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Die Passion: Musik zwischen Kunst und Kirche PDF

144 Pages·1997·16.281 MB·German
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Kurt von Fischer Die Passion Musik zwischen Kunst und Kirche Kurt von Fischer Die Passion Musik zwischen Kunst und Kirche Bärenreiter Metzler Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Fischer, Kurt von: Die Passion : Musik zwischen Kunst und Kirche / Kurt von Fischer. - Kassel; Basel; London ; New York ; Prag : Bärenreiter; Stuttgart ; Weimar: Metzler, 1997 ISBN 978-3-7618-2011-7 (Bärenreiter) ISBN 978-3-476-01530-3 (Metzler) ISBN 978-3-476-03694-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03694-0 © 1997 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, Kassel Gemeinschaftsausgabe der Verlage Bärenreiter, Kassel, und J. B. Metzler, Stuttgart und Weimar 1997 Inhalt Vorbemerkung 7 Einleitung 9 Die Anfange der Passionsliturgie 13 Der einstimmige Passionsgesang 15 Von der lehrhaften zur mitleidsvollen Passion: Von der doctrina zur compassio 23 Vom Mitleid zur Imitation des Leidens Jesu: Die Anfange der mehrstimmigen Passion 26 Systematik der älteren mehrstimmigen Passionskomposition 30 Frühe Beispiele mehrstimmiger Passionen aus Deutschland, England, Italien und Spanien 33 Die erste Summa passionis 35 Die Blüte der Passionskomposition im 16. Jahrhundert in katholischen Gebieten und deren Weiterentwicklung bis zum 18. Jahrhundert 40 Italien 40 Iberische Länder und Einflußgebiete 46 Deutschsprachige Gebiete 50 Die Summa passionis in slawischen Ländern 53 Frankreich 55 Die evangelisch-protestantische Passion zur Zeit der Reformation 56 Die Musik der responsorialen Passion des 16. Jahrhunderts im evangelischen Bereich 62 Motettisch durchkomponierte Passionsharmonien des 16. und frühen 17. Jahrhunderts evangelischer Provenienz 65 Die Passionen von Heinrich Schütz 75 Anfänge der oratorischen Passion und Einflüsse pietistischer Frömmigkeit im 17. Jahrhundert 79 Die oratorisch-poetische Passion im 18. Jahrhundert 91 Von der Kirche zur Schaubühne: Die Anfänge des protestantischen Passionsoratoriums 97 Hamburger Passionen des Spätbarock 99 Bürgerliche Passionsfrömmigkeit 101 Johann Sebastian Bachs für den Gottesdienst bestimmte Passionen 102 Johannespassion 103 Matthäuspassion 104 Theologische Aspekte 109 Die Passionskomposition nach Bachs Tod und die Verabschiedung des Passionsgesangs aus dem protestantischen Gottesdienst 112 Die Wiederentdeckung von Bachs Matthäuspassion 113 Vorsichtige Neuanfänge 114 Die Passion im 20. Jahrhundert 117 Historisierende und individualisierende Tendenzen in kriegerischen Zeiten 118 Passionen nach 1945 119 Engagiertes Komponieren 127 Von stammelnder und verstummender Frömmigkeit 13 2 Sachworterk1ärungen 139 Literatur 141 Bildnachweis 143 Personenregister 144 Vorbemerkung D ie vorliegende Geschichte der Passion will ein Buch zum Lesen, zum An schauen und vielleicht auch zum Mithören sein. Entstanden ist es aufgrund langjähriger wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Stoff, der in zahlreichen Aufsätzen und Vorlesungen immer wieder Gestaltung gefunden hat. Meine Arbeit geht davon aus, daß Vertonung und Vortrag der Texte vom Leiden und Sterben Jesu, wie sie einige Jahrzehnte nach den historischen Ereignissen der Passion in den vier Evangelien aufgezeichnet wurden, als rezeptionsgeschichtliche Vorgänge zu verstehen sind, die im Laufe der Jahrhunderte und bis heute eng mit dem Wandel theologischer, liturgischer, kirchen- und frömmigkeitsgeschichtlicher Anschauun gen zusammenhängen. Aufzuzeigen sind aber auch Zusammenhänge zwischen Musik, allgemeiner Geschichte, Bildender Kunst und Literatur, die, vielfach nur andeutungsweise, als Denkanstöße für eine an geistesgeschichtlichen Fragen inter essierte Leserschaft gedacht sind. Von hier aus ergab sich die Gestalt dieser Dar stellung im Sinne eines knapp gefaßten Versuchs, die Geschichte der Passion in großen Linien nachzuzeichnen und, ohne Belastung durch allzuviele Details, mit zahlreichen Notenbeispielen und Abbildungen anschaulich zu machen. Auf Fußnoten wurde bewußt verzichtet. An ihre Stelle tritt im Anhang eine Liste der wenigen im Text direkt zitierten Arbeiten in alphabetischer Reihenfolge der Autoren. Anschließend folgt eine allgemeine Kurzbibliographie einiger lexiko graphischer und handbuchartiger Publikationen, in denen weiterführende Informa tionen sowohl sachlicher wie auch bibliographischer Art zu finden sind. Eine Liste mit Sachworterklärungen kann als Lesehilfe dienen. Schließlich sei mein Dank an Kollegen ausgesprochen, die mir in theologischen und kunsthistorischen Fragen mit Rat und Tat zur Seite standen. Insbesondere gilt dieser Dank meinem Freund Robert Leuenberger, Honorarprofessor für praktische Theologie an der Universität Zürich, sowie Jutta Schmoll-Barthel, der überaus aktiven und einfallsreichen Lektorin des Bärenreiter-Verlages. Erlenbach-Zürich, im Frühjahr 1997 Kurt von Fischer 7 Einleitung »Et homo factus est. Crucifixus etiam pro nobis: Sub Pontio Pilato passus, et sepultus est.« »Und ist Mensch geworden. Gekreuzigt wurde er sogar für uns: Unter Pontius Pilatus hat er den Tod erlitten und ist begraben worden.« s o lauten die Worte des im 4. Jahrhundert am Kirchenkonzil zu Nicäa formulier ten Glaubensbekenntnisses, das sich auf die von den vier Evangelisten überlie ferten Berichte vom Passionsgeschehen stützt. Damit ist dieser Text als zentrale und für alle christlichen Konfessionen von der Frühzeit bis zur Gegenwart verbind liche Glaubenswahrheit deklariert worden. So steht denn auch, zusammen mit dem österlichen Auferstehungsglauben, das Kreuz im Mittelpunkt allen theologi schen Denkens. Besonders in der Westkirche hat sich im Verlaufe der Jahrhunderte eine Theologia crueis entwickelt, die sich, ausgehend von und mit der Passions liturgie, auf Dichtung, bildende Kunst und Musik ausgewirkt hat. Zum theo logisch-liturgischen Gedankenkreis tritt als weiteres Element die Volksfrömmigkeit, die für jede künstlerische Gestaltung des Passionsthemas von wesentlicher Bedeu tung gewesen ist. Vordergründig sichtbar wird das Thema Passion in der bildenden Kunst, wo die Jesus- und Kreuzigungsbilder Zeugnis ablegen vom jeweiligen Passionsverständnis, wie es von Theologen und Kirche im Laufe der Jahrhunderte formuliert worden ist. Die bildlichen Darstellungen können deshalb oft als Orien tierungshilfe dienen, wenn nach dem Wesen und nach den Wandlungen auch der Passionsmusik gefragt wird. Wenn die Mosaiken des frühchristlich-byzantinischen Ravenna des 5.16. Jahr hunderts den Körper des triumphierenden Christus in jugendlich kraftvoller Gestalt darstellen und wenn das Kreuz als Triumphkreuz, als Kreuz der Verklärung und ohne den Leib des Gekreuzigten erscheint (s. Abb. I, S. 10>, so macht sich, fünf Jahrhunderte später, in den ekstatischen Bildern der Bamberger Apokalypse zwar eine spiritualistische Tendenz bemerkbar (s. Abb. VI, S. 17), doch bis zu den Portalen der großen romanischen Kirchen wie denen von Autun und Vezelay ist es immer noch der Herrscher Christus, der Pantokrator, und nicht der Gekreuzigte, der im Mittelpunkt der damaligen Bilderwelt steht. Kreuzesdarstellungen fehlen zwar auch in der Frühzeit nicht, man denke etwa an die Holztüren der im 5. Jahrhundert in Rom errichteten Kirche S. Sabina (s. Abb. 11, S. lD, doch erscheinen diese vor allem innerhalb kleinformatiger Bilderzyklen: Die Kreuzigung ist eine unter anderen Stationen im Leben Jesu. 9 Abb. I Das Kreuz der Verklärung Ravenna, Kirche Sant' Apollinare in C1asse, Mosaik des 6. Jahrhunderts in der Apsis der Kirche Mit der Gotik beginnen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts neue Bilder in den Mittelpunkt zu rücken. An die Stelle des Pantokrators tritt jetzt immer mehr der leidende Jesus, der Menschensohn. Solches wird etwa sichtbar am Beispiel der Kathedrale von Chartres: Das um 1150 geschaffene Hauptportal zeigt noch den majestätischen Christus im Kreise der vier Evangelistensymbole (s. Abb. 111, S. 12 oben); das sechzig Jahre später entstandene Portal des südlichen Quer schiffes (s. Abb. IV, S. 12 unten) stellt zwar noch nicht den Gekreuzigten dar, wohl aber die Gestalt des richtenden Jesus Christus mit Wundmalen und, in der 10 Hand der äußeren Figuren, mit Marterwerkzeugen (Peitsche und Speer). Abb. II Kreuzigungsdarstellung um das Jahr 432 Rom, Holztür der Kirche Santa Sabina In der Westkirche erfolgt der endgültige Wandel vom Pantokrator zum Schmer zensmann im 13. Jahrhundert in Verbindung mit der gewaltigen Ausbreitung des Franziskaner-Ordens und dessen Theologie. Damit wird zugleich deutlich, weshalb in der Westkirche, im Gegensatz zur Ostkirche, der Karfreitag gegenüber Ostern immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. So ist es denn auch kein Zufall, wenn im ausgehenden 12. Jahrhundert nun auch die ersten Passionsspiele mit ihren figürlichen Darstellungen der Leidensgeschichte neben die um fast zweihundert Jahrhunderte älteren Osterspiele getreten sind. Die Geschichte der Jesus- und Christusbilder könnte hier weiter und bis in die Gegenwart hinein verfolgt werden: Überall sind engste Zusammenhänge zwischen Theologie, Volksfrömmigkeit, Geistes-, Sozial- und Kunstgeschichte erkennbar, welche bei den nun folgenden Besprechungen von in Musik gesetzten Passions texten zur Vorsicht gegenüber absolut verstandenen stilistischen und ästhetischen Kriterien mahnen. Bezogen auf das Thema Passion ist in jedem Fall nach den theologischen, aber auch nach den historischen und gesellschaftspolitischen Hin tergründen zu fragen, welche hinter den jeweiligen Passions-Interpretationen ste hen. 11

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