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Die Sowjetspionage Die Dunkeldimension der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Jahrhunderts PDF

52 Pages·1992·8.39 MB·German
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Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien Die Sowjetspionage Die Dunkeldimension der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Jahrhunderts Astrid von Borcke 35-1992 Die Meinungen, die in den vom BUNDESINSTITUT FÜR OSTWISSENSCHAFTLICHE UND INTERNATIONALE STUDIEN herausgegebenen Veröffentlichungen geäußert werden, geben ausschließlich die Auffassung der Autoren wieder. © 1992 by Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln Abdruck und sonstige publizistische Nutzung - auch auszugsweise - nur mit vorheriger Zustimmung des Bundesinstituts sowie mit Angabe des Verfassers und der Quelle gestattet. Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien Lindenbornstraße 22, D-5000 Köln 30, Telefon 0221/5747-0 Inhalt Seite Kurzfassung 1 Das Ausmaß der KGB-Spionage 5 Sowjetspionage in Großbritannien 5 a) Kim Philby: Der Spion des Jahrhunderts? 7 b) Die neuere Zeit 17 Ost-Spionage in Frankreich 20 Spionage in der Bundesrepublik . . . 25 Der Fall Treholt in Norwegen 31 Spionage in anderen europäischen Ländern 33 Die USA 33 a) Gestohlene Codes 35 b) Der Fall Walker 37 Die NATO 39, Schlußbetrachtung 40 Summary 43 September 1992 Die Sowietspionage Die Dunkeldimension der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Jahrhunderts Bericht des BlOst Nr. 35/1992 Kurzfassung Dieser Aufsatz über die Rolle der sowjetischen Staatssicherheit in der Außen- und Sicherheitspolitik illustriert anhand einer Reihe selektiver, aber besonders berühmter Fälle sowie aktuel ler Meldungen und Berichte aus letzter Zeit Ausmaß, Leistungen und Modus operandi, also den operativen Stil der sowjetischen Spionage. Die angeführten Beispiele dienen als "representative samples". Das gilt schon in Anbetracht des enormen Ausmaßes des Phänomens SowjetSpionages Wollte man es vollständig beschrei ben, müßte man praktisch eine "alternative" Geschichte der Si cherheitspolitik unseres Jahrhunderts schreiben. Auch ist selbst heute in dieser Materie kaum alles bekannt. 1. Die Leistungen der sowjetischen Spionage waren im Hinblick auf das Ausmaß der heimlichen Nachrichtenbeschaffung gerade zu phänomenal. Es gab kaum einen Bereich der westlichen Poli tik, in den Moskau derart nicht Direkteinblick genommen hätte. 2. Der KGB-Jahrhundertspion dürfte "Kim" Philby gewesen sein. Seit 1944 leitete Philby die neugegründete Spionageabwehr- Abteilung Sowjetunion von MI6, dem "Secret Service". 1949 wurde er zum Verbindungsoffzier zur neugegründeten CIA ernannt, deren Sowjetunion-Abteilung er so mitbegründen half. Erst der Abfall von Guy Burgess und Donald Mclean 1951 brachte Philby schließlich unmittelbar in Verdacht. Aber der britische Dienst zeigte trotz weiterer Indizien wenig Interesse an einer wirklichen Aufklärung des Falles. 1963 setzte sich Philby - of fenbar auf Drängen enger Kollegen - schließlich nach Moskau ab. Andropow soll sich bei der Modernisierung des KGB auf Philbys Rat gestützt haben. Philby half offenbar auch, sowjetisches KGB-Fälschungsmaterial für die desinformacija auf ein neues Ni veau anzuheben. Der Schaden, den Philby für den Westen anrichtete, war enorm: u.a. lieferte er Moskau Direkteinblicke in die Arbeit der briti schen und amerikanischen Dienste; er unterlief Bemühungen des Widerstands gegen Hitler, einen Separatfrieden zu schließen. Er dürfte weiterhin Agenten geleitet haben. Er durchkreuzte ein westliches Unterfangen, das kommunistische Regime in Albanien zu stürzen. - 2 - Anfang der achtziger Jahre schied er aus der Politk aus. 1987 bezog er ein letztes Mal öffentlich Stellung. Er starb 1988 und wurde in Moskau mit allen militärischen Ehren beigesetzt. 3. Es gab natürlich weiterhin Geheimdienstskandale in der eng lischen Politik: 1963 den Fall von Verteidigungsminister John Profumo zum Beispiel. Anfang der siebziger Jahre verdeut lichte der Abfall des Sabotage-Spezialisten Oleg Ljalin das ge radezu unvorstellbare Ausmaß der sowjetischen Technologiespiona ge. Die Ausweisung von 105 sowjetischen "Diplomaten" bedeutete dann aber das Ende des "goldenen Zeitalters" des KGB in Großbri tannien. Unter Thatcher war die Regierung weiterhin bedacht, Geheim dienstfragen nicht öffentlich diskutieren zu lassen, wie der Kampf um die Publikation der Erinnerungen des ehemaligen stell vertretenden Direktors von MI5 (Spionageabwehr), Peter Wright, verdeutlichte. Die Haltung der Regierung trug jedoch nur dazu bei, sein Buch zum Bestseller zu machen. 4. Auch Frankreich war in bedenklichem Maße Zielscheibe der sowjetischen Spionage. Im Krieg war die Resistance systematisch von Moskaus Agenten infiltriert worden. Manche von diesen ge langten von hier aus - sowie über die KP, Moskaus "fünfte Kolon ne" - in die Regierung, Armee, Polizei und die Nachrichten dienste. Der Überläufer Anatolij Golicyn berichtete 1962, im Umkreis von de Gaulle gebe es ein ganzes Geheimdienst-Netz "Saphir". Goli- cyns detaillierte Kenntnisse über westliche Dienste gaben sei nen Aussagen beträchtliches Gewicht. Die Zahl der sowjetische Agenten in Frankreich dürfte erheblich gewesen sein: Schätzungen aus verschiedenen Zeiten reichten von Hunderten bis in die zig-Tausend. 1983 ließ Präsident Francois Mitterand 47 angebliche sowjetische Agenten ausweisen - offen bar vor allem wegen Technologiespionage (und womöglich auch we gen der unaufgeklärten Ermordung eines der "Asse" der französi schen Spionage-Abwehr). 5. Von der Bundesrepublik, an der "Nahtstelle" der Blöcke, hieß es gar, sie habe von allen Staaten "die höchste Zahl von Agenten per Quadratmeile Territorium" überhaupt gehabt. Zu über 80% wurde die östliche Spionage hier vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR wahrgenommen, das automatisch alles Wichtige nach Moskau weiterleitete. Um nur an die aufsehenerregendsten Spionagefälle in der Ge schichte der Bundesrepublik zu erinnern: Es gab Anfang der fünfziger Jahre den Fall Dr. Otto John, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, der 1954 unter mysteriösen Umständen nach Ost-Berlin verschwand, um Monate später wieder im Westen aufzu tauchen. Der enge Mitarbeiter von BND-Gründer Reinhard Gehlen, - 3 - Heinz Felfe, war Ost-Agent. Günter Guillaume, Willy Brandts persönlicher Referent seit 1970, war Stasi-Spion. Seine Enttar nung führte 1974 zum Rücktritt des Bundeskanzlers. Gerade in jüngster Zeit gab es weitere, spektakuläre Spionage skandale. 1985 floh der Leiter der Spiongeabwehr aus dem BfV, Hans J. Tiedge. Klaus Kuron, so stellte sich heraus, hatte um des Geldes willen wesentliche Teile des Verfassungsschutzes über acht Jahre lang lahmgelegt. Gabriele Gast, im Bundesnach richtendienst verantwortlich für die Ausgangsberichterstattung u.a. an das Bundeskanzleramt, leitete alles Wesentliche an die Stasi weiter. Zu diesen "Berühmtheiten" kamen viele Sekretärinnen und anderes Personal in niederen Positionen, Leute, die aber unter Umstän den einem gegnerischen Dienst mindestens genauso wichtige Ein sichten verschaffen konnten wie Top-Spione. 6. Auch andere europäische Länder blieben natürlich nicht ver schont, nicht einmal die neutralen. 1984 erschütterte Norwegen der Fall Arne Treholt: Treholt, ei ner der vielversprechendsten Nachwuchsdiplomaten des Landes, hatte etwa zehn Jahre lang als einer der bedeutendsten Spione Moskaus gearbeitet und noch dazu vom irakischen Geheimdienst Geld bezogen. Von den 1948 bis 1980 in der Schweiz aufgedeckten 192 Spionage fällen entfielen 72% auf östliche Dienste. 7. Der ehemalige Abwehrchef der Ersten Hauptverwaltung des KGB (Ausland), Oleg Kalugin, behauptete, in den USA hätte der KGB nach dem Kriege nur noch wenig Personen anwerben können. So richtig es ist, daß es seitdem an ideologisch motivierten "Über zeugungstätern" mangelte, Kalugins Zahl von weniger als 100 Agenten - eine Zahl die bereits früher der GRU-Überläufer "Vik tor Suworow" (Pseud.) genannt hatte - überzeugt nicht recht. Die Zahl der östlichen Staatsangehörigen aller Art belief sich Mitte der achtziger Jahre auf ca. 4.000. Der FBI schätzte (kon servativ), ca. 35% dieser Personen waren Agenten, was 1.400 entspräche. Dazu kam die sowjetische Botschaft in Mexiko, von deren über 300 Diplomaten angeblich mindestens 150 KGB- und GRU- Offiziere gewesen sein sollen. Jeder Offizier aber kann seiner seits etwa ein Dutzend Agenten führen. 8. Vor allem, die Sowjetunion konnte immer wieder entscheiden de amerikanische Codes erwerben: So liefen 1960 zwei Mitar beiter der ultrageheimen NSA, der für die Satellitenaufklärung zuständigen National Security Agency des Pentagon, mit reichen Materialien zur UdSSR über. Das Kapern des Aufklärungsschiffes Pueblo 1968 durch Nordkorea wog noch schwerer: dessen ultramo- - 4 - derne Ausrüstungen gingen prompt nach Moskau. 1978 erwarb Mos kau das Handbuch des KH-11 Aufklärungssatelliten. Die Verhaftung des Code-Spezialisten Joseph G. Helmich 1980 zeigte, daß Moskau offenbar alle geheimen amerikanischen Bot schaften aus der Zeit des Vietnamkriegs entschlüsseln konnte, was für die Kriegführung gravierende Folgen gehabt haben dürf te. Einer der größten Spionageskandale der USA war der Fall John Walker. Walker, Kommunikationsfachmann für Flugzeugträger und U-Boote, hatte mittels eines regelrechten kommerziellen Ringes umfassende Materialien über die amerikanische U-Boot-Flotte, Eventualpläne für einen Krieg in Nahost, Informationen über das höchstgeheime Kommunikationsnetz der Streitkräfte, Dokumente über Schiffe, die als "command and control centers" auf See die nen sollten und allgemein Informationen über die Kapazitäten der amerikanischen Anti-U-Boot-Kriegführung verraten. Sein Kollege Jerry Whitworth hatte u.a. kryptographische key lists und key cards verkauft. Alles in allem war der Fall Walker "der größte Fall in der Geschichte des KGB", wie der Überläufer pro tempore, Witalij Jurtschenko, erklärte. Es ist nicht auszuschließen, daß'weitere "Walkers" einstweilen nur un- entdeckt geblieben sind. 9. Gleich nach den USA galt die NATO als Hauptgegner der So wjetunion. Moskau konnte sich mittels seiner Spione immer wieder in den Besitz strategischer Pläne bringen. So berichtete 1973 der (allerdings umstrittene) Agent "Fedora" von Edgar J. Hoovers FBI, Moskau habe den "Single Integrated Operational Plan," die amerikanische Eventualplanung für den Atomkrieg, er worben. Aus dem Büro von NATO-Oberbefehlshaber General Lauris Norstad wurde ein nuclear targeting plan gestohlen. 10. Wie selbst dieser selektiv-punktuelle Überblick über die Sowjetspionage zeigt: Der Kreml hatte derart laufend Ein blick in alle vertraulichen strategischen, politischen, wirt schaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche des Westens. Dabei blieben für den Westen die EntScheidungsprozesse hinter ver schlossenen Türen "im Kreml" in vielen Hinsichten ein "Buch mit sieben Siegeln". 11. Die Frage stellt sich damit: Verstand es der Kreml, diesen Wissensvorsprung wirklich effektiv zu nutzen und konnte er so politisch-strategisch erheblich profitieren bzw. zumindest entscheidende Schwächen der eigenen Position ausgleichen? Eine Bilanz des wirklichen Wertes (und der Kosten) des KGB - und von Geheimdiensten im allgemeinen - sowie Reflexionen über die be sonderen Lehren hieraus für den russischen Nachfolgedienst der Ersten Hauptverwaltung (Ausland) des KGB - sind Thema eines wei teren Berichts in dieser Reihe über die Rolle des KGB in der Außen- und Sicherheitspolitik. Das Ausmaß der KGB-Spionage Um alle Leistungen der sowjetischen Spionage zu schildern, müß te man Bände schreiben - im Grunde eine "alternative" Geschich te der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Jahrhunderts. Es gab wohl keinen Bereich der westlichen Staaten und Gesellschaf ten, in den Moskau mittels seiner Spione nicht Direkteinblick genommen hätte. In einem Aufsatz kann natürlich nur auf einige besonders spekta kuläre Fälle sowie neuere Meldungen eingegangen werden, Fälle, die damit als mehr oder minder "representative samples" des Phä nomens Sowjetspionage dienen. Aber als Illustration des Ausma ßes und Modus operandi der Sowjetspionage ergibt auch solch ein Teileinblick schon ein frappierendes Bild, das unser herkömmli ches Denken über die Außen- und Sicherheitspolitik - in erster Linie in Kategorien der Diplomatie und ansonsten in Form des "Erbsenzählens" der hardware der Waffensysteme - erheblich modi fizieren dürfte. Informationspolitisch hatte das Sowjetsystem jedenfalls aufgrund seiner Spionage erhebliche Vorsprünge und damit auch einseitige Vorteile. Sowletspionage in Großbritannien In Großbritannien agierte im Zweiten Weltkrieg und danach die Anfang der dreißiger Jahre im Zuge der Depression angeworbene "Cambridge Comintern". Erst 1951 flohen Guy Burgess und Donald Mclean nach Moskau. Damit wurden zugleich die ersten schweren Verdachtsmomente gegen Kim Philby wach, der sich aber erst 1963 Im Interesse der Kürze sind öfter zitierte Zeitungs- und Zeitschriftenamen in Form von Kürzeln zitiert. Ein Verzeichnis der Kürzel findet sich auf S. 42. - 6 - in die Sowjetunion absetzte. Dazu kam Anthony Blunt, der Surveyor of the Queen's Pictures, der 1979 gestand.2 Der 1945 in Ottawa abgefallene sowjetische Chiffrierbeamte Igor Gusenko hatte als erster auf einen Agenten "Elli" verwiesen. Aufgrund der Berichte des Überläufers Anatolij Golicyn 1962 von einer Fünfergruppe - und schon Konstantin Wolkow hatte 1945 eine solche erwähnt - suchte man nach einem fünften Mann: ohne Erfolg. Manche glaubten, diesen fünften Mann in MI5-Chef Sir Roger Hollis gefunden zu haben - allen voran Peter Wright3, der ehema lige stellvertretende Chef von MI5 und Wortführer der dissiden- ten "Jungtürken" dieses Apparats. Hollis hatte in den zwanziger Jahren in China, als er sich per sönlich in einer schwierigen Lage befand, Verbindung zu Agnes Smedley, einer Kommunistin und Bekannten des GRU-Spions Richard Sorge. Vor allem Wright fand nach Untersuchung all seiner eige nen, von den Sowjets durchkreuzten Spionageabwehroperationen, daß Hollis der plausibelste Kandidat für "leaks" nach Moskau gewesen sein mußte. Margaret Thatcher hat diese These offiziell dementiert, aber die Indizien sind zumindest nicht leicht zu nehmen. Doch selbst wenn Hollis unschuldig war, bleibt noch der Fall Philby. Über Blunt siehe Barrie Penrose und Simon Freeman, Conspiracy of Silence. The Secret Life of Anthony Blunt, London usw. 1986, XIX, 588 S. Peter Wright, Spy Catcher. The Candid Autobiography of a Senior Intelligence Officer. New York, 8th printing. 1987, S.77ff.

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