Hans Ulrich Gumbrecht a a Die Macht A a der Philologie A Über einen verborgenen Impuls ye im wissenschaftlichen Umgang ; ae mit Texten oe ii Aus dem Amerikanischen ee: Joachim Schulte von a Bi ae | A a ae ; - a | 4 a Suhrkamp | ; https://pdfify| .app/trial 8 EEE para Sara que siempre estä presente casilhasta fisicamente presente Titel der Originalausgabe: The Powers of Philology © Illinois University Press 2002 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ) ©derdeutschenAusgabeSuhrkampVerlagFrankfurtamMain 2003 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, desöffentlichenVortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelnerTeile. KeinTeil desWerkes darfin irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andereVerfahren) ohne schriftliche Genehmigungdes Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. | Satz: Libro, Kriftel Druck: Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden Umschlag:Werner Zegarzewski Printed in Germany | Erste Auflage 2003 ISBN 3-518-58368-9 T26—308074060550403 https://pdfify.app/trial See Inhalt ı. Worin besteht die Macht der Philologie? ....... 9 2. Das Sammeln von Fragmenten ............... 22 3. Das Edieren von Texten ............000000++ 44 : 4. Das Schreiben von Kommentaren ............ 69 5. Das Historisieren von Dingen ............... 88 6. Das Lehren von Komplexität ...........+++++ 109 7 https://pdfify.app/trial EE” 8~—TOT A eee 1. Worin besteht die Macht der Philologie? (1) AusGründen,dieichwahrscheinlichnievölligbegreifen wer- de, hat meine Mutter (die ihrerseits Medizin studiert hatte) das Wort »Philologe« — mit erheblicher Konsequenz und einem noch höheren Maß an Unbeirrbarkeit — immer zur BezeichnungvonGrundschullehrernverwendet.Abereigent- lich wardie exzentrischesemantische Kreation meiner Mut- ter nicht abwegiger als der Gebrauch, den einige meiner fähigsten amerikanischen Kollegenauch heutenoch die- von semWortmachen,wennsieeinigeihrergroßenVorgängeraus der deutschen Tradition — etwa Ernst Robert Curtius, Leo Spitzer oder Erich Auerbach — »philologists« nennen. Denn keinerdieserbedeutendenGelehrten hataufjenenGebieten, dieunterdasWort»Philologie«fallensollen,wirklicheGlanz- leistungen erzielt. Ernst Robert Curtius hatte seinen akade- * mischen Ruf in den zwanziger Jahren als hervorragender Spezialist für die zeitgenössische Literatur Frankreichs und Spaniensbegründetund begannsichanschließend nämlich — seitdenfrühendreißigerJahren—aufdieGeschichtederpoe- tologischen Ideen und der literarischen Formen des Mittel- alters zu konzentrieren. Leo Spitzer war von Haus aus Sprachgeschichtler,undnachdemersichwährendderersten beidenJahrzehntedeszwanzigstenJahrhunderts mitdiesem Fachbeschäftigthatte, wandteersichalsbaldeinemüberaus ; subjektivenStilderimmanentenTextinterpretationzu(wobei derBegriff»Erlebnis«eineSchlüsselrollespielte).ErichAuer- bach schließlich, der in der Literaturgeschichte auf eigene Faust einen neuen Diskurs inaugurierte, zeigte bekanntlich sogar regelrechte Schwächen, wenn die philologischen Grundfertigkeitengefordertwaren.' Keinerderdrei—weder 1 SichemeinBuchVomLebenundSterbendergroRenRomanisten. Carl Vossler, Ernst Robert Curtius, Leo Spitzer, Erich Auerbach, Werner 9 https://pdfify.app/trial ee ee 7 ees 4 a noch Spitzer, noch Auey cael ee und angeben, gemeint sei jede Form der Sprachforschung Curtius istor mAa1bsdeiueaunissßtnn.gooehenwreibdeiaeneermrrmseaoeilenshdriiieenekk»raaer(PvmnnaMohiilessrislugcochVehtlrotteeeoagarndrKnfenaean.osrn«DsllwbieieahereghrzneeeeeiirrnngiTceeimshrsrtanvieCondetosinbitrtioneib,noiiencIncawhhhftueeemgßssatteöeöhnbcc)azehhlRtniteeseanoKak’vaukirte,ntiwilodoSanndtrSiaeuaat7asrmnurrerff. gholariiieeiesdrsgcbbdetehoiiergg,nerreeiesnTrnwcoehcE—ix:rehrtdzpndeafleuTldeglregenggsxeirseneptmsp,ieeBsflezsgeeeiienfieggsendrecariefhufsgveeeeerrmresnspnggetraeenounsrscndpchgderheoenlnicvfc,,ahehwßejreetntordnFa,beuueFaGnUtiuedeeCnssriisseistceittcnmeehrhsss,—ld.ui?eSiceSßihsAneleuinciutneehhfgihsddabtiaeeunoenrrf--- deutschen(oder Unterschiedzwischeneinembestimmten geschriebeneTexte bezieht. den derliterari- kontinentaleuropäischen) Stil des Umgangs mit Im Titel des vorliegenden Buchs sowie in allen seinen Traditiondes Vergangenheit und der interpretativen Kapiteln wird dasWort »Philologie« durchweginderzwei- schen Spiel kommt. anglo-amerikanischen »New Criticism« ins ten Bedeutung verwendet, d. h. mit Bezug auf eine Konfi- Tatsächlich besteht ein signifikanter Unterschied zwischen guration wissenschaftlicher Fertigkeiten, die der histori- den Arbeiten von Curtius, Spitzer und Auerbach einerseits schen Textpflege dienlich sein sollen. Implizit stecken in und den Schriften von Arnold, Richards oder Singleton an- diesem BegriffvierPunkte,deren Entfaltungsich nach mei- dererseits, ohnedaß dieserUnterschied allerdings einen aus- nemDafürhaltenlohnt: ErstenshatdiephilologischePraxis reichenden Grund dafür lieferte, die erstgenannten Wissen- eineAffinitätzu jenen historischen Perioden,die sichselbst schaftler als »Philologen« zu bezeichnen. als Folgezeiten besonders bedeutender Kulturmomente se- Vor allem jedoch sollten meine beiden Beispiele fiir den hen. Damitgehtdas Urteil einher,die KulturjenerMomen- GebrauchdesWorts»Philologie« denverwunderlichen und te sei wichtiger als die Kultur der Gegenwart. Es ist kein zugleich unbestreitbaren Sachverhalt herausstreichen, daß Zufall, da& die hellenistische Kultur des dritten und des aus diesem Begriff — der dazu vorherbestimmt erscheint, zweiten Jahrhunderts v. Chr. immer wieder als der histori- aufunkomplizierteund unspektakulareWeise zu fungieren sche Ursprung der Philologie als wissenschaftlicher Tatig- — ein weiter (mitunter verwirrend weiter) Bereich an Be- keit genannt wird (Platon dagegen hatte das gleiche Wort deutungen und Verwendungsweisen hervorgegangen ist. im Sinne von »Redseligkeit« gebraucht). Weitere wichtige Die Lage bessert sich kaum, wenn man anfängt, ganz all- Momente inderGeschichtederPhilologiewarenderselben gemeineodervölligspezialisierte Lexika und Nachschlage- Logik zufolge die Ära der Kirchenväter, die europäische werke zu konsultieren. Auf der einen Seite findet man Renaissance (inderdieHumanistenzurBildungundzuden Definitionen des Worts »Philologie«, die auf die etymolo- Texten der klassischen Antike zurückkehren wollten) und gische Bedeutung »Begeisterung fürs Wort« zurückgehen die im neunzehntenJahrhundert aufkommende Romantik (mit ihrer Mittelalter-Schwärmerei). Zweitens, da die Phi- eeereps2002.Mitdensubjektivenundinstitutionel- lologieaus derHinwendungzu einer textuellenVergangen- eneration vonLiteraturwissenschaftlernbe- DoTTafheelychacneoineEG»HistoriansofLitera—tWuhreere eee TSREeasie e . ; i ee eae aoe der gelchrienWissezschafien,Gelehrter, manistischeStudienzuEhrenvon chulz-Buschhaus,Miinchen: o idaesrheckfle. ’ Literat oder Literatur- Fink2002,S. 399-404 « Io Il https://pdfify.app/trial ——_ Sg nn NEN hEgeermitkoihtmtelurmvnoegrngudenehdnbt,aWkscuiieaeltruernhNtedloelen5nVVeernfrtaghlarneeVgnlOteeR8nhKhTöeeeixrrtne.teüan"bnZeu:ufJgddeaieibdeeesAerdiimnreBndartaieufisrf WdDeiosrVrttaen»rgzPahhnielgorelzonughideee«itmg—einamtlseeolilnedtkatissu,tew—llseatsneiRlnltadudiemristetdemenrsBHueecinhremmegenitwediusetsmike VkdeaiertmivoounltlusjentängneedrniTgeexDteo,dkiuemmuenitnestiinaealrsunndFgerrvaogneTenox!teeNn,=inlie‘3ferdtSeIrTenFSFsianasl-l ugdeansndgNdmeewritInTCeterxirttipecrnies.m*taAtiüonbnsltiacathlts,shaiceuhrf,mdweienieeIunetstiwspcaihraintgioednperräugTntdreamddiietUiomjen-- msuenhgreenrevonrilciehgtevnö(ldligiezuinsaihmrmereMngaenfnaißgtfa GMeesxctaltltprasenticrt wdieeilPigheinlolIongtiueitiiohnreSnelbgsrotbfieldr aInlstegrepdreutldeingezsuHvaenrldaswseernk, mhaitt gwesecrdhelangesnoellennObzriwg.inalfassung oder eininer für treseondveorrs- den Schliisselwerten Sachlichkeit, Objektivität und Ratio- wrdueenrrgKtvaloulslfltSezarwamicsmhctheluetnengndevVmoenrKsIinoenfno);rnmutnantdiisosnfeteranndneezdrdun,riÜeeibneKTerobxmrtümbceekinudtnieegn- nahwalailceblihmetät,i,tgdweakßau(sudltniieivcdsiheeosrbftHt.i‘ssahoVnegidreawrrüteebvnreoksrrhudeunarndrssddcWiheleeostenrztsdteeK»n)PösnRhnieoloerlgllneoibgeitimien«seiBchgehöercesahaicusghstt Lesern seiner historischen Zeit voraussetzt, und dem für jener akademischen Fächer spielen, die sich mit den chro- Leser einer späteren Epoche typischen Wissen, Die Identi- nologisch und kulturell besonders weit entfernten Ab- fizierungvonFragmenten, die Herausgabe vonTexten und schnitten der Vergangenheit befassen (wobei in jedem das Verfassen historischer Kommentare sind die drei phi- Einzelfall vorausgesetzt ist, daß wir zumindest über einige lologischen Grundtätigkeiten. Doch damit diese Tätigkei- Spuren einer schriftlichen Überlieferung verfügen, die | uns ten und das ihnen zugrunde liegende wissenschaftliche zu diesen Abschnitten der Vergangenheit zurückführen). Können zum Einsatz kommen, müssen wir über die drei Demnach ist die Philologie für die Assyriologie und die philologischen Grundfertigkeiten hinausgehen und voraus- ÄgyptologievonäußersterBedeutung;undvondenmeisten setzen, daß ein Bewußtsein von der historischen Differenz Wissenschaftlern, die sich mit der klassischen Antike be- zwischendenverschiedenenPerioden und Kulturender Ge- schäftigen, wird sie nach wievor als Kernkompetenz ange- schichte vorhanden ist — also die Fähigkeit zur Historisie- sehen. Außerdem ist die Philologie seit der Romantik stets rung. Außerdem setzt die Aktivierung dieser Fertigkeiten benutzt worden, um Texte aus dem Mittelalter zu rekon- (ganz unvermeidlich) die Absicht voraus, dieTexte und die | struieren, das den Ursprungskontext der diversen kulturel- Kulturen der Vergangenheit im institutionellen Rahmen len Nationaltraditionen bilden soll. derLehrezurAnwendungzubringen.Mit anderenWorten: Es fällt schwer, sich auszumalen, die Philologie könne ins Spiel kommen, wenn keine pädagogischen Ziele gegeben EEETHESE ein rudimentäres hi- 4Siche das Stichwort »filologia« in:GrandeDizionarioEnciclopedico, Die Identifizierung Turin: UTET 1987: »Die Grenzlinie, die Interpretation und Philologie und Wiederherstellung von TeTexxtten voneinander scheidet, ist schmal, aber klar.« 5 Siche Karl Uitti, »Philology«, in: Michael Groden und Martin Kreis- 3SichedieersteBegriffsbestimmungvon »filologia« in: Gran Enciclope- wirth (Hg.), TheJohnsHopkinsGuide to Literary Theoryand Criti- dia RIALP, Madrid: Ediciones RIALP | cism, Baltimore: Johns Hopkins University Press 1994, S. 567-573. 1972. 13 12 https://pdfify.app/trial ES U= le (2) und wie es schien, stand sie inWiderspruch zum Selbstbild derPhilologie als einem mühsamen (umnicht wissenschaftlichen Laufbahn zu sagen: Am Anfang meMxineedriäev;igisetniken also‘iin FachinrelativerNähe schweißtreibenden) geistigen Handwerk. Freilich war ich sztuarnpdhziwloalorgdisiechenTradition— ataesdemninr-oncihésdinairdFeicnh:Sminnit nwiachr.tSdoergeibrstteesBbeeoibspaicehlstewre,isdeemimdieRsaehmScehnicdhetrauAfugseefainllaenn- egienkigoemrmGeenwwiSäsee.hree,iteebinineBhuacuhptteibne,rdianiete»llMekatucehltled, eHerthaPiulohsillofoologrgdiiee«- dSeppräisttaeantnztitukikeneg euieinenme dlilbaibeseraraEleledieRreiRcnihchvtuonng,Tdeidxieteannesrkcehonnnt,sewitelcdheer schreiben, wenn es niBucche dieee intelle Bedeutung dem Vorstellungsvermögen des Herausgebers zu und später auch die Ermunterung gegebbenen haättet,es diHe bei der philologischen Rekonstruktion zukommt. Ich spür- rung der UniversitatHei- vdoenlbefürgnfvezrwainsscthaeltnet1e9n95Koulnlodqu1i9e9n9 aaunsging, 70 denen mich tFeokjeudsomche,inderaeidgaesneenveEnnttudeellckNuenugeinunddemPrEovinodkraunctke laamg, meinFreund,derAltertumsforscherGlenn Most, entgegen- daß es sich bei dieser Schicht der philologischen Kerntiatig- kommenderweise eingeladen hatte.Das Projekt, dasMost keiten nicht bloß um eine Ergänzung der Interpretations- vorschwebte, war eine neuerliche Auseinandersetzung mit arbeit an den jeweils erörterten Texten handelte.‘ Daher Altertumswissenschaft, also der Ge- der Geschichte der wollte ich die Andersheit der fraglichen Einstellungen und schichte seines eigenen Fachs. Thematisiert werden sollte Phänomene akzentuieren, indem ich sie unter den Begriff dabei die historische Entwicklung der fünf philologischen »Poetik der Philologie« subsumierte. Grundtatigkeiten: Sammeln von Fragmenten, Edition von Texten, Verfassen von Kommentaren, Historisierung und Lehre. Natürlich sollte diese auf mehreren Wegen unter- (3) nommene Rückkehr zu denTraditionen einer verehrungs- I wiirdigen akademischen Vergangenheit der Altertumswis- Schon bald kam ich allerdings zu der Einsicht, daß die senschaft als Fach Anregungen und Orientierungen für ihr Kennzeichnung derartiger Feststellungen mit Hilfe einer | künftiges Gedeihen liefern. Formel wie »Poetik der...« im Laufe des letzten Jahr- Als Fachfremder hatte ich den speziellen Auftrag, kon- | zehnts so konventionell geworden war, daß es, offen ge- trastierendes Material aus der Geschichte meiner eigenen | sagt,fade anmutete.’Als ich mirerneutGedanken iiberdie akademischen Gebiete und der entsprechenden Facher bei- Wahl des Ausdrucks machte, begann ich auch zu verstehen, zusteuern, also Material aus der Geschichte der romanisti- | daßderBegriff»Poetik« einegewisseRegelmäßig—kuenidt schen, der germanistischen und der vergleichenden Litera- vielleicht sogareine gewisseVorhersagbarkeit—beinhaltet, turwissenschaft. Aber trotz allerbester Absichten wurde die gar nicht zum Charakter meiner Entdeckung paßte. ich alsbald abgelenkt und steuerte in eine andere Richtung. | WasmichbeiderfürGlennMostsHeidelbergerKolloquien 6 Eine gegenteilige Meinung wird in demArtikel»Filologia« der Enci- clopediaHispanica(Barcelona:EncyclopediaBritannica 1994/95)ver- vorgenommenen AnalyYse der phhiilloolologgisicshcehnen KKerntaattgiokkei- treten: »Der Philologe ist bemüht,den SinneinesTexts zu analysieren tenzunehmend fasz*inierte, war eine bestimmte Schichtdes und diesenText gleichzeitig zu interpretieren.« Engagements seitens der beteiligten Wissenschaftler. Viel- 7 Daß es mir gelang, mich von dieser Formulierung freizumachen, ver- leicht war es eine vorbewußte Schicht des Engagements, danke ich Willis Regier, der sich gegen diesen Ausdruck sträubte. 15 14 https://pdfify.app/trial we A >» VERS UARu PPBROS rar hatteich eigentlichsince hinausgehen wird. Und in jedem Einzelfall scheint dieser Aberwas schließlich dahin, fat! ahrg Wunsch den Körper des Philologen heraufzubeschwören kMaamchticdher Philologie« zu nennen? und zusammenmitdem K6rper des Philologen eine raum- Ugmebednie, lmänögcshtteübicehrfzäullnigäechAsnttSwoertteau!:‘daieeaseDmoppeolfcaMager wliicshseeDnismcehnasftiloicnh,erdiePraaxuifsdeimn eBrsetreenicBhlicdkerjeGdeerisFteosrwmissveonn- zguemeinte BedeutungdesBegriffs »Mac N ireenetat ist schaftenfremd zu sein scheint. Was ich unter der Uber- jener Bedeutung,dieMichel Foucau fc ieee Ort ge- schrift »Die Machtder Philologie« thematisieren möchte, von gsecbheanftlhearnt—unuendinginesdcehrraesnkstiecrh PdeorpzueliatruitnättererfrGeeuits,tesImwissGeen-- hSaetlbismtbRildashmdeernpdheilsoloofgfiizsicehlleennParkaaxdisegmeiswcihßednenBiSldtastuusndeindeesr gensatzzu Foucaultglaube ich,daßwir das Spezifischedes sprengenden Kraft. Dennoch halte ich es für völlig ange- Begriffs »Macht« verfehlen,solangewirmitdem Gebrauch messen zu sagen, daß derartige Wünsche von der philolo- desWortsinnerhalbdercartesianischenGrenzenderStruk- gischen Arbeit »heraufbeschworen« werden — denn diese turen, der Produktion und der Verwendungsweisen des Wünsche werden unvermeidlich und unabhängig von den Wissens bleiben. Nach meinem Gegenvorschlag sollte man Absichten des einzelnen Philologen in Erscheinung treten. die Macht als das »Potential zur Besetzung oder Versper- Und was genau ist der Bezugsgegenstand dieser Wünsche rung von Räumen mit Hilfe von Körpern« definieren. und dieses Sehnens? Ich habe den Eindruck, daß alle phi- Indem ich hier von einem »Potential« spreche, ist implizit lologischen Tätigkeiten in jeweils unterschiedlicher Weise ? gesagt, daß Macht — und zwar sogar der aktive politische Wünschenach Präsenz erzeugen,*Wünschenach einerphy- Einsatz von Macht — nicht immer Gewalt auslösen muß sischen und räumlich vermittelten Beziehung zu den Din- (Gewalt hieße natürlich, daß die Macht als Potential um- gen der Welt (zu denen auch Texte gehören) — und daß gewandelt und tatsachlich ausgeiibt wird). In meiner Aus- dieser Wunsch nach Präsenz in der Tat die Grundlage ist, | sage ist lediglich mitgemeint, daf die Macht, wie vielfältig auf der die Philologie Wirkungen der Greifbarkeit (und sie auch vermittelt sein mag, stets auf physischer Überle- manchmal sogar die Realität von etwas Greifbarem) her- genheit basieren muß und daher unweigerlich heteronom vorrufen kann. ist im Verhältnis zu allem, was als strukturelles Merkmal In Gesprächen mit dem britischen Kunsthistoriker Ste- oder Inhalt des menschlichen Geistes angesehen werden phen Bann ist mir zum erstenmal aufgegangen, wie es kann. möglich ist, daß materielle Bruchstücke kultureller Arte- Das ist jedoch noch keine Antwort auf die andere, die fakte aus der Vergangenheit einen realen Wunsch nach entscheidende Frage, nämlich die Frage, wie die Praktiken Besitz und nach wirklicher Präsenz auslösen — einen der Philologie auf nichtmetaphorische Weise zum Begriff Wunsch,dertatsächlich beinahedieEbeneeinesphysischen der Macht (und zum Begriff der Gewalt) in Beziehung ge- setzt werden können. Was ich in den philologischenTätig- keiteon —ealsSdeeriteen v—erabmorgWeneer,klesbeehen,digiset ueninde wAarhtrhvaofnt | 8 DPhasilolisotgidei«emPeeirnspdeekmtivneä,chasutsedrersmcehineeEisBnsuaceyhsenürbgdeärnezdeisen:»TMheacPhotwdeersr fieunasc eTE efi eAuÄSerungsformstetsü-ber 0=;WhatResijstsMeaniing,Stanford:;StanfordUnivveenrsdityPress ngen der philologischen Praktiken 16 17 https://pdfify.app/trial N Pp : rae ee Seis erreicht.” Das ears stinde nie ganz einbüßen können. Die meisten dieser TSveCehHxrWwwtsaöhnretdredaelunnf,,Wauunucdnhsdcdi“serehesnneraUcWrhhueVnbesecrrkhödkreepasenvrnuesnrickhöhrpiinneidarstedans BTeBogergecehshrzeun visinnecddhresewcmohrieesdnieenwveoennrdAedrntee,nnapdPuepcshhilVdoelioer8glaisnKcghreeannfstdTnäeaticgrhikgeIkiPtmeernäiatsegeninnzahtebeiorrranianuugftdebbeenes-, verkörpern. DasVerfassen rePaar nienrersncied Philologen ins Spiel. Daß dieImagination und das Verlan- vgolenicehinaeumfdVieeernlatnsgperencnhaecnhdeÜbDerfluEß Sgerr%icehen;adraias sichriczchhu- ggeesnchnieahcht kePirnäessewnzeggslezicuhfäzleligit.igDeznunmalVsoVrsecrmheöingenkommen, Ränder,die — unseres tdeetn, dT.ehx.tauumfgdeiebelene.rHenistorisierungbeaczauna 6Oba) ‘iey | Gcheaisistechseisst—duienVdodrassteilmlupnlgizsiekrrta,fdteaßtwsaiesinvesrpgeleziicfihsscwheerisNeäAhre- vaolsnoGinegDeninsgtäen,ddeniedDerisVtaenrzgahnegrsetnehleleitninunsda,krzaugéleic:h;adeten, zu vielfaltigen Funktionen des menschlichen Kérpers steht. Wunsch nach Berührung auslösen.Dierichtig verstandene und erfolgreiche akademischeLehre schließlich fordert (4) vom Dozenten, daß er es unterläßt, jeden Inhalt und jedes Phänomen des Unterrichts in einen schon vorher analysier- Überraschenderweise — um nicht zu sagen: seltsamerweise ten und interpretierten Gegenstand zu verwandeln — was — könnte man auch behaupten: Zwischen Geist-Effekten wiederumbedeutet,daßdieseInhalteunddiesePhänomene und Präsenz-Effekten vermögen die philologischen Tätig- als Herausforderungen im Bereich der ungezügelten Kom- keiten Spannungen, Störungen und Oszillationen auszulö- 7 plexität verbleiben und ihren Status als physische Gegen- | sen, und diese Ambiguitäten kommen, was ihre Struktur und ihre Auswirkung betrifft, in die Nähe heutiger Defini- 9 Geradedieser Aspekt war es, der denTitel derfrühesten Fassung des tionen der ästhetischen Erfahrung.'® DieVerknüpfung jleicthzigheienßKdaiepsiteerlsTe»xDtas»ESaatmYmoeulrnFvroangmFreangt«m,eanbtegne«dnrauhcketleing:teG.UlernsnprMiinogst- Philologie und dsthetischer Erfahrung wird zwar die Evonnt- (Hg.), Collecting Fragments/Fragmente sammeln, Gottingen: Vanden- fremduna:gvom herkömmlichen Begriffund vom heckémm- hoeckund Ruprecht 1997,. 315-327.DieTitel meiner folgenden vier li7chen Bild derPh:ilologi.e verstäirken, aber dennoch .ist di.es BeiträgezudenAktenderHeidelbergerKolloquien hielten sichan das gewiß nicht jener eine Aspekt meiner Reflexionen überdie gleiche syntaktische Muster: »Play Your Roles Tactfully! About the Macht der Philologie, der mich im höchsten Grade faszi- ParnagctmoeatTichseoofrTye«x,ti-nE:dGitilnengn,thMeoDsets(irHegf.o),rEIddeitnintigficTaetixotns)TaenxdtethedRieenseisnt,- niert. Was mich im vorliegenden Buch am meisten interes- GMöatrtginingse!nA:VbaonudteCnohmoemceknutandryRaundprCecohptia1«9,9i8n,:SG.l2e3n7n-2M50o;st»F(HillgU.)p,CYoomur- sniiecrht,tmi.nstinedrpnreetuaetivua enMdöaglatelicrnhaktievietieMnö—gldicehskUemitegnan—gsvomri:atklleuml- mentaries/Kommentare, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1999, turellen Objekten (wobei sich aber natürlich jede Leserin SML.o4v4e3s-o4E5f3H5is»tToarkiEceizaaStiotenp«oB,acink:—eGalenndnTMuunrondstARw(uHapgyre.)cF,hrHotmi2s0tD0o1rei,caSitzh.a!3tO6io5nn-3/tH7h5ei-; WuwneiedgicjzehudhegorefhfLeee,nsa)e.urcMfhreiitni kfeüuinhlteluerrneAlrlsetonullnteGd,eWbgeeeiinssedteäurnmdLgeeenkhtekünare,ndneieimgseaincnhe, Profession: ¢Untimely!WhatClassicalPhilologyas a Classics/AClteorutuldm(sHwaisvsee)nBsecchoamftes, in: Glenn Most (Hg.), Disciplin- iunngd Ruprecht2002,S2,53-269. als Beruf,Göttingen: Vandenhoeck | 10seZnucedi.esem Aspekt siehe Kapitel 3 meines Buchs The Powers ofPre- 18 19 https://pdfify.app/trial m |a NA, = © hs ee dem weitreichendpeneaSseN aeinecr he sBpeezifiisstchi»gSeicshteasttweins- diskutieren, wäre es wohl bei diesem ersten Impuls geblie- senschaftlichen« entmaterialisierenden Wis. ben. Willis Regier, Trina Marmarelli und Valdei Lopes de jener ihreBezugsgegenst deneneineThematisierun»g der Araujo haben mich tiberzeugt, daf sich aus den Essays ein senschaftenvomGeiste«, 11+‘hlichen Kérper-Engagements kleines Buch machen ließ. Doch wenn ich nicht seit den diversen Formen des eeKaltureller ErfahrungeineRol. frühen siebzigerJahren ein Bewundererundgelegentlicher dleiespbieeilevne,rsschieedenen ArtersiWeans die philologWisücnhsecnheTFatiigl- sHeönrewradrees, ghräotßteennaAllletphdiielosleogIneintiaMtivaennfreudndFuEhrrmmuatnignugnegween- Präsenz- keit) EN uate nichts gefruchtet. FE sind schließlich Reaktionen, Philologen heraufbes Das kleine Buch i2st Saragewi.dmet: in Eerrinnerung an die die kaum in irgendeinenoffizaiellen SeIblhsstbtberu der Aakde: Macht dervielen Postkarten undBriefe, die mirdie Gegen- mischen Geisteswissenschaften hineinppesenseImaciesern wart meinergroßenTochtergeschenkt undbewahrthaben. programmatischer Hinsicht Sinne könnte ein selbst in ge- Maximalabstand vom disziplinaren Selbstbild wdeornnPehnileorlogie der Auftakt sein zumEntstehen (und wo- i möglich sogar zum Erschaffen) eines neuen intellektuellen Stils. Das wäre ein Stil, der auch noch jene Grenzen der Geisteswissenschaften in Frage stellen könnte, die daher rühren, daß sie während der Jahrzehnte um 1900 in das Paradigma der Hermeneutik eingeschrieben wurden (was 2 zugleich ihre Verankerung im metaphysischen Erbe der abendlindischen Philosophie bedeutete).'' Die Anerken- / nungderMachtder Philologie im Kontext dieser akademi- schen Tradition und manchmal dieser Tradition zum — Trotz gleicht dem Genußeines sprengenden und faszinie- — renden, eines wunderschönen und intellektuell herausfor- dernden Feuerwerks mit all seinen special effects. em Wie ich schon erwähnt habe, wäre dieses Buch ohne das vielleicht unverdiente Vertrauen, das mein Freund Glenn Most in mich gesetzt hatte, nicht einmal als Projekt ent- standen, Aber ohne die Zeit, die sich Miguel Tamen und JoshuaLandynahmen,ummitmirin meinem Büro in Stan- ford über erste Skizzen noch sehr tentativer Essays zu 11 Sicheebd., Kapitel 2. 21 20 https://pdfify.app/trial