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Die neue Kontinentalsperre: Ist Grossbritannien wirtschaftlich bedroht? PDF

51 Pages·1915·4.555 MB·German
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Die neue Kontinentalsperre 1st Grossbritanoien wirtsehaftUch bedrobt? Von Dr. Hermann Levy a. o. Professor in Heidelberg Berlin Verlag von Julius Springer 1915 ISBN-13: 978-3-642-94021-7 e-ISBN-13: 978-3-642-94421-5 DOl: 10.1 007/978-3-642-94421-5 Zweimal hat im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts die Frage del' Brotgetreideversorgung das britisehe Insel reich in schwere Sorge versetzt. Einmal zur Zeit del' Kontinentalsperre, die Napoleon im Jahre 1806 tiber England verhangte. Das Mifigeschiek wollte es, dafi diese Mafinahme Frankreiehs zusammenfiel mit einer Periode denkbar ungunstiger Ernten in Eng land. So entstand eine Teuerung; Getreide- und Brot preise stiegen urn das Doppelte und Dreifaehe, alles noeh bebaubare Land wurde angebaut, und es ist flir uns im heutigen Krieg Lebende interessant, dafi aueh in damali gel' Zeit, freilieh auf einer mindel' wissenschaftliehen Grundlage als jetzt, del' V ~rsuch gemacht wurde, das immer knapper werdende Brotgetreide dureh aIle mog lichen anderen Nahrungsmittel zu ersetzen; so sind die damaligen agrarwirtschaftliehen Sehriften, besonders die bertihmten landwirtsehaftliehen Annalen, voll von Ktichenrezepten, welehe del' englisehen Bevolkerung tiber das Leiden hinweghelfen sollten. Das englische V olk hat damals jene Notlage tiberstanden. Del' tJbergang yom Agrar- zum Industriestaat hatte erst seit etwa 30-40 J ah ren eingesetzt. Noeh lebte ein grofier Teil del' englisehen Bevolkerung auf dem Lande, konnte sich also mit selbst gebauten Nahrungsmitteln versorgen und spielte etwa die Rolle, welche in unserem heutigen Gesetz tiber die 1 ,- 4 Brotgetreideversorgung im Kriege die sogenannten "Selbstversorger" einnehmen. Vor aHem aber war das englisehe V olk noeh anspruehslos, hauslieh und haus halteriseh. AIle diese Momente, verbimden mit der Tat sache, daU England Hoeh einen groUen Teil seines Be darfes an Brotgetreide selbst baute, bewirkten, daU der Aushungerungsplan Napoleons zuniehte wurde. Zum zweiten Mal wurde das Brotgetreideproblem in GroJlbritannien bedrohlieh, als zu Anfang der vierziger Jahre wiederum eine starke Teuerung einsetzte. Hohe Getreidezolle versperrten jetzt im Frieden die Einfuhr billigen auslandisehen Getreides und perpetuierten ge wissermaUen, besonders in schlecht en Erntejahren, den Zustand der Kontinentalsperre. Obsehon zwar die Weizenpreise in den vierziger Jahren nieht annahernd mehr die Hohe erreiehten, die sie zur Zeit der Kontinen talsperre innegehabt hatten (im Jahre 1812 hatte Wei zen 126 sh 6 d per Quarter gekostet, in den Jahren 1840-1846 schwankte er zwischen 50 sh und 66 sh), war das eng lische V olk nicht mehr in del' Lage, die Teuerung zu er tragen, ganz besonders, als im Jahre 1845 die beruhmt gewordene MiJlernte del' Kartoffeln in Irland die Er nahrungsschwierigkeiten weiter steigerte. Die ben ge 0 nannten Tatsaehen, welehe in den Zeiten kriegriseher Not die Geduld des englisehen Volkes gestarkt hatten, waren jetzt im Frieden nieht mehr stark genug, um Brot revolten schlimmster Art zu verhindern. Del' engli sehe Premierminister Sir Robert Peel, der ursprunglich von seiner Partei gewahlt worden war, um die Getreide zolle zu unterstutzen, sah sieh aus politisehen Grunden genotigt, dem Sehrei des Volkes nach Abhilfe del' Teue rung zu willfahren; im Jahre 1846 wurden die Getreide zolle beseitigt. Seit diesel' Zeit hat - von drei J ahren, namlich 1854 bis 1856 abgesehen - die Frage der Brotgetreideversor- - 5 gung in England keine irgendwie erheblichen Schwierig keiten mehr bereitet. Ja, als zu Mitte der siebziger Ja:hre die tiberseeische Getreideausfuhr begann, sah sich das Freihandelsland in die Lage versetzt, zu immer sinkenden Preisen Weizen von auswarts zu beziehen, so dafi man sich schliefilich daran gewohnte, mit einem Weizenpreis von 25-28 sh, hochstens 30 sh per Quarter in England zu rechnen. Diese, seit mehr als einem hal ben J ahrhundert be stehende Sicherheit billiger Brotgetreideversorgung hat in England dazu gefuhrt, dafi man ohne il'gendwelche Be sorgnisse im FaIle eines Krieges den Moglichkeiten del' Nahrungsmittelzufuhl' ins Auge sah. Diese Sol'glosig keit spiegelt sieh YOI' aHem in del' Nichtbeachtung der Resultate eines parlamentarischen Ausschufiberichts wieder, del', auf Grund einer umfassenden Untersuchung im Jahre 1905 verOffentlicht wurde und sich mit del' Frage "del' Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen in Kriegszeit" befafite. In diesem Berichte wurde zwar ermittelt, dafi die W ochenkonsumtion des englischen V oikes an vVeizen etwa 550 bis 600000 Quarters betrtige, wahrend ·die eigene Weizenproduktion im J ahr nur etwa 6-7 Millionen Quarters ausmachte, und dafi ferner die vorhandenen Weizenvorrate im best en FaIle fUr 17 Wochen, im schlechtesten FaIle fUr nul' 6% Wochen zu reidhen pflegten. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dafi man, wenn man die Moglichkeit und die Wirkungen einer Teuerung in England betrachte, nicht an die Zu stande zur Zeit Napoleons oder des Krimkrieges denken durfe; denn, "obschon die arbeitenden Klassen damals im aIlgemeinen weniger wohlhabend gewesen seien als jetzt, so waren sie doch auch bessel' in der Lage gewesen, die hohen Nahrungsmittelpreise zu uberwinden, als es in heutiger Zeit der Fall sein wtirde. Ein verhaltnismafiig grofierer Teil der Bevolkel'ung sei in del' Landwirtschaft -- 6 -- besehaftigt gewesen (im Jahre 1811 33 % gegen 3 % im Jahre 1901); ein bedeutender Teil ihrer Lohne sei in Naturalien geza:hlt worden; andere Arbeiter hatten bei ihren Arbeitsherrn gewohnt und Nahrung erhalten; aufierdem sei es wahrscheinlich, soweit die tibrige Ar beiterbevOlkerung in Frage komme, dafi seit Beginn des letzten Jahrhunderts die Ausgaben fUr die Wohnung ge wachsen seien. In jedem Fall konne man kaum anneh men, dafi die arbeitenden Klassen sozusagen automatisch zu der Lebensweise jener Zeit oder selbst zu den Bedin gungen, welche wahrend des Krimkrieges geherrscht hatten, zurtiekkehren konnten." Am Schlusse des ge nannten Berichtes wurde ferner geradezu gesagt, wenn in einem Kriege eine Verminderung del' Zufuhren yom Auslande stattfinden wtirde, und zwar diese Verringe rung zu einer Zeit im Jahre einsetzte, wenn die Bestande des heimischen 'Weizens verbraucht waren, so wurde "nicht nul' eine bedenkliche Preissteigerung einsetzen, die auf das mangelnde Angebot zurtickzufUhren ware und ihrerseits wieder eine gefahrliche Panik hervorrufen konne, sondern es konnte noch eine so starke Not des Landes hinzukommen, dafi dieses den Krieg nicht wtirde weiterfuhren konnen". Trotz dieser nicht zu verkennenden Warnungszeichen war die Sorglosigkeit Englands beztiglich seiner Ge treideversorgung im Kriege so grofi, dafi man die War nungen nicht beachten zu mtissen glaubte. Diese Sorg losigkeit, die, wie 0 ben gesagt, ihren psychologischen Untergrund in dem jahrzehntelangen Ausbleiben irgend welcher Versorgungsschwierigkeiten fand, wurde in jenem Berichte noeh durch folgende Erwagungen ge stiitzt: 1. Die rna ri tim e Mac h t s tell un g Grofibri tanniens, so argumentierte man, werde unbedingt daftir sorgen, dafi England in seiner Nahrungsmittelzufuhr - 7 - nicht abgeschnitten werden konne. Es hieR: "In aHem was oben gesagt worden ist, haben wir angenommen, daR unsere Machtstellung zur See nicht verloren gegangen ist, d. h., daR die Entwicklung der Dinge nicht einen Punkt erreicht hat, bei welchem unsere Marine nicht Hinger imstande ware, einen organisierten Angriff auf unseren Handel abzuschlagen; denn wenn dies eintrate, dann wurde nicht langer angenommen werden konnen, daR wir unsere Zufuhren ohne eine bedeutende Verrin gerung erhalten konnten und daR die Gefahr der tat sachlichen Aushungerung nicht bestlinde." 2. Die Behinderung der Nahrungsmittelzufuhr mufite nach Auffassung jenes Berichtes yom v 0 Ike r r e c h t - Ii c hen S tan d pun k t e aus, heute mehr ala je, aus geschlossen erscheinen. In den Fragen, welche von den AusschuRmitgliedern den Sachverstandigen vorgelegt wurden, war stets die unausgesprochene Annahme die, daR England von zwei Machten, namlich Frankreich und Rufiland, zur See bedroht werde und damit die Einfuhr von Getreide gefahrdet werden konne. Um zu erweisen, daR eine solche Gefahrdung der Nahrungsmittelzufuhr allen volkerrechtlichen Grundsatzen ins Gesicht schluge, wurde in dem Ausschufibericht ausdrlicklich die Stellung nahme Englands in derartigen Fragen betont. Es hiefi: "Frankreich trat im Jahre 1885 mit der Absicht hervor, im Kriege mit China Reis als Konterbande zu behandeln, indem es sich auf die Wichtigkeit dieses Nahrungsmittels fur die chinesische Zivil- und Militarbevolkerung stlitzte; dieses Benehmen war um so bemerkenswerter, als wah rend der ganzen Geschichte des Volkerrechts Frankreich sich dadurch ausgezeichnet hatte, daR es sich weigerte, in irgendeinem FaIle Nahrungsmittel als Konterbande an zuerkennen. Die britische Regierung protestierte, aber, infolge des raschen Abschlusses des Krieges, wurde die Kontroverse abgeschnitten. Rufiland ist, wie schon er- - 8 - wahnt, zu Beginn des gegenwartigen Krieges (1904) so we it gegangen, Naihrungsmittel in die Liste der absoluten Konterbande zu setzen, und zwar besonders: Reis, aIle Arten von Getreide, Fisch, Fischerzeugnisse, Bohnen, Bohnenol und 6lkuchen. Rufiland hat jedoch von die ser StelIungnahme Abstand genommen auf Grund der energischen Proteste verschiedener Grofimachte, ganz besonders Grofibritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika, und im Anschlufi an das Gutachten eines Ausschusses, den Professor de Martens leitete ..... Lord Lansdownes Erklarung vom 1. Juni 1904 stellte fest: Die Regierung Sr. Majestat bemerkt mit grofier Sorge, dafi Reis und Nahrungsmittel als unbedingte Kon terbande behandelt werden sollen, eine Mafinahme, die sie mit dem Recht und der Rechtsausubung der Nation fur unvereinbar halte." Durch derartige Feststellungen, zu deren Unterstiitzung noch verschiedene andere Gutachten herangezogen wurden, glaubte der e!lglische Ausschufi bericht vom Jahre 1905 die Sicherheit zu erweisen, dafi Grofibritannien aus rein volkerrechtlichen Grunden im FaIle eines Seekrieges die Unterbindung der Nahrungs mittelzufuhr nicht zu beftirchten habe. 3. Endlich wurde die weI t w i r t s c h aft 1 i c h e Position Englands als ein Sicherheitsfaktor gegenuber einer etwaigen Schwierigkeit der Brotgetreide- und Roh stoffversorgung im Kriege hervorgehoben. Ganz beson ders wurde dar auf verwiesen, dafi Weizen das ganze Jahr hindurch "in ununterbrochenem Verlaufe" nach England gelange (Seite 9). Der eigentliche Beginn der Zufuhren fan de statt: im J anuar von der pazifischen Kuste Amerikas, im Februar und Marz von Argentinien, im April von Australien, im Mai, Juni und Juli von In dien, im Juli und August beginne die Zufuhr amerikani schen Winterweizens, im September und Oktober die jenige von amerikanischem Sommerweizen und russi- -- 9 - schem Weizen, im November diejenige von kanadischem Weizen. Eine statistische Tabelle, welche dem Berichte beilag, zeigte, dafi in der Tat die Monatszufuhren, ohne RUcksicht auf ihre Provenienz betrachtet, keine erheb lichen Schwankungen aufwiesen; so betrug im Jahre 1903 das Maximum 2,6 Millionen Quarters im Oktober, das Minimum im Februar 1,5. Sehr viel anders aber stand es, wenn man diese Ziffern mit Rticksicht auf die Zufuhr provenienz betrachtete; es zeigte sich dann, dafi nur die Exporte der Vereinigten Staaten von Amerika Schwan kungen aufwiesen, die nicht tiber oder nieht wesentlieh tiber das Mafi der Schwankungen der monatlichen Ge samtzufuhren hinausgingen; demgegentiber ergab sich z. B. bei der Einfuhr aus Argentinien, dafi diese im Durchschnitt der Jahre 1902/03 in durchaus regelmafiiger Steigerung von 21000 Quarters im September auf 494000 Quarters im Mai angewachsen war, wahrend umgekehrt die Zufuhr aus Kanada von 360000 Quarters im Septem ber auf 106 000 Quarters schon im Februar zurtickging (vgl. Vol. 111, S. 142). Der Ausschufibericht zog aber aus diesel' Tatsache nieht die notwendigen Konsequenzen, sOl1dern sah in dem Moment des "uninterrupted stream", aus welchem dem Inselland wahrend des' ganzen J ahres Weizen zuflosse, eine ausreichel1de Sicherheit fUr die V orratsversorgung in einem Kriege. Jene drei Fundamente, auf denen man in England die Sicherheit einer ausreichenden Brotgetreideversorgung im Kriege aufgebaut hatte, haben sich im 'Veltkrieg als trtigerisch erwiesen. Den Schutz, den das Volkerrecht der Sicherstellung des Nahrungsmittelbedarfs der ZivilbevOlkerung eines kriegfiihrenden Landes gewahrte, hat Grofibritannien selbst zertrtimmert. Grofibritannien durchbrach die bis her von ihm selbst anerkannten Grundsatze, indem es dem Deutschen Reiche mit der Aushungerung wie einer be-

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