Leuphana Universität Lüneburg Fakultät I – Bildungs-, Kultur- und Sozialwissenschaften Management der Achtsamkeit – Ethische Kompetenz von Führungskräften in der Sozialwirtschaft Band 1 Dissertation zur Erlangung des Grades Doktor der Philosophie – Dr. phil. vorgelegt von Andreas Tietze, MBA Sylt 2009 2 Band 1: Dissertation: Management der Achtsamkeit – Ethische Kompetenz von Führungskräften in der Sozialwirtschaft Band 2: Paraphrasierung und Generalisierung der Expert/Inneninterviews Band 3: Expert/Inneninterviews Band 1: Danksagung 1 Einleitung 2 Aufbau der Arbeit 3 Forschungsdesign 3.1 Erkenntnisleitende Fragestellungen 3.2 Hypothesen 3.3 Methodisches Vorgehen 3.4 Ziele und Nutzen der Arbeit für den wissenschaftlichen Diskurs 4 Grundlagen des Managements in der Sozialwirtschaft 4.1 Stand der Fachdiskussion 4.2 Zum Begriff des Managements 4.3 Zum Begriff der Sozialwirtschaft 4.4 Der Gegenstandsbereich der Sozialwirtschaft 4.5 Zum Stand der Theorieentwicklung in der Sozialwirtschaft 4.6 Gesellschaftlicher Wandel im 21. Jahrhundert 4.7 Sozialmanagement bzw. Management in der Sozialwirtschaft 4.8 Managementmodelle in der Sozialwirtschaft 4.8.1 St. Galler – Managementkonzept 4.8.2 Freiburger NPO-Managementmodell 4.8.3 Sieben-S-Modell 4.8.4 Systemsteuerung durch Sozialmanagement 4.9 Ethik in der Sozialwirtschaft 4.9.1 Management im Spannungsfeld zwischen Ethik und Effizienz 4.9.2 Ethische Anforderungen an Führungskräfte 4.10 Corporate Social Responsibility 3 5 Der Capability Approach (CA) 5.1 Grundlagen 5.2 Aktueller Forschungsstand 5.3 Theorie der Gerechtigkeit nach RAWLS 5.4 Der Ansatz nach SEN 5.5 Der Ansatz nach NUSSBAUM 6 Gemeinwesenökonomie und Lebensweltorientierung nach THIERSCH 7 CARE - Ethik 7.1 Grundlagen 7.2 Der CARE-Begriff 7.3 Der CARE-Ethik Ansatz 7.4 Take CARE – Ethik der Achtsamkeit 7.5 CARE im Spannungsfeld der Sozial- und Gesundheitswirtschaft 8 Management der Achtsamkeit 8.1 Der Achtsamkeitsbegriff 8.2 Achtsamkeit im Buddhismus 8.3 Achtsamkeit in der Psychologie 8.4 Wertschöpfung durch Wertschätzung 8.4.1 Aktueller Stand der Werteforschung 8.4.2 Werte und Wertewandel 8.4.3 Wertefragen im Kontext der katholischen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik 8.4.4 Wertebegriff 8.4.5 Wertehaltungen 8.4.6 Interne Wertschöpfungsprozesse 8.4.7 Externe Wertschöpfungsprozesse 8.4.8 Wertehaltungen von Führungskräften in der Sozialwirtschaft 8.4.9 Wertemanagement in sozialen Unternehmen 8.5 Management der Achtsamkeit in der Sozialwirtschaft 8.5.1 Instrumente und Implementierung eines Managements der Achtsamkeit 8.5.2 Freiburger Vier-Faktorenmodell zur Achtsamkeit 8.5.3 Einführung eines Management der Achtsamkeit 4 8.5.4 Thesen zum Management der Achtsamkeit 8.5.5 Fragen für die Experten/Inneninterviews 9 Empirischer Teil 9.1 Feldforschung 9.2 Methoden der Feldforschung 9.3 Qualitative Methoden der Sozialforschung 9.4 Theorie des qualitativen Diskurses 9.5 Methode „Grounded Theory“ nach STRAUSS 9.6 Das qualitative Experteninterview nach MEUSER und NAGEL 9.7 Der Leitfaden für das Expert/Inneninterview 9.8 Methode der minimalen und maximalen Kontrastrierung 9.9 Auswertungsverfahren 9.10 Beschreibung des Feldes 9.11 Auswahl der Experten/Innen 9.12 Das qualitative Sample 10 Auswertung und Diskussion der Ergebnisse 10.1 Auswertung der Expert/Inneninterviews 10.2 Thesen im Forschungsprozess 10.2.1 Aussagen und Kommentierung These TF-1 10.2.1.1 Zwischenbilanz These TF-1 10.2.2 Aussagen und Kommentierung These TF-2 10.2.2.1 Zwischenbilanz These TF-2 10.2.3 Aussagen und Kommentierung These TF-3 10.2.3.1 Zwischenbilanz These TF-3 10.2.4 Aussagen und Kommentierung These TF-4 10.2.4.1 Zwischenbilanz These TF-4 11 Perspektiven für ein Management der Achtsamkeit in der Sozialwirtschaft Abbildungen Lebenslauf Literaturverzeichnis Erklärung 5 Dank. 2006 habe ich an der Leuphana Universität Lüneburg den zweijährigen 1. bundesweiten MBA-Studiengang „Management in der Sozialwirtschaft“ mit Erfolg abgeschlossen. Prof. Dr. Herbert E. Colla, Prof. Dr. Egbert Kahle, Prof. Dr. Maria- Eleonora Karsten und Prof. Dr. Bernd Maelicke ermutigten mich, die Master- Thesis zur Promotion weiterzuentwickeln. Meinem Erstgutachter Prof. Dr. Herbert E. Colla danke ich für seine achtsame und stets freundschaftliche unterstützende fachliche Hilfe. Ich danke besonders für die ethischen Diskurse in Lüneburg und auf Sylt und für seine Ermutigung, das Thema „Achtsamkeit“ und Ethik im Rahmen dieser Promotion reifen zu lassen. Meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Bernd Maelicke danke ich für seine große Geduld, Gelassenheit und stete Unterstützung, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass ich dieses Vorhaben erfolgreich durchführen konnte. Prof. Dr. Christine Meyer danke ich dafür, dass sie diese Arbeit beratend begleitet hat. Besonders danke ich meiner Familie für ihre Toleranz und Geduld sowie für ihre stete Unterstützung, obwohl unser Wohnzimmer über Monate mit Büchern und Materialien überschwemmt und zweckentfremdet wurde. Danke Anke! Danke Jana! Danke Julian! Diese Arbeit ist für Euch! Sylt im Juli 2009 Andreas Tietze, MBA 6 1 Einleitung Noch immer ist für viele Manager/Innen vorrangiges Erfolgskriterium, wie Gewinn und Nutzen ihrer Unternehmen maximiert, wie Effizienz und Effektivität gesteigert werden können. Die öffentliche gesellschaftspolitische Diskussion zeigt jedoch, dass diese einseitige Orientierung nicht mehr ausreicht. Über die zahlreichen negativen Berichterstattungen zum Thema überzogener Managementgehälter, über straftat- relevante Steuerhinterziehungen bis hin zu provozierenden Veröffentlichungen über „Nieten in Nadelstreifen“ (OGGER 1997) wurde und wird die ethische Kompetenz des Managements immer mehr in Zweifel gezogen. Einen folgenschweren Beitrag zum aktuellen Werteverlust leistet auch die Globalisierung mit ihrer einseitigen Ausrichtung auf marktwirtschaftliche und utilitaristische Interessen, auf Neoliberalismus in der Gesellschaftspolitik und im Management. Angesichts der Krise betonen immer mehr Akteure den Nutzen eines „anstän- digen Wirtschaftens“ und in betriebswirtschaftlichen Fachpublikationen wird wieder das ursprüngliche Leitbild des „Ehrbaren Kaufmanns“ (KLINK 2008) beschrieben. Märkte und Verbraucher reagieren zunehmend positiv auf Unternehmen, die soziale und ökologische Nachhaltigkeitsstrategien nach innen und außen offensiv kommunizieren. Diese Entwicklung hat in den letzten Jahren auch die Betriebe und Unternehmern der Sozialwirtschaft erreicht. Die Sozialwirtschaft ist in Deutschland eine ständig expandierende Wachstums- branche. Das Arbeitsplatzangebot ist überproportional im Verhältnis zu anderen Segmenten der Wirtschaft gestiegen und wird noch weiter steigen, wenn man die Herausforderungen des demografischen Wandels und der zunehmende Alterung der Gesellschaft betrachtet. 7 Mehr als 2,1 Mio. Mitarbeiter/Innen, davon 1,5 Millionen Vollzeitstellen, sind in der Freien Wohlfahrtspflege beschäftigt – also bei den sechs Spitzenverbänden AWO, Caritas, DPWV, DRK, Diakonie und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Damit haben die Verbände mittlerweile mehr Personal als die größten privaten Arbeitgeber wie z.B. Siemens, Daimler Benz oder Deutsche Bahn. Die Finanzierung der sozialen Dienstleistungen wird in der Regel in Deutschland nicht über den Markt geregelt, sondern findet hochgradig gesteuert und verrechtlicht statt. Die Mittel stammen aus einem Mix aus Leistungsentgelten, Kostenerstattungen, öffentlichen Zuwendungen und Eigenmitteln (z.B. Pflege- und Tagessätze, Kostenbeiträge und Gebühren). Um einen Leistungswettbewerb zwischen den Anbietern zu initiieren, wurde die Vorrangstellung der Freien Wohlfahrtspflege durch eine allgemeine Liberalisierung des Marktes sozialer Dienstleistungen weitgehend aufgehoben, so dass nun zahlreiche Anbieter nahezu gleichberechtigt um Leistungsaufträge konkurrieren. Der privat- gewerbliche Anteil ist z.B. im Pflege- und Krankenhaussektor in den letzten Jahren erheblich gestiegen (z.T. über 50%) und wird nach gesicherten Prognosen noch weiter steigen. Die Finanzierungsproblematik sozialer Dienstleistungen bestimmt zunehmend das Anforderungsprofil an die Führungskräfte in der Sozialwirtschaft. In den letzten Jahren wurden für die Leitung sozialer Institutionen immer mehr betriebs- wirtschaftliche Kompetenzen benötigt, die bis dahin in dieser Intensität nicht abgefordert wurden. Die Führungskräfte in der Sozialwirtschaft stehen so immer mehr in einem wachsenden Spannungsfeld zwischen fachlicher Effektivität und wirtschaftlicher Effizienz. Die Sozialwirtschaft in öffentlicher, frei-gemeinnütziger oder privat-gewerblicher Trägerschaft orientierte sich in der Vergangenheit vorwiegend entweder an den Prinzipien der Ökonomie oder an den Prinzipien der Sozialen Arbeit. Eine einheitliche sozialwirtschaftliche Theorie und Praxis, die beide Ansätze mitein- ander vereinigt, ist bisher nur in Ansätzen erkennbar. 8 Wie die gesellschaftspolitische Diskussion zeigt, wird sowohl im praktischen Handeln der Führungskräfte wie in der sozialwirtschaftlichen Managementlehre, der Fachlichkeit der Sozialarbeit und Sozialpädagogik eine beide Pole verbindende authentische, vermittelbare und nachvollziehbare ethische Orientierung vermisst. Diese Arbeit will einen Beitrag dazu leisten, die Handlungsautonomie und Glaubwürdigkeit der Führungskräfte in der Sozialwirtschaft zu stärken und sie so stärker in ihrem Management-Handeln an ethischen Prinzipien zu orientierten. 2 Aufbau der Arbeit Auf der Basis einer umfangreichen Literaturrecherche zum Management in der Sozialwirtschaft, zu neuen Theorieansätzen im Bereich der Ethik (CARE-Ethik) und zum Befähigungsansatz (CA - Capability Approach) sowie einer explorativen qualitativen Führungskräftebefragung sollen valide Erkenntnisse und Daten über die ethische Kompetenz von Führungskräften in der Sozialwirtschaft erhoben werden, um bestehende Forschungslücken zu verringern. Gleichzeitig ist damit das Ziel verbunden, neues sozialwirtschaftlich begründetes Wissen zu generieren, damit Führungskräfteauswahl und -entwicklung in der Sozialwirtschaft verbessert und gezielt auf die zukünftigen Herausforderungen strategisch ausgerichtet werden können. Der Autor verfügt durch seine langjährige Tätigkeit in öffentlichen und freien sozialwirtschaftlichen Organisationen und durch seine anhaltende Zusammen- arbeit mit Expert/Innen der Sozialwirtschaft (im Rahmen seiner derzeitigen wissenschaftlichen Tätigkeit beim Deutschen Institut für Sozialwirtschaft und vorhergehend beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge) über ein umfassendes Erfahrungs- und Wissensnetzwerk. Dieses wird im Rahmen dieser Arbeit genutzt, um forschungs-, praxis- und organisationsrelevante Fragestellungen zum Management in der Sozialwirtschaft zu bearbeiten und zu vertiefen. 9 3 Forschungsdesign 3.1 Erkenntnisleitende Fragestellungen Management in der Sozialwirtschaft ist ein verhältnismäßig neuer Wissenschafts- bereich. Es existieren zwar zahlreiche Veröffentlichungen zum Sozialmanagement bzw. zum Management in der Sozialwirtschaft, das Thema der ethischen Grundhaltung von Führungskräften in der Sozialwirtschaft ist jedoch in diesem Rahmen noch wenig erforscht. Aufgrund der in der Einleitung dargelegten Problematik werden im Rahmen dieser Arbeit folgende Fragen explorativ bearbeitet: Welche ethische Kompetenz wird von Manager/Innen der Sozialwirtschaft angesichts der grundlegenden und neuartigen gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zukünftig benötigt? Kann sich das Management in der Sozialwirtschaft einen vom wirtschaftlichen Handeln weitgehend unabhängigen Aktionsrahmen schaffen? Kann das Management in der Sozialwirtschaft auf der normativen Ebene im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Fachlichkeit sozialer Arbeit zur sozialen Gerechtigkeit beitragen und sich an einer auf Sorge und Achtsamkeit ausge- richteten CARE-Ethik orientieren? Wie könnte ein an Gerechtigkeit und Achtsamkeit orientiertes Management- konzept für die Sozialwirtschaft konzipiert werden? 10 3.2 Hypothesen Hinsichtlich der Generierung relevanter Hypothesen für die vorliegende Arbeit, lassen sich vier Thesen für den Forschungsprozess heraus kristallisieren: These 1: Management in der Sozialwirtschaft folgt unterschiedlichen ethischen Grund- überzeugungen und hat eigene Werte. Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion und müssen sich durch eine besondere Achtsamkeit bei der Einhaltung dieser Grundsätze in der Dienstleistungserbringung auszeichnen. These 2: Die Einführung eines Managements der Achtsamkeit in sozialwirtschaftliche Organisationen und Unternehmen ist eine wichtige Innovation, fördert ein gelebtes Wertemanagement, vermindert das Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Ethik, bedarf einer bewussten Steuerung in Entscheidungs- und Führungsprozessen und ist Voraussetzung für eine Integration der Handlungskonzepte Sozialer Arbeit und des Managements des Sozialen in der Sozialwirtschaft. These 3: Management der Achtsamkeit setzt auf Ganzheitlichkeit, erhöht die emotionale und soziale Kompetenz der Führungskräfte und will von einer individuellen zu einer gemeinsamen wertebewussten Handlungsorientierung im Unternehmen kommen. Menschen in sozialen Organisationen sind intrinsisch motiviert, moralisch integer, lernfähig und handeln selbstverantwortlich um der guten Sache willen. These 4: Eine „Kultur der Achtsamkeit“ muss als ein gelebtes Unternehmensleitbild in der Sozialwirtschaft formuliert werden. Achtsamkeit ist dabei als eine besondere Art der Selbstverpflichtung und Selbstreflexion von Führungskräften und Fachkräften zu verstehen.
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