UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws DIE ZEIT Das neue Heft. Jetzt gratis testen! Weitere Informationen unter www.zeit.de/leo PREIS DEUTSCHLAND 5,50 € W O C H E N Z E I T U N G F Ü R P O L I T I K W I R T S C H A F T W I S S E N U N D K U L T U R 16. JANUAR 2020 No 4 107896_ANZ_10789600020593_25373957_X4_O23N.1P22.61 9 1 11:15 107896_ANZ_10789600020593_25373957_X4_O23N.1P22.61 9 2 11:16 Ringen mit dem Feuer Wie die Menschen in Australien sich die Schuldfrage stellen Dossier, Seite 15 LINKS Gut durch Bildung? GEGEN RECHTS Wird im Umgang mit extremistischer Gewalt mit zweierlei Bücher, Bilder und lebenslanges Lernen weiten den Blick des Menschen für die Welt. Maß gemessen? ksi ho Ein Pro & Contra – Seite 10 C nt Nicht jeder, der liest, hat einen edlen Charakter, aber die Wahrscheinlichkeit steigt a h Nis on: Das letzte ati WISSEN SEITE 35–38 ustr elill Geheimnis Tit Bad Kleinen und der »Spiegel«: Hans KONSERVATIVE MONARCHIE Leyendecker über Bitte mal kämpfen Aus der Traum seinen umstrittenen Informanten Interview, Seite 8e9 Thüringens CDU will mitregieren, aber nur ein bisschen. Doch mit Herzogin Meghan rebelliert gegen das Königshaus und tut der solchen Halbheiten hat die Union keine Zukunft VON MARIAM LAU modernen Frau doch keinen Gefallen VON ELISABETH RAETHER PROMINENT IGNORIERT W D as der CDU jetzt in Thü­ Moment nur zu warten. Für Erleichterung gibt ie britische Königsfamilie ist bei Aber man kann Meghans Geschichte auch ringen widerfahren ist, darf es also keinen Anlass. Lichte betrachtet eine Gruppe ganz anders erzählen. Meghan war keine einge­ man einen Totalschaden Denn dass der CDU solche Situationen wider­ von Leuten mit zu teurem sperrte Prinzessin, sie hatte Macht. Die dumme nennen – die Sorte von fahren, dass sie taumelt und einfach nicht mehr Kleidungsgeschmack und einer Bösartigkeit der Tabloids war nur eine unschöne Desaster, die man seit gut recht weiß, wer sie ist – dieser Umstand muss der Vorliebe für Pferdesport, beides Begleiterscheinung. Meghan hat erlebt, was viele einem Jahr exakt hätte vor­ Parteispitze schlaflose Nächte bereiten. Sicher, es bezahlt vom britischen Steuer­ Frauen erleben, wenn sie sichtbar werden. Erst hersehen können. Und eines, mit dem auch für gibt keinen Weg mehr zurück in die Zeit, wo man zahler. Ausschließlich der Bund britischer Steuer­ kürzlich haben 70 weibliche Abgeordnete aller die Zukunft zu rechnen ist, wenn sich jetzt nicht CDU­Männer und ­Frauen aufwecken und aus zahler also, falls es so etwas gibt, sollte sich mit Fraktionen des Unterhauses in einem offenen jeder Parteiverantwortliche das Unfallvideo noch ihnen jederzeit ein Bekenntnis zu Antikommu­ ihnen befassen. Alles andere ist Klatsch und Brief an die Herzogin ihre Solidarität bekundet: einmal genau vor Augen führt. nismus, Marktwirtschaft und Transatlantizismus Tratsch, Goldenes Blatt et cetera, jedenfalls kein »Auch wenn unsere Aufgabe eine ganz andere ist Zwei Freunde Es hatte sich längst abgezeichnet, dass die herausschütteln konnte. Ist heute alles ein biss­ Journalismus. So kann man es sehen. Allerdings als Ihre, können wir nachvollziehen, dass Über­ CDU massiv verlieren und vor die Wahl gestellt chen komplizierter geworden. passiert bei Lichte betrachtet auch in der Bundes­ griffigkeit und Einschüchterung heute gängige sein würde, entweder Juniorpartner eines linken Aber die strategische Nacktheit der Partei, die liga nicht viel mehr, als dass ein paar Männer einem Mittel der Herabwürdigung sind, um Frauen in Til Schweiger will für Amazon Ministerpräsidenten zu werden oder mit der intellektuelle Ausgezehrtheit, ist ein Erbe der Ball nachrennen. Es wird eben nicht alles bei öffentlichen Ämtern davon abzubringen, ihre einen Film über Bastian Schwein­ AfD eine Regierung zu bilden. Oder eben mit Ära Merkel. Der früheren Parteivorsitzenden Lichte betrachtet, weshalb man den Kitsch viel­ wichtige Arbeit zu tun.« steiger. Schweiger hält Schwein­ steifer Oberlippe in der Opposition zu bleiben. war die politische Landschaftspflege einfach leicht nicht ganz ignorieren sollte, wenn man ver­ Akzeptabel ist es nicht, dass Frauen so be­ steiger für »einen der größten deut­ Trotzdem stolperte Landeschef Mike Mohring nicht besonders wichtig. Als es um die Frage sucht, wenigstens ansatzweise zu begreifen, in was handelt werden. Aber es ist kein Zeichen von schen Fußballer«, Schweinsteiger quasi unvorbereitet vom Wahlabend an auf die ging, wie Deutschland seine Grenzen schützt, für einer Zeit wir heute leben. Ohnmacht, sondern im Gegenteil: Es zeigt, was hält Schweiger für »den besten Demütigung zu, die er und vor allem seine Partei fiel ihr ihre DDR­Vergangenheit ein: Grenzen Wobei es natürlich weniger um die tatsäch­ für eine starke Wirkung es hat, wenn da plötz­ deutschen Filmemacher«. Weil das jetzt erleben müssen: Mohring hat die letzte rote funktionieren nicht. Wenn es um eine Koalition lichen Vorgänge und Motive geht, die Herzogin lich eine Frau im Zentrum der Aufmerksamkeit Leben Schweigers ebenso fulmi­ Linie der CDU – den Unvereinbarkeitsbeschluss mit Bodo Ramelow geht, der sich nicht über­ und Herzog zu ihrem Rückzug bewegen. Kaum steht. nant ist wie das von Schweinsteiger, Richtung Linke und AfD – nuschelnd und ohne winden kann, die DDR ein Unrechtsregime zu jemand hat ja wirklich Einblick in das Innere der Die Duchess of Sussex wurde und wird im­ muss man sich wünschen, dass Absprache zur Disposition gestellt und eine »Pro­ nennen, herrscht Funkstille. Paläste. Interessanter ist, wie die Öffentlichkeit mer noch von Frauen und Mädchen auf der Schweinsteiger danach einen Film jektkoalition« mit der Linken angeboten, irgend­ Und was war die Lektion der CDU aus der über die handelnden Figuren spricht und das ganzen Welt bewundert und geradezu geliebt. über Schweiger macht. GRN. wie nicht und irgendwie doch, und nun gar nichts Finanzkrise 2008, auf den »Sozialismus für Ban­ deutet, was zutage tritt. Auch jetzt noch hängen viele an ihren Lippen. dafür bekommen. Die Glaubwürdigkeit ist perdu ken«? Was ist CDU­Integrationspolitik? Ist es Sie hätte sich von dieser Welle tragen lassen Kleine Bilder (v. o.): Katrin Koenning –und die Machto ption auch. CDU­Mann Moh­ wurscht, ob Russen oder Chinesen essenzielle Meghan hätte ihre Macht für etwas einsetzen können, hätte ihre Macht für etwas einsetzen für DIE ZEIT; Karsten Petrat für DIE ZEIT; Sven Simon/ddp images [M] ring, das weiß jetzt das ganze Land, wäre zu allem Lebensadern der deutschen Wirtschaft stellen? können, das wichtiger ist als sie selbst können, das wichtiger ist als sie selbst und wich­ bereit gewesen. Es war der Linke Bodo Ramelow, Warum braucht eine Volkspartei wie die Union tiger als das britische Königshaus. Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg der am Schluss dankend verzichtete. Fridays for Future, um in der Klimafrage Hand­ Viele sehen nun eine junge Frau, Meghan, die Lady Di hat die Aids­Kranken von ihrem Telefon 040 e 32 80 ­ 0; E­Mail: lungsbedarf zu sehen? Ist die schwarze Null wirk­ sich befreit hat. Es gibt ja handfeste Gründe, vor Stigma befreit, mit nur einem einzigen Foto, auf [email protected], [email protected] Die strategische Nacktheit der Partei lich das Einzige, was vom Konservatismus übrig allem für Frauen, nicht dem britischen Königs­ dem sie einem erkrankten Mann die Hand ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de; ist ein Erbe der Ära Merkel bleibt? haus angehören zu wollen oder überhaupt irgend­ schüttelt, sie lächelnd in Königsblau, er hager, ZEIT­Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de Schon unter Helmut Kohl war die CDU einem Königshaus. Es muss Meghan Markle nur von hinten, um nicht erkannt zu werden. Die offizielle Genugtuung der Parteispitze über keine Programmpartei. Auch unter Annegret manchmal so vorgekommen sein, als liefe für sie Viele glaubten damals, Aids­Kranke sollten in ABONNENTENSERVICE: den jetzigen Ausgang – rot­rot­grüne Minder­ Kramp­Karrenbauer heißen entsprechende Fo­ die Zeit rückwärts. Gerade war sie noch eine Quarantäne genommen werden, obwohl die Tel. 040 e 42 23 70 70, Fax 040 e 42 23 70 90, heitsregierung ohne schwarze Minister – ist leicht ren sicherheitshalber »Werkstatt«. Man hat sich Selfmade­Millionärin, eine Schauspielerin mit Wissenschaft es schon längst besser wusste. In E­Mail: [email protected] zu erklären. Wäre Mohring trotz des einhelligen schon immer einfach als reine Regierungspartei Karriere, als Herzogin von Sussex wurde sie die USA war ihnen die Einreise verwehrt. Parteitagsbeschlusses und trotz stündlichen Don­ gesehen und ist es über weite Strecken ja auch plötzlich dafür kritisiert, dass sie beim Aussteigen Ja, die Regeln der Royals sind absurd, viel­ PREISE IM AUSLAND: nergrollens aus dem Berliner Konrad­Adenauer­ gewesen. Aber die Zeiten sind bekanntlich vor­ die Autotür selbst hinter sich schloss. Ein anderes leicht die ganze Royal­Nummer überhaupt, aber DK 58,00eFIN 8,00eE 6,80e Haus in ein Kabinett Ramelow eingetreten, hätte bei, die CDU müsste kämpfen. Mal schlug sie verbotenerweise die Beine über­ gerade deshalb genügt eine kleine Verschiebung, CAN 7,30eF 6,80eNL 6,00e A 5,70eCH 7.90eI 6,80eGR 7,30e sich Annegret Kramp­Karrenbauer ihre Kanzler­ Wie das gehen kann, hätte Mike Mohring einander, dann wieder guckte sie bei einer Parade um viel zu bewirken. B 6,00eP 7,10eL 6,00eH 2560,00 kandidatur hinter den Spiegel stecken können. bei seinem Parteifreund Michael Kretschmer in in die falsche Richtung. Und tatsächlich gelang Stattdessen nun ziehen Harry und Meghan o Man wird aber das Gefühl nicht los, dass es Sachsen beobachten können. Der hat den Un­ es der britischen Presse mühelos, Meghans weni­ sich ins Private zurück, was bei den beiden N 4 gar nicht so sehr ein mögliches Bündnis mit der vereinbarkeitsbeschluss praktisch vor jede Haus­ ge Tage alten Sohn rassistisch zu beleidigen. Man offenbar heißt: Rückzug ins Celebrity­Leben. Linken war, das die Parteispitze in Unruhe ver­ tür getragen, und zwar mit dem höchsten per­ kann diejenigen also schon verstehen, die ihr Gerade soll Meghan laut Times einen Vertrag setzte. Sondern der Dammbruch am anderen sönlichen Risiko. In einer eigenen Sprache, die jetzt dazu gratulieren, aus diesem Prinzessinnen­ mit Disney unterschrieben haben und eine 75. JAHRGANG C 7451 C Ufer, der Minuten später gefolgt wäre: Wenn die weder links noch rechts irgendwelche Zweifel Albtraum ausgebrochen zu sein. Synchronstimme in einem Dokumentarfilm CDU mit der Linken gehen kann, dann ja wohl offenließ, was das heißt: CDU. Es hätte auch Früher endeten die Märchen so, dass die sprechen. Sie wird sein wie alle anderen, Promi auch mit der AfD. Einige Christdemokraten in schiefgehen können. Ist es aber nicht. Frauen den Prinzen heiraten durften, im moder­ unter Promis. 04 Sachsen, Thüringen, aber auch in Baden­Württem­ nen Märchen entführen sie ihn aus dem Palast, berg und anderswo scheinen auf einen solchen A www.zeit.deeaudio um fortan in Kanada zu leben. A www.zeit.deeaudio 4 190745 105507 UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws 2 POLITIK 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 E Genug gelogen r habe nur Kerzen eingepackt, leimanis von den Wänden, was für seine An­ sagt Arasch Sorusch (Name ge­ hänger einer Totenschändung gleichkommt. Die ändert), als er am vergangenen bekannte TV­Moderatorin Gelare Dschabbari Samstag zur Amir­Kabir­Univer­ entschuldigte sich auf Instagram bei ihren Zu­ sität ging. Er wollte gar nicht de­ schauern für die staatliche Propaganda: »Ich habe monstrieren, er wollte einfach nur euch im Fernsehen dreizehn Jahre lang angelo­ die Kerzen anzünden und trauern gen.« Solche Worte waren bislang unvorstellbar. um die 176 Menschen an Bord der Boeing der Mehrere Kolleginnen baten ihr Publikum für die Nach der Trauer die Wut: Im Iran und im Irak haben die Menschen ihre Machthaber Ukraine International Airline, die die iranische anfängliche Vertuschung der Ursache des Flug­ Flugabwehr in der Nacht zum Mittwoch ab­ genauso satt wie Einmischung von außen VON ANDREA BÖHM, LEA FREHSE UND LUISA HOMMERICH zeugabsturzes um Verzeihung und kündigten. geschossen hatte. Aber dann seien Polizisten an­ Ein neuer Massenaufstand ist das noch lange gerückt, hätten Tränengas eingesetzt und Wasser­ nicht. Arasch Sorusch, der Teheraner Ingenieur, werfer aufgefahren. Am Tag darauf, bei der gehört zu den Demonstranten, die auch im nächsten Gedenkkundgebung, war Sorusch bes­ Herbst bei der Benzin­Revolte schon dabei wa­ ser ausgerüstet: eine Taucherbrille gegen Tränen­ ren, als vor allem ärmere Iraner in ländlichen gas, einen dicken Schal, um den Kopf vor den Regionen auf die Straße gingen. Aber an einem Schlagstöcken der Sicherheitskräfte zu schützen. Punkt berühren sich die Protestwelle vom Herbst Er ist noch außer Atem, als er sich per Sprach­ und die Kundgebungen der vergangenen Tage: nachricht meldet: »Wir wollten friedlich trauern, Die desaströse Wirtschaftslage wie auch der ver­ aber die machen Krieg auf den Straßen!«, keucht sehentliche Abschuss des Passagierflugzeuges sind er. Als sie die ersten Schüsse hörten, seien er und vielen Iranern ein weiterer Beweis für die Un­ seine Freunde davongerannt. fähigkeit ihres Regimes. Stünde nicht Donald Murtada al­Mussawi ist am vergangenen Trump als Überfeind im Hintergrund, wären die Wochenende zu Hause geblieben, als in Bagdad aktuellen Unruhen wahrscheinlich größer. und in anderen Städten erneut Zehntausende auf Die USA überschatten auch die neuen Protes­ die Straße gingen. Seit Monaten demonstrieren te im Irak. »Nein zum Iran« wird schon seit Ok­ Iraker gegen Korruption, gegen Stromausfälle, tober skandiert. Jetzt heißt es im nächsten Atem­ Arbeitslosigkeit und den iranischen Einfluss – in zug: »Nein zu den USA!« Dass die beiden Erz­ der Hauptstadt, aber auch im schiitisch domi­ feinde den Irak wie ein Schachbrett nutzen, auf nierten Süden. Wieder gab es Verletzte bei dem die Iraker nur die Bauern sind, hat dort Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. etwas ans Tageslicht gebracht, was durch die Al­Mussawi teilt viele Forderungen der Demons­ ethnische und konfessionelle Spaltung lange tranten. Lange sympathisierte er, Iraker und verdrängt wurde: ein Nationalgefühl. Schiit, mit dem Iran. Nun ist er sich nicht mehr Murtada al­Mussawi, der Milizionär aus Bag­ sicher, wo er eigentlich steht. dad, hat sich bei aller Verbundenheit mit Teheran Arasch Sorusch, 28 Jahre alt, arbeitet als immer schon dagegen verwahrt, bloß ein »Mann Ingenieur in Teheran. Murtada al­Mussawi, 40 des Iran« zu sein. Für ihn wie für viele schiitische Jahre alt, gehört zu einer proiranischen Miliz in Iraker war Soleimani nicht nur der Architekt der Bagdad, für deren Medienabteilung er heute Fil­ iranischen Expansion, sondern der Retter der me dreht. Er war Reporter eines lokalen Fernseh­ Schiiten vor dem IS. Heute gebärden sich viele senders in Bagdad, bevor er sich im Krieg gegen der von Teheran finanzierten Anti­IS­Milizen den IS freiwillig den Milizionären anschloss. So­ wie mafiöse Unternehmen. Sie ähneln darin den rusch und Al­Mussawi, beide Schiiten, sind sich Revolutionsgarden, die nebenan im Iran zum nie begegnet, und bis vor Kurzem hätte der eine Staat im Staat geworden sind – und die sich ihren den anderen vermutlich als politischen Feind be­ Kampf gegen den IS jetzt doppelt und dreifach zeichnet. Sorusch, der Iraner, hasst die Theokra­ bezahlen lassen. tie, die seine Heimat seit 1979 beherrscht. Für Viele der Demonstranten vermuten, dass die Al­Mussawi, den Iraker, war der mächtige Nach­ Einnahmen aus dem Ölexport, die ohne Weiteres bar immer auch ein Beschützer der Schiiten, die zum Aufbau einer funktionierenden Infrastruk­ unter der Herrschaft Saddam Husseins unter­ tur reichen würden, nicht nur auf Auslandskon­ drückt wurden. Die ZEIT hat mit beiden über ten ihrer eigenen korrupten Politiker, sondern die vergangenen Wochen und Monate immer auch nach Teheran geflossen sind. Das grenz­ wieder gesprochen. übergreifende Bündnis zwischen iranischen und Seit die USA am 3. Januar mit einer Kampf­ irakischen Schiiten war immer schon von Rissen drohne den iranischen Kommandanten der Al­ durchzogen. Die werden jetzt größer – und mit Kuds­Brigaden, Kassem Soleimani, in Bagdad ihnen auch alte arabische Ressentiments gegen getötet haben, sind der Irak und der Iran in einen den persischen Nachbarn. So deutlich kann Strudel der Ereignisse mit völlig offenem Aus­ Murtada al­Mussawi nicht werden. Aber für seine gang geraten. Jahrelang galt es als unumstößliche Kinder wünscht er sich ein Land, in dem es »Tag Gewissheit, dass Teheran nach dem Sturz des und Nacht Strom gibt«. irakischen Diktators Saddam Hussein im Jahr Da haben sie nun tatsächlich etwas gemein­ 2003 und der desaströsen US­Okkupation zu ei­ sam, der Teheraner Sorusch und Al­Mussawi, der ner dominanten Macht im Nachbarland gewor­ Bagdader. Beide sind mit korrupten Eliten ge­ den war. Der amerikanische Angriff auf Soleima­ schlagen, die unwillig und unfähig sind, Armut ni auf irakischem Boden, so prophezeiten zu­ zu lindern und eine zerrüttete Infrastruktur wie­ nächst viele, sei ein Geschenk für die Teheraner der aufzubauen. Im Iran ist nicht nur die Selbst­ Hardliner – und ihre irakischen Alliierten. bereicherung der Revolutionsgarden und religiö­ Beide Regime hatten zuletzt mit massiven so­ sen Führer daran schuld, sondern es sind auch die zialen Unruhen zu kämpfen, die nun von der immer härteren Sanktionen der USA, die ein­ amerikanisch­iranischen Eskalation überdeckt seitig das Nuklearabkommen aufgekündigt ha­ wurden. In der Tat versammelten sich im Irak ben, von dem sich so viele Iraner eine Verbesse­ wie im Iran Hunderttausende, darunter auch rung ihrer Lebensbedingungen erhofft hatten. Je Regimekritiker, zu Trauerzügen für Soleimani stärker die Sanktionsschraube angezogen wird, und seinen ebenfalls getöteten irakischen Statt­ desto prekärer wird die ohnehin schon schlechte halter. Wirtschaftslage im Irak, für den der iranische Während sich Arasch Sorusch in Teheran Nachbar ein wichtiger Handelspartner ist. klammheimlich über Soleimanis Tod freute, Man könnte jetzt nach einem Hoffnungsschim­ trauerte Murtada al­Mussawi, der Bagdader Mili­ mer suchen und auf die im Februar anstehenden zionär, mit anderen auf der Straße. Es sei jetzt Parlamentswahlen im Iran verweisen. Die Hardliner keine Zeit mehr für soziale Proteste, sagte er. stehen nach dem Abschuss des ukrainischen Flug­ »Wir müssen das Land zusammenhalten.« Vor zeugs schlecht da, ein Denkzettel für sie wäre mög­ allem gegen die USA. lich, aber er ist unwahrscheinlich. Viele Vertreter In der Tat schien Washington unterschätzt zu pa des Reformflügels wurden gar nicht erst zu den d haben, welche Folgen der Drohnenangriff für nitt): Wahlen zugelassen. Womöglich werden viele Iraner seine Nahostpolitik haben würde. Das Parlament h ihren Frust zum Ausdruck bringen, indem sie am c in Bagdad forderte – auch auf iranischen Druck – uss Wahltag zu Hause bleiben. A den Abzug aller US­Truppen aus dem Irak. o ( Der Druck der Straße wird abschwellen und ot Teheran beschränkte sich trotz wütender Rache­ F wieder ansteigen, aber nicht so schnell verschwin­ schwüre bei seiner militärischen Vergeltung Studenten der Teheraner Amir-Kabir-Universität den. Die Aktivisten haben sich aus der Falle der geschickt auf eher symbolische Raketenangriffe gedenken der Opfer des Flugzeugabschusses Geopolitik befreit. Man müsse sich gegen jede gegen US­Militär im Irak. Die verursachten keine Form der Unterdrückung richten, haben am ver­ Toten, manifestierten aber den iranischen gangenen Wochenende Studenten der Teheraner Anspruch, im Nachbarland, das man unter Kon­ verantworten. So reu­ und demütig hat die ira­ Glück. Als sich im vergangenen November Ira­ nach Beginn der irakischen Proteste nach Bagdad Amir­Kabir­Universität geschrieben. »Während trolle hat, Rache zu nehmen. nische Öffentlichkeit die mächtigen Revolutions­ ner im ganzen Land gegen eine drastische Er­ gereist, um deren Niederschlagung zu organi­ der letzten Jahre hat die Präsenz der USA nichts Aber dann kam die Nachricht vom Absturz garden noch nie erlebt. Und die Protestbewegun­ höhung der Benzinpreise erhoben, wurden sieren. Das erklärt, warum in den Camps der produziert als wachsende Unsicherheit und Chaos. der ukrainischen Maschine und den 176 Toten gen, die teils durch brutale Repression, teils durch Hunderte, womöglich über 1500 Menschen ge­ Demonstranten viele jubelten, als die Nachricht Aber Amerikas Abenteuertum ist keine Entschul­ – die meisten von ihnen Auslandsiraner, die auf die iranisch­amerikanische Eskalation in den tötet – erschossen oder überfahren von Sicher­ von seinem Tod die Runde machte. digung für lokale Repression.« Heimatbesuch waren. Nach Tagen des Leugnens Hintergrund gedrängt worden waren, sind wie­ heitskräften wie den Basidsch­Milizen, einer Die neuen Proteste im Iran sind sehr viel klei­ Da könnten sie zusammenkommen, die re­ gestand das Regime schließlich ein, dass Revolu­ der da. Wenn auch in anderer Form. Hilfspolizei von Freiwilligen, die den Revoluti­ ner als im Herbst. Anders als damals konzentrie­ gimekritischen iranischen Studenten und der tionsgardisten das Flugzeug für einen amerikani­ Dass überhaupt wieder protestiert wird, ist onsgarden unterstehen. Im Irak feuerten Scharf­ ren sie sich auf Teheran, die Universitäten und proiranische Milizionär Murtada al­Mussawi aus schen Marschflugkörper gehalten und abgeschos­ erstaunlich. Wer in diesen Zeiten im Irak oder schützen auf Demonstranten, Aktivisten wurden die Medien. Aber sie werden begleitet von zu­ Bagdad. »Ich würde gern endlich in einem Staat sen hatten. Er wäre lieber nicht geboren worden, im Iran auf die Straße geht, braucht eine Mi­ entführt und gefoltert, viele sind seither ver­ nehmend kühnen Aktionen. Maskierte Demons­ leben,«, sagt er, »der nicht das Schlachtfeld aus­ sagte ein Kommandeur im Fernsehen, als das zu schung aus dem Mut der Verzweiflung und schwunden. Kassem Soleimani war unmittelbar tranten rissen Trauerplakate mit dem Porträt So­ ländischer Mächte ist.« Proteste im Irak und Iran TÜRKEI TURKMENISTAN 2009/Iran 2011/Irak 2019/Irak SYRIEN 2019/Iran 2020/Irak 2020/Iran IRAK Teheran Grüne Revolution Gegen Korruption Für ein vereintes Land AFGHA Gegen Preiserhöhungen Gegen Einmischung Gegen Regierungslügen NISTAN Nach der Wahl von Inspiriert von den Protesten Mehrere Städte werden im Bagdad Wegen drastischer Benzin­ Nach der Tötung des Nach dem Abschuss eines Mahmud Ahmadinedschad des Arabischen Frühlings Herbst von monatelangen IRAN preis­Steigerungen eskalie­ Generals Soleimani ukrainischen Flugzeugs zum Präsidenten des Iran gehen in Bagdad und vielen Demonstrationen gegen ren in über 100 iranischen gibt es landesweit Demons­ erheben sich Tausende in PAKIS protestieren Millionen anderen Städten Hunderte Korruption, Klientelismus TAN Städten Proteste gegen das trationen gegen die Ein­ Teheran und Isfahan gegen gegen Wahlbetrug. Revolu­ Menschen auf die Straßen. und Misswirtschaft er­ Regime. Sicherheitskräfte mischung der USA und des die Lügen der Regierung. SAUDI tionsgarden und Basidschi­ Sicherheitskräfte töten 19 schüttert. Mehr als 400 ARABIEN töten nach manchen Iran. Das irakische Parla­ Sie fordern den Rücktritt Milizen nehmen Tausende Menschen und verhaften Menschen werden getötet, V.A.E. ZEIT-GRAFIK Schätzungen mehr als 1500 ment fordert den Abzug der Staatsspitze und rufen fest und töten Dutzende. Tausende. über 15.000 verletzt. OMAN 250 km Menschen. internationaler Truppen. »Tod dem Diktator«. UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws POLITIK 3 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 Milchbauern wollen Milch, keine Kälber Jetzt noch billiger er u a B e a n a D o: ot F Für ein Kalb bekommt der Bauer oft gerade mal acht Euro. Wie kann ein lebendes Tier so wenig wert sein? VON MERLIND THEILE A uch Kühe machen Elternzeit. Anruf bei der Agrarmarkt-Informationsgesell- Anfang der 1990er-Jahre beschloss die EU, ihre unter den Sollwert, kommen sie zum Schlachter, die Hebel genug gäbe es: Die Bundesregierung Über Monate sind sie ganz nah schaft (AMI), die den Kälberpreis ermittelt hat. Das Landwirtschaft künftig am Weltmarkt und dessen meisten im Alter von vier oder fünf Jahren. Ihre könnte zum Beispiel die Tierschutzstandards er- am Kalb. Bis zu elfmal täglich Unternehmen sammelt Daten zum Agrarsektor und Preisen auszurichten, es sollten nun verstärkt auch Kälber sind anfangs schwach und anfällig, Durch- höhen und Bauern, die Viehbestände abbauen, trinkt das Junge anfangs vom wertet sie aus, auch für das Bundeslandwirtschafts- Märkte in Afrika und Asien beliefert werden. Heute fall- und Atemwegserkrankungen sind die häufigsten einen Ausgleich zahlen. Auch die EU könnte ihre Euter, ab dem dritten Tag er- ministerium. Matthias Kohlmüller leitet den Fach- ist die deutsche Landwirtschaft mehr denn je auf Komplikationen. Fast alle Bauern fühlen sich ver- Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) stärker am Tier- kennen sich Kuh und Kalb an bereich Fleischwirtschaft der AMI. Wenn Kohlmül- Export ausgelegt, die Bauern verdienen damit schon antwortlich für das Wohl ihrer Tiere, aber nicht wohl ausrichten. Bislang verteilt sie jährlich an die Stimme und Geruch. Mit Be- ler erzählt, wird klar, dass das deutsche Kalb nur ein jeden vierten Euro. Auf der Homepage des Bundes- wenige sparen sich den Anruf beim Tierarzt, wenn 50 Milliarden Euro, den größten Posten ihres ginn der dritten Woche schließen sich die neuen Winzling in einem riesigen Räderwerk ist, das von landwirtschaftsministeriums heißt es: »Angesichts dessen Rechnung höher auszufallen droht als der Haushalts, vor allem nach Fläche. Die Großbetriebe Mütter samt Nachwuchs wieder der Herde an, die globalen Kräften angetrieben wird. stagnierender Märkte im Inland benötigt die deut- Verkaufspreis des Kalbes. profitieren. Wie es ihren Tieren geht, ist Neben- Kälber tollen herum. Nach fünf Monaten begin- Die wenigsten Mastkälber der Rasse Holstein sche Agrar- und Ernährungswirtschaft jedoch wei- sache. In diesem Jahr entscheidet sich, welche nen sie, Gras zu fressen, erst nach acht bis zwölf bleiben in Deutschland, für sie gibt es hier kaum teres Wachstum im weltweiten Export, um ihren Die Politik fordert Tierschutz – Agrarpolitik die EU bis 2027 verfolgen will. Die Monaten endet das mütterliche Säugen. So viel Mastplätze, die Aufzucht im Ausland ist Standard. Beitrag zu Erhalt und Steigerung von Wertschöpfung und fördert gleichzeitig den Preisdruck Verhandlungen laufen, der Ausgang ist offen. zum natürlichen Verhalten von Rindern. Zuletzt kamen die meisten in die Niederlande (2019 und Wohlstand in Deutschland zu leisten.« Es gibt Milchbauern, die darauf nicht warten Nun zum Alltag deutscher Milchkühe. Ihr Dasein rund 500.000), Zehntausende nach Spanien. Weil Für die Kühe hat all das zur Folge, dass sie auf Zehn Prozent, in Großbetrieben bis zu 18 Prozent wollen. Die ausgestiegen sind aus einem System, das ist eng getaktet: Besamung, gut neun Monate Trage- den Verantwortlichen irgendwann auffiel, dass so immer höhere Leistung getrimmt werden. Schon der Kälber sterben vor dem vierten Lebensmonat, sie selbst als krank empfinden. Man findet sie zum zeit, Abkalben, wenige Wochen Pause, Besamung lange Transporte junger Kälber nicht mit den Tier- vor Jahrzehnten verabschiedete sich die konventio- schätzen Experten der Akademie für Tierschutz des Beispiel in Lentföhrden, Schleswig-Holstein. Hans und immer so weiter. Damit ein Kalb die Ware Milch schutzverordnungen vereinbar sind, verhängte das nelle Landwirtschaft vom Zweinutzungsrind, das Deutschen Tierschutzbundes. Genauer weiß es nie- Möller, 55 Jahre alt, Milchbauer in vierter Genera- nicht unkontrolliert wegtrinkt, trennt man es übli- Bundeslandwirtschaftsministerium kürzlich einen beides gibt, Fleisch und Milch. Fleisch ansetzen soll- mand. Erst im Alter von sieben Tagen müssen Kälber tion, übernahm den Hof von seinem Vater, der kon- cherweise sofort von der Mutter, es ist die gängige Exportstopp in das südeuropäische Land, die Kälber- te die moderne Kuh nicht mehr, sie sollte mit aller eine Ohrmarke bekommen, vorher gibt es sie offiziell ventionell gewirtschaftet hatte und dem Preisdruck Praxis in konventionellen wie ökologischen Betrie- zahlen hierzulande nahmen zu. Das Angebot über- Kraft Milch produzieren. Die so gezüchteten Hol- nicht. Im Schutz dieser Grauzone helfen manche der Industrie unterworfen war. Den Mechanismen ben. Das Junge verlebt die ersten Tage in einer se- stieg also die Nachfrage, der Preis sank. steinkühe, heute auf deutschen Milchhöfen vorherr- Viehhalter dem Tod sogar nach. Eine Veterinärin aus dieses Marktes wollte der Sohn entfliehen. Er stellte paraten Box, in der Trinkvorrichtung rationierte Ähnlich wirkten sich Seuchen aus. In einigen schend, erreichten immer neue Spitzenwerte. 1970 Schleswig-Holstein berichtet der ZEIT von zwei auf ökologischen Landbau um und gründete vor Muttermilch oder Wasser mit Milchpulver. deutschen Kälberregionen trat die Blauzungen- gab die deutsche Durchschnittskuh 3600 Liter Milch toten Kälbern, die sie in einer Tierkörperbeseitigungs- zehn Jahren mit zwei weiteren Bauern das Unterneh- Das Kalb ist bloß ein Nebenprodukt der Milch- krankheit auf, in anderen das Bovine Herpesvirus 1 im Jahr. Eine Holsteinkuh schafft heute 10.000 anlage untersucht habe; die Tiere hätten Bauschaum men De Öko Melkburen. In fünf Betrieben halten industrie, meist ist es schon von Geburt an im Weg. (BHV-1). In betroffenen Gebieten galten für Kälber Liter und mehr. Doch jede dieser Maschinen springt in den Nasenlöchern gehabt, daran seien sie erstickt. sie insgesamt 200 Milchkühe der alten Zweinut- Mit zwei Wochen steht ein Großteil der Tiere zum Ausfuhrverbote, wodurch zeitweilig auch weniger nur an, wenn sie gebärt. Pro Jahr ein Kalb, das ist das Tatsächlich müsste man jedes Kalb, das nicht zur zungsrasse Deutsches Schwarzbuntes Niederungs- Verkauf, zu immer geringeren Preisen. Inzwischen in die Niederlande exportiert wurde. Der Import Soll der deutschen Kuh. Nachzucht gebraucht werde, »rein wirtschaftlich rind. Die Tiere stehen ganzjährig auf der Weide und kosten die billigsten weniger als zehn Liter Diesel, von Fleisch aber geht unverdrossen weiter, Ware aus Auf den Milchhöfen drängen die Neugebore- sofort einschläfern«, sagt auch Hans Foldenauer, fressen nur das, was das Land hergibt: im Frühling weniger als zwei Schachteln Zigaretten, weniger als Südamerika und Osteuropa drängt auf den deut- nen ständig nach. Männliche Tiere sind ohnehin Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milch- viel frisches Gras, im Winter Heu. Entsprechend ein Kinobesuch. Für ein 14 Tage altes weibliches schen Markt und drückt zusätzlich die Preise. In überflüssig, aber auch die Aufzucht der weiblichen viehhalter. Der Verband, der ein Drittel der aktiven anders schmeckt und heißt ihre Milch zu jeder Kalb der gängigsten Milchviehrasse Holstein-Frie- Kohlmüllers Schilderung erinnert der deutsche rechnet sich oft nicht. In den ersten zwei Jahren deutschen Milchviehhalter vertritt, wurde 1998 als Jahreszeit. Und die Kälber dürfen mittrinken. sian bekommt ein Landwirt im Schnitt acht Euro. Rindermarkt an eine Badewanne, deren Abfluss ver- bekommt eine Kuh kein Kalb und gibt folglich Gegenpol zum Deutschen Bauernverband gegründet. Möller und seine Kompagnons sind in der mo- Die deutsche Rinderbranche erlebt einen Preis- stopft ist – und keiner dreht den Hahn zu. keine Milch, sie kostet den Bauern nur Geld. Also Er setzt sich für »eine nachhaltige Milchwirtschaft dernen Milchwirtschaft eine Rarität: Sie praktizieren verfall, wie es ihn selten zuvor gab. Das stellt ein stoßen viele Landwirte auch ihre mageren weibli- zum Nutzen aller« ein. Foldenauer kritisiert die »muttergebundene Kälberaufzucht«. Von Geburt an tradiertes Schema infrage. Der Mensch rechtfertigt Die Milchbauern arbeiten gnadenlos chen Kälber ab, für die es noch weniger Geld gibt »Durchindustrialisierung« des Sektors und die »maxi- sind die Jungtiere draußen bei ihren Müttern, die die artfremde Nutzung von Tieren, weil sie Wachs- effizient, aber gut geht es ihnen nicht als für die jungen Bullen, und kaufen für den Fort- male Ausbeutung der Individuen«. Zur Grünen immerhin drei Monate lang säugen. »Elternzeit für tum, Wertschöpfung, Wohlstand bringt. Nun aber bestand ihrer Herde geschlechtsreife Kühe hinzu. Woche richtet sein Verband eine klare Botschaft an unsere Kühe« steht auf Möllers Milchkartons, es gibt scheint das System zu versagen. Viele Bauern kön- Die Folge von alldem sei, dass sich in manchen Die Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz die Politik: »Es kann so nicht weitergehen.« sie also wirklich. Den Kälbern tut diese Art der Auf- nen ihre überzähligen Kälber bloß noch zu Schleu- Bundesländern die Kälber regelrecht »stapeln«, so haben allerdings nicht dazu geführt, dass die deut- Seit Jahrzehnten schon verfolgt diese Politik zucht nachweislich gut, sie leiden seltener an Durch- derpreisen verkaufen oder gar nicht mehr; man- drückt es Kohlmüller aus. Eine Trendumkehr scheint schen Milchbauern gute Geschäfte machen, im Ge- widersprüchliche Ziele. Einerseits gilt ihr der Tier- fallerkrankungen und zeigen ein gesundes Sozialver- cher Viehhalter sieht sich gezwungen, seine Tiere nicht in Sicht, weniger Kälbergeburten bedeuteten genteil. Rund 33 Cent bekommt ein Bauer heute schutz in Deutschland formal als hohes Gut, seit halten. Natürlich hat all das einen Preis, aber Möller zu verschenken – oder sterben zu lassen. Zum Le- schließlich auch weniger Milch. »Wer will in der von der Molkerei für einen Liter Milch, fast genauso 2002 ist er sogar im Grundgesetz verankert und sagt: »Öko ist nicht zu teuer. Konventionell ist zu ben reichen den Milchbauern ihre Einkünfte freien Wirtschaft freiwillig weniger machen?«, sagt wenig wie 1980. Die Zahl der Höfe geht jedes Jahr damit ein Verfassungsziel. Andererseits forciert die billig. Weil die wahren Kosten nicht im Preis abge- kaum noch, jedes Jahr müssen Höfe schließen. Kohlmüller. »Jeder ist geeicht auf Umsatz, Umsatz, um drei bis vier Prozent zurück, allein 2019 mach- Agrarpolitik durch ihr Exportstreben und ihre Art bildet werden.« Anderen Landwirten geht es nicht besser. Ihre Wut Umsatz. Das ist doch die normale Marktwirtschaft.« ten in Deutschland knapp 3000 Betriebe dicht. Es der Förderpolitik einen Preisdruck, der dem Tier- Möllers GmbH verkauft ihre Milch direkt ab entlädt sich in Protesten, mit ihren Traktoren blo- Es gab eine Zeit, da hielt ein deutscher Milch- überleben vor allem die großen. In Brandenburg wohl zuwiderläuft. Offiziell wendet sich zwar auch Hof und an Händler in der Region, der Endver- ckieren die Bauern seit Monaten immer wieder die bauer im Schnitt sieben Kühe, für den Liter Milch und Mecklenburg-Vorpommern, wo nach der Wen- Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) pünktlich braucher zahlt zwischen 1,80 und 2,20 Euro. 30 Straßen. Zur Agrarmesse Grüne Woche, die an bekam er 40 Pfennig, 50 Jahre ist das her. Melken de riesige Agrarbetriebe entstanden, halten Milch- zur Grünen Woche gegen »Billigstfleisch«, lädt das Cent Aufschlag pro Liter hat Möller für den diesem Freitag in Berlin beginnt, sind erneut De- war ein mühsames Geschäft mit überschaubaren bauern heute im Schnitt nicht mehr sieben Tiere Problem aber bei den Konsumenten ab – sie sollen Milchverbrauch der Kälber einkalkuliert. 30 Cent monstrationen geplant. Zuwachsraten. Agrarpolitiker und Bauernfunktio- wie in der BRD 1970, sondern rund 230. Und den eben mehr für Fleisch bezahlen, den Rest soll der für eine artgerechte Aufzucht. Vermeintlich zeigt sich in diesen Protesten der näre verfielen dem Gedanken, dass sich die Umsätze insgesamt vier Millionen Milchkühen und ihren 3,5 Markt von allein regeln. Es ist die Entpolitisierung Im Grunde ist Möllers Angebot eine Provokation. Konflikt zwischen Stadt und Land, es ist ein Kampf multiplizieren ließen, wenn das ganze System effi- Millionen Nachkommen geht es schlecht. eines hochpolitischen Problems. In Zeiten, in denen der Handel zu jeder Zeit jedes mit Zerrbildern und Klischees: vom ahnungslosen zienter würde. Hatten es deutsche Ingenieure nicht Die natürliche Lebenserwartung von Rindern Vertreter der Opposition sehen andere Wege. Lebensmittel im immer gleichen Zustand anbietet, Städter, der den Bauernhof zur Kuschelzone ver- vorgemacht, als sie unsere Autos mit ausgefuchsten beträgt bis zu 25 Jahre, deutsche Milchkühe aber »Die Art und Weise, wie Bauern wirtschaften, setzt Möller seinen Kunden ein Produkt vor, das sich klärt, und vom tumben Landwirt, der Gift verspritzt Produktionsverfahren so gut bauten, dass die welt- sind schon viel früher am Ende. Ihr Organismus muss die ganze Gesellschaft mittragen«, sagt etwa ganz nach den Kreisläufen der Natur richtet. Und und Tiere quält. Tatsächlich aber geht es um Politik, weite Nachfrage den deutschen Wohlstand sicherte? vollbringt die Stoffwechselleistung eines Dauer- der grüne EU-Parlamentarier Martin Häusling, nach den Bedürfnissen der Tiere. Inklusive Elternzeit. und das Kalb für acht Euro ist dafür ein drastisches Fast schon zwangsläufig übertrugen sich in den marathons, die Folgen sind Euterentzündungen, selbst lange Jahre Biobauer auf dem familieneige- Möller sagt, sein Geschäft laufe gut. Er plant, Beispiel. Es zeigt, wie nicht zuletzt politische Ent- 1970er-Jahren das Wachstumsprinzip des Kapitalis- Fruchtbarkeitsstörungen, Klaueninfektionen. Selbst nen Milchhof in Hessen. Häusling schwebt vor, bald auch Käse anzubieten. scheidungen dazu beitragen, dass Bauern verzwei- mus und die Erfolgsmethodik einer durchtechnisier- kranke Tiere können in der Lage sein, noch 30 Liter einen tiergerechteren Umbau der Landwirtschaft feln und Tiere leiden. ten Branche auf das Geschäft mit lebenden Tieren. am Tag zu geben. Sinkt ihre Milchleistung aber staatlich mitzufinanzieren, wie die Energiewende. A www.zeit.deeaudio UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws 4 POLITIK 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 U nter Spionen gibt es die Praxis »Ich bin nicht in die CDU eingetreten, damit 1,8 dabei gegen die Politiker, die das zu verantworten nicht zu schließen, hält er für einen Fehler. Dieter der sogenannten Vertarnung, Millionen Araber nach Deutschland kommen«, haben. So denkt er schon seit Jahren. Romann, Chef der Bundespolizei, und Gerhard der professionellen Verwand- sagte er im Juli 2019 bei einer CDU-Veranstal- Schindler, Präsident des Bundesnachrichtendienstes lung des eigenen Äußeren. Als tung. Solche Zitate nähren den Verdacht, er sei ein (BND), sehen es genauso. Die drei sind Freunde, Die Marke Maaßen Präsident des Bundesamtes für Rassist. Weggefährten und Ex-Kollegen beteuern man nennt sie das Rat Pack. In vertraulichen und Verfassungsschutz (BfV) hat jedoch, es sei etwas anderes, was ihn umtreibe: Er Der Groll ist deshalb auch schon da, als Maaßen halbvertraulichen Runden ätzt das Rat Pack gegen Hans-Georg Maaßen diese Pro- verabscheue Regelverstöße; er möge keine Heraus- 2012, nach vier Jahren an der Spitze der Terror- die Flüchtlingspolitik. Maaßen echauffiert sich am zedur einmal ausprobiert. Details verrät er keine, forderungen seines Weltbildes; und er sehe Zu- abwehr im Innenministerium, zum Präsidenten Rande von Treffen der Verfassungsschutzchefs in aber man darf davon ausgehen, dass er seinen Drei- wanderer zuvorderst als etwas Lästiges. Der pas- des BfV berufen wird. Er macht sich zur Marke: einer Weise, die Teilnehmer als »deftig« und »total teiler an jenem Tag nicht trug, ebenso wenig die sendere Begriff sei fremdenunfreundlich. baut seinen Stab aus, gibt Interviews, trifft sich mit illoyal« empfinden. Mehrfach erinnert Innenminis- Goldrand-Brille mit den winzigen Gläsern. Es war In seiner Zeit im BMI gilt Maaßen als guter Abgeordneten. Anders als seine Vorgänger lässt er ter Thomas de Maiz ière Maaßen und Romann da- eine vorübergehende Verwandlung. Aber einige Beamter, als eitel und als ehrgeizig. Wie er denkt, sich von Personenschützern begleiten. Nicht nur ran, dass sie Beamte sind. »Macht keine Politik«, Weggefährten sagen, dass Maaßen in den vergange- kann man an seiner juristischen Diss er ta tion von der Sicherheit wegen. Er will die Bedeutung des habe er gemahnt, gibt Maaßen zu. nen Jahren auch eine echte, bleibende Verwandlung 1997 ablesen, in der er das Asylrecht ein Instru- Amtes unterstreichen. Und seine eigene. Schindler wird im Juni 2016 in den Ruhestand durchgemacht habe. Dass aus dem Vorzeige- ment unkontrollierter Massenzuwanderung nennt. Gerade sind die Neonazi-Terroristen des NSU versetzt. Romann fügt sich in die Beamtendisziplin Beamten ein nach rechts driftender Populist gewor- Und als Leiter des Referats für Ausländerrecht ver- aufgeflogen, aber Maaßens Amtszeit prägt der und findet ein Ventil für seinen Frust: Als ein Asyl- den sei. Von »Radikalisierung« spricht gar einer. fasst er jenen berüchtigten Vermerk, dem zufolge Kampf gegen den IS. Das ist nicht allein seine bewerber im Mai 2018 in Wiesbaden eine 14-Jäh- Im November 2018, vor 14 Monaten, wurde rige tötet und flüchtet, holt er den Täter persönlich Maaßen als BfV-Chef entlassen. Zuvor hatte er aus dem Irak nach Deutschland. Berichte über rechtsradikale Hetzjagden in Chem- Maaßen sucht die Eskalation. nitz als mögliche Falschinformationen abgetan. Seither tourt er als politischer Aktivist durchs Chemnitz und der Fall Land. Er ist Mitglied der CDU, aber etliche seiner Der Wutbürokrat Ansichten sind AfD-nah. Er beklagt einen angeb- Über seine Entlassung will Maaßen nicht spre- lich verengten Meinungskorridor, verlinkt gern chen. Aber vieles deutet darauf hin, dass er im rechtslastige Quellen, nennt die deutsche Politik Sommer 2018 ahnt: Seine Karriere hat ihren Zenit »verrückt«, pestet gegen die Presse. In ostdeutschen überschritten. Er wäre gern BND-Chef geworden, Wahlkämpfen wurde er als Held der Meinungs- sagen Weggefährten, oder im Zuge des Regie- freiheit gepriesen; in Düsseldorf gab es eine Demo rungswechsels 2017 Staatssekretär im BMI; beides gegen ihn. Zuletzt kokettierte er damit, sich in Wie Hans-Georg Maaßen vom Beamten zum Provokateur wurde. klappt nicht. Er steht in der Kritik, weil er sich mit Thüringen zum Ministerpräsidenten wählen zu AfD-Politikern getroffen hat. Von der Presse fühlt lassen, zur Not mit Stimmen der AfD: »Wenn ich Ein Porträt VON YASSIN MUSHARBASH er sich gejagt. In vertraulichen Gesprächen sinniert zur Wahl stünde, würde ich sagen: Ich kann jeden er über »vorrevolutionäre Zustände« im Land. verstehen, der mich wählt. Weil ich einfach gut Als am 26. August ein Flüchtling in Chemnitz bin«, wurde er zitiert. am Rande eines Volksfestes einen 35-jährigen Maaßen hat weder Amt noch Mandat, trotzdem Deutschen ersticht, kommt es zu Ausschreitun- erhitzt er die Gemüter. Die Lesart, aus dem ehema- gen von Rechtsextremisten, die der Sprecher von ligen Vorzeige-Beamten sei ein Neu-Rechter gewor- Kanzlerin Merkel als »Hetzjagden« bezeichnet. den, ist dabei verführerisch. Sie würde Maaßen zu Kurz darauf, am 6. September, nennt Innen- einem von vielen machen, die sich radikalisieren. Zu minister Horst Seehofer die Zuwanderung die einem weiteren Beleg dafür, wie politisch bewegt die »Mutter aller Probleme« und wird dafür heftig Zeiten sind. Doch eine andere Erklärung ist schlüs- kritisiert. Maaßen will ihm den Rücken stärken, siger: Maaßen hat schon immer so gedacht. Nur dass die beiden eint der Unmut über die Kanzlerin. Er er früher leise war. Und heute laut ist. formuliert einige Sätze und schickt sie per SMS an Seehofer. Maaßen behauptet, Seehofer habe sie abgenickt. Dann schickt er die Zeilen an sei- Der Messdiener nen Sprecher, der einen Satz tilgt. Schließlich Die Gegend um den Hauptbahnhof von Mön- sendet er den O-Ton an Bild-Chef Julian Rei- chengladbach sieht aus wie die Welt, vor der Maa- chelt, dessen Blatt ihn druckt: »Es liegen dem ßen warnt: heruntergekommen, leer stehende Lä- Verfassungsschutz keine belastbaren Informatio- den, viele Araber. Acht Kilometer entfernt liegt nen darüber vor, dass solche Hetzjagden statt- Rheindahlen, 27.000 Einwohner, Modelleisen- gefunden haben.« Es könne sich um »gezielte bahn-Deutschland. Hier ist Maaßen aufgewach- Falschinformationen« handeln, »um möglicher- sen, in einem verklinkerten Haus in der Fußgän- weise die Öffentlichkeit von dem Mord in gerzone, in dem die Eltern ein Tabakgeschäft be- Chemnitz abzulenken«. Er, Maaßen, habe »gute trieben. Einen Steinwurf entfernt liegt die Kirche Gründe«, dies anzunehmen. St. Helena, wo Maaßen Messdiener war. Drei Der Chef des Verfassungsschutzes nutzt also die Steinwürfe weiter das Gymnasium, an dem er Autorität seines Amtes, um eine Spek u la tion per Bild 1982 das Abitur ablegte. Da war er schon seit vier zu verbreiten: Diesmal ist Maaßen zu weit gegangen. Jahren Mitglied der Jungen Union. Die Veröffentlichung löst eine schwere Koal i tions- Im Hause Maaßen ging es überaus akkurat zu, kri se aus. Ob er das belegen könne, fragt ihn ein erinnert sich einer, der als Kind zu Gast war: hochrangiger Innenministerialer. Maaßen kann es »Eiche radikal«, umschreibt er das Ambiente. nicht. Er könnte zurückrudern, sich korrigieren. Spricht man mit Bekannten aus Schulzeiten, wird Aber er tut es nicht. Stattdessen lässt er sein Manu- klar, dass Maaßen schon als junger Mensch auffäl- skript einer Rede vor europäischen Nachrichten- lig konservativ war. »Wir haben damals Jugend- dienst-Chefs im Intranet des BfV einstellen: Die gottesdienste gefeiert«, erzählt ein Mitschüler. Hetzjagden seien »frei erfunden«, in der SPD gebe Maaßen und seine Freunde seien darüber herge- es »linksradikale Kräfte«, er zetert über »Medien- zogen, »denen wäre die Messe auf Latein lieber manipulation« und »Falschberichterstattung«. See- gewesen«. Selbst Gitarrenmusik in der Kirche kri- hofer bleibt keine Wahl, er entlässt Maaßen. tisierte der junge Maaßen. »Wenn man sich für Und Maaßen? Wähnt sich bis heute im Recht: klassische Musik interessiert, ist das keine Weiter- »Das Nichtvorhandensein einer Hetzjagd kann und entwicklung unserer Kirchenmusik«, sagt Maaßen, muss man nicht belegen«, sagt er. »Es gab rechtsextre- heute darauf angesprochen. »Die Haltung hatte mistische Ausschreitungen«, räumt er ein. »Wir ich damals schon.« wissen aber bis heute nicht, was die Belege der Poli- In der Oberstufe habe auf seiner Schultasche tiker und Journalisten dafür waren, am Tag nach dem ein CSU-Aufkleber geprangt, heißt es. Auch das Tötungsdelikt von Hetzjagden zu reden.« bestätigt Maaßen: »Das war die Zeit des Nato- Dabei steht heute außer Frage, dass Jagdszenen Doppelbeschlusses und der Demonstrationen da- stattgefunden haben, während von Maaßens »guten gegen im Bonner Hofgarten. Ich war dafür.« Gründen« für die Annahme »gezielter Falschinfor- In Erinnerung geblieben ist er Mitschülern als mationen« nichts übrig ist. Nachvollziehen lässt sich Teil einer Gruppe Gleichgesinnter, die oft abseits Maaßens Starrköpfigkeit nur, weil seiner Meinung standen und spöttisch auf andere blickten. Wer nach offenbar zu viel über rechte Aufmärsche und den Maaßen der Gegenwart kennt, kann sich das zu wenig über die Straftat eines Flüchtlings gespro- gut vorstellen. chen wurde. Nur: Gestürzt ist er nicht über seine Meinung, sondern darüber, dass er zuletzt nicht mehr zwischen seinen eigenen Ansichten und seiner Die Kränkung Dass er Jurist ist, also kühl Argumente nach Re- orst/laif Beamtenrolle trennen konnte. Oder wollte. h e geln abwägt, dieses Bild zeichnet er von sich. Da- d e Die Erwartungen hinter verschwindet, dass Maaßen oft impulsiv n Br n agiert. Selbstbewusst ist er schon als Student: Sei- ma Märtyrer, Held unserer Zeit: So klingt das Lob, das er nen Bewerbungsvortrag bei der Studienstiftung H bei Auftritten in Riesa, Dresden oder Lamperts- o: des deutschen Volkes hält er über das Grundgesetz ot walde über Maaßen ausgeschüttet wird. Es ist die F und die Frage, ob die Deutschen aus den Jahren Dividende für seinen Aufstand. Will er eine zweite 1933 bis 1945 gelernt hätten. »Mir war damals Karriere als Politiker starten? schon klar«, sagt Maaßen, »dass es ein paar Web- Wenn Maaßen auftritt, passiert etwas Interes- fehler im Grundgesetz gegeben hat, was man den santes: Die Erwartungen der Zuhörer sind enorm, Verfassern aber nicht vorwerfen kann, es ging da- aber er erfüllt sie nicht. Zum einen ist Maaßen mals nur um ein Provisorium.« Man beginnt zu kein guter Redner, seine Pointen wirken zurecht- ahnen, warum ihm Arroganz nachgesagt wird. gelegt, sein Habitus ist sehr beamtig. Zum anderen Nach seinem Abschluss arbeitet der Jurist Maaßen der Bremer Murat Kurnaz nicht aus Guant á na mo Entscheidung, sondern entspricht auch den Vor- geht er an Grenzen, aber nicht darüber hinaus. Er zunächst in einer Wirtschaftskanzlei, aber der Job ist nach Deutschland zurückkehren könne, weil er zu gaben aus der Regierung. Aber hat er in dieser Zeit wird polemisch, nicht dumpf. Er redet rechts, ihm »zu unpolitisch«. Es ist seine Mutter, die ihn auf lange außer Landes gewesen sei und so sein Auf- den aufwallenden Rechtsextremismus fahrlässig nicht rechtsradikal. Der Sound: eher Franz Josef HINTER DER GESCHICHTE eine Stellenausschreibung des Bundesinnenministe- enthaltsrecht verwirkt habe: Maaßen liefert eine vernachlässigt? Er streitet das vehement ab. Hoch- Strauß als Alexander Gauland. Das ist offenbar riums (BMI) aufmerksam macht. Als Referent für juristische Begründung für eine gewünschte poli- Der Autor und Hans-Georg Maaßen rangige Verfassungsschützer klagen allerdings, dass weniger, als viele Zuhörer sich erhoffen. Ausländerfragen beginnt er dort 1991 seine Beamten- tische Entscheidung. kennen sich, seit Maaßen 2012 an Maaßen zumindest Vorfeld-Gruppierungen wie Und das alles ist womöglich weniger, als Maa- laufbahn. Er wird zwei Jahrzehnte bleiben. Am 8. August 2019 steht Maaßen im Gemein- die Spitze des Bundesamtes für Reichsbürger oder Identitäre nie ernst genommen ßen sich erhofft hat. Ohne Zweifel traut er sich zu, Maaßen ist in einer Kleinstadt aufgewachsen, desaal von Lampertswalde in Sachsen bei einer Verfassungsschutz rückte. Sie habe: »Die Neue Rechte hat ihn genervt.« zum Beispiel Innenminister zu sein. Und hätte er aber er ist kein Provinzler. Als junger Mann reist er Wahlkampfveranstaltung der Werte- Union, einer begegneten einander immer wieder, Als BfV-Chef muss er zwischen der Zentrale in seinen Einstieg in die Politik geschickter betrieben, bis Australien. Seine spätere Frau, eine Japanerin, konservativen Gruppe in der CDU. Gut 60 Zu- zum Beispiel bei Empfängen der Köln und dem Dienstsitz Berlin pendeln und nimmt wäre er vielleicht das Law-and-Order-Zugpferd lernt er während seines Referendariats in Japan hörer sind gekommen. Sicherheitsbehörden oder bei stets die frühesten Flüge. Auf Karnevalsfeiern im Amt der sächsischen CDU geworden – und nicht nur kennen. Dort verbringt er noch immer gern Zeit. »Es ist eine Gefahr, wenn Rechtsnormen im In for ma tions ge sprä chen, zu denen verkleidet er sich als James Bond und Sherlock die Sehnsuchtsfigur der Werte- Union. Privat. Oder um Vorträge zu halten. Zuletzt sprach Ausländerrecht aus Sorge vor unangenehmen Bil- das BfV Journalisten einlud. Nach Holmes, Mitarbeiter erleben ihn trotzdem oft als Die erste Chance hat Maaßen also bereits ver- er an einer Uni über den Brexit. dern nicht umgesetzt werden«, sagt Maaßen. Informationen des Autors erwog ungnädig: »Wo ist der Mehrwert dieses Gesprächs?«, passt. Ex-Kollegen aus dem BfV sind angehalten, Was er an Japan bewundere, sei »die Bereit- »Und dann habe ich Otto Schilys Zuwande- Maaßen im Sommer 2015, ihn an- lautet so ein Maaßen-Satz. Aber er ist nie nur der nicht mit ihm zu sprechen. Ex-Kollegen im BMI schaft, an teilweise archaischen Ritualen und Tra- rungsgesetz gemacht.« zuzeigen, nachdem ZEIT ONLINE Faktenfresser, als der er oft gezeichnet wird. Im Juni prüfen beständig, ob er gegen das Gebot der Zu- ditionen festzuhalten, wie bei der Kaiserkrönung, »Heute gerät die Zielsetzung des Zuwande- eine vertrauliche Übereinkunft 2016 etwa stellt er die These auf, der Whistleblower rückhaltung verstößt. Ein unwürdiges Karriere- bei der der Kaiser mit der Sonnengöttin Amaterasu rungsgesetzes aus dem Blick: die Begrenzung!« zwischen dem BfV und dem Edward Snowden sei ein russischer Agent. Ohne Ende. Trotzdem rechnet niemand damit, dass Omikami spricht«. Für ihn eine »Verbindung zwi- Ich. Gemacht. Begrenzung. US-Geheimdienst NSA Beleg. Schon da hält er seine persönlichen Spekula- Maaßen die Bühne so bald räumen wird. Zur schen Vorfahren und Nachfahren«. Aus denselben Lauter Regelwerke, die den Zustrom von Aus- veröffentlicht hatte. Maaßen hat das tionen für unbedingt mitteilenswert. bayerischen Kommunalwahl 2020 will er ausge- Gründen schätzt er das britische Königshaus. ländern kontrollieren sollen – und die Maaßen auf Nachfrage nicht dementiert. Nichts von dem, was Maaßen heute tut und sagt, wählte Kandidaten unterstützen. Auch die restriktive japanische Einwanderungs- seit Jahren ausgehöhlt wähnt, was er offenkundig ist indes zu verstehen ohne den Flüchtlingssommer politik lobt Maaßen, was freilich nicht überrascht: als Kränkung empfindet. Sein Groll richtet sich 2015. Dass Angela Merkel entscheidet, die Grenzen A www.zeit.deeaudio UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws POLITIK 5 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 Im Namen des Klimas Weltweit verklagen Aktivisten nationale Regierungen. Ihr Ziel: Eine bessere Umweltpolitik. Ist das geschickt oder nur Show? VON PETRA PINZLER L inus Steinmetz und sinken müssen. Bis Ende 2020 müssen die Nieder- gehen immer weniger neue Windräder ans Netz, weil richtet, um die Bundesregierung zu einer In anderen Ländern hat diese Aus- Yi Yi Prue wussten lande nun den Ausstoß von Treibhausgasen ver- die Regierung die Genehmigungsvorschriften ver- ambitionierteren Klimaschutzpolitik zu einandersetzung eine lange Geschichte. bis vor ein paar Ta- glichen mit dem Jahr 1990 um 25 Prozent redu- schärfen will. Und das Klimapaket, auf das sich verpflichten. Sein Argument: Die Klima- Vor allem im angelsächsischen Raum gen nichts voneinan- zieren. Geplant war ein Minus von 23 Prozent; ein CDU, CSU und SPD kurz vor Weihnachten geeinigt krise bedrohe über kurz oder lang das wird seit mehr als einem halben Jahrhun- der. Linus ist 16 Jahre Unterschied von zwei Prozentpunkten, der gering haben, hält man in der Umweltbewegung bestenfalls Leben der Menschen. Deshalb müsse das dert eine Debatte über »strategische Kla- alt und Schüler in zu sein scheint, aber in Wahrheit bedeutsam ist für Stückwerk. Gericht einschreiten und sozusagen ein gen« und einen sogenannten Justizakti- Göttingen. Yi Yi ist und dazu führen könnte, dass einige Kohlekraft- »Wir haben fast nichts erreicht«, sagt Linus Stein- ökologisches Existenzminimum garan- vismus geführt. Die Frage lautet, inwie- 35, Anwältin und werke früher abgeschaltet werden müssen. metz. Ein Jahr lang stand er fast jeden Freitag auf der tieren, genau wie es ein sozioökonomi- weit Aktivisten die Gerichte nutzen soll- wohnt in Bandarban Das Urteil ist ein Erfolg der Um welt or ga ni sa- Straße. Er hat Unterricht verpasst, Demonstrationen sches Existenzminimum definiert hat. ten, um die Politik vor sich herzutreiben, im Südosten Bangla- tion Urgenda. Die war bereits im Jahr 2013 mit organisiert und mit Politikern und Unternehmern Unter Juristen ist das umstritten. »Da und ob die Gerichte da mitspielen dür- deschs. Sie sprechen fast 900 privaten Klägern vor Gericht gezogen und diskutiert. Inzwischen zweifelt er daran, dass die re- werden Erwartungen geweckt, die ein fen. Gerade in den Vereinigten Staaten ver schie de ne Sprachen, hat nun in letzter Instanz gewonnen. gierenden Politiker seine Interessen wahren und setzt Gericht gar nicht erfüllen kann«, warnt haben Urteile immer wieder die Politik haben sehr unterschiedliche Träume, und doch ver- Überall auf der Welt werden derzeit ähnliche seine Hoffnung in die Gerichte: »Meiner Generation Bernhard Wegener, der an der Uni- radikal verändert. Der berühmteste Fall eint sie seit dieser Woche ein gemeinsamer Gegner: Prozesse angestrengt, und zwar von ganz unter- und den Menschen aus dem globalen Süden wird das versität Erlangen-Nürnberg Öffentliches trägt den Titel »Roe v. Wade« und die Bundesregierung. Gegen sie haben beide Ver- schiedlichen Akteuren. Auf den Philippinen hatte meiste Unrecht angetan. Die Justiz kann für Gerech- Recht lehrt. Wegener zweifelt daran, dass stammt aus den Siebzigerjahren. Damals fassungsbeschwerde eingereicht, mit dem gleichen die in der Verfassung verankerte Menschenrechts- tigkeit sorgen«, sagt er. die Bundesverfassungsrichter die Be- kassierte der Oberste Gerichtshof in ei- Argument: Deutschland tue nicht genug für den kommission in monatelangen Anhörungen zahl- schwerde annehmen werden. In der Ver- nem kontroversen Urteil ein texanisches Klimaschutz. Dadurch werde ihr Grundrecht auf reiche Gesundheitsexperten, Klimawissenschaftler gangenheit seien sie bei ähnlichen Fällen Gesetz und setzte auf diesem Weg das Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt. Und und Juristen vernommen. Schließlich empfahl sie, sehr zurückhaltend gewesen. Wenn je- Recht der Frauen auf Abtreibung durch. In den USA haben deswegen soll das Gericht einschreiten. dass Gerichte die Klagen von Bürgern gegen 47 mand seine verfassungsmäßig garantier- In Deutschland wurde während des Ist Klagen das neue Demonstrieren? Nicht nur große Energieunternehmen zulassen sollten, weil ten Grundrechte verletzt sehe, müsse er Dieselskandals zum ersten Mal in gro- strategische Klagen in Deutschland, weltweit bemühen Umweltakti- deren Emissionen von Treibhausgasen Menschen- das schon sehr konkret nachweisen kön- ßem Stil erfolgreich strategisch geklagt, visten immer häufiger die Gerichte, um Regierun- rechte verletzen. In der Schweiz hat eine Aktivis- eine lange Tradition. nen, sagt Wegener. Das Verfassungs- vor allem von der Deutschen Umwelt- gen und Unternehmen zu mehr Klimaschutz zu tengruppe, die sich »KlimaSeniorinnen« nennt, gericht lasse der Politik bewusst einen hilfe. Sie zog gegen die Luftverschmut- zwingen. Etwa 1300 solcher Klimaklagen gibt es eine Beschwerde beim dortigen Bundesgsgericht Nun ziehen die großen Spielraum, um zu entscheiden, zung vor die Gerichte und dagegen, dass bereits. Carroll Muffett, Direktor des Washingto- eingereicht, weil die Erhitzung des Klimas ihre Ge- wie diese Rechte zu schützen seien. der Staat die Gesetze nicht durchsetzt. ner Center for International Environmental Law, sundheit gefährde und der Staat nicht genug da- Europäer nach Das Problem illustriert Wegener am Das Ergebnis: Die beklagten Städte nimmt an, dass 20 bis 30 von ihnen weitreichende gegen unternehme. Beispiel der Verkehrspolitik. Studien zu- mussten hier und da Fahrverbote be- Folgen haben könnten. Etwa wenn die verklagten Im amerikanischen Bundesstaat Massachu- folge senkt die Einführung von Tempo- schließen, schaffen nun saubere Busse Regierungen oder Unternehmen verlieren und da- setts hat die Generalstaatsanwältin Maura Healey limits die Zahl der Verkehrstoten. Man an und planen mehr Radwege. Die Um- mit gezwungen sein könnten, mehr Rücksicht auf Anklage gegen den Energiekonzern Exxon erho- könnte also argumentieren, dass die Nicht- welthilfe wurde aber zugleich heftig da- k) ocdie Umwelt zu nehmen. Oder weil der Fall für öf- ben, weil das Unternehmen die Rechte der Ver- Den Umweltverbänden kommt das gelegen. Sie Einführung von Geschwindigkeitsbegren- für kritisiert, dass sie das vor Gericht er- erstfentliche Diskussionen sorgt und deshalb große braucher und Investoren verletze. Die Konzern- suchen nach neuen Hebeln, um den Klimaschutz zungen Menschen töte, folglich deren zwang. Die CDU-Vorsitzende Annegret huttpolitische Wirkung entfalten könnte. führung habe Studien verschwiegen, wonach sich voranzubringen. Und so haben sich für die Be- Grundrecht auf Leben verletze – mit der Kramp-Karrenbauer stellte sogar die S oto: Aber sind Umweltklagen ein legitimes Instrument der Klimawandel negativ auf ihr Geschäft aus- schwerden beim Verfassungsgericht Greenpeace, Folge, dass das Gericht einschreiten müs- Gemeinnützigkeit der Umweltorganisa- F es der politischen Einflussnahme? Oder ein Versuch, wirken werde. Und vor dem Europäischen Ge- die Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, der se. Dennoch hätten die Richter kein tion infrage. detdurch die Hintertür Maßnahmen zu erzwingen, für richtshof klagen in zweiter Instanz 36 Bürger ge- BUND, Luisa Neubauer, Linus und andere Akti- Tempolimit verhängt, sondern die Ent- Der Berliner Anwalt Hermann Ott, n e wdie es politisch keine Mehrheiten gibt? gen die EU, weil deren Klimarichtlinien nicht visten der Bewegung Fridays for Future, die An- scheidung über die angemessene Ge- der einst für die Grünen im Bundestag er k (v Anschauungsmaterial liefern die Niederlande. streng genug seien. wältin Yi Yi und neun vom Klimawandel betroffe- schwindigkeitsbegrenzung der Politik saß, hat daraus die Lehre gezogen: Kei- afiKurz vor Weihnachten verurteilte das oberste nie- Deutsche Umweltgruppen verfolgen die Ereig- ne Bürger von Bangladesch zusammengetan. überlassen. Für Juristen wie Wegener geht ne Klage ohne Kampagne. Ott arbeitet Gr T-derländische Gericht die dortige Regierung dazu, nisse in Den Haag und anderswo mit Begeisterung. Vertreten werden die Kläger durch zwei An- es also letztlich auch ums Prinzip. Denn für die in London ansässige Organisati- EI nis/Zmehr und schneller Treibhausgase einzusparen als Bisher setzten sie eher auf Demonstrationen und wälte, die sich auf diesem Feld bereits einen Na- selbst wenn die Richter eine Entscheidung on ClientEarth, die im vergangenen nursprünglich geplant. Der Staat habe »rechtswid- Kampagnen. Oder auf die Mitarbeit in der Kohle- men gemacht haben: Die Hamburger Anwältin treffen würden, die den Klimaaktivisten Jahr auch in Berlin ein Büro eröffnet a y parig gehandelt« und »zu wenig getan, um einen ge- kommission, in der Wirtschaft, Gewerkschaften und Rhoda Verheyen hatte einen peruanischen Bauern entgegenkäme, wären damit die Diskus- hat. ClientEarth beschäftigt hundert a P as fährlichen Klimawandel zu verhindern«, befand Umweltschützer einvernehmlich nach einem Aus- gegen den Energiekonzern RWE vertreten, der sionen ja nicht beendet. Die Bürger könn- Anwälte in ganz Europa. Sie achten bei coldas Gericht. Schließlich herrsche in der Wissen- stiegsplan aus der Kohleverbrennung gesucht hatten. Berliner Anwalt Remo Klinger wiederum hat ten sich dann fragen, woher das Gericht jeder Klage darauf, dass diese auch von Ni n: schaft und in der internationalen Gemeinschaft Doch inzwischen ist die Hoffnung der Enttäuschung schon etliche Prozesse im Auftrag der Deutschen die Legitimität nimmt, stärker als die möglichst vielen Bürgern unterstützt o IllustratieTirne ib»hgraoußsgera seKno inns ednesn« ,I nddausss trdieien aEtimonisesnio dnreinn gvenond gkeewini cKheonh,l secahulsisetßieligcshg hesaett dz evr eBruabnsdcehsiteadge itm. mZuerg nleoicchh UGmeriwcheltt h»ilvfeer gfaesfsüuhnrgt.s rEerc hhtolifcfht,e d aLsse idtpasla Knkarelnsr«u heerr- RLeebgeienr ueinngz umgirte idfeenm. Klimaschutz in ihr wReircdh.t Dpoenlinti sacmh. Ende ist eben auch das Im machtlosen Raum Die neuen Chefs der SPD produzieren Vorschläge im Rekordtempo. Allerdings bleiben ihre Ideen vollkommen unbemerkt VON PETER DAUSEND Uff, bei dem Tempo kommt man kaum mit. und, natürlich, das Ende der schwarzen Null. Was fragewerte hatte Schulz gegen Ende seiner Kanz- geht. Im Willy-Brandt-Haus ist mal wieder vieles Die Minister, die Parteivizes, die Ministerprä- Wenn man auflisten möchte, was Saskia Esken vergessen? Nun, Saskia Esken hat noch die Polizei- lerkandidatur in immer kürzeren Abständen im Umbruch. Der Parteisprecher spricht nun für sidenten, die Fraktionsführung, die Abgeordneten: und Norbert Walter-Borjans, das nicht mehr ganz taktik bei den Krawallen in Leipzig kritisiert und neue Themen gesetzt, sodass am Wahltag nie- die Frak tion, ein neuer ist noch nicht da. Die Nah- Niemand von Gewicht in der SPD greift auf, was so neue Duo an der Spitze der SPD, zuletzt alles ein bisschen vom Sozialismus geschwärmt. Aber mand mehr wusste, was er wollte. Und Gabriel les-, Schulz- und Gabriel-Vertrauten sind entwe- Esken und Walter-Borjans fordern oder sich wün- gewollt und gefordert haben, muss man sich be- das Erste ist kein Wunsch, und das Zweite, den war als Parteichef der Meinung, dass ein Tag der in den SPD-Ministerien untergekommen oder schen. Am besten noch nicht mal ignorieren, eilen, sonst sind bis Texte nde noch ein paar Wün- Sozialismus, hat sie nicht wirklich gefordert. ohne SPD-Schlagzeile ein verlorener Tag für die in der inneren Emi gra tion. Manche auch in bei- scheint die Haltung zu sein, mit der die Parteipro- sche und Forderungen dazugekommen. Das Erstaunlichste an dieser erstaunlichen Menschheit sei. den. Den richtigen Zeitpunkt aussuchen, sich minenz auf die Emporkömmlinge reagiert. Höhere Rentenbeiträge für Gutverdienende, Vielzahl von Vorschlägen: Sie sind rückstandsfrei Anschwellendes Panikgefühl (Schulz) und trot- Unterstützung organisieren, Verbände, Gewerk- Indem das Establishment die neuen Chefs iso- ein höherer Spitzensteuersatz, das Streichen aller verpufft. Und das hat Gründe. ziger Hyperaktivismus (Gabriel) verschmelzen schaften oder NGOs darauf vorbereiten, jubilie- liert, schafft es einen machtlosen Raum um sie steuerlichen Ausnahmen für Firmenerben, die Wie- In seiner Frühphase als Parteispitze scheint das nun in Nowabo/Esken zu wirkungsloser Dauer- rend zuzustimmen, sobald man mit einem Vor- herum. Und für den machtlosen Raum gilt in der dereinführung der Vermögensteuer, eine Boden- Duo Esken/Nowabo an einer Mischung aus spä- präsenz. Dass die beiden bisher mit nichts durch- schlag an die Öffentlichkeit geht – all das fehlt. Politik das, was für das Weltall in dem Science- wertzuwachssteuer, zwölf Euro Mindestlohn, die, tem Martin Schulz und chronischem Sigmar Ga- dringen und eine breitere Debatte auslösen, liegt Der entscheidende Grund ist aber ein anderer: Die Fiction-Schocker Alien gilt: »Nobody can hear you wenn nötig, Vergesellschaftung von Eigentum – briel zu leiden. Im Angesicht abstürzender Um- auch daran, dass Leute fehlen, die wissen, wie das SPD-Multiplikatoren multiplizieren nicht. scream.« Niemand kann dich schreien hören. UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws 6 POLITIK 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 Das Öl der Zwietracht Torten der Warheit VON KATJA BERLIN Berlin bereitet sich auf eine große Konferenz zur Beilegung des Bürgerkriegs in Libyen vor. Wird Putins Russland jetzt auch in Nordafrika zur Ordnungsmacht? VON ALICE BOTA UND MICHAEL THUMANN Was uns 2020 von Veränderungen abhält Wenn sich an diesem Einen Grund für seinen Affront nannte Ge- schen Republik kämpfen. Putin unterstützt dem von ihm geleiteten Präsidentenrat Nähe Wochenende in Ber- neral Haftar nicht, aber aus den Konferenzräu- General Haftar, der die meisten Ölquellen zur Muslimbruderschaft vorwerfen. In ihr se- lin die Staatschefs men drang, dass er einen Abzug des türkischen kontrolliert. hen die arabischen Diktatoren ihre Todfeinde. Russlands, der Tür- Militärs aus Libyen und eine Nichtbeteiligung Der türkische Präsident Erdoğan wiederum Einen zünftigen General wie Haftar (so wie kei, Frankreichs und der Türken am Friedensprozess gefordert habe. hat sich Libyen erst vor Kurzem als neues Ex- Al-Sissi in Ägypten) würden sie lieber an der anderer Mächte zur Der wichtigere Grund dürfte sein: Haftar will pansionsgebiet erschlossen. Dabei spielen Gas Spitze Libyens sehen. großen Libyen-Kon- gar keine Waffenruhe, weil er hofft, doch noch und Geopolitik eine Rolle. Mit Ministerpräsi- In dieser Gemengelage kann es sich Haftar ferenz treffen, könnte es sein, dass es mehr Po- Tripolis erobern zu können. Dass er sich da- dent Sarradsch einigte er sich über die Auf- aussuchen, von wem er sich unterstützen lässt. sitionen gibt als Teilnehmer. Über kaum ein rauf weiter Hoffnungen machen darf, hat sehr teilung von wirtschaftlichen Interessenzonen Beginnt die Hilfe aus Paris zu tröpfeln, fährt er Land ist die Staatengemeinschaft so zerstritten viel mit dem Streit der Mächte zu tun. Deshalb im Mittelmeer. Erdoğan will so die türkischen mit Pelzmütze nach Moskau. Drängt ihn Mutlosigkeit wie über das Bürgerkriegsland. Nur dass nie- hier ein Blick auf ihre Interessen. Ansprüche auf die Nutzung von Gasvor- Freund Putin zu einem Waffenstillstand, ruft Ideenlosigkeit mand gern zugibt, welche Interessen er wirklich Die russische Hal- kommen im östlichen er in Abu Dhabi an und versichert sich der ein alter Mietvertrag hat. Angela Merkel versucht nun, die Strippen- tung geht auf 2011 Mittelmeer durchset- Unterstützung seiner emiratischen Gönner. zieher an einen Tisch zu bekommen. Denn seit zurück: auf den in zen. Im Gegenzug si- Dank seiner Position ist er nicht nur von einem dem Sturz des Diktators Al-Gaddafi 2011 und Moskau als Nieder- cherte er Sarradsch Unterstützer abhängig. Weder Russland noch TUNESIEN Wann vor fehlender Motivation durch dem wieder aufgeflammten Krieg hat Libyen lage empfundenen Mittelmeer militärische Unter- Frankreich oder ein arabischer Staat allein immer mehr Staaten angezogen. Sie unterstüt- Sturz von Gaddafi. Tripolis stützung zu und kann ihn zu irgendetwas zwingen. zu wenig finanziellen Druck gewarnt wird zen konkurrierende Parteien, hoffen auf die Die Beziehungen entsandte türkische Genau an diesem Punkt will Kanzlerin Wiederherstellung alter Vertragsbeziehungen zwischen Putin und Truppen. Für Er- Merkel am Wochenende ansetzen. Ob Haftar zu dem ölreichen Land, liefern Waffen (ohne Gaddafi waren nicht doğan ist Libyen ein und Sarradsch selbst dabei sein werden, war darüber zu reden). Libyen ist Schauplatz eines ganz einfach – aber ALGE LIBYEN schwaches Land, in bei Redaktionsschluss nicht klar. Das ist aber ÄGYPTEN Stellvertreterkriegs geworden. Kann der in Ber- durchaus ertragreich. RIEN dem er türkische Vor- auch nicht so entscheidend. Merkel will vor lin beendet werden? Um den westlichen machtansprüche de- allem die Gönner und Strippenzieher von au- Wie schwierig eine Einigung ist, zeigten die Sanktionsdruck zu monstrieren kann. ßen ins Gespräch bringen und am Ende zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand lockern, besuchte Die Europäer einer Einigung führen. In einer Erklärung am Montag in Moskau. Neben den Russen Gaddafi gern Mos- NIGER TSCHAD SUDAN sind gespalten. Ita- sollen sie sich auf gemeinsame Prinzipien bei Debatten ums Grundeinkommen und den Türken waren die libyschen Haupt- kau, schlug sein lien stärkt seit Lan- einigen, auf denen dann ein Friedensprozess ZEIT-GRAFIK rivalen dabei: der international als Minister- Zelt im Garten des gem der Regierung aufbauen kann. bei Debatten um Hartz IV 500 km präsident anerkannte Fajis al-Sarradsch und Kremls auf, lud zum von Sarradsch in Tri- Ob das gelingt, wird allerdings davon ab- bei Debatten um die Erbschaftsteuer der mächtige General Chalifa Haftar, der den Grillen ein und schloss mit den Russen Milliar- polis den Rücken; soeben stimmte sich Ita- hängen, wie groß der Druck auf die einzelnen Osten des Landes samt Ölquellen kontrolliert denverträge über Öl, Infrastruktur und den liens Premierminister Giuseppe Conte mit Mächte ist. Denn zum großen libyschen und die Hauptstadt Tripolis erobern will. Die Bau eines Eisenbahnnetzes. den Türken ab. Frankreich dagegen half lange Schattenboxen gehört, dass die Regierungen Geschlechtertrennung in Deutschland Türken unterstützen Sarradsch, die Russen Nach dem Tod Gaddafis stürzten die Ge- Zeit General Haftar, in den Westen Libyens das eine sagen und das Gegenteil tun (zum Haftar. Es war kein leichtes Unterfangen: Weil schäfte auf einen Umfang von etwa 170 Mil- vorzudringen. Bei allen spielen wiederum Beispiel Haftar unterstützen). Das ändert sich Sarradsch es ablehnt, direkt mit Haftar zu spre- lionen Dollar jährlich ab. Das möchte Putin Wirtschaftsinteressen eine Rolle. In jüngster nun allmählich. Die Russen sind nach Haftars chen, liefen russische und türkische Diploma- ändern. Aber er hat auch ein geopolitisches Zeit jedoch ist Paris vorsichtiger geworden, Moskauer Abgang angesäuert, die Franzosen ten zwischen den Räumen hin und her. Die Motiv. Putin will in Libyen eine Waffenruhe weil sich Haftar anderen Mächten angedient schon seit einer ganzen Weile, die Türken has- Diplomaten hatten den Eindruck, zitiert die schaffen, weil die Situation mit vielen Akteu- hat. Paris unterstützt nun offiziell die Berliner sen ihn. Wolfgang Lacher, Libyen-Experte der russische Zeitung Kommersant eine Quelle, als ren zu unübersichtlich und gefährlich wird. Bemühungen. Das macht es Kanzlerin Merkel Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, hätten sie zig Kilometer im Stadion zurück- Seit etwa einem Jahr versucht sich Moskau als leichter, am Wochenende die schwierigeren warnt: »Solange der Westen keinen Druck auf gelegt. Nach achtstündigen Gesprächen unter- Ordnungsmacht in Afrika zu etablieren. Der Klienten einzufangen. die Vereinigten Arabischen Emirate ausübt, zeichnete Sarradsch – Haftar jedoch reiste am Handel mit dem Kontinent wächst; auch Die arabischen Staaten halten überwiegend indem er deren Hilfe bloßstellt, sieht es mit im Gefängnis nächsten Morgen ohne Unterschrift ab. Damit militärisch ist Russland aktiv. Russische Söld- zu General Haftar. Die Vereinigten Arabischen einem Friedensprozess schlecht aus.« Wer Ge- in Toilettenräumen ist eine dauerhafte Waffenruhe zwischen den ner der Gruppe Wagner sollen nicht nur in Emirate, Ägypten und Saudi-Arabien trauen neral Haftars Expansionsdrang bändigen will, in der Spielwarenabteilung Kriegsparteien vorerst nicht zu erwarten. Libyen, sondern auch in der Zentralafrikani- Fajis al-Sarradsch nicht über den Weg, weil sie muss seine Gönner stoppen. ANZEIGE Aktuelle Veranstaltungen 23. Januar | Zürich »Wir sind das Klima« – Jonathan Safran Foer im Gespräch 28. Januar | Hamburg aausgebucht Redaktionsbesuch bei der ZEIT in Hamburg 28. Januar | Hamburg »Sorry We Missed You« Voraufführung mit Filmgespräch Für alle 29. Januar | Leipzig ZEIT-Abonnenten »Sorry We Missed You« Voraufführung mit Filmgespräch Werden Sie Freund der ZEIT, und profitieren Sie von exklusiven Vorteilen – egal ob als Probe-, Print- oder Digitalabonnent. 13. Februar | Hannover Treffen Sie unsere Redakteure, und »Hinter der Geschichte« LIVE erleben Sie den Journalismus Ihrer Zeitung ganz neu. ell uss R b co Ein Abend, drei Reporter, drei Geschichten. Neben dem a eit), J Ienxvpeesrttiegna tFivlo-Rrieapno Zritnenr eCchkreisr twiainrd F auucchhs uunndse dree meh Keumltaulirg-e b Ar Nahost-Korrespondentin Andrea Böhm (im Foto) auf der der Bühne stehen und von den jahrelangen Recherchen m u erzählen, die zum Teil für einen Zeitungstext nötig sind. e us M er ( 9. März | Frankfurt d ei »Hinter der Geschichte« LIVE h as H a nj o), Si ZEIT Kulturkarte: ot F es Empfehlung der Woche ß o gr d ( 23.–30. Januar | Berlin, Hamburg, Köln, München e v er es R hts Kinofreikarten für »Ein verborgenes Leben« g Ri All Hamburg n oratio Der Film »Ein verborgenes Leben« erzählt die Geschichte eines weithin unbekannten Helden: Der österreichische Bauer Franz Jägerstätter Museum der Arbeit p Was das Tor zur Welt bewegt. Ob Druckerei, Handels- m Cor (August Diehl) weigert sich standhaft, für die Wehrmacht zu kämpfen. Selbst im Angesicht der drohenden Hinrichtung bleibt er bis zuletzt kontor, Metallwerkstatt oder Sonderausstellung: Das Fil davon überzeugt, seinem Gewissen folgen zu müssen. Getragen wird sein Mut von tiefem Glauben und der Liebe zu seiner Frau Fani Museum der Arbeit in Hamburg-Barmbek zeigt Ham- ox burger Industrie-, Technik- und Sozialgeschichte. Auf ury F (Valerie Pachner). Der neue Film von Regisseur Terrence Malick greift auf den Briefwechsel zwischen Jägerstätter und seiner Frau zurück. dem Museumshof steht TRUDE, mit der die 4. Elbtun- ent Außerhalb der kleinen oberösterreichischen Stadt St. Radegund war diese Geschichte kaum bekannt – und wäre vielleicht nie entdeckt worden, nelröhre gegraben wurde, als technisches Denkmal. C eth wenn nicht der amerikanische Soziologe Gordon Zahn Nachforschungen betrieben, das Dorf in den Siebzigerjahren besucht und 1984 die ZEIT-Abonnenten erhalten einen ermäßigten Eintritt und nti zahlen nur 5 € statt 8,50 € we Biografie von Jägerstätter veröffentlicht hätte. In vier Städten können wir jeweils 150 Kinofreikarten an Abonnentinnen und Abonnenten vergeben. 9 T J et z t ko s te n l o s a n m e l d e n: 01 2 os: © www.freunde.zeit.de ot F 107930_ANZ_10793000020742_25417212_X4_ONP26 1 10.01.20 17:17 UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws POLITIK 7 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 p d d o: ot F Rund 50 Hektar misst die Flagge aus Blumen, die auf einen Berg nahe der Stadt Chengdu im Südwesten Chinas gepflanzt wurden Der Kalte Krieg Nummer zwei Aus Angst vor Chinas Expansion haben die USA begonnen, das Land wirtschaftlich und militärisch einzudämmen. Was macht Europa? VON MATTHIAS NASS L ässt sich die Globalisierung rück­ Vierzig Jahre lang, seit Beginn der Reformen unter das Thema China jetzt auf unsere Agenda. Es wird der amerikanischen Asia Society, meint, die Frage gischer Technologien. Der Augsburger Roboter­ gängig machen? Zumindest für Deng Xiao ping, war es Ziel der amerikanischen sehr stark von den Amerikanern gepusht.« Noch gebe sei nicht, wo die wirtschaftliche Entkopplung be­ Hersteller Kuka, 2016 vom Midea­Konzern ge­ eine Weile? Einfach mal unterbre­ Politik, China in die liberale Weltordnung einzubin­ es zu China keine gemeinsame Haltung, »geschwei­ ginne, »sondern wo sie aufhört«. kauft, war das letzte größere Unternehmen in chen? Weil Politiker entschieden den. Am klarsten hat der damalige Vizeaußenminis­ ge denn eine gemeinsame Politik«. Deshalb hat die Das gegenseitige Misstrauen hat auch den aka­ Deutschland, das von einem chinesischen Investor haben, nun sei es genug mit der ter und spätere Weltbankpräsident Robert Zoellick Nato das Projekt »Understanding and Engaging demischen Austausch erreicht. Aus Sorge vor Spio­ übernommen wurde. Von nun an unterwarf die weltwirtschaftlichen Verflechtung? diesen Washingtoner Konsens formuliert: Es gehe China« gestartet. »Da könnte später ein politischer nage schränken die USA die Visavergabe an chine­ Bundesregierung Kaufwünsche vor allem im Be­ Ihre Furcht: So abhängig sei man darum, China zu einem responsible stake hol der, zu Dialog rauskommen.« sische Studenten und Wissenschaftler ein. Dies reich der kritischen Infrastruktur einer rigorosen von ein an der geworden, dass Wohlstand und Wis­ einem verantwortungsvollen Teilhaber des vom Mehr muss China beunruhigen, dass die USA gilt besonders für Fächer wie Robotik, Produk­ Prüfung. Und lehnte meistens ab. sen, ja die eigenen Werte kaum noch zu schützen Westen geprägten Systems zu machen, sagte er 2005. mit Japan, Australien und Indien einen informel­ tions tech nik, Luft­ und Raumfahrt oder Biomedi­ Die Folge: In den ersten sechs Monaten 2019 seien. Deshalb, Rückwärtsgang einlegen. Einbindung statt Eindämmung – diese Grund­ len Verbund, die »Quad«, geschaffen haben, mit zin. Führende Hochschulen, etwa das Massachu­ sank das chinesische Investitionsvolumen in Was absurd klingt, geschieht gerade zwischen entscheidung markierte den Unterschied zur eins­ dem die vier Mächte einen »freien und offenen setts In sti tute of Technology, haben die Zusam­ Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. tigen Politik gegenüber der Sowj et union. Eine Indo­Pazifik« sichern wollen. Diese Formel be­ menarbeit mit Hightech­Konzernen wie Huawei von 10,1 Milliarden Dollar auf gerade noch 500 Die Vereinigten Staaten und China beginnen sich Strategie des containment, wie zu Beginn des Kal­ schreibt aus Pekinger Sicht nichts anderes als eine oder ZTE eingestellt und überprüfen die Annahme Millionen Dollar. In der gesamten EU gingen die von ein an der zu lösen – vorsichtig, langsam, sich ten Krieges, ergebe schon deshalb keinen Sinn, Einkreisungspolitik gegenüber China. Eine Wahr­ chinesischer Forschungsgelder. Investitionen aus China in derselben Zeit um dra­ des Risikos vollauf bewusst. Und doch auf eine be­ hieß es in Washington, weil China nur noch dem nehmung, die sich kaum bestreiten lässt. Erstaun­ matische 84 Prozent zurück, von 15,3 Milliarden ängstigende Weise zielstrebig. Das Teilabkommen Etikett nach kommunistisch sei, sich in Wahrheit lich und für Peking alarmierend ist, dass sich auch Die Angst ist groß, durch Einfluss­ auf 2,4 Milliarden Dollar. Chinas Investoren spü­ zur Entschärfung des Handelskonflikts, das die voller Lust in das Abenteuer der Privatwirtschaft europäische Länder die Formel zu eigen machen. nahme der Geldgeber kompromit­ ren das Misstrauen, das ihnen entgegenschlägt. Sie beiden Regierungen in dieser Woche unterschrei­ gestürzt habe. Der größte Boom der Menschheits­ So sagte Verteidigungsministerin Annegret tiert zu werden. Tatsächlich gibt es fühlen sich nicht mehr willkommen. ben wollten, ändert daran nichts. geschichte hatte begonnen. Um rund zehn Prozent Kramp­Karrenbauer im November 2019 in einer in China keine Freiheit von Wis­ Keinem Unternehmen begegnet mehr Skepsis »Entkopplung« heißt der Begriff, mit dem wuchs die chinesische Wirtschaft jedes Jahr. Ge­ Grundsatzrede an der Universität der Bundeswehr senschaft und Lehre. Wenn es aber als dem Telekommunika tionsriesen Huawei. An­ Ökonomen, Unternehmenslenker und Geostrate­ nauso schnell stiegen der Handel und Chinas In­ in München: »Unsere Partner im Indo­Pazifischen daheim keine Wissenschaftsfreiheit gibt, warum gela Merkel und ihr Wirtschaftsminister Peter Alt­ gen das Aus ein an der drif ten zu fassen versuchen. vestitionen im Ausland. Raum – allen voran Australien, Japan und Südko­ sollte chinesisches Geld im Ausland unabhängige maier würden Huawei gern am Bau des 5G­ Henry Paulson, ehemaliger Vorstandschef von Aber was bisher als beste Garantie für ein fried­ rea, aber auch Indien – fühlen sich von Chinas Forschung finanzieren? Mobilfunknetzes in Deutschland beteiligen. Da­ Goldman Sachs und einst Finanzminister der liches Mit ein an der galt, die enge wirtschaftliche Machtanspruch zunehmend bedrängt. Sie wün­ Wie China überhaupt seinen Vorstellungen gegen hat sich im Bundestag eine breite Oppositi­ USA, sagte im November 2018 auf einem Wirt­ Verflechtung, wird zunehmend als Bedrohung schen sich ein klares Zeichen der Solidarität. Für auch jenseits der eigenen Grenzen Geltung zu ver­ on von U nion, SPD, Grünen und FDP gebildet. schaftsforum in Singapur, er sehe deutliche Anzei­ wahrgenommen. Weil Chinas Macht wächst und geltendes internationales Recht, für unversehrtes schaffen sucht. Scheinbare Nebensächlichkeiten In den USA steht Huawei seit Mai 2019 auf der chen dafür, dass sich ein »wirtschaftlicher Eiserner weil das Land unter Xi Jinping eine »totalitäre Territorium, für freie Schifffahrt. Es ist an der erlangen dabei gewaltige Symbolkraft. Als kürz­ schwarzen Liste. Öffentliche Aufträge an den Kon­ Vorhang« zwischen Amerika und China senke. Rolle rückwärts« vollzieht, wie der grüne Europa­ Zeit, dass Deutschland auch ein solches Zeichen lich Daryl Morey, Manager des Basketballteams zern sind verboten, Zulieferungen amerikanischer Ähnlich formulierte es Thomas Friedman, Ko­ Abgeordnete Reinhard Bütikofer sagt. Immer öfter setzt, indem wir mit unseren Verbündeten Präsenz Houston Rockets, via Twitter seine Solidarität mit Firmen bedürfen der Genehmigung. Umgekehrt lumnist der New York T imes. Er schrieb von der versucht Peking, das Wohlverhalten ausländischer in der Region zeigen.« dem Protest in Hongkong bekundete (»Fight for hat Peking angeordnet, dass sämtliche Behörden neuen »digitalen Berliner Mauer« zwischen Ame­ Regierungen, Parlamente, Unternehmen, Medien, Präsenz in der Region? Seit etwa anderthalb Freedom. Stand with Hong Kong«), nahm Chinas in China ihre Computersysteme in den kommen­ rikanern und Chinesen im Kampf um die Vor­ akademischer Institutionen, selbst von Sportverei­ Jahren wird in der Bundesregierung darüber ge­ Staatsfernsehen sofort die Spiele seiner Mann­ den drei Jahren gegen heimische Produkte austau­ herrschaft in der Informationstechnologie. Die nen zu erzwingen. Und Amerikaner und Europäer sprochen, Schiffe der Bundesmarine an sogenann­ schaft aus dem Programm. Erschrocken entschul­ schen müssen. Lenovo statt Apple oder Dell. Welt teile sich in Faceb ook, Google und Amazon beschleicht der Zweifel: Haben wir uns womöglich ten Freedom of Navigation Operations im Süd­ digte sich Amerikas Profiliga NBA: Es sei »bedau­ Unnachgiebigkeit gegenüber China ist eine der hier, Weibo, Baidu und Alibaba dort. selbst in Fesseln gelegt? chinesischen Meer zu beteiligen. Nicht nur die erlich«, dass Morey die chinesischen NBA­Fans wenigen politischen Gemeinsamkeiten im bei­ Unvermeidlich war der Handelskrieg nicht, den Amerikaner, auch Briten und Franzosen haben »zutiefst gekränkt« habe. China ist für die NBA spiellos polarisierten Washington. Amerika will Donald Trump kurz nach seinem Amtsantritt ent­ Plötzlich gilt China als Gefahr für die immer wieder demonstrativ Kriegsschiffe durch der wichtigste ausländische Markt, da muss die nicht hinter China zurückfallen. Der andere fesselt hat. Aber die Kräfte, die in diesem Konflikt Meinungsfreiheit, sogar für die natio­ die viel befahrene Seestraße geschickt, die China Meinungsfreiheit zurückstehen. Grund aber, der auch in Europa den Widerwillen auf ein an der pral len, gehen über die Launen eines nale Sicherheit. Die US­Regierung für sich reklamiert, einem Urteil des Internationa­ Ähnlich hielt es kurz darauf der Londoner Fuß­ gegen Pekings Machtanspruch wachsen lässt, ist unberechenbaren Präsidenten weit hinaus. Zwei sieht in China einen »strategischen len Schiedsgerichtshofs in Den Haag zum Trotz. ballclub Arsenal. Dessen Spieler Mesut Özil, ein der dramatische Rückschlag bei der Öffnung Chi­ Modelle stoßen auf ein an der, die demokratisch ver­ Wettbewerber«. Die EU­Kommission Offiziere der Bundesmarine sind bereits auf fran­ gläubiger Muslim, hatte bei Twitter die Unterdrü­ nas. Unter Xi Jinping sind alle zaghaften Reform­ fasste Marktwirtschaft des Westens und der autoritäre nennt die Volksrepublik einen »systemischen Riva­ zösischen Kriegsschiffen durch das Südchinesische ckung der mehrheitlich muslimischen Uiguren in schritte rückgängig gemacht worden – die allmäh­ Staatskapitalismus Chinas. Die Hoffnung, China len«. Erstmals tauchte China sogar in einem Kom­ Meer gefahren. Aber eigene Schiffe hat Berlin bis­ der Region Xin jiang beklagt. Sofort distanzierte sich liche Trennung von Regierungs­ und Parteifunk­ werde sich dem Westen immer weiter anpassen, auf muniqué der Nato auf. In der Londoner Erklärung her nicht entsandt. Ginge es nach dem Auswärti­ der Club auf dem chinesischen Mikroblogging­ tionen ebenso wie die zeitliche Begrenzung der die wirtschaftliche Modernisierung werde eine poli­ zum 70­jährigen Bestehen der Allianz heißt es: gen Amt und dem Verteidigungsministerium, soll Dienst Weibo von Özil. Es half nichts, das nächste Amtszeit des Parteichefs. Xi kann, wenn niemand tische Öffnung folgen, diese Hoffnung ist zerstoben. »Wir erkennen, dass der wachsende Einfluss und sich das aber ändern. Diese Haltung, heißt es, sei Spiel von Arsenal in der Premier L eague flog beim ihn stürzt, auf Lebenszeit herrschen. Seit Xi Jinp ing 2012 in Peking die Macht übernahm, die internationale Politik Chinas sowohl Chancen zwischen den beiden Ministerien abgestimmt. Staatssender CCTV aus dem Programm. Furchterregend sind die Möglichkeiten der wendet sich das Land vom Westen ab. Es träumt als auch Herausforderungen darstellen, die wir als Allerdings, wenn von einem »kalten Krieg« mit Im Gefühl neuer Macht und alter Größe setzt Technik, die der Diktatur heute zur Verfügung seinen eigenen, den »Chinesischen Traum«. Allianz zusammen angehen müssen.« China die Rede ist, denkt kaum jemand an eine die Volksrepublik robust ihre Interessen durch – stehen. China ist dabei, den totalen Über­ Entsprechend groß ist die Ernüchterung bei China als Herausforderung der Nato? Das macht militärische Konfrontation. Eher geht es um eine und stößt dabei auf wachsenden Widerstand. Seit wachungsstaat zu errichten. Dessen Labor ist die denen, die eine immer engere Annäherung der Pekings Diplomaten, wie man im Gespräch heraus­ technologische Rivalität, um den Wettbewerb bei gut einem Jahr kann man spüren, wie die Stim­ Region Xin jiang mit ihren verfolgten muslimi­ beiden Systeme erwartet hatten. Der Historiker hört, einigermaßen fassungslos. Schließlich hat Pe­ Telekommunikation und künstlicher Intelligenz, mung umschlägt. Zum Beispiel beim Bundesver­ schen Minderheiten. Die wirtschaftlich erfolgrei­ Niall Ferguson, der 2007 gemeinsam mit dem king im Nordatlantik bisher nicht Flagge gezeigt. bei Robotik und digitalen Zahlungssystemen. Wir band der Deutschen Industrie. Dessen Präsident che, technologisch führende Überwachungsdikta­ Ökonomen Moritz Schularick das Wort »Chime­ Auch wenn es bereits gemeinsame Manöver mit der sollten »die Sitzgurte anschnallen«, schreibt Aus­ Dieter Kempf sprach von einem »systemischen tur – es ist diese Systemalternative, die den Westen rica« prägte, um die symbiotische Beziehung der russischen Marine im Mittelmeer und in der Ostsee traliens ehemaliger Premierminister Kevin Rudd, Wettbewerb« mit China. Die Politik müsse umtreibt. Eine gemeinsame liberale Ordnung lässt beiden Wirtschaften zu beschreiben, korrigierte gab. Nein, militärisch ist China für das westliche so schnell entfernten sich China und der Westen Deutschland und die EU »widerstandsfähiger« sich mit dem China von heute nicht bauen. Das sich dieser Tage: »Heute ist diese Partnerschaft tot. Bündnis noch keine Herausforderung. Dennoch, bei den Schlüsseltechnologien vone in an der. Rudd, gegenüber der Volksrepublik machen. Tatsächlich aber war die Hoffnung, bevor die große Ent­ Der Kalte Krieg Nummer zwei hat begonnen.« hieß es bei der Nato schon vor Monaten, »kommt ein exzellenter Chinakenner und heute Präsident achtet Berlin heute stärker auf den Schutz strate­ fremdung begann. UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws 8 POLITIK 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 a p d o/ ot h P Z S o: ot F Spurensicherung in Bad Kleinen (1993) Herr Leyendecker, haben Sie einen Informanten erfunden und damit eine Staatsaffäre ausgelöst? 1993 berichtete der »Spiegel« über eine vermeintliche »Hinrichtung« des RAF-Terroristen Wolfgang Grams durch Polizisten. Der verantwortliche Reporter: Hans Leyendecker. Ein Gespräch über seine geheime Quelle, einen anonymen Anrufer und Fehler im Journalismus DIE ZEIT: Herr Leyendecker, träumen Sie Hinrichtung hat sich als falsch herausgestellt. gehalten. Im Herbst hatte ich einen schweren rechtfertigt. Und ich trug und trage schwer an frische Enthüllungen für den Spiegel hinter mir, manchmal noch von der Spiegel-Titelgeschichte Dieses Ergebnis kam nach monatelangen Er- Herzinfarkt und habe dem Spiegel zunächst ge- meinem Informanten. Vor einiger Zeit bin ich meine Neugierde war geweckt. Also nahm ich »Der Todesschuß«? In dem Artikel haben Sie mittlungen zustande. Seit 26 Jahren entschuldi- schrieben, dass Bad Kleinen für mich erledigt bei einem Empfang dem heutigen Komman- am Tag danach, dem Montag, Verbindung zu 1993 unter Berufung auf einen nicht nament- ge ich mich dafür, in dem Fall die Glaubwürdig- sei. Aber dann kamen Anwürfe, die absurd sind, deur der GSG 9 begegnet und habe mit ihm einem Kontaktmann auf. lich genannten Polizeibeamten behauptet, das keit eines Zeugen falsch eingeschätzt zu haben. auch üble Nachrede von ehemaligen Kollegen. gesprochen. Er sagte: »Herr Leyendecker, wir ZEIT: Wer war das? RAF-Mitglied Wolfgang Grams sei in Bad Und glaubte, nun sei es endlich vorbei. Aber Und jetzt träume ich wieder von Bad Kleinen. reden jeden Tag über Sie.« Das ist mein Bad Leyendecker: Ein mir gut und lange bekannter Kleinen von Beamten hingerichtet worden, der jetzt kommt diese Geschichte von hinten. ZEIT: Nicht nur von Stahl hat sich jetzt ge- Kleinen. Informant. Ich fragte ihn, ob es eine Möglich- damalige Bundesinnenminister trat daraufhin ZEIT: Mit »dieser Geschichte« meinen Sie die äußert, sondern auch der Bruder des damals von ZEIT: Lassen Sie uns noch einmal in die dama- keit gebe, mit jemandem zu reden, der am Ein- zurück, der Generalbundesanwalt wurde ab- Aufforderung des damaligen Generalbundesan- Grams erschossenen GSG-9-Beamten Michael lige Zeit zurückreisen. Am 27. Juni 1993, einem satz beteiligt war. berufen. Später hat sich die Geschichte als falsch walts Alexander von Stahl an den Spiegel, Ihren Newrzella. Das Trauma von Bad Kleinen sitzt Sonntag, bereitet die GSG 9 zusammen mit ZEIT: Ihr Bekannter vermittelte also einen Kon- herausgestellt. Artikel im Kontext der Affäre um den Fälscher offenbar bis heute auf allen Seiten tief. dem Bundeskriminalamt (BKA) die Festnahme takt zu einer Quelle. Hans Leyendecker: Der Spiegel hat nie behaup- Claas Relotius nochmals aufzuarbeiten. Leyendecker: Das verstehe ich sofort. Der Ein- der RAF-Mitglieder Wolfgang Grams und Birgit Leyendecker: Ja. Wir haben uns am Dienstag tet, dass Grams von einem Beamten hingerich- Leyendecker: »Von hinten« meint auch, was der satz war ja in vielerlei Hinsicht ein Fiasko – von Hogefeld vor. Doch der Einsatz in Bad Kleinen getroffen, zwei Tage nach der Schießerei. tet worden sei, sondern einen Beamten zitiert, Spiegel mit so einer Aufforderung macht. Das der Durchführung vor Ort über die vielen verläuft nicht wie geplant. Hogefeld wird wider- ZEIT: Können Sie sicher sagen, dass Ihre Quelle der das gesagt hatte. Auch eine Zeugin hatte bei Blatt, für das ich fast zwanzig Jahre gearbeitet Ermittlungspannen, das In for ma tions chaos, die standslos festgenommen, aber zwischen Grams bei dem Einsatz in Bad Kleinen vor Ort war? einer Vernehmung Ähnliches erklärt. Und die habe, tritt, wenn man die Debatte verfolgt, et- ungenügenden Spurensicherungen. »Sehr viel und den Beamten kommt es zur Schießerei. Am Leyendecker: Ja. Die Quelle war in Bad Kleinen These einer Hinrichtung war in der Titel- was los, was sich auch gegen den Spiegel richtet. mehr konnte nicht schieflaufen«, hat mal ein Ende liegt Grams tot auf den Gleisen, gestorben dabei, das ist zweifelsfrei. geschichte nur eine von mehreren Möglichkei- Das ist schon eine Meisterleistung. Verleumder ehemaliger Abteilungsleiter des Bundes krimi- durch einen Kopfschuss. ZEIT: Wo fand das Treffen statt? ten. Aber es stimmt, dass ich viele Jahre von Bad und Intriganten bekommen damit eine Platt- nal amts über Bad Kleinen gesagt. Dieses Desas- Leyendecker: Die RAF und das BKA waren ei- Leyendecker: (lange Pause) Das sind Quellen- Kleinen geträumt habe. Die Theorie von der form. Ich habe das anfangs nicht für möglich ter allein hätte schon eine Titelgeschichte ge- gentlich nicht mein Gebiet. Aber ich hatte einige fragen, die ich nicht beantworten werde. UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws POLITIK 9 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 ZEIT: In einer Stellungnahme gegenüber dem Leyendecker: Ja, am Telefon, ich glaube, am Leyendecker: Habe ich wirklich Uli Wickert ge­ Leser müsse »davon ausgehen, dass wir eigentlich Spiegel haben Sie angegeben, Ihre Quelle sei Mit­ Donnerstag, lange bevor der Spiegel in Druck genüber von einem Team gesprochen? sagen wollen: Der Grams ist hingerichtet worden«. glied des Spe zial kom man dos vor Ort gewesen. ging. Vormittags habe ich mit der Quelle tele­ ZEIT: Ja. Leyendecker: Ich war ja auch zutiefst davon über­ Leyendecker: Habe ich das so geschrieben? foniert, später dann Kilz. So ist jedenfalls meine Leyendecker: Diese Aussage war dann ebenso zeugt. Und dennoch hatten wir auch die anderen ZEIT: Ja. Erinnerung. wenig korrekt wie die Behauptung von GSG­9­ Versionen für Bad Kleinen in der Geschichte. Wir Leyendecker: Und, hilft das jetzt bei der Spuren­ ZEIT: Gibt es darüber Bänder, Aufzeichnungen? Leuten, dass sie in Bad Kleinen wie nach Lehr­ hatten mit dem Informanten und der Kioskfrau suche weiter? Das Kommando setzte sich aus Leu­ Leyendecker: Nein. Normalerweise zeichne ich buch geschossen hätten. Es war eine wilde Ballerei, zwei Quellen, und auch ein Gutachten sprach ten der GSG 9 und des Bundeskriminalamts zu­ Gespräche nicht auf. und als die Kugeln flogen, haben sich die Beamten anfangs für die Ver sion einer Hinrichtung – und sammen. Mehr als fünfzig Beamte waren in Bad ZEIT: Und an diesem Donnerstag wiederholte die auf den Boden geworfen. Und ich habe gewöhn­ dennoch war es am Ende nicht die Wahrheit. Kleinen dabei. Quelle die Schilderung? lich im Team gearbeitet. ZEIT: Haben Sie sich später bei Rudolf Seiters ZEIT: Das ist wichtig, weil es um die Frage geht, Leyendecker: Ich habe über dieses Gespräch noch ZEIT: Die öffentlichen Zweifel, ob es wirklich oder bei Alexander von Stahl entschuldigt? wie nah Ihre Quelle an dem Geschehen war. Laut nie gesprochen. Es war auch in Teilen sehr privat. eine Quelle gegeben hat, kursieren bis heute. Der Leyendecker: Ich habe mich vor allem bei Ulrich Ihrer Darstellung haben Sie Ihren Bekannten ZEIT: In Bad Kleinen sind Privates und Politisches ehemalige Generalbundesanwalt Alexander von Wegener entschuldigt, dem Gründer der GSG 9. gefragt, ob er Ihnen »Kontakt zu einem Mitglied untrennbar mit ein an der verschmolzen. Worum Stahl, mit dem wir gesprochen haben, sagt, er sei Seiters ist für mich ein Ehrenmann, und wenn ich des Spe zial kom man dos verschaffen könne«. Und: genau ging es? überzeugt, Sie hätten nie eine Ihnen namentlich es richtig verstanden habe, ist er nur bedingt we­ »Dieser Kontakt kam dann mit einigen Schwierig­ Leyendecker: Gut, es ging um Folgendes: Die bekannte Quelle außer dem anonymen Anrufer gen der Spiegel-Geschichte zurückgetreten. Er ist keiten zustande.« Quelle hatte mir bei dem ersten Treffen zwei Bot­ gehabt. Auch einige ehemalige Spiegel-Kollegen zurückgetreten, weil es Unklarheiten gab, von de­ Leyendecker: Schwierig war es in der Tat. Aber schaften mitgegeben. Das eine war: Recherchieren glauben Ihnen nicht. nen er überzeugt war, dass man sie monatelang Was geschah in Journalisten haben ihre Quellen zu schützen, des­ Sie mal gründlich, und das Zweite war: Mich hat Leyendecker: Da sind bei Ex­Kollegen viele Bös­ nicht würde klären können. halb kann ich keine weiteren Details offenlegen. es nie gegeben. Darüber haben wir uns dann noch artigkeiten im Spiel, manchem geht es auch um ZEIT: Seiters sagte: »Die Vorstellung, so lange in Bad Kleinen? Was immer den Beamten bewogen hat, das zu sa­ mal unterhalten. Ich habe ihm gesagt, ich wäre späte Rache. Und Herr von Stahl kennt unsere der Öffentlichkeit zu stehen und die Vorwürfe gen, was er mir gesagt hat: Er kann es, davon bin ihm dankbar, wenn ich in einem Artikel sagen Recherchen überhaupt nicht. nicht entkräften zu können, war für mich nicht ich heute überzeugt, nicht aus unmittelbarer Nähe dürfte, dass ich mit einem Beamten gesprochen ZEIT: Die Situation hätte sich relativ leicht lösen akzeptabel.« Das bezog sich auf Spiegel und gesehen haben. Das wusste ich damals aber nicht. hätte, der am Einsatz beteiligt war. Nach einigem lassen, indem der Chefredakteur Kilz öffentlich Monitor. ZEIT: Ihre Quelle selbst hat die Schießerei nicht Zögern hat er das erlaubt, aber dringend verlangt, aussagt, dass er ebenfalls mit der Quelle gespro­ Leyendecker: Ja, aber das Besondere an Seiters lag gesehen? dass seine Identität geschützt würde. Das habe ich chen hat. Damit hätten Sie zwar nicht den Vor­ aus meiner Sicht darin, dass er Verantwortung auf Leyendecker: Er war bei der Schießerei vor Ort, ihm damals versprochen, und daran halte ich wurf entkräften können, dass Sie eine falsche Ver­ eine Weise übernahm, wie sie in dieser Republik aber kann den genauen Ablauf nicht gesehen ha­ mich auch heute. sion von Grams’ Tod in die Welt gesetzt haben. völlig ungewöhnlich ist. Ich habe ja nachher auch el g e ben. Das habe ich später gelernt. Er hat, wie aber ZEIT: Hat der Chefredakteur Kilz von dem Infor­ Aber zumindest der Vorwurf, Sie hätten dafür mit Manfred Kan ther zu tun gehabt, der Seiters pi S erst im Lauf der langen Ermittlungen einer Sond er­ manten die Schilderung einer angeblichen Exe ku­ keine Quelle gehabt, wäre in sich zusammenge­ als Innenminister nachfolgte. Kant her sagte zu er D kom mis sion deutlich wurde, einige Dinge falsch tion gehört? fallen. Warum hat Kilz geschwiegen? mir bei einem Empfang: »Einem solchen Mann aif; beschrieben. Leyendecker: Vermutlich wollte er sich einen Leyendecker: Welcher verantwortliche Journalist wie Ihnen gebe ich nicht die Hand.« Das ist der­ ch/l a b ZEIT: Was erzählte Ihnen die Quelle bei Ihrem eigenen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des redet denn über Quellen? Wir beide wussten, dass selbe Kan ther, der mal Generalsekretär der hessi­ As Treffen? Zeugen verschaffen. Vor allem wollte er von dem es die Quelle gab, und was Verleumder in all den schen CDU war und 1983 geholfen hatte, Gelder nik mi Leyendecker: Er sagte, dass Grams erschossen Informanten eine eidesstattliche Versicherung, in Jahren danach behaupteten, hat mich weniger der Partei zu verstecken, und von einem Gericht o D worden sei, von einem Beamten der GSG 9, aus der dieser seine Schilderung bestätigte, die man gepackt als die unsägliche Spiegel-Aufarbeitung deshalb wegen Untreue verurteilt wurde. Er halte o.): maximal fünf Zentimetern Abstand. später vor Gericht hätte vorlegen können. Die ei­ heute. Noch mal: Die Titelgeschichte über Bad es für »abwegig«, hat Kan ther 2005 gesagt, 22 Jah­ os (v.  ZEIT: War bei diesem Treffen noch jemand dabei? desstattliche Versicherung hat die Quelle aus per­ Kleinen war angesichts des damaligen Tohuwabo­ re danach für einen Vorgang kriminalisiert zu ot F Leyendecker: Es war kein Spiegel-Kollege dabei. sönlichen Gründen nicht geben wollen. Die Chef­ hu nach journalistischen Kriterien gerechtfertigt. werden. Menschen gehen mit ihren Fehlgriffen ZEIT: Aber jemand Drittes? Zum Beispiel Ihr re dak tion hat auch noch andere Gesprächspartner Und ich habe die Belastbarkeit und vor allem die offenbar unterschiedlich um. Bekannter, der den Kontakt zur Quelle hergestellt gehabt. Mitrecherchiert hat sie nicht. Das war Verlässlichkeit einer Quelle, die ich getroffen hat­ ZEIT: Helmut Kohl hat Sie in seinen Memoiren Der Fall hatte? auch nicht ihr Job. Aber aus te, falsch eingeschätzt. Dafür als »Manipulator« bezeichnet und behauptet, Sie Am 27. Juni 1993 stürmt ein Leyendecker: (zögert lange) Der war dabei, ja. »Die Hinrichtung« als habe ich mich entschuldigt. hätten die Vorwürfe »frei erfunden«. Polizeitrupp aus GSG­9­ und ZEIT: Kannten Sie zu dem Zeitpunkt den Namen Schlagzeile wurde auf dem ZEIT: Nach Erscheinen des Leyendecker: Kohl und mich verband eine lange BKA­Beamten eine Tunnel­ »Seit 26 Jahren der Quelle? Titelbild »Der Todesschuß« Spiegel-Artikels sah es aus, als und durch die Parteispendenaffäre belastete Be­ unter füh rung am Bahnhof Bad Leyendecker: Ja. Ich hatte die Quelle vorher noch – und den gab es ja. schlitterte die Republik in ziehung. Dass Leute wie Kohl und Kan ther mich Kleinen, einer Gemeinde zwi­ entschuldige ich nie gesehen, wusste aber, mit wem ich es zu tun ZEIT: Nach unserem Kennt­ eine Staatskrise, der damali­ beschimpften, spiegelt auch, vorsichtig gesagt, eine schen Schwerin und Wismar in hatte. nisstand ist Kilz im Laufe ge Bundesinnenminister Ru­ gewisse Selbstgerechtigkeit wider. Dennoch schät­ Mecklenburg­Vorpommern. Die mich dafür, in dem ZEIT: Gibt es von dem Gespräch einen Mitschnitt des Donnerstagabends zum dolf Seiters trat zurück. ze ich die Lebensleistung von Helmut Kohl sehr. Beamten sollen dort die RAF­ oder zumindest Notizen? zweiten Spiegel-Chefredak­ Fall die Doch dann wendete sich der ZEIT: Haben Sie sich bei Alexander von Stahl ent­ Mitglieder Birgit Hogefeld und Leyendecker: Nein, das wäre auch sofort vernich­ teur Wolfgang Kaden ins Informationsstand, relativ schuldigt? Wolfgang Grams festnehmen. tet worden. Und später habe ich auch alles ge­ Zimmer gekommen und hat Glaubwürdikeit schnell wurde klar, dass sich Leyendecker: Es tut mir leid, dass er zurückgetre­ Hogefeld wird im Bahnhofs­ schreddert, was Bad Kleinen betrifft. Richtig ist, ihm von dem Telefonat mit Grams selber erschossen hat. ten wurde. Aber von Stahl hatte Probleme ohne tunnel überwältigt, Grams je­ dass ich zunächst mit niemandem in der Re dak­ der Quelle berichtet. eines Zeugen Haben Sie nach Erscheinen Ende mit dem Justizministerium, die Ministerin doch flüchtet auf den Bahnsteig, tion darüber gesprochen habe. Ich war, das ist je­ Leyendecker: Er hat Kaden des Artikels noch mal mit hatte vermutlich einen guten Weg gesucht, sich zieht seine Waffe und schießt falsch eingeschätzt denfalls meine Erinnerung nach 26 Jahren, auch über meine Recherchen und Ihrer Quelle gesprochen? von ihm zu trennen. Und das war ein Weg. Die auf seine Verfolger. Diese schie­ nicht gleich elektrisiert. den Informanten informiert. Leyendecker: Ja, in der Wo­ damalige Ministerin sei offenbar »froh« gewesen, ßen zurück. Der Polizist Michael zu haben. Und ZEIT: Wie bitte? Sie waren nicht elektrisiert? Bei Und dann kam bekanntlich che drauf. Da hat mich die »jemanden loszuwerden, der seinen eigenen Kopf Newrzella wird von vier Kugeln einer angeblichen Exe ku tion? eine Vorabmeldung des Quelle am Telefon be­ hatte«, hat von Stahl mal gesagt. Er war das klassi­ getroffen und stirbt. Grams glaubte, nun sei es Leyendecker: Unser Gespräch erinnert mich, Par­ ARD­Magazins Monitor ... schimpft. sche Bauernopfer. stürzt auf die Gleise und stirbt don, an einen Satz von Karl Kraus. Journalisten ZEIT: ... in der eine Kiosk­ endlich vorbei« ZEIT: Warum? ZEIT: Der Spiegel ist von Stahls Bitte nachgekom­ am Tatort. seien Leute, die nachher alles vorher gewusst hät­ besitzerin zitiert wird, die Leyendecker: Aus Sicht der men, die Berichterstattung über Bad Kleinen ten, hat der mal gesagt. Was wir hier gerade ma­ gesehen haben will, wie Quelle, die sich selbst und nochmals zu untersuchen, durch die gleiche Kom­ Der Verdacht chen, erlebe ich übrigens im Zusammenhang mit Grams erschossen wurde. die Institutionen des Staates mis sion, die auch die Affäre um den Fälscher Am 5. Juli 1993 titelt der Spiegel: Bad Kleinen seit einem Vierteljahrhundert. Ich Leyendecker: Ja. Das ist die schützen wollte, war das Claas Relotius untersucht hat. »Der Todesschuß. Versagen der will erklären und werde, so empfinde ich das je­ anfangs erwähnte Zeugin, die am Tag des Desas­ keine gute Geschichte. Leyendecker: Bei Relotius geht es um Betrug, Fäl­ Terrorfahnder«. Der Autor Hans denfalls, vernommen. Ich sage, dass ich die Ver­ ters diese Aussage gegenüber Ermittlern gemacht ZEIT: Später finden Sie in den Akten die Aussage schung, Vorsatz. Bei mir ist es weder Betrug noch Leyendecker berichtet von einer lässlichkeit eines Informanten falsch eingeschätzt hatte. Ihre Aussage wurde Tage später dem Parla­ Ihrer Quelle gegenüber der Staatsanwaltschaft. Fälschung, noch Vorsatz. Die beiden Fälle gleich­ vermeintlichen »Exekution« habe, entschuldige mich dafür, und das bietet ment ebenso vorenthalten wie die Feststellung, Was sagte Ihre Quelle dort? zusetzen ist eine Unverschämtheit. Hier spielt eine Grams’ durch die Polizei und dann Anlass für neue Fragen. dass Grams durch einen aufgesetzten Schuss starb. Leyendecker: Das ist wieder so eine heikle Mischung aus Naivität, Gemeinheit und Unbe­ beruft sich dabei auf einen ano­ ZEIT: Wir bitten um Nachsicht, aber das ist die Daraus ist dann in Medien die »Monitor-Zeugin« Quellen frage. Er sagte jedenfalls auf keine Weise holfenheit eine große Rolle. Statt einen Fall zu nymen Beamten, der am Tatort Aufgabe von Journalisten. geworden. das, was er mir gesagt hat. Er sprach nicht von ei­ prüfen, der 26 Jahre zurückliegt, würde ich eher gewesen sei. Der Innenminister Leyendecker: So muss es wohl auch sein. Ein Di­ ZEIT: Und dann klingelt fast zeitgleich am ner »Art Exek u tion« oder einer Hinrichtung. Ich die Berichterstattung im Fall des ehemaligen Bun­ Rudolf Seiters (CDU) tritt nach lemma war auf jeden Fall, dass man vieles nicht Donnerstag bei Ihnen im Düsseldorfer Büro das hatte vorher mit Staatsanwälten darüber disku­ despräsidenten Chris tian Wulff untersuchen. Da der Veröffentlichung zurück, sofort verifizieren konnte. Ich hatte an diesem Telefon? tiert, wie der Quellenschutz gewährleistet werden liegt das Fiasko nicht nur zeitlich näher. Welche Generalbundesanwalt Alexander Dienstag sicherlich das Gefühl, man muss mehr Leyendecker: Ich weiß nicht mehr, wann, das und sich die Staatsanwaltschaft gleichzeitig selbst der an der Hetzjagd beteiligten Medien haben sich von Stahl wird entlassen. Als die recherchieren, muss mehr wissen. muss am späten Nachmittag oder Abend gewesen ein Bild von seinen Aussagen machen könnte. So bei ihm entschuldigt? Staatsanwaltschaft später den ZEIT: Sie sagten keinem Ihrer Kollegen Bescheid? sein, und es war ein Mensch am Apparat, der sich, gab es beispielsweise die Idee, einen Priester ein­ ZEIT: Die Kommission beim Spiegel hat unter Suizid Grams’ feststellt, kom­ Leyendecker: Nicht dem Ressortleiter, nicht dem so jedenfalls meine Erinnerung, nicht namentlich, zuschalten, der diesen Beamten aufsuchen würde. anderem das Transkript Ihres Gesprächs mit dem men Zweifel auf, ob Leyen­ Bonner Büro, nicht dem Düsseldorfer Büro. Ich aber als Grenzschutzbeamter vorstellte und erklär­ Mein Kontaktmann, der die Anfrage weitergelei­ Anonymus im Archiv wiederentdeckt. Nun, decker je in Kontakt mit dem habe nur einen einzigen Menschen informiert, te, wie das angeblich in Bad Kleinen gewesen sein tet hatte, teilte mir mit, dass der Beamte dazu nachdem das Transkript aufgetaucht ist, haben Sie angeblichen Informanten stand. dem ich immer voll und ganz vertraut habe, das sollte. Teilweise war das ungereimtes Zeug, zum nicht bereit sei. Und ich habe dagestanden, und zum ersten Mal öffentlich über das Gespräch mit Nun prüft die »Relotius­Kom­ war der damalige Spiegel-Chefredakteur Hans Teil aber auch Sachen, die stimmen konnten. Und auf einmal war alles weg, was ihn betraf. dem Anonymus berichtet. In 26 Jahren Reden mission« des Spiegels die damali­ Werner Kilz, der in Hamburg die Geschäfte führ­ es gibt Passagen, in denen er fast wortgleich das ZEIT: Wie kommt es, dass jemand zwei so radikal über Bad Kleinen haben Sie dieses Gespräch vor­ ge Berichterstattung. te. Wir haben in der Woche häufiger telefoniert. sagte, was mir auch die Quelle gesagt hatte. Dieses unterschiedliche Versionen erzählt? her nie öffentlich erwähnt, mit keiner Silbe. Am Mittwoch, dem Tag nach meinem Treffen mit Gespräch habe ich mit seinem Einverständnis Leyendecker: Er war ein Mensch, der, glaube ich, Leyendecker: Stimmt. Der Journalist der Quelle, gab es dann eine Sondersitzung des mitgeschnitten und später abschreiben lassen. völlig verstört war von dem, was er meint, mit­ ZEIT: Warum? Hans Leyendecker wechselte Rechts­ und Innenausschusses des Bundestags, ZEIT: Sie fühlten sich bestätigt? bekommen zu haben. Inwieweit er Gehörtes und Leyendecker: Weil das Gespräch mit diesem Ano­ 1997 vom Spiegel zur Süddeut- nach der mir Abgeordnete sagten: Irgendwas Leyendecker: Der Anonymus war aus meiner Gesehenes mit ein an der vermengt hat, weiß ich bis nymus keine Quelle war. Das ist das eine. Das schen Zeitung. 2016 wurde er stimmt da nicht. Sicht kein Informant. Aber er befreite mich end­ heute nicht, aber er vermengte irgendwas. Das ist Zweite ist, dass ich meine zu wissen, wie die jour­ pensioniert. Er war Präsident des ZEIT: Zum damaligen Zeitpunkt hatten die Be­ gültig von einem Problem, nämlich der ursprüng­ aber nicht nur ihm so in Bad Kleinen gegangen. nalistische Branche tickt. Hätte ich von einer Evangelischen Kirchentages hörden den Abgeordneten vorenthalten, dass sie lichen Forderung meiner Quelle, niemandem ge­ Nicht wenige der Beamten haben sich in wichti­ Quelle gesprochen, deren Identität ich nicht ken­ 2019. durch einen V­Mann an die RAF­ Kom man do­ genüber von deren Existenz zu berichten. gen Details falsch erinnert. ne, wäre dem Spiegel daraus ein Strick gedreht ebene gekommen waren, hinzu kamen sich wider­ ZEIT: Der Anonymus wurde Spiegel-intern ge­ ZEIT: Hat der Beamte Sie angelogen? worden. Dann wird behauptet: Er hatte nur diese sprechende Aussagen, ob die RAF­Frau Birgit wissermaßen zur Quelle, damit Ihre eigentliche Leyendecker: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die anonyme Quelle. Hogefeld ebenfalls geschossen hatte. Quelle unsichtbar bleiben konnte? Quelle nicht gelogen hat. Franz Josef Strauß hat ZEIT: Wie würden Sie reagieren, wenn Ihnen ein Leyendecker: Da kam noch mehr hinzu. Es gab Leyendecker: Ja, so ungefähr. Einem Co­Autor der einmal gesagt: »Lüge heißt, in Kenntnis der Wahr­ Informant 26 Jahre lang eine Geschichte erzählt, unvorstellbare Pannen. Und Parlament und Öf­ Titelgeschichte habe ich den Mitschnitt des ano­ heit – also bewusst – die Unwahrheit sagen.« Und und dann kommen Sie mit einem Dokument an, fentlichkeit wurden, wie es in einem Zwi schen­ nymen Anrufers sogar in Teilen vorgespielt, ihm Strauß kannte sich da aus. Zeugen aber sagen das vorher nie erwähnt wurde, und daraufhin bericht der Regierung aus dem Jahr 1993 heißt, aber nicht von meiner Quelle erzählt. häufig Falsches, obwohl sie sich sicher sind, dass ändert er seine Geschichte? »unvollständig und teilweise unzutreffend« infor­ ZEIT: Was für ein Misstrauen gegenüber den sie die Wahrheit sagen. Ich glaube, so ist es auch Leyendecker: Das würde ja nur dann eine Rolle miert. Noch mal: Wir reden hier über die fragliche eigenen Kollegen! bei dieser Quelle gewesen. spielen, wenn der Anrufer tatsächlich für mich Woche vor Erscheinen der Titelgeschichte. Die Leyendecker: Für mich war das eine essenzielle ZEIT: Das muss Sie doch Tag und Nacht bewegt eine Quelle gewesen wäre. War er nicht. ermittelnde Staatsanwaltschaft in Schwerin hat Quellenschutzfrage. Das ist wie bei Familien­ haben. Haben Sie später versucht, noch mal mit ZEIT: Warum sind Sie damals nicht gefeuert damals die These von einer möglichen Hinrich­ geschichten: Das, was du vertraulich erzählst, ist der Quelle zu reden? worden? tung sehr ernst genommen. Am Freitag jener sofort draußen. Das habe ich früh beim Spiegel Leyendecker: Nein. Leyendecker: Weil ich 14 halbwegs erfolgreiche Woche – also vor Erscheinen der Titelgeschichte – gelernt; Anfang der Achtzigerjahre während der ZEIT: Warum nicht? Jahre Spiegel auf dem Buckel hatte und weil die sprach ein Strafverfolger mit einem Beamten des Flick­Recherche. Weil ich viel vertrauliches Mate­ Leyendecker: Ich habe irgendwann begriffen, dass Geschichte, wenn man ruhig draufguckt, aus der BKA über Ausuferungen des Falls, und ihm wurde rial hatte, wurde ich in die Chefr e dak tion gebeten der mit mir nichts mehr zu tun haben wollte. Und damaligen Woche heraus gerechtfertigt und ver­ gesagt, darüber könne man jetzt nicht mit ihm und aufgefordert, den Namen meines Informan­ das respektiere ich. Natürlich war ich manchmal antwortbar war. Für einen Rauswurf bestand kein reden, weil das ein Geheimnis sei. ten preiszugeben. Stunden später haben mir Kol­ auch wütend auf ihn, aber ich war noch wütender Anlass. Aus dem Fall Bad Kleinen habe ich viel ZEIT: Spätestens jetzt müssten Sie doch im Lichte legen in der Kantine ins Gesicht gesagt, wer mein auf mich. Ich habe geschrieben, was ich geschrie­ gelernt. Unter anderem ist die Überzeugung ge­ der Informationen Ihrer Quelle, die aussagte, Informant war. Das war für mich ein Schreckens­ ben habe, also muss ich auch mit all dem, was wachsen, dass Journalisten trotz allem über ihre Grams sei von einem Beamtenkollegen erschossen erlebnis. Das war nicht die Regel, aber es ist vor­ dann an Unsäglichem, an Dummem, an Falschem Fehler reden müssen – auch wenn es wehtut. worden, höchst alarmiert gewesen sein. gekommen. leben, was jetzt kommt. »Bring Dich doch um«, ZEIT: Wie weitreichend gilt für Sie Quellen­ Leyendecker: Ich habe dem Chefredakteur jeden­ ZEIT: Am Samstag, vor dem Erscheinen der Titel­ schreiben mir Leute im Netz, »Du Märchenerzäh­ schutz? falls erklärt, was bisher der Stand der Recherche geschichte, sind Sie bereits zu Ulrich Wickert in ler«, »Du Lügner«. »Warum hast Du 26 Jahre ge­ Leyendecker: Absolut! ist. Er sagte, das müssen wir sorgfältig abwägen, die Tagesthemen gegangen. Dort haben Sie unter schwiegen?« Der Mob ist unterwegs. Mit dem ZEIT: Die Namen Ihres Bekannten und der und schlug vor, selber mit der Quelle zu reden. anderem gesagt, ein ganzes Team von Spiegel- Wissen von heute würde man diese Titelgeschich­ Quelle nehmen Sie mit ins Grab? ZEIT: Der damalige Spiegel-Chefredakteur hat Kollegen habe die Glaubwürdigkeit Ihrer Quelle te natürlich nie so machen, aber damals war es Leyendecker: Ja. selber mit dem Polizeibeamten, der in Bad Klei­ überprüft. Uns haben Sie eben gesagt, es wusste gerechtfertigt, sie zu machen. nen vor Ort war und Ihnen gegenüber von einer keiner außer Kilz Bescheid. Wie passt das zu­ ZEIT: Sie rechtfertigen die Berichterstattung? Sie Die Fragen stellten Holger Stark und Erschießung Grams’ berichtet hatte, gesprochen? sammen? haben später selber zugegeben, ein unbefangener Heinrich Wefing UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws SSTTRREEIITT 10 16. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 4 »Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.« HELMUT SCHMIDT Egal, wer sie wirft: Molotowcocktails sind gefährlich olt«) v e R n a d ai M o ur E e h T e: d a c arri B h » c u b o ot F m e d us a er ( b e W d al n o D os: ot F Sind wir mit Linksradikalen nachsichtiger als mit Rechtsradikalen? Ja. An der Silvesternacht von Connewitz zeigt Nein. Der Rechtsstaat bestraft sich der deutsche Relativierungs-Reflex Unbestritten linksradikale Täter besonders streng Es gibt in Deutschland eine Doppelmoral im Umgang ebenfalls bewegen. Sind nicht die Mietpreise wirklich Torsten Schultze ist ein mächtiger Mann. Dem Polizei- lich erging es zwei linken Aktivisten nach dem G20- mit dem Linksextremismus, die sich schon lange nicht enorm gestiegen? Greift nicht die Gentrifizierung tat- präsidenten von Leipzig ist der Schutz von 600.000 Gipfel in Hamburg, die bald nach den Ausschreitungen 363 mehr so deutlich gezeigt hat wie nach den Ausschrei- sächlich um sich? Zeigen die Videos von Connewitz Menschen anvertraut. Der Staat, der Schultze eine seiner zu teils empfindlichen Haftstrafen verurteilt wurden. tungen von Leipzig-Connewitz. Dort haben mutmaß- nicht auch, wie hart die Beamten vorgehen? wichtigsten Aufgaben übertragen hat, ist auf zwei Sätzen Wenn »wir« also nicht den Rechtsstaat meinen kann, lich Linksextreme in der Silvesternacht Polizisten Nur: Wie schnell sind viele bereit, Gewalt nicht nur Fälle von Körperverletzung aufgebaut. »Die Würde des Menschen ist unantastbar«, sollten wir auf den politischen Betrieb schauen. Der brutal angegriffen und mit Böllern beworfen. Einem gegen Sachen, sondern längst auch gegen Menschen durch Linksextreme wurden lautet der erste. Doch es ist der zweite, der hier wohl noch Kollege Martin Machowecz geißelt hier die Relativierer Beamten, der schon am Boden lag, traten Vermummte als Mittel zu tolerieren, bloß weil sie womöglich den 2018 in Deutschland wichtiger ist: »Sie zu achten und zu schützen ist Ver- aus dem linken Spektrum (und gemeindet die SPD ein). mehrfach gegen den Kopf – die Bilder sind so drastisch, Zweck gutheißen? Wieso lassen sie die Unterschiede registriert – gegenüber ... pflichtung aller staatlichen Gewalt.« Nach den Aus- Das muss man, nun ja, relativieren: Denn von einem dass die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes zwischen links sein und linksextrem sein so leicht ver- schreitungen an Silvester in Leipzig-Connewitz nannte Rind kann man nur Rindfleisch erwarten. Die Reflexe ermittelt. Der Polizist musste ins Krankenhaus, angeb- wischen, wie es sich Konservative auf der anderen Seite Schultze jene, die diese Gewalt initiiert hätten, nicht nur der Linkspartei und auch der SPD sind bei einem derart 938 lich wurde sein Ohr halb abgerissen. zum Glück niemals erlauben dürften? in Verkennung jeglicher Verfahrensordnung »Verbre- rüden Vorgehen der Polizei, deren Einsatzstrategie man Man stelle sich nur einmal eine Demonstration vor, Nur um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: cher«, nein, er sprach von: »Unmenschen«. mit guten Argumenten kritisieren darf, genauso erwart- bei der Identitäre auf Polizisten eindreschen: Die we- Natürlich gehört der Polizeieinsatz von Connewitz verzeichneten Fällen von Der im November 2019 als Vorsitzender des Rechts- bar, wie es jene der AfD oder eben auch führender Po- nigsten würden danach, anders als im Fall Connewitz, gründlich untersucht. Das bedeutet aber nicht, die Ver- rechtsextremen Tätern ausschusses im Bundestag abgewählte AfD-Abgeord- lizisten wie Torsten Schultze bei rechtsextremen Über- sofort Wert auf eine Debatte darüber legen, ob ein antwortung der Linksextremisten für ihre eigenen nete Stephan Brandner sagte einmal sinngemäß über griffen sind: abschwächen oder schweigen. Oder hat man Polizist denn nun sehr schwer oder nur mittelschwer Taten kleinzureden. Mitglieder der Antifa, deren Eltern seien Geschwister, von denen irgendetwas gehört, als Anfang 2016 rund verletzt wurde. Kaum ein Journalist würde von »Aus- Es gibt Leute, die sagen, das wahre Problem dieses »und wenn ich mir das ein oder andere Gesicht genauer 250 Rechtsextreme in Leipzig marodierten? Der erste schreitungen zwischen Identitären und Polizei« schrei- Landes sei der Rechtsextremismus. Und sie haben recht. 2219 anschaue, dann habe ich fast den Eindruck, als wären Prozess nach diesem »Sturm auf Connewitz« ließ übri- ben – man würde stattdessen zunächst davon aus gehen, Linksextremismus ist allerdings kein Gegengift. die Haustiere auch nicht weit gewesen«. gens zweieinhalb Jahre auf sich warten. dass die Polizei das Gewaltmonopol verteidigt habe. Vor allem werden die Gewalttäter aus diesem Spek- Fälle von Sachbeschädigung Unmenschen. Menschen, von Haustieren gezeugt. Und dann ist da ja noch Horst Seehofer. Der eines Man würde scharf benennen, was das war: ein Angriff trum immer brutaler. Im vorigen Jahr warfen mutmaß- wurden linksextremen Tätern Mit solchem Vokabular sprechen gewählte Volksver- Kuschelkurses gegenüber linker Gewalt eher unver- auf die staatliche Ordnung. lich Linksextreme die Fensterscheiben des Leipziger zugerechnet, während ... treter und ranghohe Beamte dieser Tage über Mitbürger. dächtige CSU-Bundesinnenminister hat, wie auch Ge- Nach der vergangenen Silvesternacht hingegen war BGH-Senats ein; Ermittler vermuten, dass sie kurz Weitere Beispiele dieser Couleur sind Legion. Wo solche neralbundesanwalt Peter Frank, zuletzt immer wieder sich die SPD-Chefin Saskia Esken nicht zu schade zu davor waren, das Gebäude in Brand zu stecken. Schlag- Wörter spazieren gehen, da, so darf man Herta Müller deutlich gemacht, dass die größte Bedrohung für fragen, »ob die Einsatztaktik angemessen war«. Ein zeilen machte das kaum. Als im Herbst 2019 auf einer 905 paraphrasieren, gehen auch bald Messer spazieren. Und Deutschland nicht von links kommt. Sondern durch Linksextremismus-Problem erwähnte sie nicht. Noch Leipziger Baustelle mehrere Kräne angezündet wurden, wir wollen ernsthaft diskutieren, ob wir mit Linksextre- rechtsextremistischen und durch islamistisch moti- Schlimmeres twitterte die Linken-Landtagsabgeord- war es Glück, dass sie nicht auf benachbarte Wohn- Straftaten in diesem Bereich men nachsichtiger seien als mit Rechtsextremen? vierten Terrorismus. Es gibt in den deutschen Sicher- nete Juliane Nagel: »Cops raus aus Connewitz gewinnt häuser fielen: Es hätte wohl Tote gegeben. Ebenfalls im in dem Jahr von Dieses »wir« ist ein wichtiger Punkt. Denn wer ist das heitsbehörden eine klare Hierarchisierung der Gefahren. nach diesem Jahreswechsel ’ne neue Bedeutung«. Da- Herbst wurde die Mitarbeiterin eines Immobilienunter- Rechtsextremen ausgingen überhaupt? Der Rechtsstaat etwa pflegt traditionell einen Natürlich war das, was in Connewitz passiert ist, auch nach sprach sie von »kalkulierter Provokation« durch nehmens in ihrer eigenen Wohnung überfallen und ins weitaus härteren Kurs gegen linksradikale Straftäter als ein Angriff auf den Staat. Und niemand mit Verstand Polizisten. Als hätten die es nicht anders verdient. Gesicht geschlagen. All das sind keine harmlosen anti- gegen rechtsradikale. Als die RAF das Land terrorisierte, würde gewalttätige Angriffe gegen Polizisten rechtferti- Immer wieder kann man einen Relativierungs- kapitalistischen Robin-Hood-Aktionen gegen Dinge. ging der Rechtsstaat an seine Grenzen und darüber hi- gen, egal von welcher Seite sie verübt werden. Da liegt Reflex in der deutschen Öffentlichkeit beobachten, der Das ist menschenfeindliche Gewalt. Wo war der bun- 0 naus. Es wurden die Rechte von Verteidigern beschnit- auch nicht das Problem. Dieses besteht vielmehr in dem im Falle von Linksextremismus greift, der aber beim desweite Aufschrei, als Maskierte im Dezember das ten, härtere Gesetze erlassen, Menschen eingesperrt, die Glauben, es handele sich um zwei Seiten derselben Me- Rechtsextremismus zu Recht unvorstellbar wäre: Gibt Auto von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) versuchte Tötungsdelikte nur Sympathie für die RAF bekundet hatten. Den Be- daille. Linksextremismus ist nicht das Gegenteil von es linksmotivierte Ausschreitungen oder Gewalttaten, mit Steinen und Farbbeuteln bewarfen – während er sind auf linksextremer Seite weis der harten Hand gegen rechte Gewalttäter schuldet Rechtsextremismus. Während die einen – mit oft zwei- wird – vonseiten linker Politiker, aber auch mancher und sein erst zweijähriger Sohn im Wagen saßen? registriert, und ... der Rechtsstaat noch. Und das, obschon seit 1990 in felhaften Mitteln – begehren, den Kapitalismus zu ver- Journalisten – entweder geschwiegen. Oder rasch nach Auch Extremismus von links hat das Ziel, unsere Deutschland rund 170 Menschen durch rechte Gewalt treiben, sehnen sich die anderen danach, Menschen zu entlastenden Argumenten gesucht. Ordnung zu zersetzen. Auch linksextreme Gewalt ist starben (und drei durch linke). vertreiben, die sie als ihrer nicht ebenbürtig wähnen. 6 Vielleicht geschieht das unterbewusst, vielleicht liegt Gewalt gegen Andersdenkende. Während etwa die juristische Aufklärung eines rech- Es ist wie bei einer Familie mit zwei Kindern: Die das an der Ideologie der Linksradikalen: Während Wer die AfD ermahnen will, wann immer sie mit ten Überfalls auf ein linkes Jugendzentrum in Cottbus Vorstellung, die beiden gleich zu behandeln, klingt Rechtsradikale ihre Taten auf Rassismus und Nationa- Rechtsextremen paktiert – der kann das nur glaub- versuchte Tötungsdelikte im Jahr 2005 trotz eindeutiger Beweislage mehr als ein schön. Aber die Entscheidung, dies zu tun, wäre fatal. lismus stützen, begründen Linksradikale ihre Aktionen würdig tun, wenn er selbst auf der anderen Seite gab es auf rechtsextremer Jahrzehnt lang verschleppt wurde, hat das Amtsgericht Weil beide etwas anderes brauchen. Der eine mehr Kon- mit Antikapitalismus. Sie greifen Missstände auf, die peinlichst darauf achtet, sich nicht mit den Falschen Seite Leipzig schon eine Woche nach Silvester das erste Urteil sequenz, der andere mehr Verständnis. Und was wäre Großstadtbewohner mit ökologisch-sozialer Ader einzulassen. gegen einen mutmaßlichen Aggressor gesprochen. Ähn- ungerechter als die Gleichbehandlung Ungleicher? Quelle: Bundeskriminalamt Martin Machowecz, Daniel Müller, 31, in Meißen geboren, leitet das Leipziger Büro der ZEIT. 38, ist im Investigativ-Ressort der ZEIT als Gerichts- und Er befasst sich viel mit Pegida, der AfD Kriminalreporter für die Justiz zuständig. Seit vielen Jahren und politischem Extremismus in Ostdeutschland beschäftigt er sich mit dem Thema Rechtsextremismus