FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Nr. 1659 Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers vom Landesamt für Forschung, Düsseldorf DK 621.742.42:539.4.01 621.744.36 ProJ. Dr.-Ing. Wilhelm Patterson Dr.-Ing. Dietmar Boenisch Giejerei-Institut der Rhein.-Westf. Techn. Hochschule Aachen Die Wasserbindung an Tonen und ihre Bedeutung fur die Festigkeit des Giefiereiformsandes Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1966 ISBN 978-3-663-06145-8 ISBN 978-3-663-07058-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-07058-0 Verlags-Nr. 011659 © 196 6 by Springer Fachmedien Wiesbaden Urspriinglich erschienen bei Wcstdcutscher Vcrlag GmbH, Opladen lnhalt 1. Formsande .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Festigkeitsarten ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. EinfluB von Feuchtigkeit und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4. EinfluB von Feuchtigkeit und Ionenbelegung (Aktivierung) ......... 12 5. Theorie der Wasserbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 6. Oberflächenbindung und Brückenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 18 7. Festigkeitstheorie .............................................. 20 8. Quellung des Bentonits und Sandfestigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23 9. Warm- und NaBfestigkeit. .... .... . .. . .... .... . .... .... .... .... .. 28 10. KationeneinfluB auf die Brückenbindung .......................... 29 11. Zusammenfassung.............................................. 33 Literaturverzeichnis ................................................ 35 5 1. Formsande Die überwiegende Mehrzahl der GieBereiformsande besteht aus Quarzsand, der das feuerfeste Skelett darstellt, Ton und Wasser. Der Tonanteil richtet sich nach seiner Klebekraft und den betrieblichen Anforderungen an den Sand. Bindetone sind im allgemeinen Mischungen aus unterschiedlichen Tonmineralen und Akzessorien. Die Klebekraft reiner Tonminerale steigt als Funktion ihrer spezifischen Oberfläche in folgender Reihenfolge [1] : Illit < Kaolinit < Fireday < Glaukonit < Montmorillonit. In der GieBereiindustrie werden Natursande und synthetische Sande verwendet. Erstere enthalten als Bindetone Illit, Kaolinit, Fireday, Glaukonit, letztere Bentonit. Nach DIN 52403 wird ein Bindeton mit mehr als 75% Montmorillonit als Bentonit bezeichnet. Ein guter Formsand solI seinen Tonanteil in Form eines gleichmäBigen, die Sandkörner allseitig umschlieBenden Binderfilms enthalten. Die Sandkornum hüllung erfolgt durch eine Aufbereitung vorwiegend in Kollergängen. Eine der wichtigsten Formstoffeigenschaften ist die Festigkeit, die feuchte, ton gebundene Sande durch eine Verdichtung erhalten. Die Festigkeit entsteht durch eine Verklebung der Tonhüllen entlang der Kornberührungsstellen. Sie bestimmt die mechanische Haltbarkeit der Form vor und während des Abgusses und ist daher für MaBgenauigkeit und Fehlerfreiheit des GuBstücks verantwortlich. Die Festigkeitsprüfung gehört deshalb zu den wichtigsten laboratoriumsmäBigen Formsandprüfverfahren. Es werden Gründruck- und Grünscherfestigkeit nach DIN 52401 gemessen. Eine weitere wichtige Sandeigenschaft ist die Bildsamkeit. Ein Formsand solI gut bildsam und zugleich gut flieBfähig sein, damit er sich während einer Ver dichtung konturenscharf an das Modell anlegen und damit einen maBgenauen AbguB liefern kann. Im ersten Teil dieser Arbeit sollen EinfluBgröBen und Zusammenhänge feuchter Formsande beschrieben werden. In einem zweiten Teil wird der Versuch unter nommen, die Ursachen der Tonbindung im Formsand darzustellen. Die wichtig sten EinfluBgröBen sind Sandfeuchtigkeit, Sandtemperatur sowie Güte und Ionenbelegung des Bindetones. 7 2. Festigkeitsarten Die heutige Formstoffprüfung grüner, d. h. feuchter Sande beschränkt sich auf die Bestimmung der Druck- und Scherfestigkeit. Eine mangelhafte Zugfestigkeit kann aber eher zu Form- und GuBfchlern führen als ei ne nicht ausreichende Druckfestigkeit. Das Verhältnis Druck-JZugfestigkeit kann für verschiedene Sande verschieden sein. Die in dieser Arbeit dargeste1lten Beispiele sind aus nahmslos Zugfestigkeitsdiagramme, weil die Zugfestigkeit die wichtigste Festig keitsart ist. Die Grünfestigkeit, das ist die Festigkeit feuchter und kalter Sande von Raum temperatur, genügt nicht, urn die Formfestigkeit zu beschreiben. Durch die Auf heizung der Formoberflächen durch das GieGmetall gewinnen weitere Festigkeits arten hervorragende Bedeutung: die Warm- und NaBfestigkeit [1], [2], [3]. Diese sind niedriger als die Grünfestigkeit und können durch zu geringe GräGe viele GuBfehlerarten verursachen. I-----------:===!-- Criill/esfigkeif (R~UtntClllp., formgctccht) lP'a r",/esligkeit mmgcsäuigte Kondens:\tlonSWnC(( (R~utntclllp. bis 100°C; formgcrccht bis _ 2,5% höhcr) i\ a(ffesligkeit ngcsälligtc Kondcnsationszonc« ( ....... 100°; ...... 2,5% übcrformgcrccht) Abb. 1 Zonen verschiedener Festigkeit in einer Sandform während der Formfüllung Die Abb. 1 zeigt einen schematischen Querschnitt durch ei ne Grünsandform während der Formfü1lung. Die GieGhitze erzeugt in das Innere der Formwände hinein einen sich ständig ändernden Temperaturgradienten, wodurch Zonen ver schiedener Festigkeitsarten entstehen. Die Formoberflächenschichten trocknen aus, deren Feuchtigkeit durchstreift als Wasserdampf den körnigen, porösen Formstoff und konden siert in kälteren, dicht unter der Formoberfläche und parallel zu dieser liegenden Sandschichten. An die trockene Formoberflächenschicht grenzt also in Richtung des Temperaturgefälles eine schmale, gesättigte Feuchtig keitskondensationszone, an diese ei ne breitere, im Aufbau begriffene ungesättigte Kondensationszone, die schlieGlich in den noch kalten, grünen Formsand über geht. Die gesättigte Kondensationszone ist als Folge der freigesetzten Konden sationswärme gleichmäGig auf 100°C erwärmt und urn ungefähr 2,5% gegenüber der Ausgangsfeuchtigkeit übernäGt worden. Der Feuchtigkeitszuwachs hängt 8 von der Ausgangstemperatur des Sandes und der spezifischen Wärme seiner Be standteile ab. Der Feuchtigkeitszuwachs wird in dieser Arbeit zur Vereinfachung mit einem Mittelwert von etwa 2,5% angegeben, kann aber in einzelnen Fällen von diesem Wert etwas abweichen [1]. Die Festigkeit in der Kondensationszone wird als Naf3festigkeit bezeichnet. Die ungesättigte Kondensationszone weist von der 1000e warmen gesättigten Zone bis zum kalten Formsand ein stetiges Wärme- und Feuchtigkeitsgefälle auf. Hier liegen die Zonen unterschiedlicher Warmfestigkeit. Eine Form besitzt also während des Abgusses kei ne einheitliche Festigkeit mehr. Hinter der trockenen und heiBen und im allgemeinen festen Formoberfläche liegen praktisch unendlich viele Sandschichten unterschiedlicher Warmfestigkeit. Die Naf3festigkeit der Kondensationszone ist unter bestimmten Voraussetzungen die Warmfestigkeit bei 100° C. Sie ist die niedrigste Festigkeit im ganzen Formquerschnitt und deshalb eine wichtige Fehlerquelle. Sandaus dehnungsfehler Z. B. entstehen durch Ablösen der heiGen und durch Quarzaus dehnung verspannten Formoberflächenschichten entlang der Kondensationszone, wenn deren Naf3festigkeit zu niedrig ist. Dieser Vorgang wird als »Schalenbil dung« [2] bezeichnet. Die wichtigsten Sandausdehnungsfehler sind Schülpen, Riefen, Rattenschwänze, Hohlkehlen, Blattrippen und Formbruch. Die NaGfestigkeit kann in einfacher Weise verändert werden. Damit hat der Gie Ber die Möglichkeit, Sandausdehnungsfehler zu vermeiden. Die Naf3festigkeit ist mit einem Laborprüfgerät schnell und sicher zu ermitteln. Ein feuchter Formsand prüfkörper nach DIN 52401 wird oberAächlich erhitzt. Dadurch entsteht in diesem ein Temperaturgefälle und wie in der Sandform unter GieGbedingungen eine Feuchtigkeitskondensationszone. Der Prüfkörper reiGt unter Zugbeanspruchung automatisch in der Kondensationszone. Die Bruchlast wird als NaBzugfestigkeit in p . cm -2 angegeben [1], [3], (Abb. 2). Stllfe 1 Stufe 2 Zugspannung Hiczeeinwirkung 1~;;;;,SI gesäctigte Feuchtigkcics kondensacions zone Formsandprüfkörper Abb. 2 NaBzugfcstigkeirsprüfung (schematisch) 9 3. EinfluB von Feuchtigkeit und Temperatur Alle Festigkeitswerte, die in dieser Arbeit als Beispiele angegeben sind, wurden an einem synthetischen Formsand aufgenommen. Er enthielt auf 100 Teile eines Halterner Quarzsandes mit einer Hauptkorngröf3e von 0,1 bis 0,2 mm fünf Ge wichtsteile Calciumbentonit aus Mainburg mit 75% Montmorillonit. In Abb. 3 sind Grün-, Warm- und NaGfestigkeitskurven gegen die Sandfeuchtig keit dargestellt. formgcrechter Zustand • ... 110 überform- E v Ca-Beuloni! 70 60 50 Grünfestigkeit 40 ..:=====:::: 80° __________ 30 90°-- 20 10 O~--~--~~---+---r--~--+_--+_--~ 3 4 5 6 7 8 9 andfeuchtigkeit [%1 Abb. 3 Formsandfestigkeit als Funktion von Temperatur und Feuchtigkeit (Formsande mit fünf Teilen Ca-Bentonit mit 75% Montmorillonit) 10 Die Warmfestigkeitskurven in Abb. 3 wurden an im Wasserbad vorsichtig er wärmten Prüfkörpern aufgenommen. Oberhalb von etwa 70°C tritt eine starke Wasserverdampfung auf, so daS die Prüfung nur mittels einiger Kunstgdffe möglich war [1]. Ein 100° C warmer Sand konnte nicht mehr nach dieser Methode geprüft werden. Seine Festigkeitswerte können aber durch NaBfestigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der in der Kondensationszone höheren Wassergehalte ermittelt werden. Die Grünfestigkeit steigt bei niedrigen Formsandfeuchtigkeiten steil an und fällt zu höheren ab. Der Höchstwert der Grünzugfestigkeitskurve tritt bei dem soge nannten formgerechten Zustand auf, in Abb. 3 bei 2,3% Feuchtigkeit. Der form gerechte Zustand ist der Zustand bester Verarbeitbarkeit des Sandes. Er wird von der Praxis fast ausnahmslos zur Formenherstellung angestrebt. Unterformgerechte Sande sind zu trocken und deseln leicht, überformgerechte Sande sind zu naS und neigen zu verstärktem Kleben an Modellen. Der formgerechte Wassergehalt kann bei ei niger Erfahrung mittels Handprobe auf ± 0,1% Feuchtigkeit repro duzierbar eingestellt werden. Es gibt noch kein zuverlässigeres Prüfverfahren. Formgerechter Wassergehalt und Wassergehalt des Höchstwertes der Grünzug festigkeit fallen wie in Abb. 3 nur bei reinen Sand-Ton-Mischungen zusammen, selten aber bei praktischen Sandmischungen, die weitere Zusatzstoffe wie Kohlen staub, Holzmehl, Quellbinder usw. enthalten. Die Warmfestigkeit nimmt mit steigender Sandtemperatur ab; die Warmfestig keitskurven liegen zunehmend tiefer. Das Festigkeitsmaximum des formgerechten Sandes wird mit zunehmender Sandtemperatur weniger ausgeprägt und geht ab etwa 80°C vollständig verloren. Dafür entsteht hier ein weiteres, wenn auch schwächeres Maximum, das aber bei sehr viel höheren Sandfeuchtigkeiten liegt, etwa bei dreifach formgerechtem Zustand bei 7% . Offenbar erfolgt bei zunehmen der Erwärmung eines feuchten Sandes ein Wechsel der GesetzmäBigkeiten. Die Festigkeit kälterer Sande fällt mit zunehmender Überschreitung des formgerech ten Wassergehaltes ab, die Festigkeit nahe 100°C warmer Sande aber steigt an. Es fällt auf, daS die Verlängerung der Warmfestigkeitskurve von 100°C die Feuchtigkeitsachse im vormals formgerechten Zustand bei 2,3% Feuchtigkeit schneidet (Schwellenwert 5 in Abb.3). Die Grünfestigkeit des formgerechten Sandes sinkt also bis 100°C auf den Wert Null ab. In Abb. 3 sind für 100° C zwei weitere Festigkeitskurven eingezeichnet: die ge strichelte NaBfestigkeitskurve und die durchgezogene Warmfestigkeitskurve. Die Warmfestigkeitskurve ist die urn den Feuchtigkeitsbetrag LlFvon etwa 2,5% nach rechts verschobene NaSfestigkeitskurve. Die NaSfestigkeit ist also die Festigkeit eines 100 ° C warmen Sandes, wird aber stets für den Ausgangswassergehalt vor der oberBächlichen Erhitzung (Abb. 2) angegeben. Der zum Zeitpunkt der Prüfung vorhandene höhere Wassergehalt wird im allgemeinen nicht berücksichtigt. Die NaSfestigkeit bei 2% Feuchtigkdit z. B. beträgt 8 p . cm-2, der gleiche Festig keitswert ist aber die Warmfestigkeit bei 100° C und etwa 4,5% Sandfeuchtigkeit (2% + LlF = 4,5%). 11 4. EinfluB von Feuchtigkeit und Ionenbelegung (Aktivierung) Grün- und NaI3festigkeit und mit dies er die Warmfestigkeit von 100° C sind mit laboratoriumsmäf3igen Prüfverfahren schnell und einfach zu ermitteln. Nachfol gende Versuchsergebnisse sollen den Einfluf3 der Ionenbelegung des Bentonits auf diese Festigkeitsarten erkennen lassen. Die Warmfestigkeiten zwischen Raum temperatur und 100°C sind Übergangsfestigkeiten von der Grün- zur Naf3- festigkeit (Abb. 3) und sind für die weiteren Überlegungen daher nicht mehr notwendig. Sandmischungen beschriebener Zusammensetzung wurden im Kollergang mit verschiedenen Sodamengen einige Minuten feucht aufbereitet. Dadurch erfolgt am Ca-Bentonit ein Ioneneintausch von Na+ [5]. In Abb. 4 sind Grün- und Naf3- festigkeitskurven gegen die Sandfeuchtigkeit dargestellt. Kurvenparameter ist die zugesetzte Na+-Menge. Die Grünfestigkeit fällt im überformgerechten Bereich, wie bereits in Abb. 3 dar gestellt, ab; durch Calciumbentonit (Ausgangszustand) stark und durch Natrium bentonit (75 mval Na+j100 g Bentonit) nur wenig. Durch Zusatz einer gröf3eren als der Ionenaustauschfähigkeit des Bentonits (hier 75 mvalj100 g Bentonit) ent sprechenden NaLMenge wird die Festigkeitsminderung wieder stärker. Die soge nannte »Wasserempfindlichkeit« hängt von der Ionenbelegung ab [6]. Ein Maf3 für die Wasserempfindlichkeit ist die Festigkeitsminderung zwischen zwei höhe ren Sandfeuchtigkeiten. Der Unterschiedsbetrag der Grünfestigkeit zwischen z. B. 3% und 7% Feuchtigkeit wurde den Kurven aus Abb. 4a entnommen und in Abb. 5 der zugesetzten Na+-Menge gegenübergestellt. Die Kurve der Wasser cmpfindlichkeit durchläuft bei 75 mval einen Niedrigstwert. Der Na-Bentonit hat also die geringste Wasserempfindlichkeit, die von unter- oder überaktivierten Bentoniten ist gröf3er. Statt der Wasserempfindlichkeit kann Abb. 4a auch direkt die Festigkeit bei dreifach formgerechtem Wassergehalt (hier 7% H 0) ent 2 nommen werden. Eine Darstellung dieser Festigkeitswertc gegen den Sodazusatz ergibt einen Kurvenzug, der zur Kurve der Wasserempfindlichkeit spiegelbild lich verläuft (Abb. 5). Eine hohe Wasserempfindlichkeit bedeutct eine niedrige Festigkeit übernäf3ter Sande und umgekehrt. Die Abb. 4a beweist also einen starken EinfluH der Ionenbelegung auf die Grün festigkeit überformgerechter Sande, läf3t aber keinen eindeutigen Einfluf3 bei formgerechter Feuchtigkeit erkennen. Die NaI3festigkeit formgerechter Sande (Abb. 4b) wird aber stark von der Ionenart bestimmt, indem sie bis zur Voll aktivierung ansteigt und durch Überaktivierung wieder fällt. Die Naf3festigkeits werte der formgerechten Sande wurden Abb. 4 b entnommen und in Abb. 5 gegen den Sodazusatz dargestellt. Es entsteht ei ne sogenannte Aktivierungskurve [1]. Sie verläuft zur Kurve der Grünzugfestigkeiten nasser Sande nahezu parallel. 12