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Die USA, Israel und der Nahost-Konflikt PDF

65 Pages·2005·0.24 MB·German
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Gert Krell Die USA, Israel und der Nahost-Konflikt Studie über demokratische Außenpolitik im 20. Jahrhundert HSFK-Report 14/2004 © Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) Adresse des Autors: Prof. Dr. Gert Krell Institut für Vergleichende Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen Fachbereich Gesellschaftswissenschaften Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Robert-Mayer-Str. 5, 60054 Frankfurt am Main Telefon: (069) 798-22059 (S) E-Mail: [email protected] ISBN: 3-937829-10-5 Euro 6,- Zusammenfassung Die hier vorgelegte Analyse geht davon aus, dass eine dauerhafte Verregelung des Nahost- Konflikts, die das Existenzrecht Israels ebenso sichert wie die Selbstbestimmung der Paläs- tinenser, einen Dialog der Kulturen erfordert, der die Reflexion des „Westens“ über seine Verwicklung in diesen Konflikt und seine Mitverantwortung für ihn einschließt. Der Re- port bietet aus dieser Perspektive eine zusammengefasste Geschichte des Verhältnisses zwischen den USA, Israel (bzw. dem Zionismus) und dem Nahost-Konflikt, einschließlich eines (nochmals komprimierten) Blicks auf die Innenseite der US-Außenpolitik (Kon- gress, Lobbys, Öffentlichkeit). Auf diese Weise lassen sich bestimmte verbreitete politische Glaubenssätze widerlegen und zugleich zentrale Widersprüche in der Außenpolitik der großen Demokratie USA gegenüber der Region dokumentieren. Dass den USA eine besondere Bedeutung für die Entwicklung und Gestaltung des Nahost-Konflikts zukommt, versteht sich von selbst. Die Grundlage dafür bieten der Su- permachtstatus der USA und die „special relationship“ zwischen den Vereinigten Staaten und Israel. Die engen Beziehungen lassen sich freilich nicht nur mit dem sicherheitspoliti- schen Nutzen für beide Seiten erklären; die Partnerschaft ruht auch auf einer sehr günsti- gen Repräsentation der israelischen Interessen im politischen System der USA. Dazu ge- hört allerdings weit mehr als der politische und materielle Einfluss der jüdischen Wähler- schaft und Lobby, mindestens genauso wichtig sind emotionale Bindungen und politisch- kulturelle Affinitäten. Israel kann durchgehend auf hohe Sympathiewerte in den USA rechnen, und zwar nicht nur, weil es die erste Demokratie im Nahen Osten ist, sondern vor allem auch wegen des Holocaust. Unabhängig davon spiegeln sich in der israelischen Vorgeschichte und in der zionistischen Programmatik einige zentrale Aspekte des ameri- kanischen Selbstverständnisses. Zwei gegensätzliche Tendenzen prägen die Vorgeschichte, d.h. das Verhältnis zwischen den USA und dem Zionismus bis zur Staatsgründung Israels. Die eine, insbesondere von US-Diplomaten und Experten im State Department vertreten, stand dem zionistischen Vorhaben skeptisch bis kritisch gegenüber. Sie schätzte das Konfliktpotenzial als sehr hoch ein, befürchtete eine Missachtung des Selbstbestimmungsrechts der Araber und da- mit auch einen Glaubwürdigkeitsverlust der amerikanischen Außenpolitik. Charak- teristisch für diese Position ist etwa der Bericht der von Präsident Wilson selbst einge- setzten King-Crane Kommission vom August 1919. Dort heißt es, die neun Zehntel der nicht-jüdischen Einwohner in Palästina mit einer unbegrenzten jüdischen Einwanderung zu konfrontieren komme einer massiven Verletzung ihrer Rechte gleich und damit auch der Prinzipien, die der amerikanische Präsident selbst verkündet hatte. Die Kommission empfiehlt schließlich: „the project for making Palestine distinctly a Jewish commonwealth should be given up.“ Noch gegenüber dem Teilungsplan der Vereinten Nationen formu- lierten die zuständigen Fachleute im Außenministerium grundsätzliche Bedenken. Die andere Tendenz, die von den US-Präsidenten Wilson und Truman, vom US-Kon- gress und von der Öffentlichkeit vertreten wurde, stand der Gründung eines jüdischen „Commonwealth“ bzw. Staates deutlich positiver gegenüber. Sicher spielten dabei auch Rücksichten auf jüdische Wählerstimmen und der Lobbyismus der Zionist Organization of America eine Rolle, die über gute Verbindungen zum Kongress und zu verschiedenen Regierungen verfügte. Aber das erklärt nicht die Sympathien in den USA für das zio- nistische Kolonialprojekt. Von erheblicher Bedeutung war hier einmal der alte Gegensatz zwischen der christlich-jüdischen Kultur auf der einen und der islamischen auf der ande- ren Seite. Dieser Gegensatz wurde bis tief in die dreißiger Jahre in die Kontinuität der Kreuzzüge gestellt. Das „Heilige Land“ galt mit der Eroberung durch die Briten als befreit, seine Wiederaneignung durch die zionistischen Siedler als Erweiterung der westlichen Kultur. Der offenkundige Widerspruch zwischen dem Prinzip der Selbstbestimmung, das Präsident Wilson selbst als Regulativ für die Nachkriegsordnung in die Debatte geworfen hatte, und den imperialistischen Interessen Englands und Frankreichs bzw. den zionisti- schen Plänen in der Nahost-Region wurde über das Mandatssystem des Völkerbundes ge- löst. Die Herrschaft über die unterlegene Kultur, der das Selbstbestimmungsrecht verwei- gert wurde, wurde als altruistischer Akt legitimiert. Letztlich ging es darum, das „Heilige Land“ aus seiner Rückständigkeit zu befreien, vom Fortschritt würden alle profitieren, auch die Araber. In den Argumentationsfiguren dieses „altruistischen Imperialismus“ blieb kein Raum für ein Verständnis der Gegenwehr. Die Gewalt der Unterworfenen, de- nen man ja nur Gutes tat, wurde als „muslimischer Fanatismus“ naturalisiert. In den vierziger Jahren wurde dieser Kontext überlagert vom Erschrecken über die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch den Nationalsozialismus. Am Ende des Krieges war die Etablierung des „Jewish Commonwealth“ in Palästina damit nicht nur Konsens unter den amerikanischen Zionisten, sondern auch breite Mehr- heitsmeinung unter den amerikanischen Juden insgesamt, die ihrerseits weitgehende Un- terstützung von der nicht-jüdischen Bevölkerung der USA erhielten. Freilich war diese Unterstützung nicht ganz frei von Eigennutz. Die Einwanderungsgesetzgebung in den USA blieb seit den zwanziger Jahren durchgängig restriktiv, daran hatten auch Appelle an den Kongress z.B. anlässlich der Pogrome in Deutschland im November 1938 nichts ge- ändert. Schon unter Präsident Truman mit den Kontroversen über den Teilungsplan der Ver- einten Nationen, der Anerkennung Israels sowie Fragen der Grenzziehung und der Flüchtlinge entfaltete sich eine allmählich vertraut werdenden Konstellation im Verhältnis zwischen den USA, Israel (bzw. dem Zionismus) und dem Nahost-Konflikt: (1) Ambiva- lenzen auf der amerikanischen Seite wegen der Balance zwischen Israel und den arabi- schen Ländern, letztlich aber doch lebenswichtige, wenn auch keineswegs immer allein ausschlaggebende Unterstützung für Israel, (2) eine in der Tendenz eher pro-israelische Vermittlung zwischen den Konfliktparteien und zugleich Enttäuschung über mangelnde Flexibilität des jüdischen Staates, und schließlich (3) eine Mischung aus strategischen Ü- berlegungen in der Administration (eher vom State Department vertreten) und Rücksich- ten auf pro-israelische Präferenzen in der amerikanischen Gesellschaft (eher auf Seiten des Präsidenten, allemal im Kongress), wobei die zuletzt genannten in der Regel den Aus- schlag gaben. Es wäre gleichwohl ein grobes Missverständnis, wollte man die Gründung Israels als ein Produkt des amerikanischen Imperialismus deuten. Zwar hatte sich Truman im Ge- gensatz zu seinem Vorgänger – Roosevelt hatte den Arabern noch zugesichert, dass über II Palästina keine Entscheidungen ohne ihre Zustimmung getroffen würden – für die Tei- lung und damit einen jüdischen Staat ausgesprochen, aber dabei spielten neben innenpo- litischen Rücksichten eher pragmatische außenpolitische Gründe eine Rolle: die Sorge ü- ber das Konfliktpotenzial in einer Region, über die der neue Ost-West-Konflikt zwischen den USA und der UdSSR seine Schatten zu legen drohte, und über die Lage der „Displa- ced Persons“ in den amerikanischen Lagern in Deutschland, in erster Linie Holocaust- Überlebende und andere Juden, die vor neuem Antisemitismus und vor den neuen Dikta- turen in Osteuropa geflohen waren. Viele dieser DPs wollten nach Palästina. Außerdem verdankt Israel die äußere Absicherung seiner Entstehung nicht nur der amerikanischen Fürsprache, sondern auch dem sowjetischen Votum für die Teilung, einer eher zufälligen Kollusion zwischen den beiden neuen Supermächten, nicht mehr ihrer antifaschistischen Allianz. Die entscheidende Waffenhilfe im ersten israelisch-arabischen Krieg und damit für den Unabhängigkeitskampf der Zionisten jedenfalls kam nicht von den USA – die hat- ten ein Embargo verhängt –, sondern aus der Tschechoslowakei und wurde von der Sow- jetunion zumindest toleriert. Israels Außenpolitik war in der Frühphase nach der Staatsgründung noch auf Neu- tralität zwischen Ost und West gerichtet, die Beziehungen zur Sowjetunion verschlech- terten sich jedoch sehr bald. 1950 nannten sowjetische Quellen Israel zum ersten Mal ei- nen „Satelliten des westlichen Imperialismus“. Davon konnte jedoch keine Rede sein, je- denfalls waren die Beziehungen zwischen der Regierung Eisenhower und Israel zeitweise äußerst gespannt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Suez-Krieg 1956 zwischen Frankreich, Großbritannien und Israel auf der einen, Ägypten auf der anderen Seite. Kein amerikanischer Präsident hat je wieder so massiven Druck auf Israel ausgeübt, es musste die Kriegsbeute ohne Gegenleistungen wieder herausgeben. Zwar verbesserten sich die Be- ziehungen wieder, nicht zuletzt deswegen, weil sich andere Gefährdungen der ame- rikanischen Position im Nahen Osten ergaben, aber das Waffenembargo blieb. Der ent- scheidende militärische Partner Israels war in dieser Zeit Frankreich, das ein Ge- gengewicht gegen die Unterstützung der algerischen Befreiungsfront durch das nasseris- tische Ägypten suchte. Noch den Sechs-Tage-Krieg 1967 gewann Israel überwiegend mit französischen Waffen, auch die Entwicklung einer eigenen Nuklearkapazität profitierte von der Kooperation mit Frankreich. Die zunächst nur vermutete Entwicklung israelischer Nuklearwaffen war dann auch der größte Konflikt zwischen der Regierung Kennedy und Israel, ein Konflikt, den Kenne- dys Nachfolger mit einem faulen Kompromiss beendeten: Die USA tolerieren das is- raelische Nuklearwaffenprogramm, solange Israel sich nicht offen dazu bekennt (no deni- al, no confirmation). Ansonsten tat die Regierung Kennedy insofern einen wichtigen Schritt für die Intensivierung der amerikanisch-israelischen Beziehungen, als zum ersten Mal ein US-Präsident die Sicherheit Israels zu einem unmittelbaren Anliegen der USA er- klärte und von einer „special relationship“ ähnlich der zwischen den USA und Groß- britannien sprach. Vorausgegangen waren allerdings erfolglose Bemühungen Kennedys, die Beziehungen zu Ägypten zu verbessern. Entscheidend für die Gesamtanalyse ist der Tatbestand, dass sich die Beziehungen zwi- schen den USA und Israel erst langsam und allmählich intensiviert haben. Die ersten Lie- III ferungen von amerikanischen Offensivwaffen gab es nach dem Sechs-Tage-Krieg, mit dem sich Frankreich aus der Position des Waffenlieferanten zurückzog. Erst unter Nixon und Kissinger mit der neuen Mächtekonstellation nach dem Yom Kippur-Krieg 1973, die schließlich zur politischen Neuorientierung Ägyptens und damit auch zum Friedens- vertrag zwischen Äygpten und Israel führen sollte, wurde Israel zum bevorzugten Partner amerikanischer Waffen- und Wirtschaftshilfe großen Stils, und in den achtziger Jahren entwickelte sich das Verhältnis von der „special“ zur „strategic relationship“ weiter. Paral- lel dazu rückten Bemühungen der USA um eine weitere Verregelung des Konflikts, ein- schließlich der Palästinenser-Frage, in den Kernbereich US-amerikanischer Nahost- Politik, und zwar auf der Grundlage des Prinzips Land gegen Frieden. Die amerikanischen Bemühungen um eine umfassende Friedensregelung unter Ein- schluss der Palästinenserfrage waren bislang erfolglos, obwohl die Clinton-Administration gegen Ende der neunziger Jahre einer solchen umfassenden Regelung sehr nahe kam. Die USA haben in diesen Bemühungen mal auf enge Kooperation (eher unter demokratischen Administrationen), mal auf kritische Solidarität (eher unter republikanischen Präsiden- ten) mit Israel gesetzt, wobei sich mit Reagan und Bush jr. auch eine sehr stark pro- israelische republikanische Politikvariante entwickelt, die mit der Verbindung zur religiö- sen Rechten in den USA zusammenhängt. Beide Strategien waren letztlich nicht erfolg- reich, vor allem ist es den USA trotz immer neu wiederholter und zum Teil sehr scharfer Kritik nicht gelungen, den kontinuierlichen Aufwuchs der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten auch nur zu behindern. Die USA haben in diesem Punkt ihre Mög- lichkeiten allerdings nie wirklich ausgeschöpft, der Siedlungsprozess hat durchgängig von der staatlichen und der privaten Hilfe aus den USA direkt oder zumindest indirekt profi- tiert. Trotz der weitgehenden Entkolonialisierung des öffentlichen Diskurses in den USA bleibt es für amerikanische Regierungen nach wie vor schwierig, Druck auf Israel auszu- üben – Druck auf die Palästinenser geht. Der Kongress verhält sich fast durchgängig un- kritisch gegenüber Israel, er ist ganz im Gegenteil häufig sogar darum bemüht, kritisches Verhalten der eigenen Regierung gegenüber dem jüdischen Staat zu korrigieren. Historisch-systematisch ist insgesamt festzuhalten, dass die USA keineswegs die Hauptverantwortung für die Entstehung des Nahost-Konflikts tragen. Dessen Ursprünge liegen in Europa, im europäischen Nationalismus, Antisemitismus und Imperialismus. Aus diesem Kontext ist das zionistische Kolonialprojekt hervorgegangen, das aber in- zwischen auch seine eigene „orientalische“ Geschichte hat: Israel ist kein Staat europä- ischer Juden oder deren Nachkommen allein, sondern auch „arabischer Juden“ (und ihrer Nachkommen), die aus arabischen Ländern ausgewandert oder geflohen sind, und ein Staat israelischer Araber. Gleichwohl sind drei Defizite in der Außenpolitik der großen Demokratie USA gegenüber dem Nahost-Konflikt festzuhalten. Das erste bezieht sich auf die Tradition des „altruistischen Imperialismus“, die die US-Politik gegenüber dem Zio- nismus entscheidend mit bestimmt hat. Nur mit deren Argumentations- und Legitimati- onsfiguren ließ sich der Widerspruch zwischen der demokratischen Rhetorik der USA für die politische Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg und der realen Verweigerung demo- kratischer Partizipation begründen. Der zionistische wie der (kultur)imperialistische Dis- kurs haben das Recht auf Demokratie hierarchisiert, d.h. die Araber, speziell die Palästi- nenser, bekamen politisch und kulturell die unterste Stufe in dieser Hierarchie zugewie- IV sen. Es hat lange gedauert, bis ihre politischen Rechte auch konkret öffentlich anerkannt worden sind. Das zweite Defizit besteht in der Delegation der Flüchtlingsfrage an den Orient durch die restriktiven Einwanderungsgesetze in den USA (und anderen westlichen Ländern) in den dreißiger und vierziger Jahren. Die Argumentation pro-arabischer Verbände in den USA, bei einer Einwanderung europäischer Flüchtlinge in die USA würden viel weniger ortsansässige Menschen verdrängt als in Palästina, blieb ohne jede Wirkung. Das dritte Defizit schließlich besteht darin, dass die USA in ihrer Rolle als Makler im Friedensprozess nicht mit gleichem Nachdruck wie für das Existenzrecht Israels auch für das volle Recht der palästinensischen Araber auf Selbstbestimmung streiten. Die USA wol- len zwar ehrlicher Makler sein – schließlich brauchen sie für eine erfolgreiche He- gemonialpolitik im Nahen Osten eine Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts, der auch von der arabischen Seite akzeptiert wird –, aber sie sind zugleich Konfliktpartei. Sie akzeptieren letztendlich die vorhandenen Asymmetrien im Konflikt und deren Spiege- lung in den bisherigen Abkommen; am deutlichsten bislang in den Positionen der Admi- nistration Bush jr. Die Lösung des Konflikts liegt auf der Hand bzw. auf dem Tisch, und zwar in Form der Genfer Vereinbarungen zwischen israelischen Politikern aus dem linksliberalen Spektrum und arabischen Vertretern aus dem weiteren Umfeld Arafats. Es ist ein Kompromiss, der das zionistische Staatsbildungs- und Kolonisationsprojekt physisch zum Abschluss bringt und partiell korrigiert, um den Palästinensern in der West Bank, in Gaza und in Ostjeru- salem endlich das zu geben, was ihnen der Westen eigentlich seit dem Ersten Weltkrieg zumindest pauschal immer versprochen hat: nationale Selbstbestimmung. Und ein Kom- promiss, und insofern geht Genf über Camp David/Taba hinaus, der die historische (Mit)Verantwortung Israels und des Westens für das Unglück und die Vertreibung der Palästinenser ausdrücklich anerkennt und Formen der symbolischen und realen Wieder- gutmachung enthält. Es gibt viele Gründe, warum dieser Kompromiss bislang nicht reali- siert werden konnte. Der wichtigste liegt darin, dass rabiate konservative Gruppen in Isra- el nicht bereit sind, das erfolgreiche zionistische Kolonisationsprojekt im geforderten Sin- ne zu begrenzen und in gewissem Umfang zurückzunehmen. Das Problem dieser vor dem Hintergrund der Konfliktgeschichte vergleichsweise bescheidenen Zurücknahme des is- raelischen Siedlungsprozesses ist, das zeigen die historischen Beispiele Großbritan- nien/Irland sowie Frankreich/Algerien, dass kolonialistische Veto-Gruppen und ihre nati- onalistischen Verbündeten nicht nur den politischen Präferenzbildungs-Prozess beein- flussen, sondern dass sie auch zu Attentaten auf ihre eigenen Politiker, ja zum Bürgerkrieg bereit sind. Die Erfahrungen mit dem Friedensprozess haben gezeigt, dass es wichtig ist, die jeweils erreichten Schritte abzusichern und gleichzeitig die Fortschrittsperspektive zu erhalten. Dazu sind die beiden Konfliktparteien möglicherweise ohne eine stärkere Mitwirkung von außen nicht oder nicht mehr in der Lage. Es könnte deshalb darauf ankommen, Israel und die Palästinenser durch eine gemeinsame Positionierung der USA, der EU, Russlands und der Vereinten Nationen den bereits skizzierten und allen bekannten großen historischen Kompromiss erneut nahe zu bringen und ihn mit positiven Anreizen und wirksamen Si- V cherheitsgarantien zu koppeln. Das könnte z.B. in Form einer internationalen Konferenz geschehen, so wie sie kürzlich Henry Siegman, vormalig Leiter des American Jewish Cong- ress, heute Senior Fellow on the Middle East beim Council on Foreign Relations, vorge- schlagen hat, die einen Verhandlungsrahmen (die Grenzen vor 1967 als Ausgangspunkt, Teilung Jerusalems, Verzicht der Palästinenser auf das Rückkehrrecht nach Israel mit der Perspektive von Kompensationen, konsequente Maßnahmen gegen terroristische Aktivi- täten) vorgibt, an dem sich die Konfliktparteien zu orientieren haben, wenn sie nicht poli- tische und wirtschaftliche Sanktionen riskieren wollen. Ob die jetzige US-Regierung al- lerdings zu einer solchen Vorgabe bereit wäre, erscheint als sehr fraglich. Die Lage nach Arafats Tod, die in vielen Kommentaren als „window of opportunity“ bezeichnet wird, könnte zu einer Herausforderung und Chance für alle Beteiligten wer- den: für Israel, das sich als Ganzes darüber klar werden muss, ob es den erforderlichen Preis für einen dauerhaften Frieden zahlen will; für die USA, die sich wirklich einmal als ehrlicher Makler betätigen, und für die Palästinenser, die dem Terrorismus wirksam Ein- halt gebieten müssten. Ebenso gut möglich ist, dass sich alle drei Hauptbeteiligten weiter- hin wechselseitig Vorwände liefern, an ihren destruktiven Praktiken und Positionen fest- zuhalten. VI Inhalt 1. Einleitung 1 2. Vom Ersten Weltkrieg bis zum Staat Israel 2 2.1 Die Nahost-Politik der USA von Wilson bis Truman 2 2.2 Die Gesellschaft und der Kongress 12 2.2.1 Der öffentliche Diskurs 12 2.2.2 Die Lobby 14 2.2.3 Der Kongress 16 3. Von der Suez-Krise bis zum Irak-Krieg 18 3.1 Die Nahost-Politik der USA von Eisenhower bis Bush jr. 18 3.1.1 Von der Konfrontation in der Suez-Krise zur Special Relationship 18 3.1.2 Vom Yom Kippur-Krieg zum Frieden mit Ägypten 23 3.1.3 Die Ära Reagan: Initiativen, aber wenig Bewegung 26 3.1.4 Spannungen mit Israel und ein neues Grand Design (Bush sen.) 29 3.1.5 Die neunziger Jahre: Wechselbäder zwischen Erfolg und Niederlage (Clinton) 31 3.1.6 Eskalation und Stagnation (Präsident Bush jr.) 34 3.3 Kongress und Gesellschaft 39 3.3.1 Der Kongress 39 3.3.2 Die Lobby 40 3.3.3 Die öffentliche Meinung 42 4. Die USA und Israel: zu den Perspektiven des Nahost-Konflikts 44 4.1 Nationalismus, Kolonialismus und die Defizite demokratischer Außenpolitik 44 4.2 Die USA, Israel und die Regulierung des Nahost-Konflikts 49 4.3 Ausblick 52

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21 Ich folge hier der zusammengefassten Konstellationsanalyse bei Davidson, a.a.O. (Anm. 6), S. 176-177 31 Die Entwicklungen in den USA nach Davidson, a.a.O. (Anm. 6), S. 192-197 und Neff, a.a.O. (Anm. 10),. S. 61. Mehr die .. algerische Befreiungsbewegung gegen Frankreich unterstützte.72.
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