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Die Notengeber: Gespräche mit Journalisten über die Zukunft der Musikkritik PDF

204 Pages·2017·8.156 MB·German
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Musik und Medien Gunter Reus Ruth Müller-Lindenberg Hrsg. Die Notengeber Gespräche mit Journalisten über die Zukunft der Musikkritik Musik und Medien Herausgegeben von H. Schramm, Würzburg, Deutschland Die Buchreihe „Musik und Medien“ thematisiert die (massen)medial vermittelte und interpersonale Kommunikation über Musikereignisse, musikalische Aktivitä­ ten, Musiker/innen, Musik(produkte) und die an der Entwicklung/Komposition, Verbreitung und Vermarktung von Musik(produkten) beteiligten Akteure und In­ teressensgruppen. Schriften dieser Reihe beschäftigen sich in erster Linie mit den kulturellen, gesellschaftlichen, historischen, ökonomischen, rechtlichen, ordnungs­ und bildungspolitischen, technischen und medialen Kontextbedingungen, unter denen sich Kommunikation über Musik entwickelt und ausgestaltet, sowie mit den Erscheinungsformen, Wandlungen, Potenzialen und Wirkungen dieser Kommuni­ kation. Im Zentrum der Buchreihe stehen vor allem systematisierende Überblicks­ werke zum Wandel der Präsentation und Repräsentation von Musik(angeboten) in den audiovisuellen Medien sowie deren Produktion, Nutzung, Wirkung und Wert­ schöpfung unter den Bedingungen einer zunehmenden Medienkonvergenz. Neben den Überblickswerken können auch thematisch fokussierte Schriften, vor allem sehr gute Dissertationen (mit mind. „magna cum laude“ bewertet), beim Reihen­ herausgeber eingereicht werden: holger.schramm@uni­ wuerzburg.de. Herausgegeben von Holger Schramm Campus Hubland Nord Univ Würzburg, Inst Mensch­ Comp­ Med Würzburg, Deutschland Gunter Reus · Ruth Müller-Lindenberg (Hrsg.) Die Notengeber Gespräche mit Journalisten über die Zukunft der Musikkritik Herausgeber Prof. Dr. Gunter Reus Prof. Dr. Ruth Müller­Lindenberg Hannover, Deutschland Hannover, Deutschland Musik und Medien ISBN 978­3­658­15934­4 ISBN 978­3­658­15935­1 (eBook) DOI 10.1007/978­3­658­15935­1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d ­nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­ und Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham­Lincoln­Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhalt Einleitung..............................................................................................................7 Interviews Birgit Fuß............................................................................................................35 Maurice Gajda....................................................................................................43 Volker Hagedorn................................................................................................53 Robert Helbig......................................................................................................63 Britta Helm.........................................................................................................75 Markus Kavka.....................................................................................................83 Albert Koch........................................................................................................93 Peter Korfmacher..............................................................................................105 Harald Mönkedieck..........................................................................................115 Andreas Müller.................................................................................................125 Falk Schacht.....................................................................................................137 Dirk Schneider..................................................................................................149 Ruben Jonas Schnell.........................................................................................159 Claus Spahn......................................................................................................167 Christiane Tewinkel..........................................................................................177 Albrecht Thiemann...........................................................................................189 Thomas Venker.................................................................................................197 Rainer Wagner..................................................................................................207 Einleitung 1. Ein Blick zurück Die Zukunft der Musikkritik beginnt mit deren Vergangenheit. So unterschied- lich und teils einander widersprechend die Aussagen der in diesem Buch ver- sammelten Interviews mit Musikjournalistinnen und -journalisten sind – für fast alles lassen sich Wurzeln auf dem heterogenen Feld „Geschichte der Musikkri- tik“ finden. Über Fragen des ästhetischen Urteils, über die Aufgaben des Musik- journalismus, über seinen möglichen oder auch erwünschten Einfluss auf Kom- ponisten, Ausführende, das Publikum, über die Professionalität der Schrei- benden, ihren literarischen Anspruch, über Objektivität und Subjektivität, ja „Wahrheit“ hat es von Anfang an mehr oder weniger ausgesprochen Standortbe- stimmungen, Abgrenzungen, Meinungsverschiedenheiten, Übereinkünfte gege- ben. „Von Anfang an“ soll hier heißen: nicht schon in der Antike, etwa in Platons Staat, sondern ab dem Zeitpunkt, zu dem die kritische Auseinandersetzung mit Musik sich in publizistischen Formen artikulierte, also etwa seit Beginn des 18. Jahrhunderts: Damals erschienen die ersten deutschsprachigen, vom frischen Wind der Aufklärung beflügelten Zeitschriften, die schon das Wort „Kritik“ im Titel trugen: 1722 in Hamburg Johann Matthesons Critica Musica und 1737 Johann Adolph Scheibes Critischer Musicus, in Berlin 1749 Friedrich Wilhelm Marpurgs Der critische Musikus an der Spree und 1754 die Historisch-kritischen Beyträge zur Aufnahme der Musik etc. Mit dem Mut zur Vergröberung kann man für die seither vergangenen drei Jahr- hunderte als Abfolge von Leitbegriffen die Entwicklung von der Werkkritik zur Aufführungs- und schließlich zur Medienkritik entwerfen. Leitbegriffe sind es in dem Sinne, als sie sich parallel zum Musikleben entwickeln: Einer Musikkritik im eigentlichen Sinne des Wortes standen zu Beginn lediglich die gedruckten © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 G. Reus und R. Müller-Lindenberg (Hrsg.), Die Notengeber, Musik und Medien, DOI 10.1007/978-3-658-15935-1_1 8 Einleitung Partituren, so überhaupt vorhanden, zur Verfügung; später dann die Aufführun- gen, die in einem sich ausdifferenzierenden öffentlichen Konzertwesen und der sich ebenfalls öffnenden Sphäre der Hofoper rasch an Zahl zunahmen; schließ- lich Tonträger verschiedener Art – von der Vinyl-Schallplatte über das Musikvi- deo zur CD, die im 21. Jahrhundert zunehmend von Streaming-Diensten und käuflichen Audio-Files abgelöst werden, mit schwer abzuschätzenden Konse- quenzen für Verbreitung, Rezeption und Bewertung. Scheint sich hier kaum noch eine Klammer für die gesamte Zeitspanne finden zu lassen – zu sehr differieren die Gegenstände, die mit „Musik“ bezeichnet wer- den –, so lässt sich doch ein gemeinsamer Nenner formulieren: Es geht im Wort- sinne des griechischen Verbums κρίνω (scheiden, trennen, streiten, urteilen) um Auswahl von Musik und Urteil über Musik mit den Mitteln der Sprache. Was dann in den einzelnen Phasen des Musikjournalismus jeweils die Kriterien für das Urteil waren – der Bogen reicht von „wahr und falsch“ über „falsch und richtig“, „schön und hässlich“ bis hin zu (moralisch) „gut und schlecht“ – und welche sprachlichen Mittel jeweils für geeignet gehalten wurden, dies unterliegt großen Schwankungen. Die Grundfragen bleiben dennoch dieselben. Oder fast: Denn die Antworten sind selbstverständlich ohne Berücksichtigung der jeweili- gen Medien unvollständig, werden von ihnen beeinflusst, so wie sie diese prä- gen. So hat beispielsweise Tadday (1993) argumentiert, dass der Diskurs über Musik sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen von Kultur- Tages-zeitungen ausdifferenzierte, weil er unterschiedlichen sozialen Systembe- dingungen unterlag: Der auf professionellem Niveau geführte Fachdiskurs fand in Fachzeitschriften statt, während die täglich verfügbaren Zeitungen dem Be- dürfnis nach Information über ästhetische Ereignisse entgegenkamen, einem Bedürfnis, das letztlich auf Gruppenbildung zielte. Wenn man sich über den letzten Opernskandal austauschen konnte, dann stiftete das eine soziale Identität, ohne dass man deshalb selber die Vorstellung besucht haben musste. Dieses Ziel war mit einem Fachjournal nicht zu erreichen. Denkt man den Gedanken – die Wechselbeziehung zwischen der Textsorte Mu- sikkritik und dem sie verbreitenden Medium – weiter bis in Gegenwart und Zu- kunft hinein, dann scheinen die Folgen, die die (vorerst?) teilweise Verlagerung von Musikjournalismus ins Internet hat und haben wird, kaum absehbar. In die- ser Rahmung wird plausibel, weshalb es in Fragen des ästhetischen Urteils so unterschiedliche, ja disparate Antworten gab und gibt. Einleitung 9 In der Frühzeit der Musikkritik im neuzeitlichen Sinne machten sich die Spezia- listen ganz buchstäblich ans Werk: Musikkritik war Kritik an Werken. Die Tex- te, veröffentlicht etwa in Zeitschriften wie den oben genannten, bedienten sich eines Fachvokabulars, präsentierten Notenbeispiele und widmeten sich oft Spe- zialproblemen der Komposition. Deutlich lag der Akzent auf der satztechnischen Korrektheit der Kompositionen, aus der ästhetische Urteile sich wie von selbst ergaben. Die Richtschnur gab eine normative Poetik des Komponierens vor, wie das Beispiel Marpurgs zeigt: Über die „Claviervariationen“ eines Hamburger Organisten schreibt er mit der ganzen Autorität des Fachmanns, der weiß, was richtig und was falsch ist: „Der im lezten Tacte der ersten Clausel des Hauptsat- zes bey c befindliche Vorhalt mit d hätte besser wegbleiben können.“ (Histo- risch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik, Bd. 1, Berlin 1754, S. 53) Allerdings ist einzuschränken, dass wirkliche Kritiken eher die Ausnahme als die Regel waren, weil die Zeitschriften sich überwiegend theoretischen Debat- ten, zum Beispiel derjenigen über den Vorrang der italienischen oder der franzö- sischen Musik, widmeten. An einem Meilenstein der Musikkritik, der berühmten Rezension E.T.A. Hoff- manns zu Beethovens Fünfter Symphonie (1810), lässt sich zeigen, dass einer- seits diese Poetik um 1800 noch intakt war, dass jedoch andererseits das ästheti- sche Urteil sich nicht mehr allein aus dem Befund „richtig oder falsch“ speiste: E.T.A. Hoffmann urteilte aus romantischem Geist, bemühte die Wucht des Ein- drucks, den die Musik auf ihr Publikum mache. Bedeutsamer und zukunftsträch- tiger noch: Die Sprache seiner Rezensionen knüpfte direkt bei den Dichtern der Romantik an, verwendete Metaphern, Vergleiche und narrative Module, wie man sie bis dahin fast nur aus der Schönen Literatur kannte: „So öffnet uns auch Beethovens Instrumental-Musik das Reich des Ungeheueren und Unermessli- chen. Glühende Strahlen schiessen durch dieses Reiches tiefe Nacht, und wir werden Riesenschatten gewahr, die auf- und abwogen, enger und enger uns einschliessen, und alles in uns vernichten, nur nicht den Schmerz der unendli- chen Sehnsucht, in welcher jede Lust, die, schnell in jauchzenden Tönen empor- gestiegen, hinsinkt und untergeht, und nur in diesem Schmerz, der, Liebe, Hoff- nung, Freude in sich verzehrend, aber nicht zerstörend, unsre Brust mit einem vollstimmigen Zusammenklange aller Leidenschaften zersprengen will, leben wir fort und sind entzückte Geisterseher.“ (In: Kunze 1987, S. 101) 10 Einleitung Diese umfangreiche, mit Notenbeispielen und Kommentaren zur Kompositions- technik versehene Rezension erschien in einer Fachzeitschrift, der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung. Drei Jahre später jedoch veröffentlichte E.T.A. Hoffmann sie nochmals, und zwar in der Zeitung für die elegante Welt, mit einer bezeichnenden Änderung: Der gesamte musikanalytische Teil fiel weg. Den Lesern einer Tageszeitung gab man also die romantischen Ideen für das Musikerlebnis mit auf den Weg; eine Diskussion kompositorischer Einzelheiten ersparte man ihnen. Gerade an der gut dokumentierten zeitgenössischen Beethoven-Kritik lässt sich zeigen, dass unterschiedliche, sogar disparate Kriterien koexistieren konnten: So bemängelt 1805 ein unbekannter Rezensent in der Berlinischen Musikalischen Zeitung den Beginn der Ersten Symphonie: „Dergleichen Freiheiten und Eigen- heiten wird niemand an einem genialischen Künstler wie Beethoven tadeln, aber ein solcher Anfang passt nicht zur Eröfnung eines grossen Concerts in einem weiten Operntheater.“ (In: Kunze 1987, S. 22). Scheint es hier noch eine objek- tive Beurteilungsinstanz zu geben, so schimmert doch schon die Überzeugung durch, dass das Genie sich seine Regeln selber gebe. Allerdings geriet auch diese Instanz ins Wanken: In der eigentlich konservativen Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung bekannte 1816 ein Kritiker angesichts einiger für ihn kaum erträglicher Stellen in der Klaviersonate op. 90 freimütig, dass „es sonach der Zeit anheim gestellt werden muss, ob sie sich an dergleichen Züge gewöhnen (…) will“ (in: Kunze 1987, S. 267). Es dürfte den Musikgelehrten des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts nicht leicht gefallen sein, von der Werkkritik zur Aufführungskritik überzugehen. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass es zu dieser Zeit zahlreiche Konzertkritiken gab, die, obwohl sie doch über konkrete Ereignisse berichteten, in keiner Weise auf die Aspekte der Aufführung eingingen, etwa auf das Können der Vortragen- den, Einzelheiten der Besetzung, Aufnahme durch das Publikum und anderes mehr. Das Vokabular dafür musste sich erst entwickeln und einbürgern. Die großen Virtuosenauftritte in den Musik-Hauptstädten des 19. Jahrhunderts, in Paris, Wien, Berlin und London, gaben den Anlass dazu. Über die Spielweise des berühmten Geigers Paganini schrieb 1829 die Allgemeine musikalische Zei- tung: „(D)er Bogen wird sehr lang und frey, in perpendiculöser Richtung, mit weiter Zurückbiegung des rechten Arms, und überaus grosser Oeconomie des Strichs geführt; der Ton ist nicht sehr stark, doch voll, weich und schön, beson-

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