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Die Politik des Subjekts PDF

178 Pages·2021·1.215 MB·German
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Raphael Beer Die Politik des Subjekts Die Politik des Subjekts Raphael Beer Die Politik des Subjekts Raphael Beer Institut für Soziologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Münster, Deutschland ISBN 978-3-658-31880-2 ISBN 978-3-658-31881-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31881-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Frank Schindler Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Vorwort Die Idee des Subjekts entstammt der Erkenntnistheorie oder genauer: der Erkenntniskritik. Mit dieser lässt sich der Erkenntnisprozess auf ein logisch nicht hintergehbares Subjekt zurückführen, das für den Erkenntnisprozess angenommen werden muss. Gewonnen wird damit eine Instanz, die sich als emanzipationsfähiger Ausgangspunkt für eine Kritische Theorie verwenden lässt. Wenn das Subjekt logisch nicht hintergehbar ist, ist es einerseits kein Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse, weil es diesen vorausgeht. Andererseits bedeutet dies, dass dem Subjekt die Idee der Befähigung zur Gestaltung der Gesell- schaft beigelegt werden kann. Die Kritische Theorie erhält auf diese Weise einen theoretischen Adressaten. Der Preis dafür ist freilich nicht gering. Das logisch nicht hintergehbare Subjekt ist zunächst als ein theoretisches Subjekt bestimmt, das aus sich heraus keinen Gesellschaftsbezug herstellen kann. Es mag in der Theorie richtig sein, taugt damit aber noch nicht für die Praxis. Um diese muss es einer Kritischen Theorie jedoch gehen. Sie muss angeben können, was an den gesellschaftlichen Verhältnissen kritikwürdig ist, und wie das Subjekt Einfluss auf die Gestaltung der Gesellschaft nehmen kann. „Die Politik des Subjekts“ soll der Frage nach einem möglichen Gesellschaftsbezug nachgehen. Die Politik soll dabei im Sinne der luhmannschen Theorie der funktionalen Differenzierung als ein Teilbereich der Gesellschaft verstanden werden. Um zu explizieren, wie aus der Perspektive einer Kritischen Theorie der Politikbegriff konkretisiert werden kann, wird dazu ein ideengeschichtlicher Streifzug durch die politische Philosophie seit der klassischen Aufklärungsepoche unternommen. Daran anschließend kann dann die zentrale Frage des vorliegenden Buches bearbeitet: Wie stellt sich der Gesell- schaftsbezug des Subjekts in Bezug auf die Politik dar? Weil der Fokus indessen nicht ein rein analytischer ist, sondern es übergeordnet um eine Kritische Theorie gehen soll, wird schließlich die Frage zu untersuchen sein, welche normativen V VI Vorwort Impulse eine Kritische Theorie aus der Ideengeschichte für sich fruchtbar machen kann. Es ist schließlich das explizit intendierte Ziel, die Verhältnisse nicht nur zu beschreiben, sondern diese von einem transparent gemachten normativen Maßstab aus zu bewerten. Münster Raphael Beer Inhaltsverzeichnis 1 Der Weg zum Subjekt ....................................... 1 2 Die politische Einstellung – Eine philosophische Spurensuche ..... 31 3 Politik und Gesellschaft ..................................... 127 4 Normativität und Kritische Theorie ........................... 141 5 Die Politik des Subjekts ..................................... 153 Literatur ..................................................... 167 VII 1 Der Weg zum Subjekt Alltagspragmatisch betrachtet verhält es sich doch eigentlich recht einfach. Wir sind von unzähligen Dingen umgeben, die wir mehr oder weniger problem- los wahrnehmen können. Wir sitzen auf einer Parkbank und können sicher sein, dass diese Bank unabhängig von uns existiert. Und nicht nur dies: Solange die Parkbank keine fehlerhafte Konstruktion ist und nicht beschädigt wurde, können wir sicher sein, dass sie unsere Last trägt. Wenn wir uns von der Park- bank aus umschauen, können wir Bäume, Blumen und möglicherweise andere Menschen sehen, von deren Existenz wir ebenso überzeugt sein können wie von unserer eigenen. Nicht weniger unproblematisch nehmen wir nicht-ding- liche Erscheinungen um uns herum wahr. Wenn wir Musik hören, können wir diese zwar nicht unmittelbar anfassen, wir haben aber auch keinen Grund an dem Umstand zu zweifeln, dass außerhalb von uns Musik gespielt wird. Die Liste unproblematischer Wahrnehmungen ließe sich beliebig fortsetzen. Die materiellen und immateriellen Gegenstände dieser Liste sind dabei immer mit der Glaubensmodalität der Existenz verbunden. Wir gehen wie selbstverständ- lich davon aus, dass die Dinge um uns herum existieren auch dann, wenn wir sie gerade nicht wahrnehmen. Würden wir daran zweifeln, wäre die Bewältigung alltagspragmatischer Aufgaben derart komplex, dass wir vermutlich ständig an ihnen scheitern würden. Der Glaube an die dauerhafte Existenz der Dinge um uns herum ermöglicht die Ausbildung von Handlungsroutinen, die Unterstellung von Kausalreaktionen und damit eine Planbarkeit, die wir für unsere Zwecke in Gang setzen können. Wir können, anders formuliert, die Vergangenheit mit einer offenen Zukunft in Verbindung bringen. Auch wenn dies nur Erwartungen oder Vermutungen sind, die uns in die Zukunft planen und handeln lassen, so stützen sich unsere Zukunftspläne doch auf die grundsätzliche Annahme, die Dinge um uns herum existieren unabhängig von unserer Wahrnehmung. In der All- © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden 1 GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 R. Beer, Die Politik des Subjekts, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31881-9_1 2 1 Der Weg zum Subjekt tagspragmatik leben wir also vermittelt über unsere Wahrnehmungen in einer (abgesehen von intendierten Modifizierungen) stabilen Umwelt, die es uns ermöglicht, Handlungsentwürfe in die Tat umzusetzen. Dass wir uns dabei immer mal wieder irren, unsere Entwürfe scheitern, schadet dieser grundsätzlichen Ein- stellung nicht. In der Regel können wir dieses Scheitern auf Informationsdefizite unsererseits zurückführen. Hinzu kommt, dass wir nicht alleine in dieser Umwelt leben, sondern diese mit anderen Menschen teilen, denen wir die gleichen Wahrnehmungsfähig- keiten unterstellen können, über die wir selber auch verfügen. Die Möglichkeit der Kommunikation erlaubt es, eigene und fremde Wahrnehmungen gegenseitig anschlussfähig zu machen, sodass im Ergebnis von einer zwischenmenschlich geteilten Wirklichkeit ausgegangen werden kann. Dies erlaubt, eigene Wahr- nehmungen an den Wahrnehmungen anderer zu spiegeln und gegebenenfalls zu korrigieren. Im Kontext politischer Überlegungen ergibt sich daraus der bedeutende Vorteil, dass durch die Rückführung auf gemeinsam geteilte Wahr- nehmungen (Tatsachen, Fakten, Daten) eine transparente und herrschaftsfreie Kommunikation über die Umwelt und gemeinsame Handlungsentwürfe möglich werden. Würden bestimmte Wahrnehmungen nur einem exklusiven Personen- kreis vorbehalten, verfügten diese über ein (Herrschafts-)Wissen, das Herrschafts- ansprüche zwar nicht direkt legitimieren würde, aber dennoch nachvollziehbar machte. Unter der Prämisse gemeinsam geteilter Wahrnehmungen kann eine Transparenz im Sinne der Zeigbarkeit eingefordert werden, die im Gegenzug demokratische Regeln und Verfahren nahe legt. Das Vertrauen darin, dass unsere Wahrnehmungen uns eine stabile Wirklich- keit erfahrbar machen, hat unbestreitbar alltagspragmatische und demokratie- theoretische Vorteile. Es muss daher irritierend wirken, dass im modernen, europäischen Denken eine Skepsis an diesem Modell der Wirklichkeitserfahrung formuliert wurde.1 Dennoch startet das Projekt der klassischen Aufklärung genau damit: Mit einer Skepsis an der unproblematischen Erfahrbarkeit der Umwelt. Es ist René Descartes, der zum einen auf den (erfahrbaren!) Umstand hinweist, dass unsere Sinne uns zuweilen ein falsches Bild der Wirklichkeit vermitteln. Zwar kann die Falschheit dieser Bilder nur behauptet werden, weil andere Erfahrungen oder Erfahrungskonstellationen darüber informieren, dass das erste Bild der Wirklichkeit falsch war. Es gibt jedoch, wenn Erfahrungen potenziell falsche Wirklichkeitsbilder evozieren, keinen zwingenden Grund, weiteren Erfahrungen 1Für die folgenden Ausführungen vgl. Beer 2015. 1 Der Weg zum Subjekt 3 mehr zu vertrauen als der ursprünglichen Erfahrung. Wenn etwa ein gerader Stab im Wasser gekrümmt erscheint (erste Erfahrung), kann dies mithilfe einer taktilen Überprüfung (zweite Erfahrung) korrigiert werden. Es bleibt allerdings die Frage: Warum vermittelt die taktile Wahrnehmung verlässlichere Informationen als die optische Wahrnehmung? Um dies zu beantworten, bräuchte es eine Erfahrung zweiter Ordnung, die über die Verlässlichkeit der Sinnesorgane aufklärt. Eine solche Erfahrung steht aber nicht zur Verfügung. Kurzum: Sinnestäuschungen liefern einen Hinweis darauf, dass Erfahrungen mitunter falsche Informationen über die Wirklichkeit liefern können. Dies vermag möglicherweise das Vertrauen in die sinnliche Wahrnehmung irritieren, aber wohl nicht erschüttern. Schwerwiegender wiegt die cartesianische Bemerkung, dass nicht klar und distinkt zwischen Wach- und Traumzuständen zu differenzieren sei. Im Traum erscheinen Dinge (Einhorn) oder Handlungsfähig- keiten (Fliegen ohne Hilfsmittel) real, und zwar genau so real, wie die Dinge im Wachzustand erscheinen. Wie sollte nun unterschieden werden, welche Reali- tät Fiktion und welche nicht Fiktion ist? Alltagspragmatisch macht dies keine Schwierigk eit. Doch philosophisch betrachtet ist es ein Problem. Es fehlt ein eindeutiger Maßstab, der eine Beurteilung anleiten könnte. Zumindest aus der Erfahrung selbst kann ein solcher Maßstab nicht gewonnen werden. Es ist ja wiederum die Erfahrung, die zur Disposition steht, bzw. die dieses Problem aufwirft. Es kann nicht einwandfrei zwischen verschiedenen Erfahrungen differenziert werden und eine weitere Erfahrung würde das Problem nur ver- schieben. Das Traumargument ist freilich nur ein Gedankenexperiment. Auch Descartes war wohl keineswegs davon überzeugt, dass wir in einem permanenten Traumzustand leben oder nicht hinreichend zwischen Wach- und Traumzuständen unterscheiden können. Warum ist es also ein Problem, dass mittels der Erfahrung nicht eindeutig unterschieden werden kann? Das Problem resultiert daraus, dass Descartes nicht das Ziel verfolgt hat, die Erfahrung als Informationsquelle über die Umwelt in toto zu diskreditieren. Seine Fragestellung war, wie zwischen wahrem und falschen Wissen differenziert werden kann. Dazu bedarf eines Maßstabes. Die Frage danach ist letztlich auch politisch brisant: Sollen politische Entscheidungen auf wahrem Wissen basieren, muss ein unparteiischer Maßstab für die Generierung wahren Wissens gefunden werden. Dass die Erfahrung uns ein Bild der Wirklichkeit vermittelt, mit dem wir erfolgreich operieren können, steht nicht zur Disposition. Dass aus der Erfahrung aber ohne weiteres wahres Wissen gewonnen werden kann, macht Descartes mit seinen Argumenten zweifelhaft. Die Erfahrung selbst, so ließe sich die cartesianische Skepsis zusammenfassen, liefert keinen Maßstab zur Beurteilung der aus ihr gewonnenen Informationen.

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