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Diskurs - Sprache - Wissen: Interdisziplinäre Beiträge zum Verhältnis von Sprache und Wissen in der Diskursforschung PDF

285 Pages·2013·1.672 MB·German
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Interdisziplinäre Diskursforschung Herausgegeben von Reiner Keller Achim Landwehr Wolf-Andreas Liebert Martin Nonhoff Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich im deutschsprachigen Raum in den Geschichts-, Sprach- und Politikwissenschaften, in der Soziologie und in angrenzenden Disziplinen eine lebendige und vielfach vernetzte Szene der diskurstheoretisch begründeten empiri- schen Diskurs- und Dispositivforschung entwickelt. Die Reihe trägt dieser neuen inter- disziplinären Aufmerksamkeit Rechnung. Sie bietet ein disziplinenübergreifendes Forum für die Entwicklung der Diskurstheorien sowie der empirischen Diskurs- und Dispositiv- forschung und stärkt dadurch deren Institutionalisierung. Veröffentlicht werden • thematisch zusammenhängende inter- und transdisziplinäre Bände, die sich mit ausgewählten Theorien, Methodologien und Themen der Diskurstheorie sowie der empirischen Diskurs- und Dispositivforschung beschäftigen; • disziplinspezifische Monographien und Diskussionsbeiträge, die theore- tische, methodologische und methodische Reflexionen sowie Forschungs- ergebnisse aus einzelnen Disziplinen bündeln; und • herausragende Theorie- und Forschungsmonographien. Herausgegeben von Reiner Keller Wolf-Andreas Liebert Universität Augsburg Universität Koblenz-Landau Augsburg, Deutschland Campus Koblenz Koblenz, Deutschland Achim Landwehr Universität Düsseldorf Martin Nonhoff Düsseldorf, Deutschland Universität Bremen Bremen, Deutschland Willy Viehöver • Reiner Keller Werner Schneider (Hrsg.) Diskurs – Sprache – Wissen Interdisziplinäre Beiträge zum Verhältnis von Sprache und Wissen in der Diskursforschung Herausgeber Dr. Willy Viehöver Prof. Dr. Reiner Keller Prof. Dr. Werner Schneider Universität Augsburg Deutschland ISBN 978-3-658-00492-7 ISBN 978-3-658-00493-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-00493-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus- drücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein- speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk be- rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de Inhalt Willy Viehöver, Reiner Keller und Werner Schneider Diskurs – Sprache – Wissen: Ein problematischer Zusammenhang ? . . . . . . 7 Reiner Keller Das Wissen der Wörter und Diskurse Über Sprache und Wissen in der Wissenssoziologischen Diskursanalyse . . . . 21 Dietrich Busse Linguistische Diskursanalyse Die Macht der Sprache und die soziale Konstruktion der Wirklichkeit aus der Perspektive einer linguistischen Epistemologie . . . . . . . . . . . . 51 Rainer Diaz-Bone Sozio-Episteme und Sozio-Kognition Epistemologische Zugänge zum Verhältnis von Diskurs und Wissen . . . . . . 79 Ingo H. Warnke Diskurs als Praxis und Arrangement – Zum Status von Konstruktion und Repräsentation in der Diskurslinguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Stefan Meier und Vivien Sommer Der Fall Demjanjuk im Netz Instrumentarien zur Analyse von Online-Diskursen am Beispiel einer erinnerungskulturellen Debatte . . . . . . . . . . . . . . . 119 Martin Wengeler Argumentationsmuster und die Heterogenität gesellschaftlichen Wissens Ein linguistischer Ansatz zur Analyse kollektiven Wissens am Beispiel des Migrationsdiskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Ekkehard Felder Linguistische Diskursanalyse im Forschungsnetzwerk Sprache und Wissen . . . 167 6 Inhalt Siegfried Jäger Von der Ideologiekritik zur Diskurs- und Dispositivanalyse – Theorie und methodische Praxis Kritischer Diskursanalyse . . . . . . . . . . . 199 Willy Viehöver Keep on Nano truckin’, truck our blues away Zur Rolle von Sprache und Narrativen in der diskursiver Governance der Wissensproduktion im Feld der Nanotechnologien . . . . . . . . . . . . 213 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Diskurs – Sprache – Wissen: Ein problematischer Zusammenhang ? Willy Viehöver, Reiner Keller und Werner Schneider Der vorliegende Band widmet sich der Frage des spezifischen Zusammenhanges von Sprache, Wissen, bzw. gesellschaftlichen Wissensordnungen und Diskursen. Diskurs- forschung und Diskursanalytik sind seit einigen Jahren bestrebt, zumindest gibt es dahingehend deutliche Tendenzen, die disziplinäre Trennung von Sprach- und Wis- sensforschung aufzubrechen, wenn nicht sogar aufzuheben (vgl. etwa Felder/Müller 2009; Spitzmüller/Warnke 2011). Dabei wird einerseits die wirklichkeitskonstituierende Macht von Sprache1 betont sowie andererseits die Sprachförmigkeit und Performanz von Aussagepraktiken, die Wissen prozessieren, d. h. konstituieren, sichern, aber auch infrage stellen und transformieren, in den Fokus von interdisziplinär ausgerichteten oder arg umentierenden Diskursanalysen gerückt – auch wenn solche Neuausrichtun- gen bisweilen auf disziplinäres Unverständnis oder gar Widerstände treffen, wie Busse in seinem Beitrag zu diesem Band vermerkt. Auf der einen Seite, so ist zu beobach- ten, nehmen sprachwissenschaftliche Ansätze der Diskursforschung zunehmend kultur- und sozialwissenschaftliche Theoreme und Methoden auf2; umgekehrt greifen sozialwis- senschaftliche Arbeiten in der Diskursforschung häufig auf methodische Vorschläge aus sprachwissenschaftlichen Kontexten zurück (Arnold/Dressel/Viehöver 2012). Gleich- wohl bleibt trotz aller Bestrebungen zu einer für sozial- wie für sprachwissenschaftliche Forschungstraditionen vielversprechenden Überschreitung disziplinärer Perspektiven, die diese wechselseitigen Annäherungen vieler Ansätze der Diskursanalytik charakte- risieren, das konkrete Verhältnis von Sprache und Wissen nicht zuletzt unter diskurs- theoretischer Perspektive noch vage und uneindeutig. Dies gilt insbesondere auch dort, wo es – vor dem Hintergrund einer kritischen Sprachwissenschaft ebenso wie einer kri- tischen Diskursanalyse – um die Frage nach den Grundlagen und Verfahrensweisen einer wie auch immer zu konzipierenden „(macht-)kritischen Perspektive“ in der Dis- kursforschung geht (vgl. dazu auch die Beiträge von Busse und Jäger in diesem Band). Diesem augenscheinlich problematischen Zusammenhang von Wissen und Wissens- 1 Vgl. Felder (2009a, 2009b, 2009c); siehe insbesondere auch die Beiträge von Keller, Busse und Warnke in diesem Band. 2 Vgl. Felder (2009b, 2009c), Felder/Müller (2009); siehe auch die Beiträge von Warnke und Wengeler in diesem Band. W. Viehöver et al. (Hrsg.), Diskurs – Sprache – Wissen, Interdisziplinäre Diskursforschung, DOI 10.1007/978-3-658-00493-4_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 8 Willy Viehöver, Reiner Keller und Werner Schneider ordnungen einerseits, Sprache und sprachlichen Ausdrucksformen sowie der spezifi- schen Rolle von Diskursen andererseits widmet sich das Leitthema des vorliegenden Bandes. Warum aber ist der Themenzusammenhang Diskurs – Sprache – Wissen einer- seits so problematisch, dass er disziplinär wie interdisziplinär kontrovers diskutiert wird, andererseits jedoch über die Grenzen von Disziplinen hinaus von besonderem Interesses scheint ? Wo liegen nachhaltige Differenzen in den disziplinären Perspekti- ven der Sozial- und Sprachwissenschaften ? Wo zeichnen sich Brückenschläge zwischen den Disziplinen ab ? Wo werden disziplinäre Grenzen überschritten oder deren Über- schreitung durch wegweisende diskursanalytische Untersuchungen und programmati- sche Entwürfe zumindest denkbar ? Aus Sicht der Herausgeber lassen sich diesbezüglich einige strittige Punkte benennen, ohne damit den Anspruch auf Vollständigkeit erhe- ben zu wollen. Ein erster Grund für kontroverse Diskussionen liegt sicherlich in den immer noch nachwirkenden einschlägigen Aussagen Foucaults in der „Archäologie des Wissens“ (Foucault 1988: 74). So erinnert Keller in diesem Band noch einmal daran, man müsse den Begriff des Diskurses von den im engeren Sinne sprachwissenschaftlichen Fragezu- sammenhängen lösen, um ihn für die Untersuchungen von Wissensformationen und deren Wirkungen und Effekte zu stärken. Er hat damit einerseits den Fokus auf die Be- deutung diskursiver Praktiken für die Konstitution, aber auch die Wirkung von diskur- siv generierten gesellschaftlichen Wissensformationen und diesbezüglichen Diskursuni- versen gelenkt, zugleich aber, so will es scheinen, das Band zwischen Sprache und Diskurs geschwächt. Dass diese Aussagen auch in der heutigen Diskursforschung noch ihre Nachwirkungen haben, zeigen insbesondere auch die Beiträge von Keller, Diaz- Bone und Warnke im vorliegenden Band. Nun hat aber mit Foucaults Anmerkungen, zumal in den Sprachwissenschaften, das Nachdenken über Sprache im Lichte von Dis- kursen keineswegs aufgehört, wenn auch zum Teil entgegen disziplinärer Trends. Man wehrt sich dabei allerdings gegen einen Diskursbegriff, der auf „Konstruktionsregeln“ jenseits von „Kommunikation“ und Sprache zu verweisen scheint (vgl. exemplarisch die Argumentation bei Warnke in diesem Band), während die andere Seite, etwa im Rekurs auf Foucaults Konzept der „Episteme“, gerade darauf insistiert, dass Diskurse weder auf linguistische Prozeduren noch auf psychische Prozesse zu reduzieren seien (vgl. den Beitrag Diaz-Bones, siehe dagegen den Beitrag Kellers). Die Beziehung von Diskurs und Sprache, ja die jeweilige Definition von Diskurs und Sprache selbst wird kontrovers diskutiert: Sprache als geregeltes System vs. Sprachgebrauch (Gespräch, Text) in Kom- munikationsprozessen und Prozessen des Schreibens, Diskurse als geregelte Aussagen- systeme vs. diskursive Praktiken. Viele Autoren entproblematisieren das prekäre und ambivalente Verhältnis von Diskurs und Sprache dadurch, dass sie auf die „Doppelge- sichtigkeit des Diskurses“ (Warnke in diesem Band) hinweisen. D. h.: „Diskurse als so- ziale Routinen des Sagens“ (Warnke) formieren einerseits Wissen durch – historische freilich relative – Aussagen, aber andererseits haben die so entstehenden und institu- tionalisierten Diskursuniversen mit ihren Konventionen einen einschränkenden und Diskurs – Sprache – Wissen: Ein problematischer Zusammenhang ? 9 ermöglichenden Effekt auf die Aussagenproduktion diskursiver Praktiken (vgl. auch Keller und Busse in diesem Band). Dies läuft letztlich auf ein rekursives Verhältnis von Strukturen und Praktiken hinaus, so wie es in den Sozialwissenschaften von Strukturie- rungstheoretikern wie Bourdieu (1982) oder Giddens (1984) formuliert worden ist. Von einigen Autoren werden mit Frames (Ziem 2009; siehe auch Busse in diesem Band), Deutungsmustern/Typisierungen (Keller 1998, 2005a, 2005b), Topoi (Wengeler 2003), Sozioepistemen (Diaz-Bone 2006, 2007) oder narrativen Strukturen (Viehöver 2012) aber auch Brückenkategorien angeboten, um die problematischen Beziehungen zwi- schen Sprache, Diskurs und Wissensordnungen diskursanalytisch anzugehen oder zu- mindest angemessener fassen zu können. Wenn es auch Differenzen bei der Interpretation des Diskurs/Sprache-Verhältnisses gibt, scheint doch auf der anderen Seite das gemeinsame Interesse an Wissen und ge- sellschaftlichen Wissensordnungen einen breiten Raum für Brückenschläge zwischen den Disziplinen zu bieten. Nicht zuletzt die prominent gewordene Rede von den mo- dernen „Wissensgesellschaften“ (Weingart et al. 2007) und ihren Grenzziehungskämp- fen oder Entgrenzungsdynamiken (Wengenroth 2012) hat das in den Sozialwissenschaf- ten ohnehin große Interesse an gesellschaftlichen Wissensformationen noch einmal gestärkt (siehe auch Diaz-Bone in diesem Band). Aber auch die für diskursanalyti- sche Fragestellungen offenen Sprachwissenschaften (z. B. Busse, Felder, Meier/Sommer, Warnke, Wengeler) verknüpfen ihre Konzepte der sprachlichen Verfasstheit von Dis- kursen, der „Sprachlichkeit der Wissenskonstituierung“ sowie der „Gesellschaftlichkeit der Sprache“ (Felder/Müller 2009: 5; Felder 2009: 21 – 77) mit einem zunehmenden In- teresse für die durch Diskurse konstituierten und transformierten Wissensformationen, sei es zwischen Fachwelten (Felder 2009; Konerding 2009), medialen Diskursen (Meier/ Sommer und Wengeler in diesem Band) oder im Hinblick auf die dadurch bewirkten Machteffekte – wie Busse ausgangs seines Beitrages noch einmal unterstreicht. Nicht zu- fällig widmet sich die entsprechende Linguistik daher auch transtextuellen Sprachanaly- sen (Spitzmüller/Warnke 2011). Ein zweiter Grund scheint in der ambivalenten Verwendung des Diskursbegriffes selbst zu liegen, denn, darauf weisen etwa die Arbeiten von Busse, Diaz-Bone, Keller und Warnke auf je eigene Weise in diesem Band noch einmal hin, Foucault versteht diesen zum einen im Sinne diskursiver Praktiken zum anderen als geregelte Aussagen- zusammenhänge, die diskursive Formationen bilden. Wenn Foucault (2002b: 670 f.) dabei die Rolle von Kämpfen, Strategien, Polemiken oder strategischen Spielen auf Kosten sprachlicher Aspekte betont, fragen gerade Sprachwissenschaftler danach, wie diese sich konstituieren und manifestieren, wenn nicht durch den (strategischen) Ge- brauch von Sprache (Warnke 2009: 135). Was dabei problematisch und strittig erscheint, ist in diesem Zusammenhang weniger das bereits angesprochene Verhältnis von Spra- che und Diskursen, sondern die Frage, ob Diskurse als Praktiken nicht letztlich doch in Kommunika tionen aufgelöst werden (können) bzw. ob Diskurse als Praktiken nicht an- gemessen und ohne Informationsverlust in Kommunikationen aufgehen dürfen. Kann 10 Willy Viehöver, Reiner Keller und Werner Schneider man von einer kommunikativen Konstruktion der Wirklichkeit sprechen (Keller et al. 2012), und dabei den Problemzusammenhang des Sprachgebrauchs hinreichend ab- decken oder liefert die Rede von der diskursiven Konstruktion von Wirklichkeit tat- sächlich einen systematisch nutzbaren Mehrwert für die Diskursforschung ? Keller hat am Ende seines Beitrages nochmals darauf hingewiesen, dass es Diskursanalysen nicht wie Konversationsanalysen „um die Rekonstruktion und Bilanzierung des kommuni- kativen Haushaltes einer Gesellschaft“ gehe, sondern – über die konkreten Praktiken des Sprachgebrauchs hinaus – um die Identifikation, Rekonstruktion und Beschreibung der Diskursforma tionen, in denen diese erscheinen. Auch Busses Verweis auf die Par- allelen von Begriffsgeschichte und Foucaultscher Diskursanalyse und das Eigengewicht der Episteme, die „durch Diskurse entstehen und wirksam werden“, zeigt, dass Dis- kurse nicht bruchlos und ohne Verlust im Begriff der Kommunikation aufgelöst wer- den können. Ein dritter Punkt ist die diskursanalytische Thematisierung des Weltbezugs und die Rolle, die Episteme und Sprache in diesem Zusammenhang spielen. Man kann oder muss Foucaults Formulierungen in der „Archäologie des Wissens“, nach der eine Auf- gabe der Diskursanalyse darin bestünde, Diskurse als „Praktiken“ zu behandeln, die „systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (Foucault 1988: 74), als einen deutlichen Verweis auf den Konstruktions- und Konstitutionscharakter von Dis- kurses lesen. Gleichwohl – in diesem Zusammenhang ließen sich die Beiträge von Diaz- Bone und Warnke zu diesem Band als zwei Beiträge mit zumindest auf den ersten Blick kontroversen Auffassungen zu diesem Problemzusammenhang lesen – gerät damit die Frage nach dem Repräsentationscharakter der Sprache nicht völlig aus dem Blick. So ge- sehen sind sich die Autoren dieses Problemzusammenhanges sehr wohl bewusst; die auf das Verhältnis von Konstruktion/Konstitution und Repräsentation bezogenen Lösungs- vorschläge unterscheiden sich jedoch. Während einige Beiträge Rekurs auf die Begriffe der Institution und der Konvention nehmen, thematisieren andere den Objekt- und Weltbezug auf Episteme. Die meisten Autoren suchen dabei aber Anschluss an sozial- wissenschaftliche Traditionen, die von Émile Durkheim und Ludwik Fleck über Alfred Schütz bis hin zu Mary Douglas, Bruno Latour und Michel Serres reichen, wovon die Anlehnungen an den Aristotelischen Topos-Begriff und vielleicht die kognitive Frame- Theorie auszunehmen sind (Wengeler 2003; Ziem 2009). Ein möglicher Brückenschlag für einen intensivierten Austausch zwischen Sozial- und Sprachwissenschaften, die die Diskursforschung vorantreiben, deutet sich auch im zunehmenden Bezug auf gesellschaftliche Deutungskämpfe (Keller 1998; Viehöver 2003; Felder 2009; Warnke 2009) und aus ihnen resultierenden oder sie bedingenden Macht- Wissensregimen an (Foucault 1974, 1975, 2002). So thematisieren auch eine Reihe von Autoren dieses Bandes Fragen unterschiedlicher (u. a. fachspezifischer) Deutungsper- spektiven oder Kämpfe um Deutungshoheit und sich daraus ergebende Machtkonstella- tionen, seien dies nun disziplinäre Kämpfe in den Wissenschaften oder aber Auseinan-

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