Orbis Biblicus et Orientalis 141 Joachim Friedrich Quack Die Lehren des Ani Ein neuägyptischer Weisheitstext in seinem kulturellen Umfeld Universitätsverlag Freiburg Schweiz Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Quack, Joachim Friedrich: Die Lehren des Ani: ein neuägyptischer Weisheitstext in seinem kulturellen Umfeld / Joachim Friedrich Quack. - Freiburg, Schweiz: Univ.-Verl.; Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 19 94 (Orbis biblicus et orientalis; 141) ISBN 3-525-53776-X (Vandenhoeck & Ruprecht) ISBN 3-7278-0984-1 (Univ.-Verl.) NE: Die Lehren des Ani; GT Die Druckvorlagen wurden vom Verfasser als reprofertige Dokumente zur Verfügung gestellt © 1994 by Universitätsverlag Freiburg Schweiz Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen Paulusdruckerei Freiburg Schweiz ISBN 3-7278-0984-1 (Universitätsverlag) ISBN 3-525-53776-X (Vandenhoeck & Ruprecht) Digitalisat erstellt durch Flurin Baumgartner, Religionswissenschaftliches Seminar, Universität Zürich far Mareile VII Inhaltsverzeichnis Vorwort ................. . . IX 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Handschriften, Textgeschichte und Editionsfragen . 5 2.1 Die Textzeugen . . . . . . . 5 2.2 Zur Textkritik . . . . . . . . . . . . 13 2.3 Beispiele offener Überlieferung 18 2.4 Bemerkungen über Textfehler . 23 2.5 Zur Technik der vorliegenden Edition . 26 3 Zur Grammatik des Textes . . . . 29 3.1 Vorbemerkungen .... . . 29 3.2 Der Sprachgebrauch .. 32 3.2.1 Determinierung . 32 3.2.2 Suffixe und Possessivartikel 35 3.2.3 Nominalsätze . . . . . . 36 3.2.4 Morphologie und Syntax des Verbums 38 3.2.5 Zur Schreibung bestimmter Verben .... 46 3.2.6 Ausdrücke der Nichtexistenz 46 3.3 Zur Übersetzungstheorie . 47 4 Zur Orthographie des pBoulaq 4 . 51 5 Bemerkungen zum Textganzen . . 61 5 .1 Die Entstehungszeit . . . . . . . . 61 5 .2 Zur Kompositionstechnik des Textes 62 5.3 Zur Formkritik des Werkes 65 5 .4 Zur Metrik des Textes . 67 5.5 Zur Weltsicht des Textes . ... 71 5.5.l Frömmigkeit . . . 71 5.5.2 Verhalten im Leben 75 5 .5 .3 Synthese . . . . . ...... 77 5.6 Zielgruppe und Intention 79 6 Transkription und Übersetzung . . 82 6.1 Titel . . . . . .... .... 82 6.2 Handschrift B . . . . . . 84 6.2 Handschrift D . 128 6.3 Handschrift G .. 142 6.4 Handschrift L . 146 7 Kommentar . . . . 148 8 lnnerägyptische Abhängigkeiten . 194 8.1 Vorbemerkungen 194 8.2 Djedefuor 195 8.3 Ptahhotep 195 VIII 8.4 Die Prophezeiung des Neferti . . . . . . . . . . 197 8.5 Die Lehre eines Mannes für seinen Sohn .. 198 8.6 Die Miscellanies 199 8.7 Der pBeatty IV verso 200 8.8 Amenemope . . . . 201 8.9 Anchscheschonqi .. 203 8.10 Der Papyrus lnsinger 204 8.11 Fazit . . . . . . . . 205 9 Internationale Weisheitsbeziehungen 206 9 .1 Methodische Vorbemerkungen . . 206 9.2 Kulturkontakte des Neuen Reiches 207 9.3 Einzelfälle . . . . . . 212 9.3.1 Die fremde Frau . . . . . . 212 9.3.2 Der Streit der Menge . . . .. 215 9.3.3 Die dialogische Struktur des Schlusses . . 217 9.3.4 Lulµnän und die Ehrung der Mutter . . . . 219 10 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . 221 11 Register . . . . . . . . . . . . . . 264 11.1 Zitierte Textstellen . . 264 11.1.1 Ägyptische Texte . 264 11.1.2 Sumerische Texte 273 11.1.3 Akkadische Texte . 273 11.1.4 Biblische Texte . . 273 11.1.5 U garitische Texte . 274 11.1.6 Aramäische Texte . 274 11.1.7 Arabische Texte 274 11.1.8 Griechische Texte . 274 11.2 Zu korrigierende Wörterbucheinträge . 274 11.3 Sachregister (zu Kapitel 5 und 7) . . . . 275 Hieroglyphische Transkription . 277 Tafeln 1-2 IX Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde der Fakultät für Kulturwissenschaften der Eber hard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation vorgelegt; Termin der mündli chen Prüfung war der 28. 6. 1993. Für den Druck wurde sie durchgesehen und um Hinweise auf neuerschienene Literatur erweitert. Die Anregung zur Beschäf tigung mit den Lehren des Ani geht auf eine Übersetzungsübung im WS 1987/ 88 unter Leitung von Frau Privat-Doz. (jetzt Prof.) W. Guglielmi zurück. Die schon damals offensichtiliche Tatsache, daß im Verständnis über die bisherigen Be arbeiter hinaus erhebliche Fortschritte möglich sind, hat mich zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Werk geführt. Bereits während meines Paris-Aufenthaltes 1988/89 habe ich einiges Material gesammelt sowie die Handschrift G am Ori ginal kollationieren können. Herrn J.-L. de Cenival, damals Conservateur en chef der ägyptischen Sammlung des Musee du Louvre, und seinen Mitarbeitern danke ich für die mir gewährten günstigen Arbeitsmöglichkeiten und die Erlaubnis, Photographien des Papyrus publizieren zu dürfen. Nachdem durch meine Magisterarbeit zunächst eine Unterbrechung eingetreten war, habe ich diese Arbeit ab 1991 als Dissertationsprojekt weitergeführt. Herrn Privat-Doz. G. Burkhard, der sich ebenfalls für das Thema interessiert hat, danke ich für den zu meinen Gunsten erfolgten Verzicht auf eine eigene Bearbeitung. Herr Prof. P. Frandsen und Frau B. Holmen verhalfen mir zu Kopien der im Carlsberg-Institut, Kopenhagen, aufbewahrten alten Photographien des Papyrus Boulaq 4. Die Breuninger-Stiftung, Stuttgart, ermöglichte mir durch ein Reise stipendium die Kollationierung des Originals im ägyptischen Museum Kairo . . Herr M. Mohsen, damals Leiter des Ägyptischen Museums Kairo, und A. Mah mud, Chief of the New Kingdom Section, und seine Mitarbeiter verschafften mir auf unkompliziertem Weg Zugang zum Payrus, der gegenwärtig im Obergeschoß des Museums in Raum 29 ausgestellt ist. Besonders zu Dank verpflichtet bin ich Prof. Ch. Eyre, der mir eine Kopie seiner im Manuskript befindlichen Bearbeitung des Haremhab-Fragmentes zur Verfügung stellte und mit mir brieflich verschiedene Fragen diskutierte. Auch wenn es aufgrund der ablehnenden Haltung der Egypt Exploration Society nicht möglich war, diesen Text im wünschenswerten Umfang heranzuziehen, habe ich doch von Eyres Bemerkungen profitieren können. Herrn Privat-Doz. M. Krebemik, München, danke ich für seine Hilfsbereit schaft bei der sumerischen Lehre des Suruppag, Herrn R. Schäfer für nützliche Hinweise zu den hebräischen Proverbien. Herr Dr. H. Buchberger ermöglichte mir, aus seiner Dissertation bereits während der Drucklegung zu zitieren, und war auch sonst stets diskussionsbereit. Danken möchte ich insbesondere den Betreuern dieser Arbeit, Herrn Prof. W. Schenkel und Frau Prof. W. Guglielmi, die bei allen Fragen ein offenes Ohr hatten. Die Studienstiftung des Deutschen Volkes hat mir durch ihre Förderung Studium und Promotion erheblich erleichtert. X Beim Lesen der Korrekturen wurde ich von verschiedenen Kommilitonen un terstützt. Besonders hervorheben möchte ich Herrn M. Flender, dem ich auch einige Hinweise zu Kapitel 9 verdanke. Der Text wurde mit dem am Zentrum für Datenverarbeitung der Universität Tübingen entwickelten Programmsystem TUSTEP zum Druck vorbereitet. Der Leiter der Abteilung für literarische und dokumentarische Datenverarbeitung, Herr Prof. W. Ott, hat durch seine techni sche Beratung und Unterstützung erheblich zum Gelingen des Buches beigetra gen. Dem Herausgeber der Reihe Orbis Biblicus et Orientalis, Herrn Prof. 0. Keel, danke ich für seine Bereitschaft, die vorliegende Arbeit zum Druck anzu nehmen. Tübingen, März 1994 1 Einleitung Der in dieser Arbeit zu behandelnde literarische Text hat in der Neuzeit ein ungewöhnliches Schicksal erlebt. Obwohl er schon im 19. Jahrhundert bekannt war und damals häufig bearbeitet wurde, ist seine Erforschung im 20. Jahrhundert ins Stocken geraten, so daß bisher noch nicht einmal eine zuverlässige Textaus gabe, geschweige denn eine gesicherte Übersetzung erschienen ist. Nachdem die bis heute vollständigste und deshalb als Basistext dienende Handschrift des pBoulaq 4 der Wissenschaft bekannt wurde, hat sich DE ROUGE eingehend mit ihr beschäftigt. Bereits 1861 veröffentlicht er in Übersetzung eini ge Passagen, die direkt vom damals noch unveröffentlichten Original abge schrieben sind (DE ROUGE 1861: 18f.) Auf MARIETTEs Publikation des gesamten Textes in Faksimile (MARIETTE 1871: Pl. 15-23) läßt DE ROUGE dann eine voll ständige, wenn auch unkommentierte Übersetzung folgen (DE ROUGE 1872), für die er auch MASPEROs (1871: 386) Teilübersetzung heranzieht. Gleichzeitig ver öffentlicht BRUGSCH (1872) im Rahmen eines Vortrags größere Auszüge des Textes, deren Übersetzung bereits einige Fortschritte im Textverständnis zeigt. Es folgt die monumentale Bearbeitung von CHABAS (1876-78) im Rahmen seiner Zeitschrift L'Egyptologie, die in scharfer Auseinandersetzung mit DE Rou GE entsteht und als frühes Beispiel der ausführlichen philologischen Bearbeitung eines umfangreichen und schwierigen Textes wissenschaftsgeschichtlich sehr in teressant ist. Der von CHABAS gegebene Titel »Les maximes du scribe Anii« ist, meist in der Form »Les maximes d' Anii«, üblich geworden. Eine weitere vollständige Transkription und Übersetzung bringt AMELINEAU (1892) heraus. Obwohl der philologische Kommentar nicht sehr tiefgründig ist und wenig Fortschritte im Textverständnis erzielt werden, sind einige Bemerkun gen vor allem in der Einleitung dieses heute fast vergessenen Werkes wissen schaftsgeschichtlich bemerkenswert. So stellt AMELINEAU (1892: VI-XI) wohl als erster die These auf, die ägyptischen Weisheitstexte seien nicht von den im Titel genannten Autoren verfaßt, sondern pseudepigraphische Werke. Ferner betont er, in entschiedenem Gegensatz zu REVILLOUT, den seiner Meinung nach weitge hend utilitaristischen Charakter der ägyptischen Weisheit (AMELINEAU 1892: XVII-LVII). Nur am Rande erwähnt sei, daß er aufgrund einer verfehlten gram matischen Theorie Chonshotep zum Vater des Ani machen will (AMELINEAU 1892: Vllf. u. 214f.) Nachdem RANKE (1909: 203) nur wenige Exzerpte übersetzt hatte, liefert ER MAN (1923: 294-302) die erste moderne Gesamtübersetzung des Textes, die nicht nur erhebliche Fortschritte im Verständnis bringt, sondern mit ihren vielen ausge lassenen bzw. als unsicher gekennzeichneten Stellen die erheblichen Probleme bei der Bearbeitung des Textes zeigt. Unabhängig von ERMAN entsteht die voll ständige, aber unzuverlässige Übersetzung von BUDGE (1924: 235-250). Relativ eingehend hat sich in dieser Zeit LEXA mit dem Text beschäftigt. Schon im 2 Einleitung Rahmen seiner Kommentierung des plnsinger zitiert er längere Ani-Passagen (LEXA 1926: IV, 99-103), in denen er u.a. Monotheismus und Einflüsse des großen Atonhymnus finden will. 1929 veröffentlicht er eine vollständige Über setzung, die aber fast unbekannt bleibt, wohl weil das Buch tschechisch ge schrieben ist, obwohl die Ani-Übersetzung auch in einer französischen Fassung gegeben wird (LEXA 1929: 95-105). Schließlich kommt es zur nach CHABAS und AMELINEAU ersten philologischen Gesamtbearbeitung des Textes durch SUYS (1935). SUYS kann dabei neben dem pBoulaq 4 auch den von MORET (1929) entdeckten Guimet-Papyrus (heute im Louvre) heranziehen. Dieses Werk hat, da es bis heute nicht ersetzt ist, einen erheblichen Einfluß auf spätere Übersetzer ausgeübt, vermag jedoch weder pa läographisch noch philologisch die Erwartungen zu erfüllen. Einen erheblichen Fortschritt in Transkription und Übersetzung bringt die Teil bearbeitung des Textes durch VOLTEN (1937). Abgesehen davon, daß VOLTEN nur Teile des Textes übersetzt, liegt der Hauptmangel dieser Bearbeitung darin, daß VOLTEN den Text vielfach sehr phantasievoll, aber ohne wirkliche Notwendigkeit emendiert. Auch diese Bearbeitung hat auf spätere Übersetzer stark eingewirkt und ist oft fast wörtlich übernommen worden. Nach VOLTENs Veröffentlichung ist die eigentlich notwendige ausführliche wissenschaftliche Diskussion weitgehend ausgeblieben. Dafür können drei Ur sachen vermutet werden. Die erste ist die von SUYS (1935: XII) vertretene Mei nung, die Lehren des Ani seien kein sonderlich interessantes Werk. Die zweite, erheblich wichtigere, dürfte in den philologischen Problemen des Textes liegen. Die von VOLTEN angenommenen erheblichen Korruptelen und der scheinbar un geheure Scharfsinn, der zu ihrer Emendierung nötig schien, dürften weitere Be arbeiter abgeschreckt haben. Als drittes kommt hinzu, daß in der Ägyptologie gegenüber dem Kenntnisstand des 19. Jahrhunderts zusätzliche Weisheitstexte erschlossen wurden, die das Interesse der Forscher auf sich gezogen haben. Seither werden zwar Ani-Passagen im Zusammenhang anderer Studien zitiert (besonders die Warnung vor Ehebruch, die Passage über die Unbeständigkeit des Lebens und der Schlußdialog), eigenständige philologische Bearbeitungen finden sich jedoch selten. Beispielhaft erwähnen kann man GARDINER (1959), der an einer ausgewählten Maxime zeigt, wie sehr man über die Bearbeitungen von SUYS und VoL TEN hinauskommen kann. Besonders um den Text verdient gemacht hat sich POSENER, der neben der Veröffentlichung neuer Handschriften auch wichtige Fortschritte im Verständnis einzelner Passagen erarbeitet hat (POSENER 1963b: 99f; 1964: 37f.; 1981). Leider hat er nie eine vollständige Publikation vorgelegt. Erwähnen kann man auch die allerdings mehr auf inhaltliche als auf philologische Fragen zielenden Studien von EYRE (1976) und BRUNNER (1980). Der in neuester Zeit erschienene Aufsatz von BARTA (1991) ist trotz seines oft zweifelhaften Textverständnisses durch die vielen mitgeteilten Lesarten des Saqqara-Fragments nützlich. Offenbar angeregt