai 2017 sprach die Bundesregierung ge- genüber Indonesien die Empfehlung aus, die nationale und lokale Gesetzgebung zu überprüfen, um einen umfassenden Schutz der Religions- und Glaubensfreiheit sicherzustellen. Drucksache 18/13193 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Sind der Bundesregierung die Anstrengungen der muslimischen Abgeordne- ten in Sri-Lanka, die AMJ zu einer nicht-muslimischen Minderheit erklären zu lassen, bekannt, und was beabsichtigt sie dagegen zu unternehmen? Der Bundesregierung ist bekannt, dass der Dachverband islamischer Theologen in Sri Lanka (All Ceylon Jamiyyathul Ulama) einen Gesetzentwurf in das Parla- ment einzubringen versucht, der den Mitgliedern der AMJ den Status als Muslime abspricht. Sollte dieser angenommen werden, wäre die freie Religionsausübung der AMJ nicht mehr verfassungsmäßig geschützt. Bisher steht ein solcher Gesetz- entwurf jedoch nicht auf der Tagesordnung des Parlaments. Die Botschaft in Colombo steht diesbezüglich in regelmäßigem Kontakt mit dem Parlamentspräsidenten. In diesen Gesprächen macht sie deutlich, dass derartige Initiativen aus Sicht der Bundesregierung nicht zur Aussöhnung unter den Eth- nien und Religionen beitragen, sondern den schwierigen Reform-, Aussöhnungs- und Aufarbeitungsprozess nach Ende des jahrzehntelangen Bürgerkriegs behin- dern. 10. Sind der Bundesregierung die Vorfälle in Bangladesch bekannt, bei denen Mitglieder der AMJ dort zu Schaden gekommen und bedroht worden sind? Was gedenkt sie zu tun, um die dortige Regierung bei ihren Bemühungen gegen die Extremisten zu unterstützen? Der Bundesregierung ist bekannt, dass es in Bangladesch seit Dezember 2015 wiederholt zu Anschlägen, Übergriffen sowie Fällen von Diskriminierung und Sachbeschädigen gegen Mitglieder der AMJ kam. Die Botschaft in Dhaka spricht sich regelmäßig und öffentlich für die Verwirklichung und den Schutz des Rech- tes auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit aus sowie für Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten und Akzeptanz von religiösen Minderheiten. Ferner wurde im Jahr 2016 ein Projekt gefördert, das der Stärkung des gegenseitigen Verständnisses sowie der Toleranz gegenüber anderen Glaubensbekenntnissen dient. Zielgruppe des Projektes waren unter anderem Schüler aus Koranschulen (Medressen). 11. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Status der AMJ in Ka- sachstan? Im Zuge der Einführung eines neuen Religionsgesetztes, das alle Religionsge- meinschaften zu erneuter Registrierung verpflichtet hat, wurde 2011 die seit 1994 bestehende Registrierung der AMJ trotz mehrfacher Versuche nicht erneuert be- ziehungsweise verlängert. Laut Berichten der AMJ wurden Anträge auf Regist- rierung wiederholt zurückgewiesen mit dem Hinweis, zusätzliche Unterlagen nachzureichen. Eine förmliche Ablehnung der Anträge sei nicht erfolgt. 12. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, ähnlich wie der ehemalige US- Außenminister John Kerry im Mai 2016, in einem Schreiben an die kasachi- sche Regierung die Umstände der Angehörigen der AMJ zu beanstanden? Die Bundesregierung verfolgt seit der Unabhängigkeit Kasachstans aktiv und mit großer Aufmerksamkeit die dortige Menschenrechtslage. Sie setzt sich kontinu- ierlich für Demokratisierung und den Schutz der Menschenrechte und in diesem Zusammenhang auch der Religions- und Weltanschauungsfreiheit in Kasachstan Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/13193 ein. Beispielhaft für das vielfältige Engagement ist der jährliche Menschenrechts- dialog der EU mit Kasachstan, der auch das Recht auf Religions- und Weltan- schauungsfreiheit sowie die Lage von (religiösen) Minderheiten im Land thema- tisiert. 13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Status der AMJ in Kir- gisistan, und was beabsichtigt sie zu tun, um die Regierung Kirgisistans auf- zufordern, das Recht der AMJ auf Religionsfreiheit zu wahren? Die AMJ verlor 2011 ihren seit 2002 bestehenden Status als offiziell registrierte Religionsgemeinschaft. Die jährlich zu erneuernde Registrierung als „ausländi- sche Mission“ wurde 2011 abgelehnt; die Klage vor dem Obersten Gericht verlief erfolglos. Die AMJ ist in Kirgisistan daher seit 2014 de facto verboten. Private Treffen und Aktivitäten sind gesetzlich möglich, wobei Mitglieder der AMJ von einer zunehmenden Einschränkung auch des nichtöffentlichen Handlungsspiel- raums berichten. Die Bundesregierung setzt sich in Kirgisistan für Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten ein, einschließlich des Rechtes auf Religions- und Weltan- schauungsfreiheit. 14. Wie beurteilt die Bundesregierung Fälle in Deutschland, bei denen es, wie in Offenbach am Main, aus salafistischen Kreisen zu Drohungen gegenüber Angehörigen der AMJ kam? Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen es aus salafistischen Kreisen in Deutschland zu Drohungen gegenüber Angehörigen der AMJ kam. 15. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Antrag der AMJ auf Re- gistrierung zur Arbeit in Bulgarien, welcher von der bulgarischen Regierung abgelehnt wurde? Laut Auskunft der Religionsdirektion beim Ministerrat der Republik Bulgarien hat das Sofioter Stadtgericht im Jahr 2007 einen Antrag der AMJ zur Registrie- rung ihrer Religionsgemeinschaft abgelehnt. Diese Gerichtsentscheidung sei 2008 vom Sofioter Appellationsgericht bestätigt worden. Das religiöse Oberhaupt der Muslime, der oberste Mufti von Bulgarien, sei als Sachverständiger hinzuge- zogen worden und habe erklärt, dass die AMJ keine muslimische Gemeinde sei. 16. Inwieweit verfolgt die Bundesregierung Übergriffe in Europa auf Angehö- rige der AMJ wie beispielsweise 2016 in Glasgow, wo ein Kioskbesitzer er- stochen wurde, und wie setzt sich die Bundesregierung für deren Aufklärung ein? Der Inhaber eines kleinen Ladengeschäfts in Glasgow, Asad Shah, wurde am 24. Juni 2016 von Tanveer Ahmed, einem Taxifahrer aus Bradford, nach kurzem Wortwechsel auf der Straße vor seinem Geschäftslokal erstochen. Der High Court in Glasgow verurteilte den geständigen Täter Anfang August 2016 zu einer le- benslangen, mindestens jedoch 27 Jahre dauernden Haftstrafe. Das Opfer gehörte der AMJ an; sein Mörder hatte ihm respektloses Verhalten gegenüber dem Islam vorgeworfen. Ein besonderer Einsatz der Bundesregierung für die Aufklärung dieser Straftat war dank des raschen und effizienten Handelns der britischen Behörden unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien nicht angezeigt. Drucksache 18/13193 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass im April 2016 in London Broschüren ausgelegt wurden, worin zur Ermordung von Angehöri- gen der AMJ aufgerufen wurde? Die BBC berichtete im April 2016 vom Fund mehrerer Stapel von Pamphleten in der Stockwell-Green-Moschee in Südlondon, die zur Ermordung von Angehöri- gen der AMJ aufgerufen hätten. Autor der Broschüren sei Yusuf Ludhianvi, laut BBC der ehemalige Leiter der religiösen Organisation Khatme Nubuwwat, die in Pakistan in Verbindung mit Aufrufen zu Gewalt gegen Mitglieder der AMJ steht. Der Text war in englischer Sprache verfasst. Die International Business Times zitierte einen Sprecher der AMJ, dem zufolge dieselben Pamphlete in den voran- gegangenen Jahren an anderen Stellen in London gefunden worden seien. 18. Inwieweit sind der Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen in Gam- bia bekannt, die sich daraus ergeben, dass ein Verband muslimischer Gelehr- ter die AMJ als nicht-muslimisch erklärt hat? In der Vergangenheit kam es unter der autoritären Herrschaft des früheren Präsi- denten Jammeh in Gambia in Einzelfällen zu Menschenrechtsverletzungen ge- genüber Anhängern der AMJ. Eine der ersten Entscheidungen des seit Januar 2017 amtierenden, demokratisch legitimierten Präsidenten Adama Barrow war, Gambia wieder zu einem säkularen Staat zu erklären. Nach dem vollzogenen Wechsel zur Demokratie gehen staatli- che Stellen grundsätzlich gegen die Diskriminierung von Glaubensgemeinschaf- ten vor. 19. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass in Algerien im Juni 2016 neun Mitglieder der AMJ ausschließlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der AMJ verhaftet und 20 weitere Ahmadis festgenommen wurden, weil sie das Freitagsgebet verrichteten? Die Bundesregierung beobachtet die Situation der Religions- und Weltanschau- ungsfreiheit in Algerien aufmerksam, darunter auch die Lage der AMJ. Der Spre- cher der AMJ Deutschland hat die Bundesregierung mündlich und schriftlich über die Situation der Glaubensgemeinschaft in Algerien informiert, einschließlich der in der Fragestellung erwähnten Festnahmen. Das algerische Religionsministe- rium führte unter anderem auf Nachfrage der Bundesregierung aus, dass nicht die AMJ als Gemeinschaft wegen ihrer Glaubensrichtung, sondern individuelle Mit- glieder aufgrund von Verstößen gegen algerisches Recht juristisch belangt wür- den. Dies betreffe Fälle wie die Mitgliedschaft in einer nicht genehmigten Verei- nigung sowie das Sammeln von Spenden ohne Genehmigung. 20. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass auf den Komoren eine Moschee der AMJ in Anjouan auf Anordnung des Innenministeriums von der Polizei teilweise zerstört und in eine Polizeistation umgewandelt worden ist? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von dem beschriebenen Vorgang oder anderen Maßnahmen der Union der Komoren gegen die AMJ. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/13193 21. Welche Maßnahmen stehen der Bundesregierung im Rahmen ihrer Mitglied- schaft bei den Vereinten Nationen zur Verfügung, um auf die weltweiten Menschenrechtsverletzungen gegen Angehörige der AMJ aufmerksam zu machen? Das Hauptaugenmerk des Engagements der Bundesregierung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen liegt auf der Verbesserung der völker- rechtlichen und politischen Grundlagen des Rechtes auf Religions- und Weltan- schauungsfreiheit. Zusammen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten bringt die Bundesregierung im Rahmen des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen in Genf (VN-Menschenrechtsrates) sowie des Dritten Hauptausschusses der Gene- ralversammlung der Vereinten Nationen in New York seit 2004 regelmäßig eine Resolution zur Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein. Die Resolution ruft zur Wahrung des Rechtes auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit als indivi- duelles Menschenrecht sowie des Schutzes religiöser und weltanschaulicher Min- derheiten sowie ihrer Teilhaberechte auf und spricht sich gegen jede Form von religiöser Intoleranz aus. Darüber hinaus weist die Bundesregierung in interaktiven Dialogen mit den Son- derberichterstattern des VN-Menschenrechtsrates auf Verletzungen des Rechtes auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit hin. Die Bundesregierung nutzt zudem das Universelle Staatenüberprüfungsverfahren im VN-Menschenrechtsrat, um Empfehlungen zum Schutz der Rechte religiöser Minderheiten sowie zur Verwirklichung des Rechtes auf Religions- und Weltan- schauungsfreiheit auszusprechen. Die Bundesregierung hat Empfehlungen zum Schutz des Rechtes auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit gegenüber 20 Staaten ausgesprochen, siehe auch www.upr-info.org.

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Die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) bezeichnet sich selbst als eine islami- In Pakistan wird die Gemeinde seit den 1950er Jahren verfolgt.
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