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Die Türkei im Spannungsfeld von Kollektivismus und Diversität: Junge Perspektiven der Türkeiforschung in Deutschland PDF

270 Pages·2016·9.516 MB·German
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Die Türkei im Spannungsfeld von Kollektivismus und Diversität Burcu Doğramacı • Yavuz Köse Kerem Öktem • Tobias Völker (Hrsg.) Die Türkei im Span- nungsfeld von Kollekti- vismus und Diversität Junge Perspektiven der Türkeiforschung in Deutschland Herausgeber Burcu Doğramacı Kerem Öktem Ludwig-Maximilians-Universität Universität Graz, Österreich München, Deutschland Tobias Völker Yavuz Köse Universität Hamburg, Deutschland Universität Hamburg, Deutschland ISBN 978-3-658-12686-5 ISBN 978-3-658-12687-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-12687-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi- bliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, dies ist der zweite Band der Reihe „Junge Perspekti- ven der Türkeiforschung in Deutschland“. Er fasst die Ergebnisse des Workshops „Türkeiforschung in Deutschland“ zusammen, der im März 2014 bereits zum drit- ten Mal in den Räumen des Asien-Afrika-Instituts an der Universi tät Hamburg stattfand. Ziel der Veranstaltung war es, den wissenschaftlichen Austausch und die Bildung von Netzwerken zu ermöglichen, um so die Qualität türkeibezogener Forschung in Deutschland zu steigern. Der Workshop widmete sich dem Thema „Die Türkei im Spannungsfeld zwi- schen Kollek ti vismus und Diversität“. In vier Arbeitsgruppen (Politische Institutio- nen, Europa, Kunst und Kultur, Identitäts-Narrative) präsentierten und diskutierten junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschungsprojekte. Dabei standen folgende Fragen im Zentrum: Welchen Ein(cid:193) uss haben kollektive Identitä- ten auf die Ausformung und Gestaltung von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft? Welchen Stellenwert spielen Individualismus und Diversität in einer sich rasant wandelnden Türkei? Wie positioniert sich eine politisch und ökonomisch an Be- deutung gewinnende Türkei im Verhältnis zu Europa? Dieser Band macht die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Workshops einer breiteren Leserschaft zugänglich. Gleichzeitig belegt er auf eindrückliche Weise den Wandel der Türkei forschung in Deutschland. Die Autorinnen und Autoren stehen für eine neue Genera tion Forschender, die ein spezi(cid:192) sches Interesse an ak- tuellen Entwicklungen in der Türkei und deren Verortung in einem europäischen Kontext hat. Diese junge Generation zeichnet sich insbesondere durch ein hohes Maß an Offenheit gegenüber anderen Disziplinen und innovati ver theoretischer und methodischer Ansätze aus. Diese Offenheit trägt maßgeblich zu der Qualität der Beiträge dieses Bandes bei. VI Vorwort Die Veranstalter danken herzlich den Autorinnen und Autoren sowie den Mit-Herausgebe rinnen und -Herausgebern des Bandes, Kerem Öktem, Burcu Do(cid:249)ramac(cid:215) und Tobias Völker. Insbesondere Letzterem gilt unser besonderer Dank für die hervorragende Koordination des Workshops. Sein Einsatz und En- gagement war maßgeblich für den Erfolg der Veranstaltung und der vorliegenden Publikation. Wir danken ferner allen Teilnehmenden und den vielen helfenden Händen, die ebenfalls zum Erfolg des Workshops beigetragen haben. Last but not least danken wir der Universität Hamburg und der Stiftung Mercator, deren kon- tinuierlich generöse Unterstützung das Projekt Türkeiforschung in Deutschland möglich macht. Viel Spaß beim Lesen wünschen Yavuz Köse, TEZ Daniel Grütjen, Network Turkey Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil I Politik und Internationale Beziehungen: Zwischen Neopatrimonialismus, Polarisierung und Europäisierung Ein Europa ohne die Türkei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Türkische Bemühungen um eine assoziierte Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1959-1963 Wiebke Hohberger Populismus und Neopatrimonialismus in den Berlusconi- und Erdo(cid:249)an-Regierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Vom Nutzen der vergleichenden Politikwissenschaft in der Türkeiforschung Joerg Baudner Der türkische Hohe Rat für Richter und Staatsanwälte HSYK als politisches Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Burak Gümü(cid:252) VIII Inhaltsverzeichnis Teil II Gender, Sprache und Religion: Kollektive Identitäten jenseits des Nationalen “Like Toothpaste from the Tube…” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Turkey as a Post- and Multiple Patriarchy Corinna Eleonore Trogisch Kollektivität und Diversität im Spiegel feministischer Medien in der Türkei seit den 1980er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Gabriele Cloeters Collectivities Beyond National Frontiers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 The Micro-Narrative of a Turkophone Armenian Family David Leupold Reform durch die Diaspora? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Jugendliche Aleviten aus Deutschland auf der ‚Sivas-Gedenktour 2013‘ Martina Loth Teil III Kultur und Konfl ikt: Bild, Pop und Kulturpolitik Künstlerische Diversität als Kon(cid:193) iktpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Malerei in der Türkei um 1950 Buket Alt(cid:215)noba Stil und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Eine musiksoziologische Untersuchung des Feldes türkischer Pop-Rock-Musik der 1960er und 1970er Jahre Holger Lund Agonistische Strategien eines hegemonialen Ausstellungskomplexes . . . 249 Über die Politiken der 13. Istanbul Biennale Gürsoy Do(cid:249)ta(cid:252) Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Einleitung Das Jahrbuch „Junge Perspektiven der Türkeiforschung in Deutschland“ erscheint nun bereits zum zweiten Mal. Seit der Veröffentlichung des ersten Bandes sind gerade ein mal zwei Jahre vergangen. Wie rasant und radikal sich jedoch die Poli- tik und Ge sell schaft der Türkei seither verändert haben, wird nicht nur im In- und Ausland medial und in der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt, sondern zwingt auch For scher innen und Forscher, ihre Grund an nahmen gänzlich neu zu überdenken. Der erste Band und der ihm zu Grunde liegende Work shop1 re(cid:193) ek- tierte über Entwick lungen in einem Land, das sich trotz autoritärer Strukturen, de- mokratischer De(cid:192) zite und institutioneller Schwächen demokratisch konsolidierte und, wenn auch langsamer, in Richtung Euro päi sierung2 bewegte. Trotz Hinweisen auf Korruption und einer Ver mengung von Poli tik und Wirtschaft, und trotz sta- gnierender Beziehungen mit der EU gab es doch auch genug Gründe, die Türkei als ein Land zu sehen, das sich stabilisierte. Zudem schien das Land auf einer globalen PR-Welle zu reiten: Von Ahmet Davuto(cid:249)lus „Zero-Prob lems“ Ansatz in der Außenpolitik3 und den Friedensverhandlungen mit der kurdischen Bewegung 1 Vgl. Junge Perspektiven der Türkeiforschung in Deutschland, hrsg. von Klaus Kreiser, Raoul Motika, Udo Steinbach, Charlotte Joppien und Ludwig Schulz. 2014: http://link. springer.com/book/10.1007%2F978-3-658-04324-7 (open access). 2 Europäisierung wird hier im politikwissenschaftlichen Sinne verstanden und bedeutet die schrittweise Übernahme der Gesetze, Institutionen und Politikformen der Euro- päischen Union. 3 Vgl. hierzu z. B. Vahap Polat, „Türkische Außen- und Sicherheitspolitik im Wandel. Von ‚Null Probleme mit dem Nachbarn‘ zur ‚Noblen Einsamkeit‘“, Strategie und Si- cherheit 1 (2014), S. 637-650; Bülent Aras, „Davuto(cid:249)lu Era in Turkish Foreign Policy Revisited“, Journal of Balkan and Near Eastern Studies 16,4 (2014), S. 404-418. 2 Einleitung zu den viel beachteten TV Serien, von „One Minute“4 zu be eindruckendem Wirt- schaftswachstum „verzauberte“ die Türkei selbst kritische Beobachter. Seit dem Juni 2013 aber haben sich die Voraussetzungen für Forschungen zur Türkei grundlegend verändert. Mit den Protesten gegen die Errichtung eines Ein- kaufszentrums auf dem Gezi-Park Gelände und den Massendemonstrationen am Taksim-Platz hat sich nicht nur das globale Türkeibild gewandelt, sondern auch der Rahmen, innerhalb des sen die Türkeiforschung agiert.5 Die Protestbewegun- gen und die staatliche Gewalt an wen dung war ein brutaler, aber auch klärender Moment der „Entzauberung“. Nach die sem Einschnitt zeigten sich altbekannte re- pressive Handlungsmuster in radikalisierter Form und engten den Spielraum für Diversität weiter ein.6 Zugleich jedoch könnte sich die Zäsur, die die Gezi-Proteste unzweifelhaft darstellen, auch als Ausgangspunkt für ganz andere, unvorherge- sehene Entwicklungen erweisen, die wir auf Grundlage unse res herkömmlichen Wissens jetzt noch nicht voraussagen können. Für Vertreterinnen und Vertreter einer gegenwartsbezogenen Türkeiforschung gilt es nun nachzuzeichnen, wie kollektivistische und populistische Herrschafts- strategien indi vi duellen und minoritären Überlebensstrategien gegenüberstehen, und wie sich die Span nung zwischen politischer Mehrheit und Minderheit ausge- staltet. Auch stellt sich die Frage, welche neuen gesellschaftlichen und politischen Abgründe sich auftun, wie sich neue Machtkämpfe entwickeln und wie diese Pro- zesse in unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, aber auch in verschiedenen Domänen wie der zeitgenössischen Kunst rezipiert und re(cid:193) ektiert werden. Die in diesem Band vertretenen Arbeiten junger Türkeiforscherinnen und -for- scher reagieren auf Fragen, die sich im „Spannungsfeld von Kollektivismus und Diversi tät“ bewegen. Auch wenn sich die Beiträge nicht immer explizit auf Gezi beziehen, so beschäftigen sich doch viele mit den komplexen Wechselverhältnis- sen zwischen elitä ren oder majoritären Herrschaftsformen auf der einen Seite und 4 Gemeint ist hier der Ausruf des damaligen türkischen Premierministers Erdo(cid:249)an auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2009. Erdo(cid:249)an protestiere mit diesem Ausruf gegen die israelische Siedlungspolitik und gegen seinen Gesprächspartner, den Is- raelischen Präsidenten Shimon Peres. 5 Zu den Gezi-Protesten existiert bereits eine wachsende Anzahl von Publikationen. Zu einer zeitnahen Einordnung und Kontextualisierung vgl. z. B. Kerem Öktem, „Turkey, from Tahrir to Taksim“, Open Democracy (7 Juni 2013), https://www.opendemocracy. net/kerem-oktem/turkey-from-tahrir-to-taksim; für eine post-Gezi-Perspektive siehe Umut Özk(cid:215)r(cid:215)ml(cid:215) (Hrsg.), The Making of a Protest Movement in Turkey: #occupygezi. Basingstoke: Palgrave MacMillan 2014. 6 Für die Jahre vor der AKP-Regierung vgl. Kerem Öktem, Angry Nation. Turkey Since 1989. London, New York: Zed Boks 2011.

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