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Die sieben Altäre von Dûsarra PDF

328 Pages·2016·2.2 MB·German
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Die sieben Altäre von Dûsarra Ein Roman von Lawrence Watt-Evans Zweiter Roman des Zyklus >Die Herren von Dûs< scanned & formatted by Black Panther Kapitel 1 Der Reiter hielt auf der Kuppe der Anhöhe an; die Ebene, die jetzt direkt unter ihm lag, dehnte sich vor ihm im blassen Sternen­ schein des Spätsommerhimmels. Unmittelbar vor ihm wurde die glatte Fläche der Ebene von einer unregelmäßigen Erhebung un­ terbrochen: Zerklüftete Silhouetten ragten wie schwarze Buckel empor, dicht zusammengedrängt in einem unebenen steinernen Ring. An der ihm nächsten Stelle war der steinerne Kreis durch­ brochen, und ein einzelner zertrümmerter Wall markierte die Stelle, wo einst ein ansehnliches Torhaus gestanden hatte. Neben dem verfallenen Wall flackerte eine orangefarbene Flamme, so warm, wie die Sterne kalt waren. Obwohl er noch zu weit weg war, um Einzelheiten zu erkennen, wusste er, dass dies die Stadt Skelleth war und dass das spärlich flackernde Licht vom Wachfeuer der Wächter an den Ruinen des Nordtores herrührte. Er war schon einmal hier gewesen und wusste, dass von den fünf Toren der zerbröckelnden Stadtmauer nur dieses bewacht wurde. Es wurde bewacht vor ihm und seiner Art. Außer dem einsamen Feuer war kein Lebenszeichen zu sehen, und selbst wenn der Wächter, der dort postiert war, höchste Auf­ merksamkeit hätte walten lassen (was er zweifelsohne zu dieser nächtlichen Stunde nicht tat), hätte er den Reiter oder seine Gruppe auf diese Entfernung in der Dunkelheit nicht erkennen können. Ihr Kommen war unbemerkt geblieben. Der Reiter saß eine Weile reglos im Sattel, das Gesicht verdeckt vom Schatten seines Hutes, und studierte das Panorama; er blickte erst auf, als ein Nachtvogel über ihm vorüberflog, und seine Augen leuchteten unheilvoll rot im Widerglanz der Sterne. Sein -4- hohlwangiges Gesicht hatte keine Nase, sondern nur eng beiein­ anderliegende schlitzförmige Nüstern. Sein zottiges schwarzes Haar reichte fast bis zu den Schultern, aber auf der lederartigen braunen Haut, die sich über die Wangen spannte, war nicht eine Spur von Bartwuchs zu sehen. Er war von einer Körpergröße und -breite, die menschliches Maß überstieg. Er war, in einem Wort ausgedrückt, nicht menschlich, sondern übermenschlich. Seine langfingrige Hand mit dem mehrfach gegliederten Dau­ men und dem beweglichen gegenüberstehenden fünften Finger umklammerte den Führgriff am Geschirr seines Reittiers, eine un­ nötige Vorsichtsmaßnahme: Sein Kriegstier war darauf abgerich­ tet, auf verbale Kommandos oder den Schenkeldruck seines Rei­ ters prompt zu reagieren, und es bewegte sich mit solch katzen­ hafter Geschmeidigkeit, dass keine Gefahr bestand, dass es seinen Reiter abwarf. Das Tier war schwärzer als der Nachthimmel – und ebenso still. Seine goldenen Augen und scharf geschliffenen Krallen waren die einzigen wahrnehmbaren Körperstellen. Es war, voll aufgerichtet, groß wie ein Mensch, und von seinen strup­ pigen Schnauzhaaren bis zu seinem peitschenden pantherartigen Schweif maß es gut achtzehn Fuß. Seine dreieckigen Ohren waren zum Lauschen aufgerichtet, aber es gab kein warnendes Knurren von sich. Dementsprechend hob der Übermann den Arm zum Zeichen des Weiterreitens und führte seine Gefährten hinunter in die Ebene. Sein Kriegstier bewegte sich mit katzenhaft lautloser Anmut vorwärts; die großen weichen Tatzen brachten nicht ein Steinchen ins Rollen. Der Rest der Gruppe war nicht so vorsichtig. Sie waren zu viert, allesamt ausgewachsene Übermänner, doch ritt nur der Anführer auf einem Kriegstier. Seine drei Begleiter mussten sich mit Yackern zufriedengeben, dem allgemein ge­ bräuchlichen Lasttier der Nördlichen Wüste. Jeder von ihnen ritt -5- auf einer der hässlichen Kreaturen und führte je ein zweites, das schwer beladen war mit den Waren, die sie in Skelleth zu ver­ kaufen hofften. Es lag etwas Lächerliches in der würdevoll-steifen Haltung, in der die Übermänner auf den breiten, mit struppigem braunen Zottelhaar bewachsenen Rücken ihrer Yacker thronten und ihre Lasttiere an fein gearbeiteten silbernen Trensen führten, die in den sabbernden schwarzlippigen Mäulern mit den schiefen gelben Zähnen so deplatziert wie nur etwas wirkten. Die Hufe der Yacker schlugen, wie es schien, gegen jeden Kiesel, der auf dem Boden lag, und von den sechs zottigen Köpfen her war ein stän­ diges Grunzen und Schnauben zu hören. Sie näherten sich auf der alten Wüstenstraße, welche gerade­ wegs zum Nordtor von Skelleth führte. Doch als der letzte Yacker den Fuß der Hügelkette erreichte, bog der Anführer von der Stra­ ße ab und ritt nach Westen statt nach Süden. »Halt an, Garth!« rief der hinter ihm Reitende. Der Anführer tippte mit dem Absatz ganz leicht gegen die Flanke seines Kriegs­ tieres, und sofort blieb es stehen. »Was ist?« Sein Gefährte ritt an seine Seite und fragte: »Wohin willst du uns führen? Ist das dort nicht Skelleth?« Er zeigte auf das flackernde Wachtfeuer. Der dritte Übermann gesellte sich in dem Moment zu ihnen, als Garth antwortete: »Ja, gewiss ist das Skelleth, und genau dorthin reiten wir auch.« »Warum haben wir dann die Straße verlassen? Diese Yacker sind ohnehin schon langsam genug.« Es war der dritte Übermann, der darauf erwiderte: »Larth, hat Garth dir unsere Situation denn nicht er-klärt?« »Ich kann mich jedenfalls an nichts erinnern, was unser Abwei­ chen vom Ziel erklären könnte.« -6- »Dann hast du gar nichts behalten. Wir sollen heimlich die Stadt betreten.« »Ich habe nicht dich gefragt, Galt.« »Aber was Galt sagt, ist richtig«, wandte Garth ein. »Der Baron von Skelleth will keine Übermänner in seiner Stadt, und ganz besonders mich will er dort nicht haben. Als ich ihn das letzte Mal sah, befahl er seinen Wächtern, mich auf der Stelle zu töten. Zum Glück spielten die Wächter nicht mit. Wenn wir den Baron jedoch mit einer friedlichen Handelskarawane auf dem Marktplatz über­ raschen können, nicht als Möglichkeit, sondern als vollendete Tat­ sache, dann, so glaube ich, nimmt er Vernunft an und akzeptiert uns.« »Wir sollen uns also wie Diebe in die Stadt stehlen?« »Warum sonst reisen wir bei Nacht?« erwiderte Galt. »Das ist unserer nicht würdig!« »Und was wäre deiner Meinung nach unserer würdig?« fragte Garth. »Stolz und erhobenen Hauptes bei Tageslicht in die Stadt zu rei­ ten und es als unser gutes Recht zu verlangen, dass uns die Erlaubnis erteilt wird, Handel zu treiben. « Galt stieß ein Schnauben aus. »Das wäre vielleicht unserer würdig, aber ebenso wäre es eine Dummheit, vielleicht sogar eine tödliche. Garth sagt, es gebe mehr als dreißig Wächter in Skelleth; gewiss, es sind bloß Menschenwesen, und seinem Bericht nach sind sie nicht allzu gut ausgerüstet. Aber wir sind schließlich selbst nur zu viert, und wir sind auch nicht sonderlich gut ge­ wappnet.« Bevor Larth etwas erwidern konnte, fügte Garth hinzu: »Es würde sicherlich nicht gut zu friedlichen Händlern passen, waffenstarrend in die Stadt einzureiten; wir können keine Zwi­ -7- schenfälle riskieren, die womöglich mit Blutvergießen enden. Aus diesem Grund habe ich verlangt, dass ihr drei unbewaffnet seid, und ich selbst werde meine eigenen Waffen verbergen, bevor wir unsere Handelsgeschäfte mit dem Volk von Skelleth beginnen.« »Ganz richtig.« Galt nickte beipflichtend. Larth schien freilich noch immer nicht überzeugt. »Trotzdem!« Er blieb hartnäckig. »Warum sind wir von der Stra­ ße abgewichen?« Die Antwort kam diesmal vom vierten und jüngsten Übermann, der aus dem den älteren gegenüber gebo­ tenen Respekt bis jetzt noch nicht das Wort ergriffen hatte; doch jetzt konnte er sich nicht verkneifen zu erwidern: »Weil auf der Straße ein Wächter postiert ist, Dummkopf!« Larths Stimme klang neutral, als er sagte: »Galt, zügle deinen Lehrling!« Wie alle nur zu gut wussten, war dieser scheinbar so gelassene Ton bei Larth ein Zeichen hochkochender Wut; Galt zögerte daher nicht, seinen Ge­ hilfen zur Ordnung zu rufen. Als Larth sich einigermaßen beruhigt hatte, fragte er: »Woher wisst ihr, dass wir einen anderen, den unbewachten Eingang finden können?« »Ich weiß es nicht mit letzter Gewissheit«, sagte Garth. »Doch als ich das letzte Mal hier war, bewachten sie lediglich das Nord­ tor. Das Westtor öffnet sich zu einer Straße, die nur zur yprischen Küste führt, welche angeblich seit Jahrhunderten verödet liegt, so dass kein Grund besteht, das Westtor zu bewachen. Und deshalb werden wir durch dieses nämliche Tor in die Stadt reiten. Wir er­ reichen es, indem wir einen großen Bogen schlagen, in ausrei­ chendem Abstand zum Posten am Nordtor. Nun denn, wenn wir den Marktplatz noch vor Sonnenaufgang erreichen wollen, dann müssen wir uns jetzt sputen und dürfen die Zeit nicht mit wei­ teren Debatten vertrödeln.« Sein Kriegstier setzte sich auf ein Si­ gnal, das anderen unerkennbar blieb, in Bewegung. -8- »Na schön«, sagte Larth. Es bedurfte einiger Anstrengungen mehr, seine Yacker wieder in Bewegung zu setzen, aber das kurze Anstacheln mit dem Sporn drang mit einiger Verzögerung schließlich auch zu ihren dumpfen Hirnen durch, und sie setzten sich behäbig und schnaufend in Trab. Galt und sein Lehrling folg­ ten nicht weit dahinter. Es blieb noch immer eine Stunde Zeit bis zum ersten Licht, als die kleine Karawane das Westtor erreichte — das, wie Garth erwartet hatte, unbewacht war. Zudem war es in einem so fortge­ schrittenen Zustand von Verfall, dass nur noch die kaum sichtbare Spur eines alten Pfades, die durch das Geröll führte, darauf hin­ deutete, wo es sich einst befunden hatte, und nur unter größtem Widerstreben ließen sich die Yacker dazu bewegen, sich einen Weg durch die scharfkantigen Steinbrocken zu bahnen. Garths Kriegstier hingegen schien von dieser geringfügigen Unannehm­ lichkeit gänzlich unbeeindruckt. Auch innerhalb der Stadtmauer trat kaum Besserung am Zu­ stand des allgemeinen Verfalls ein. Beide Seiten des Pfades waren von Ruinen gesäumt. Gähnende Löcher, halb mit Schutt angefüllt, zeigten, wo sich einstmals Keller befunden hatten; manchmal waren sie um-rahmt mit ausgezackten Mauerresten aus Stein oder Holz oder Mörtel, und zwischen diesen Gruben lagen die Trüm­ merbrocken von Häusern, die keinen Keller besessen hatten und jetzt als Schutthaufen auf der nackten Erde herumlagen. »Kaum die ehrfurchteinflößende Festung, von der unsere Ahnen berichteten«, bemerkte Galt im Flüsterton. Worauf Larth in etwas weniger vorsichtiger Lautstärke er­ widerte: »Wer kann das bei dieser Dunkelheit schon sagen? Die Stadt sieht verlassen aus; Garth, bist du sicher, dass dies Skelleth ist?« -9- »Ja, ganz sicher; nur der eigentliche Kern ist noch bewohnt. Mit dem Ende der Kriege endete auch der Daseinszweck der Stadt, und aus war es damit auch mit den Versorgungszügen aus dem Süden, welche die Stadt am Leben gehalten hatten. Seither stirbt sie einen langsamen Tod. Und aus diesem Grund glaube ich auch, dass die Bevölkerung Handel begrüßen wird, selbst wenn es Handel mit Übermännern ist.« »Das hoffe ich.« Larths Stimme sank zu einem unzusammen­ hängenden Murmeln herab. Je weiter sie in die Stadt hineinkamen, desto weniger verfallen wirkten die Häuser; auf beiden Seiten der Straße standen Häuser und Geschäfte, die zwar größtenteils ebenfalls vom Verfall ge­ zeichnet waren (mit rissigen Wänden, eingefallenen Dächern, auch sie allesamt von ihren einstigen Bewohnern verlassen), aber immer noch aufrecht standen. Vermoderte Läden hingen an ver­ bogenen Angeln; zerbrochene Türen, die sperrangelweit offen standen und den Blick in schwarze Leere freigaben. Doch dann, als sie sich langsam dem noch lebenden Stadtkern näherten, ge­ wahrten sie immer mehr Türen, die geschlossen, zum Teil gar ver­ riegelt waren, und auch die Anzahl der fehlenden oder zerbro­ chenen Fensterläden wurde geringer. Es dauerte nicht mehr lange, und die einzigen Lücken auf beiden Seiten waren die Ein­ mündungen anderer Straßen und nicht mehr, wie anfangs, leere Grundstücke, auf denen der Schutt abgerissener oder ein­ gefallener Häuser lag. Jedoch war alles noch dunkel; die Be­ wohner von Skelleth lagen gewiss noch im Schlummer. Schließlich mündete die Straße in den Marktplatz, welcher exakt in der Stadtmitte lag. Auch er lag dunkel, still und menschenver­ lassen. Garth sah mit Freude, dass das Haus des Barons, das die gesamte Nordseite des quadratisch geformten Platzes einnahm, genauso dunkel war wie alle anderen Gebäude. Er hielt sein -10-

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