Originalveröffentlichung in: Möseneder, Karl ; Thimann, Michael ; Hofstetter, Adolf (Hrsgg.): Barocke Kunst und Kultur im Donauraum : Beiträge zum Internationalen Wissenschaftskongress, 9. - 13. April 2013 in Passau und Linz, Bd. 1, Petersberg 2014, S. 113-125 Donau-Topographie und -Allegorie in der Türken kriegspropaganda zwischen Rudolf II. (1552-1612) und Leopold I. (1640-1705) Eckhard Leuschner as den weiten Bereich allegorischer Aus W Donau-Allegorien vorzustellen und kunsthistorisch einzuordnen drucksmittel der Kunst angeht, werden be kann auf eine Art Defilee entsprechender Personifikationen in vorzugt Personifikationen studiert, also Ver der Kunst seit der Antike, also seit dem Danubius auf der Tra- körperungen abstrakter Begriffe oder - wie im Fajalln vsosänu Sletr ö(Ambebn. 1), hinauslaufen - ein Defilee, das erwartungs und Flüssen - von Naturphänomenen in einer einzigen Figur. gemäß seinen Schwerpunkt in Renaissance und Barock hätte, ' Darstellung des Danubius an der Trajansäule, Danubius, Marmorrelief, 113 n. Chr. 113 ECKHARD LEUSCHNER also etwa in Graphiken wie dem Danubius aus Philips Galles Se Kunstgeschichte von Sibylle Appuhn-Radtke.6 Zweitens umfasst rie von Flusspersonifikationen1 oder in Skulpturen wie Gianlo- das Einsatzfeld der klassischen Allegorie sehr viel mehr als nur renzo Berninis Danubius (Abb. 2) auf dem Vierströmebrunnen Personifikationen im gerade angedeuteten Sinn; gar nicht zu in Rom oder Giuseppe Volpinis Danubius an der Kaskade des reden davon, dass Allegorien - einschließlich Personifikationen Nymphenburger Schlossparks.2 Nach langem Marsch durch die - vielfach mit anderen visuellen bzw. künstlerischen Verfahren Kunstgeschichte bis zu der meist erst im 19. Jahrhundert vollzo der Vermittlung von Bedeutung interagieren. Es geht also um genen Geschlechtsumwandlung des römischen Danubius zur die Gesamtheit dessen, was heute „Repräsentationssysteme“ teutonischen Danubia3 wäre man schließlich bei Ferdinand Wag oder „Signifying Practices“ heißt.7 Ziel ist im Folgenden die ners blonder Donaupersonifikation (Abb. 3) an der Decke des Ermittlung von Verwendungszusammenhängen, d. h. die De Kleinen Ratssaales im Passauer Rathaus angelangt.4 finition der konkreten Funktion von „Begriffsbildern“ der Do Verschiedene Gründe sprechen dagegen, im vorliegenden Text nau in einer bestimmten historischen bzw. politischen Situati einem solchen konsekutiv auf ein Spezialphänomen fokussier on. Wie der Titel des Aufsatzes anzeigt, wurden dafür eine ten Ansatz zu folgen: Erstens gibt es inzwischen ikonographi- überschaubare Phase von etwas mehr als 100 Jahren und ein sche Untersuchungen zu Donau-Personifikationen, die man bestimmter Aspekt ausgewählt. „Propaganda“ ist selbstredend zwar hier und da präzisieren oder ergänzen könnte, die aber gemäß den Konventionen der Zeit aufzufassen, d. h. es geht nicht in toto wiederholt werden müssen - genannt seien das um eine interessegeleitete Vermittlung politischer oder reli Büchlein Danubius - der Sonnentrotzer von Stephan Bstieler5 giöser Überzeugungen, die, da sie oft nur auf einen kleinen und der Artikel „Flussgötter“ im Reallexikon für Deutsche Kreis von „Nutzern“ oder durch ihre Bildung privilegierte Be- 2. Rom, Danubius am Vierströmebrunnen von Giovanni Lorenzo 3. Passau, Kleiner Rathaussaal, Deckengemälde mit der Personifikation Bernini, 1648/51 der Donau von Ferdinand Wagner, 1886/90 114 tAPHIE UND -ALLEGORIE IN DER TÜRKENKRIEGSPROPAGANDA DONAU-TOPOC Algen im Haar für die meisten Verwendungszusammenhänge trachter zielte, bemerkenswert komplex und intellektuell an doch etwas unwürdig. Die Künstler hielten sich, wenn sie ent spruchsvoll sein konnte.8 Der Großteil der hier in Betracht ge sprechende geographische Begriffe sichtbar halten wollten, an zogenen Werke wurde direkt von Habsburgern oder von deren andere antike Flussgottpersonifikationen, meist sitzende oder Gefolgsleuten in Auftrag gegeben, aber auch die meisten ande ren Beispiele reflektieren deren Anliegen. Dem Ansatz eines Blicks auf Donaubilder im Rahmen der Tür kenkriegspropaganda kommt entgegen, dass schon die Figur des Danubius auf der spätestens seit dem 15. Jahrhundert viel fach von Künstlern kopierten Trajanssäule Teil einer Kompo sition ist, die ansonsten militärische Ereignisse aus den Daker kriegen Kaiser Trajans (98-117) berichten will, also eine „Re portage“ durch kommentierende allegorische Elemente ergänzt. Wie wir sehen werden, war diese „gemischte Kompositions form“ von erheblicher Vorbildwirkung für die Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts.9 Das will allerdings nicht sagen, dass der Danubius der Trajanssäule, der halb im Wasser steckt und über den die römischen Soldaten wortwörtlich (auf einer Pon tonbrücke) hinweg marschieren, in genau dieser Form häufig dargestellt worden wäre. Wie einige wenige Bilder, etwa Details von Gemälden Giorgio Vasaris für den Florentiner Palazzo Vecchio10 zeigen, kannte man diese Darstellungsart und über trug sie auf andere Flusspersonifikationen - aber vermutlich 4a und b. DANUBIUS FLUVIUS EUROPAE MAXIMUS, 1638-83, erschien ein solcher halb abgetauchter, hünenhafter Zausel mit Details, Oberhausmuseum Passau 115 ECKHARD LEUSCHNER 5. MAXIMI TOTIUS EUROPAE FLUMINIS DANUBII CURSUS PER & GERMANIAM HUNGARIOAMQUE, wohl 1630, Oberhausmuseum Passau yfiitjkalo .Maxim i totiusEuuo liegende Gestalten in ganzer Figur mit Wassergefäß, wie den ArE FLUMTNIS berühmten Nilus.11 Cesare Ripas auf ein Ausonius-Zitat ge I DANUBII stützte Anweisung12, Danubio mit verhülltem Kopf zu zeigen, weil man seine Quelle nicht kenne, fand praktisch keinen Wi ’/raza derhall in Malerei oder Skulptur. Der einstige militärische Kon text der römischen Danubius-Personifikationen blieb allerdings cursus per Ger' „unterirdisch“ präsenter als man denken könnte. MAS I AM HUN GA: Diesen Tatbestand demonstriert auch die in Amsterdam ge "AAmRmlIft teAellMoodaqaaUmmEii ,, ‘ * SNumopvf.a H Dcnerilciin Heoandttii.o. , druckte Karte des Donauraums von Willem Blaeu13 (Abb. 4 a/b): LN \mm~T~rn rli Links unten ist zwar der liegende Danubius in friedlicher Gesell schaft einiger anderer Flussgötter dargestellt - eine Repräsenta tionsform, die sich 1686 bei Johann Ulrich Kraus14 bis zu dem 6. Allegorie auf die Kriegserklärung Konstantinopels, Hans von Aachen, 1603/04, Papier oder Pergament auf Leinwand aufgezogen, Kunsthistorisches Museum Wien DONAU-TOPOGRAPHIE UND -ALLEGORIE IN DER TÜRKENKRIEGSPROPAGANDA 7Le Theatre des Guerres de lEurope, Kupferstich, wohl Mitte 17. Jahrhundert, Kunstsamm lung der Fürsten von Waldburg- Wolfegg kuriosen Versuch steigern sollte, so viele Donauzufluss-Perso- - schon am Anfang des 17. Jahrhunderts gemalt.15 Während in nifikationen beiderlei Geschlechts wie möglich beieinander zu solchen Bildern „der Osmane“ ein mehr oder weniger unverän versammeln, was ein heilloses Durcheinander ergab und (ver derter Stereotyp war (= Turban, Schnurrbart, aggressiv gezücktes mutlich unfreiwillig) den Eindruck einer Flussgötterorgie ver Schwert), finden sich - je nach Künstler oder Auftraggeber - auf mittelt. Jedoch hat Blaeu rechts oben, den Titel seiner Donau- der „westlichen“ Seite auch andere „Verteidiger des christlichen Karte flankierend, links einen gerüsteten und gekrönten (Habs Abendlands“: So zeigt ein französischer Stich aus der Mitte des burger) Herrscher und rechts einen sein Schwert erhebenden 17. Jahrhunderts16, betitelt Le Theatre des Guerres de 1‘Europe osmanischen Sultan dargestellt. Dem Habsburger steht eine (Abb. 7), eine geckenhaft modisch aufgeputzte Schauspielertrup Personifikation des christlichen Glaubens zur Seite, dem Sultan pe, die sich bei genauerem Hinsehen als Ansammlung von Na eine Figur, die wohl den Unglauben versinnbildlicht. Die Gesten tionenpersonifikationen entpuppt: Vorneweg laufen, Arm in beider vermitteln eindeutig, dass die Aggression von Seiten des Arm, (ausgerechnet) „Der Spanier“ und „Der Holländer“, in der Sultans ausgeht, während der Habsburger sein Schwert zur Ver zweiten Reihe „lTmperialiste“ und „Le Suedois“. Fast platzend teidigung zückt. Der Donauraum, so die Botschaft dieses Ele vor Eitelkeit und sich untereinander in überflüssigen Aggressio ments der Karte, war eben auch Konfliktraum, und dieser Kon nen bekämpfend, deren Schauplätze in herabhängenden Bildern flikt hatte eine religiöse Dimension. Es verwundert nicht, eine über ihnen angezeigt sind, überlassen sie den Kampf gegen den ähnliche Darstellung, wiewohl mit etwas kleinerem geographi eigentlichen Gegner, „le Turcq“, einem anderen: dem sich diesem schem Ausschnitt, auch in einer Donaukarte des Hendrick Hon allein in den Weg stellenden Malteserritter. das (MAXIMI TOTIUS EUROPAE FLUMINIS DANUBI1 Eine der weiteren historischen Entwicklung geschuldete Mo CURSUS PER GERMANIAM HUNGARIAMQUE, wohl 1630, difikation des eben besprochenen Schemas erkennt man in Abb. 5) zu finden. dem Plan de la Ville et des Attaques de Bude en I68617 von Solche Konfliktschemata sind aber noch älter als die Beispiele in Harmanus van Loon (Abb. 8), wo der Konflikt der zwei Figu flen Karten von Hondius und Blaeu, denn es ist bekannt, dass ren, die den Titel flankieren, schon „gelöst“ ist: Der Habsbur sich gerade die Habsburger spätestens seit Rudolf IE als Beschüt- ger, hier klar mit den Zügen Leopolds I., tritt mit seinem Zer des christlichen Europas gegen die osmanische Bedrohung rechten Fuß auf den Halbmondschild des Osmanen, und die Präsentierten, ja: die Berechtigung ihrer Herrschaft speziell aus ser hält diesmal nicht sein Schwert in der Hand, sondern dieser Rolle herleiteten. Hans von Aachen (Abb. 6) hat eine ver weist, wie Leopold, leicht resigniert auf das ungarische Wap gleichbare Konfrontation - hier links der kaiserliche Botschafter pen. Darunter fließt - nochmals - die Donau. Vincenzo Maria 117 ECKHARD LEUSCHNER Coronelli18 (Verleger: Jean-Baptiste Nolin) kombinierte 1688 Vor einer Karte des Donaugebiets stromabwärts ab Wien - die Titelkartusche seiner Karte der Donauregion Cours du und diese Karte teilweise verdeckend - stehen zwei Bäume: ei Danube depuis sa source jusquä ses embouchures... mit Münz nerseits das gepflegte habsburgische Gewächs, das zugleich ein porträts der Kämpfer gegen die Türken: Leopold I. und Jan Stammbaum der Dynastie von Rudolf I. bis hin zu Leopold I. Sobieski, Joseph I. und Max II. Emanuel. Über allem prangt und dessen minderjährigem Sohn Joseph sowie ein Panorama ein Münzporträt des regierenden Papstes Innozenz XI., bli habsburgischer Territorien ist, andererseits der weniger an ckend nach Westen. Links eine Personifikation des Glaubens sehnliche, von den Elementen geschüttelte und von Reichsad als Siegerin über die Häresie, rechts die exemplarische Be lern gepiesackte türkische Baum, dem aktuell weitere zwingung eines türkischen Soldaten. Dieser Gegner war nicht Blätter/Provinzen abhandenkommen; der Gegensatz wird ver mehr gleichwertig und bekam von den verantwortlichen stärkt durch Personifikationen, die vermutlich wiederum Künstlern kein Sultans- oder Herrschergesicht mehr zuge „Glaube“ und „Häresie“ sein sollen (letztere über dem türki sprochen. Unter der Titelkartusche tummeln sich Flussperso schen Baum, mit verbunden Augen und ihren Fuß auf einen nifikationen, gleichsam als „natürlicher“ Sockel der darüber Halbmond setzend). Zusammen mit diversen anderen sinn agierenden politischen Sphäre. bildlichen Elementen wird hier den aktuellen politischen Ent Wie diese Beispiele zeigen, waren die Möglichkeiten einer dif wicklungen eine geradezu kosmische Größe und Notwendig ferenzierten, verschiedene „Botschaften“ oder Repräsentati keit attestiert. Alternativ - und intellektuell wie künstlerisch onsebenen verklammernden Darstellung von Antagonismen bescheidener - konnte der Donauraum beispielsweise durch im Donauraum in der hier interessierenden Zeit zahlreich - einen „typischen“ Anwohner bezeichnet werden. In dem deut und das gilt auch für Darstellungen der Donau selbst. Der la schen Flugblatt Das von süsser Friedens-Ruh schlaffend/ und gernde bärtige Herr mit dem Wassergefäß war nur eine Option über heuntigen [sic] Welt-/ und Kriegs-Lauff träumende/ unter mehreren, und offenbar eine Option, die nicht immer Teutschland aus der Mitte des 17. Jahrhunderts20 stehen - vor (um nicht zu sagen: eher selten) adäquat erschien. Erst recht der Kulisse von scheinbar entrückten Kriegsereignissen im galt sie für etwas komplexere Kompositionen, etwa akademi Hintergrund links - Vertreter der deutschen Regionen neben sche Ehren- und Thesenblätter, als nicht ausreichend: Johann einer schlafenden Germania; durch eine bestimmte Tracht, Nr. Ulrich Kraus (Abb. 9) stach nach einer Vorlage von Christian 10, wird angeblich die ganze Donauregion exemplifiziert, ähn Dittmann gegen Ende des 17. Jahrhunderts den „Kultivierten lich wie „typisch“ gekleidete Anwohner von Themse, Tiber, österreichischen Ölbaum und den türkischen Wildölbaum“.19 Maas und Rhein für ihre Länder/Regionen stehen: Allegorische 8. Plan de la Ville et des Atta- ques de Bude en 1686, Kupfer stich von Hermanus van Loon 118 DONAU-TOPOGRAPHIE UND -ALLEGORIE IN DER TÜ KRIEGSPROPAGANDA 9. AUSTRIACA OLEA CONTRA OLEASTRUM TURCICUM, Kupferstich von Johann Ulrich Kraus nach Christian Dittmann, K 17. Jahrhundert „Zeichen“ aller Art - wobei es nun allerdings darauf ankam, Sinnzuweisung (Metonymie) geschieht hier durch Kleidung, ob die Donau überhaupt Kampfplatz war. In der Druckgraphik hinzugesetzte Zahl und Legende. überwogen - bei durchaus unterschiedlicher künstlerischer hür Darstellung der Donau im Rahmen konkreter Kriegser- Qualität - Schrägprojektionen, die durch die Wahl des Stand eignisse waren die bereits angedeuteten visuellen Verfahren punktes (meist ist kein Horizont zu sehen) sowie durch Titel- grundsätzlich schon zu Zeiten der militärischen Unterneh gebung und Legenden Verständnisvorgaben machten. Schloss mungen von Kaiser Rudolf II. gegen die Türken in den Jahren eine Wahre Contrafactur, wie sie etwa Johan Sibmacher21 zu urn 1600 verfügbar. Das gilt auch für die Kombination karto- Anfang des 17. Jahrhunderts zahlreich produzierte, noch dazu, 8raphischer bzw. topographischer Darstellungsformen mit 119 ECKHARD LEUSCHNER wenn sie auf der vermeintlich genauen Wiedergabe eines be stimmten Moments in der Erstürmung einer Stadt oder Festung insistierte, allegorische Zugaben aus? Nicht unbedingt: Man denke nur an den Kupferstich zu Ehren von Adolf von Schwar zenberg, in dem die topographische und militärische Schilde rung der Ereignisse bei Raab (Györ) rechts mit einer Art Sie gesdenkmal aus am Boden hockenden gefangenen Türken, zwei „emblematischen“ Obelisken und einer Victoria kombi niert ist.2 Es ist allerdings auffällig, dass auch die Darstellung von Raab2 in der bekannten Türkenkriegsserie von Rudolfs Hofmaler Hans von Aachen, was das Setting und die Schilde rung der im Halbdunkel vor sich gehenden Kampfereignisse in Mittel- und Hintergrund betrifft, ohne allegorische Elemente auskommt. Nur im Himmel verdeckt Juno die leuchtende 10. Allegorie des Triumphs Mondsichel der Diana (und der Türken!), und im Vordergrund gegen die Türken, Gemälde werden der Personifikation der Stadt Raab die Fesseln gelöst, von Bartholomäus Spranger, 1606, Privatbesitz während Victoria sie bekränzt. Kein Danubius ist in Sicht! - 11. Schlacht von Sissek, Gemälde von Hans von Aachen, 1603/04, Papier oder Pergament auf Leinwand aufgezogen, Kunsthistorisches Museum Wien 120 UND -ALLEGORIE IN DER TÜRKENKRIEGSPROPAGANDA DONAU-TOPOGRAPHIE wahrscheinlich einfach deswegen nicht, weil der Angriff der habsburgischen Truppen (im Titel kurz „die Christen“ genannt) auf die Festung nicht von der Flussseite erfolgte, also vom Maler nur die topographische Situation einschließlich des Flus ses allgemein angedeutet werden musste. Analog denkend ist es wohl kaum verfehlt, auch in der „Allegorie des Triumphs gegen die Türken“ von Hans von Aachens Malerkollegen Bar tholomäus Spranger24 (Abb. 10), wo im Vordergrund eine Victoria ihren Fuß auf einen am Boden liegenden Turbanträger setzt, die Hintergrundlandschaft als allgemeine, aber durchaus bedeutungsvolle Ortsangabe zu verstehen, nämlich als über greifenden Verweis auf die Donauregion. In einem anderen Bild der Türkenkriegsserie Hans von Aachens, der „Schlacht von Sissek“ (Sisak)25 (Abb. 11), zeigt sich dann, dass Flusspersonifikationen für den Maler durchaus kein Tabu waren, wenn deren Wasser „handlungstragend“ sein sollte: Hier sind es allerdings Save und Kulpa, in deren Fluten die türkischen Soldaten ertrinken, was in der Bildmitte durch die Bekränzung einer Regionalpersonifikation (Steiermark? Kroa tien?) gefeiert wird. Ähnliche, wohl ebenfalls von Hans von Aachen entworfene Flussgötter findet sich in der Medaille mit der Schlacht von Tergovist (1595, Tärgovi§te, Tergowische) von Paulus van Vianen2 und in dem Türkenkriegsrelief (ca. 1604- 05) des Adriaen de Vries im Kunsthistorischen Museum Wien, wobei von der Forschung in letzterem Werk exzeptionell eine weibliche Flussgottheit als „Donau“ gedeutet wird.~ Der Unterschied solcher visuellen Geschichtsdeutungen zu türkischen Darstellungen jüngster oder zeitgenössischer Kriegsereignisse im Donauraum, etwa in der „Hünername (Abb. 12) genannten, heute in der Topkapi-Bibliothek bewahr ten Rückschau auf die Kriege Süleymans des Prächtigen, ge schaffen in der Regierungszeit von Sultan Murad III. (1574- 95)28, ist bemerkenswert. Dies betrifft einerseits die ganz eige 12. Kriege aus der Zeit Süleymans des Prächtigen, Illustration aus der nen Regeln folgende Raumdarstellung und Perspektive der os- „Hünername“, entstanden zwischen 1574-95, Topkapi-Palast, Istanbul nianischen Kunst, andererseits aber auch die Tatsache, dass dort keinerlei vergleichbare allegorische Bildersprache exis auf dem Avers - und ein Münzporträt von Karl V., dessen tierte. Die Verwendung des gemischten Modus - speziell unter Revers mit dem gleichen Motto „In spem prisci honoris“ eine Einschluss von Flusspersonifikationen - war ausschließlich der ähnliche Personifikation, nämlich die des Flusses Tiber, ent »Westkunst“, vor allem der an römisch-imperialen Modellen hält. Auch von dieser Warte aus kann kaum ein Zweifel daran angelehnten dynastischen Selbstdarstellung des christlichen sein, dass es grundsätzlich vor allem ein solches antik-„römi- West- und Mitteleuropas, eigen.29 sches“ Timbre war, das bei den Habsburgern den Einsatz von In Medaillen des Hauses Habsburg gibt es eine mindestens bis Flusspersonifikationen in Darstellungen (speziell Darstellun auf Ferdinand I. zurückgehende Danubius-Tradition, begin gen im gemischten Modus) mit Türkenkriegskontext beför nend mit der von Leone Leoni gefertigten Porträt-Medaille, deren Revers durch die Inschrift „In spem prisci honoris derte. Während in der Zeit Rudolfs II. die „Kriegsreportage“ weitge (Zur Hoffnung auf die frühere Ehre) und die Namensnen- hend der Druckgraphik Vorbehalten war, griff dieser vorgeblich nung Danubius unverhohlen die Hoffnung auf Rückgewin- rein topographisch-dokumentierende Modus in den Jahren nung der von den Türken eroberten Teile der Donauregion des Dreißigjährigen Krieges verstärkt auf gemalte Kriegsdar ausdrückt [Abb. 5 im Beitrag Telesko].30 Es existiert eine Prä- stellungen über. Ein typisches Beispiel ist das „Treffen von 8ung mit dem Porträt von Ferdinands Bruder Kaiser Karl V. 121 ECKHARD LEUSCHNER Nördlingen“ (1634) des Flamen Pieter Meulener31 (National trachter wird über die allegorischen Figuren hinweg, aber an museum, Stockholm), ein Bild, das in einer weiten Ebene vor geregt durch diese, auf die erhöht angeordnete historische Fluss und Stadt inmitten von Truppenteilen das Treffen König Szene gelenkt, wobei Danubius durch seine Handbewegung Ferdinands von Ungarn mit seinem Cousin, dem Kardinalin prophetisch zu verstehen gibt, dass die beiden Protagonisten - fanten Ferdinand, Bruder des damaligen spanischen Königs, über ihnen schwebende Adler bekränzen sie - der direkt unter zeigt, vier Tage vor der entscheidenden Schlacht der katholi den beiden hockenden das Leid der Germania lindern werden. schen Truppen gegen die Schweden und die mit ihnen ver Es mag der zupackenden und appellativen Kunst von Rubens bündeten protestantischen Reichsfürsten. Peter Paul Rubens geschuldet sein, dass dieser Danubius ungewohnt prominent hat dieselbe Begebenheit für die Festdekoration der sogenann und handlungsstark erscheint: keine typische Verhaltensweise ten Pompa Introitus Ferdinandi in Antwerpen32 (Abb. 13) mit für die Personifikation eines eher behäbig und breit dahinflie großem allegorischen Apparat inszeniert: Im Vordergrund ßenden Stroms - und allenfalls mit der ausgreifenden, etwas kombinierte er einen Danubius, aus dessen Gefäß mit Blut ängstlichen Geste von Berninis Danubius vor dem instabil wir vermischtes Wasser fließt, mit der Figur einer blonden, mit ei kenden Sockel des Pamphilj-Obelisken am römischen Vier nem schwarzen Mantel bekleideten Germania, die sich auf ei strömebrunnen zu vergleichen.33 nen Schild mit dem Reichsadler stützt und melancholisch aus Das gegenüber der Malerei bescheidenere Medium des Kupfer dem Bild blickt. Der solchermaßen direkt angesprochene Be stichs, die Konfession oder auch der Charakter des Dargestellten 13. Begegnung König Ferdinands von Ungarn mit dem Kardinalinfanten Ferdinand vor der Schlacht bei Nördlingen, Gemälde von Peter Paul Rubens, 1634/35, Kunsthistorisches Museum Wien 122
Description: