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Die Krise der Revolutionstheorie. Negative Vergesellschaftung und Arbeitsmetaphysik bei Herbert Marcuse PDF

244 Pages·1977·11.473 MB·German
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Stefan Breuer Die Krise der Revolutionstheorie Negative Vergesellschaftung 11 nd Arbeitsmetaphysik bei Herbert Marcuse Die gegen Ende der Studentenbewegung formulierte Parole »Von Mar- cuse zu Marx« hat ihre (z. T. heilsame, z. T. verheerende) Wirkung getan. Die Theorie Marcuses ist aus einem Gegenstand kollektiver Lekture zum Objekt hermeneutischer Forschung geworden, eingegliedert in die Schein-Kontinuitàt einer Geistesgeschichte, gegen die sie stets polemi- siert hatte. Gerade aus dieser Geistesgeschichte, aber eher aus ihren Brii- chen, muB sie verstanden werden, denn sie zehrt bei ihrer Selbstkritik des Historischen Materialismus von dem gesellschaftlichen Gehalt, der in die Spátformen des biirgerlichen Denkens ais einer «Geschichte der Unter- driickung und Formierung von Erfahrung« eingegangen ist. Hieraus er- wachsen die VerheiBungen, aber auch die Aporien des auf die gesell- schaftlichen Entwicklungen so empfindlich reagierenden Denkens von Marcuse. Breuer stellt es in die doppelte Perspektive der durch die Marx- sche Wertlehre obsolet gewordenen marxistischen Revolutionstheorie und des vom franzõsischen Strukturalismus erhobenen Subjektivismus- Vorwurfs gegen die biirgerliche Philosophie. Stefan Breuer, geboren 1948 in Eisenach, studierte in Mainz, Miinchen und Berlin Philosophie, Politologie und Geschichte. Mit der vorliegenden Arbeit promovierte er 1976 im Fachbereich Politische Wissenschaft der FU Berlin. Er arbeitet ais wissenschaftlicher Assistent an der TU Hanno- Syndikat ver. Stefan Breuer Die Krise der Revolutionstheorie Negative Vergesellschaftung 11 nd Arbeitsmetaphysik bei Herbert Marcuse Die gegen Ende der Studentenbewegung formulierte Parole »Von Mar- cuse zu Marx« hat ihre (z. T. heilsame, z. T. verheerende) Wirkung getan. Die Theorie Marcuses ist aus einem Gegenstand kollektiver Lekture zum Objekt hermeneutischer Forschung geworden, eingegliedert in die Schein-Kontinuitàt einer Geistesgeschichte, gegen die sie stets polemi- siert hatte. Gerade aus dieser Geistesgeschichte, aber eher aus ihren Brii- chen, muB sie verstanden werden, denn sie zehrt bei ihrer Selbstkritik des Historischen Materialismus von dem gesellschaftlichen Gehalt, der in die Spátformen des biirgerlichen Denkens ais einer «Geschichte der Unter- driickung und Formierung von Erfahrung« eingegangen ist. Hieraus er- wachsen die VerheiBungen, aber auch die Aporien des auf die gesell- schaftlichen Entwicklungen so empfindlich reagierenden Denkens von Marcuse. Breuer stellt es in die doppelte Perspektive der durch die Marx- sche Wertlehre obsolet gewordenen marxistischen Revolutionstheorie und des vom franzõsischen Strukturalismus erhobenen Subjektivismus- Vorwurfs gegen die biirgerliche Philosophie. Stefan Breuer, geboren 1948 in Eisenach, studierte in Mainz, Miinchen und Berlin Philosophie, Politologie und Geschichte. Mit der vorliegenden Arbeit promovierte er 1976 im Fachbereich Politische Wissenschaft der FU Berlin. Er arbeitet ais wissenschaftlicher Assistent an der TU Hanno- Syndikat ver. Inhalt Der vorliegende Text ist die iiberarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommer 1976 vom Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universitàt Berlin angenommen wurde. Wolf-Dieter Narr, Hans-Dieter Bahr und Klaus-Dieter Oetzel danke ich fur die Anregungen und die Un- terstiitzung, die ich von ihnen erfahren habe. I (cid:149) iulcitung: Fiir eine neue Lektiire Marcuses 7 I. Verdinglichung und Pseudokonkretion 20 1. Die Krise des burgerlichen SelbstbewuBtseins . . . . 20 2. Marx und die Formen der gesellschaftlichen Syn- ,vJ thesis 33 1 3. Der Verfall der >groBen Methode< 50 4. Fetischismuskritik ais Affirmation: das Elend der spãtbúrgerlichen Kulturkritik 64 II. Idealismus und Wertabstraktion: Marcuse und die Aporien der historizistischen Revolutionstheorie . . . . 80 1. Der Aktivismus von 1918 und die Entstehung des >westlichen Marxismus< 80 2. Von der >Destruktion der Ontologie< zur Ontolo- gie der Destruktion: Marcuse, Heidegger und die Theorie der Geschichtlichkeit 96 3. Die >Rebellion der Vernunft< ; 118 III. Die eindimensionale Gesellschaft und die Krise der Kritik 146 1. Staatskapitalismus undVolksrevolution:Zur poli- tischen Okonomie des >Welfare and Warfare State< 146 2. Kritik der politischen Technologie 174 3. Das Ende der Utopie 203 SchluB: Revolutionstheorie ais Arbeitsmetaphysik. Kritik © Syndikat Autoren- und Verlagsgesellschaft, Frankfurt am Main 1977 cines falschen Versprechens 240 Alie Rechte vorbehalten Umschlag nach Entwiirfen von Rambow, Lienemeyer und van de Sand Anmerkungen 245 Motiv: Angelo Titonel, Zwei Versehrte, 1971 Literaturverzeichnis :..; 294 Satz und Druck: Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft, GieBen Bindung: Klemme und Bleimund, Bielefeld Printed in Germany ISBN 3-8108-0038-4 \Á Inhalt Der vorliegende Text ist die iiberarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommer 1976 vom Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universitàt Berlin angenommen wurde. Wolf-Dieter Narr, Hans-Dieter Bahr und Klaus-Dieter Oetzel danke ich fur die Anregungen und die Un- terstiitzung, die ich von ihnen erfahren habe. I (cid:149) iulcitung: Fiir eine neue Lektiire Marcuses 7 I. Verdinglichung und Pseudokonkretion 20 1. Die Krise des burgerlichen SelbstbewuBtseins . . . . 20 2. Marx und die Formen der gesellschaftlichen Syn- ,vJ thesis 33 1 3. Der Verfall der >groBen Methode< 50 4. Fetischismuskritik ais Affirmation: das Elend der spãtbúrgerlichen Kulturkritik 64 II. Idealismus und Wertabstraktion: Marcuse und die Aporien der historizistischen Revolutionstheorie . . . . 80 1. Der Aktivismus von 1918 und die Entstehung des >westlichen Marxismus< 80 2. Von der >Destruktion der Ontologie< zur Ontolo- gie der Destruktion: Marcuse, Heidegger und die Theorie der Geschichtlichkeit 96 3. Die >Rebellion der Vernunft< ; 118 III. Die eindimensionale Gesellschaft und die Krise der Kritik 146 1. Staatskapitalismus undVolksrevolution:Zur poli- tischen Okonomie des >Welfare and Warfare State< 146 2. Kritik der politischen Technologie 174 3. Das Ende der Utopie 203 SchluB: Revolutionstheorie ais Arbeitsmetaphysik. Kritik © Syndikat Autoren- und Verlagsgesellschaft, Frankfurt am Main 1977 cines falschen Versprechens 240 Alie Rechte vorbehalten Umschlag nach Entwiirfen von Rambow, Lienemeyer und van de Sand Anmerkungen 245 Motiv: Angelo Titonel, Zwei Versehrte, 1971 Literaturverzeichnis :..; 294 Satz und Druck: Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft, GieBen Bindung: Klemme und Bleimund, Bielefeld Printed in Germany ISBN 3-8108-0038-4 \Á Vr líinleitung hur eine neue Lektúre Marcuses Wer heute die Forderung nach einer neuen Lektúre Marcuses er- hebt, setzt sich dem Vorwurf aus, Vergangenes wiederholen, liingst TJberwundenes wieder zum Leben erwecken zu wollen. I )as Interesse an Marcuse, der gegen Ende der sechziger Jahre zu dcn meistbesprochenen und meistdiskutierten Autoren gehõrte, hiit nachgelassen, seine Theorie viel von ihrer urspriinglichen I'aszinationskraft verloren; mehr und mehr ist sie aus einem Ge- líenstand kollektiver Lektúre vor und wãhrend der Studentenbe- wcgung zum Objekt historisch-philologischer Forschung gewor- den, eingegliedert in die Schein-Kontinuitãt einer Geistesge- schichte, gegen die sie stets polemisiert hatte. Wãhrend in den von ihr und den Arbeiten Horkheimers und Adornos erõffneten Uahnen kaum noch ernsthafte Forschung betrieben wird, ist die kritische Distanzierung von ihren Aussagen auch fur diejenigen zum Obligatorium geworden, die kaum verleugnen kõnnen, was sie ihr verdanken. Der fachwissenschaftlichen Diskussion wegen ihrer diszipliniibergreifenden Fragestellungen ohnehin schon seit langem suspekt, den Empirikern nicht empirisch genug, den Aposteln von Klarheit und Eindeutigkeit zu wenig exakt, von mangelnder begrifflicher Prãzision, hat sie sich inzwischen auch gegeniiber denjenigen zu verteidigen, fúr die sie einstmals konzi- piert war. Horkheimers, Adornos und Marcuses Thesen, so der Tenor der Kritik, seien zu global, zu unverbindlich und schwe- bend; wo immer man eine biindige Antwort von ihnen erwarte, zõgen sie sich zuruck, seien úberhaupt auf nichts festzulegen. Ihre kritische Attitiide sei nur geborgt: ohne Bezug zur konkreten Wirklichkeit, denunziere diese Theorie die realen Bemuhungen um eine Veránderung des kritischen Weltzustands, lãhme durch ihren Kulturpessimismus den Willen der Revolutionáre. Da sie keinen Standpunkt habe, bleibe sie negativ, nur abstrakt-negie- 7 Vr líinleitung hur eine neue Lektúre Marcuses Wer heute die Forderung nach einer neuen Lektúre Marcuses er- hebt, setzt sich dem Vorwurf aus, Vergangenes wiederholen, liingst TJberwundenes wieder zum Leben erwecken zu wollen. I )as Interesse an Marcuse, der gegen Ende der sechziger Jahre zu dcn meistbesprochenen und meistdiskutierten Autoren gehõrte, hiit nachgelassen, seine Theorie viel von ihrer urspriinglichen I'aszinationskraft verloren; mehr und mehr ist sie aus einem Ge- líenstand kollektiver Lektúre vor und wãhrend der Studentenbe- wcgung zum Objekt historisch-philologischer Forschung gewor- den, eingegliedert in die Schein-Kontinuitãt einer Geistesge- schichte, gegen die sie stets polemisiert hatte. Wãhrend in den von ihr und den Arbeiten Horkheimers und Adornos erõffneten Uahnen kaum noch ernsthafte Forschung betrieben wird, ist die kritische Distanzierung von ihren Aussagen auch fur diejenigen zum Obligatorium geworden, die kaum verleugnen kõnnen, was sie ihr verdanken. Der fachwissenschaftlichen Diskussion wegen ihrer diszipliniibergreifenden Fragestellungen ohnehin schon seit langem suspekt, den Empirikern nicht empirisch genug, den Aposteln von Klarheit und Eindeutigkeit zu wenig exakt, von mangelnder begrifflicher Prãzision, hat sie sich inzwischen auch gegeniiber denjenigen zu verteidigen, fúr die sie einstmals konzi- piert war. Horkheimers, Adornos und Marcuses Thesen, so der Tenor der Kritik, seien zu global, zu unverbindlich und schwe- bend; wo immer man eine biindige Antwort von ihnen erwarte, zõgen sie sich zuruck, seien úberhaupt auf nichts festzulegen. Ihre kritische Attitiide sei nur geborgt: ohne Bezug zur konkreten Wirklichkeit, denunziere diese Theorie die realen Bemuhungen um eine Veránderung des kritischen Weltzustands, lãhme durch ihren Kulturpessimismus den Willen der Revolutionáre. Da sie keinen Standpunkt habe, bleibe sie negativ, nur abstrakt-negie- 7 rend; da ihr ein MaBstab fehle, kõnne sie nichts anderes hervor- iiberhaupt nicht in den Begriffen einer Subjekt-Objekt-Relation bringen ais unendliche Paraphrasierungen ihrer selbst - Para- crfaBbaren Strukturen der Wirklichkeit verdunkelt und der Kri- phrasierungen einer Hoffnungslosigkeit, deren Wurzel nicht in lik entzogen. >Der Mensch<, von dem in den existentialistischen den gesamtgesellschaftlichen Verháltnissen zu suchen sei, son- und hegelianisierenden Marx-Interpretationen so unablàssig die dem nur im ausweglosen Kreisen des biirgerlichen Intellektuel- Rede sei, sei nicht der MaBstab des Seienden, sondem eine sehr len um seine eigene Malaise. «junge Erfindung«\e »Gestalt zwischen zwei Seinsweisen der Gravierender noch ais diese Vorwúrfe, die sich durch eine griind- Sprache« ; er habe sich konstituiert in den Zwischenrãumen 2 lichere Lektiire vielleicht ausràumen oder relativieren lieBen, zweier Formen der >episteme<, von denen die eine vergangen sei, «.lie andere sich dagegen noch nicht entwickelt habe; er sei consti- sind jedoch die Briiche und Umstrukturierungen, die im zeitge- lutum, nicht constituens, und in der Analyse der õkonomischen, nõssischen Denken stattgefunden und eine BewuBtseinslage her- vorgebracht haben, dergegeniiber die kritische Theorie ais politischen, linguistischen und ethnologischen Strukturen ent- ilccke er nicht sich selbst, das >aufgeschlagene Buch seiner We- Denkgestalt aus einer làngst vergangenen Epoche erscheint. senskrãfte< (Marx), sondem fremde, allein aus ihrer inneren Lo- Wàhrend in Westeuropa noch bis weit in die sechziger Jahre hin- gik erklárbare Beziehungen, denen seine Sprache, sein Unbe- ein mit der Phánomenologie, der Existentialontologie und der wuBtes, seine Vorstellungen gehorchten. Die Geschichte, so Mi- philosophischen Anthropologie unangefochten die letzten Aus- chel Foucault, sei nicht die Geschichte des verlorenen und des lãufer der groBen europáischen Philosophie dominierten und, bei wiedergefundenen Ursprungs, wie der >transzendentale NarziB- aller nicht zu iibersehenden Gegnerschaft, den Boden bildeten, mus< des abendlàndischen Denkens unterstelle; sie sei ohne ein auf dem ein der Tradition so sehr verpflichtetes Denken wie das- Zentrum, ohne ein Ziel, bestimmt von Systemen, Relationen und jenige Horkheimers, Adornos und Marcuses uberhaupt erst ent- Kombinatoriken, die sich ohne die Stifterfunktionen eines ur- stehen konnte, sind heute Auffassungen in den Vordergrund ge- spriinglichen Subjekts entfalteten und wieder verschwánden, und riickt, die den bewuBten Bruch mit jener Tradition gleichsam zu die sich jedem Versuch einer Totalisierung entzogen: ihrer raison d'être erhoben haben. In der Perspektive dieser Auf- »In dem Augenblick, in dem man sich dariiber klar geworden ist, daB alie fassungen, wie sie besonders prononciert heute in Frankreich menschliche Erkenntnis, alie menschliche Existenz, alies menschliche von Theoretikern wie Foucault, Althusser und anderen vertreten Leben und vielleicht das ganze biologische Erbe des Menschen, in Struk- werden, erscheint die philosophische Tradition von Kant und turen eingebettet ist, d. h. in eine formale Gesamtheit von Elementen, die Hegel iiber Husserl und Heidegger bis zu den Exponenten des beschreibbaren Relationen unterworfen sind, hõrt der Mensch sozusagen westeuropãischen Marxismus wie Lukács, Sartre und der kriti- auf, das Subjekt seiner selbst zu sein, zugleich Subjekt und Objekt zu sein. schen Theorie ais eine von Grund auf ideologische Metaphysik, Man entdeckt, daB das, was den Menschen mõglich macht, ein Ensemble die die Gesamtheit des Seienden auf die synthetische Aktivitát von Strukturen ist, die er zwar denken und beschreiben kann, deren Sub- eines Subjekts reduziert habe. Der Fortschritt des BewuBtseins, jekt, deren souverãnes BewuBtsein er jedoch nicht ist. Diese Reduktion die Teleologie der Vemunft, die Kontinuitát der Geschichte - des Menschen auf die ihn umgebenden Strukturen scheint mir charakteri- dies seien die Motive eines Diskurses, der in Wahrheit nur ein stisch fur das gegenwártige Denken und somit ist die Zweideutigkeit des Menschen ais Subjekt und Objekt jetzt keine fruchtbare Hypothese, kein einziges Ziel habe: die Verherrlichung des transzendentalen Sub- fruchtbares Forschungsthema mehr.« jekts, des >Menschen schlechthin<, der >Gattung< oder der >Le- 3 benswelt<. Mit eben dieser Vermenschlichung aber, so der zen- Sãtze wie diese enthalten zweifellos eine durch keine Reflexion trale Vorwurf, habe der europãische >Humanismus< die wahren, und keine Willensanstrengung mehr zu hintergehende Erfah- 8 9 rend; da ihr ein MaBstab fehle, kõnne sie nichts anderes hervor- iiberhaupt nicht in den Begriffen einer Subjekt-Objekt-Relation bringen ais unendliche Paraphrasierungen ihrer selbst - Para- crfaBbaren Strukturen der Wirklichkeit verdunkelt und der Kri- phrasierungen einer Hoffnungslosigkeit, deren Wurzel nicht in lik entzogen. >Der Mensch<, von dem in den existentialistischen den gesamtgesellschaftlichen Verháltnissen zu suchen sei, son- und hegelianisierenden Marx-Interpretationen so unablàssig die dem nur im ausweglosen Kreisen des biirgerlichen Intellektuel- Rede sei, sei nicht der MaBstab des Seienden, sondem eine sehr len um seine eigene Malaise. «junge Erfindung«\e »Gestalt zwischen zwei Seinsweisen der Gravierender noch ais diese Vorwúrfe, die sich durch eine griind- Sprache« ; er habe sich konstituiert in den Zwischenrãumen 2 lichere Lektiire vielleicht ausràumen oder relativieren lieBen, zweier Formen der >episteme<, von denen die eine vergangen sei, «.lie andere sich dagegen noch nicht entwickelt habe; er sei consti- sind jedoch die Briiche und Umstrukturierungen, die im zeitge- lutum, nicht constituens, und in der Analyse der õkonomischen, nõssischen Denken stattgefunden und eine BewuBtseinslage her- vorgebracht haben, dergegeniiber die kritische Theorie ais politischen, linguistischen und ethnologischen Strukturen ent- ilccke er nicht sich selbst, das >aufgeschlagene Buch seiner We- Denkgestalt aus einer làngst vergangenen Epoche erscheint. senskrãfte< (Marx), sondem fremde, allein aus ihrer inneren Lo- Wàhrend in Westeuropa noch bis weit in die sechziger Jahre hin- gik erklárbare Beziehungen, denen seine Sprache, sein Unbe- ein mit der Phánomenologie, der Existentialontologie und der wuBtes, seine Vorstellungen gehorchten. Die Geschichte, so Mi- philosophischen Anthropologie unangefochten die letzten Aus- chel Foucault, sei nicht die Geschichte des verlorenen und des lãufer der groBen europáischen Philosophie dominierten und, bei wiedergefundenen Ursprungs, wie der >transzendentale NarziB- aller nicht zu iibersehenden Gegnerschaft, den Boden bildeten, mus< des abendlàndischen Denkens unterstelle; sie sei ohne ein auf dem ein der Tradition so sehr verpflichtetes Denken wie das- Zentrum, ohne ein Ziel, bestimmt von Systemen, Relationen und jenige Horkheimers, Adornos und Marcuses uberhaupt erst ent- Kombinatoriken, die sich ohne die Stifterfunktionen eines ur- stehen konnte, sind heute Auffassungen in den Vordergrund ge- spriinglichen Subjekts entfalteten und wieder verschwánden, und riickt, die den bewuBten Bruch mit jener Tradition gleichsam zu die sich jedem Versuch einer Totalisierung entzogen: ihrer raison d'être erhoben haben. In der Perspektive dieser Auf- »In dem Augenblick, in dem man sich dariiber klar geworden ist, daB alie fassungen, wie sie besonders prononciert heute in Frankreich menschliche Erkenntnis, alie menschliche Existenz, alies menschliche von Theoretikern wie Foucault, Althusser und anderen vertreten Leben und vielleicht das ganze biologische Erbe des Menschen, in Struk- werden, erscheint die philosophische Tradition von Kant und turen eingebettet ist, d. h. in eine formale Gesamtheit von Elementen, die Hegel iiber Husserl und Heidegger bis zu den Exponenten des beschreibbaren Relationen unterworfen sind, hõrt der Mensch sozusagen westeuropãischen Marxismus wie Lukács, Sartre und der kriti- auf, das Subjekt seiner selbst zu sein, zugleich Subjekt und Objekt zu sein. schen Theorie ais eine von Grund auf ideologische Metaphysik, Man entdeckt, daB das, was den Menschen mõglich macht, ein Ensemble die die Gesamtheit des Seienden auf die synthetische Aktivitát von Strukturen ist, die er zwar denken und beschreiben kann, deren Sub- eines Subjekts reduziert habe. Der Fortschritt des BewuBtseins, jekt, deren souverãnes BewuBtsein er jedoch nicht ist. Diese Reduktion die Teleologie der Vemunft, die Kontinuitát der Geschichte - des Menschen auf die ihn umgebenden Strukturen scheint mir charakteri- dies seien die Motive eines Diskurses, der in Wahrheit nur ein stisch fur das gegenwártige Denken und somit ist die Zweideutigkeit des Menschen ais Subjekt und Objekt jetzt keine fruchtbare Hypothese, kein einziges Ziel habe: die Verherrlichung des transzendentalen Sub- fruchtbares Forschungsthema mehr.« jekts, des >Menschen schlechthin<, der >Gattung< oder der >Le- 3 benswelt<. Mit eben dieser Vermenschlichung aber, so der zen- Sãtze wie diese enthalten zweifellos eine durch keine Reflexion trale Vorwurf, habe der europãische >Humanismus< die wahren, und keine Willensanstrengung mehr zu hintergehende Erfah- 8 9 rung; und es wird eines der wichtigsten Ziele dieser Arbeit sein, uri), derenMomente Ausdruckein unddesselbenZentrumssein den Realitàtsgehalt dieser Erfahrung gegenúber einer Theorie Okonomismus und Humanismus, EmpirismusundHisto- Nollten. zur Geltung zu bringen, die so sehr um die Souveránitàt des biir- i i/ismus, Objektivismus und Subjektivismus - alie diese Begriffs- 7 gerlichen Subjekts zentriert ist wie die kritische Theorie. Be- piinre bezeichneten, wie vor aliem Althusser herausgearbeitet trachtet man die Geschichte des westeuropàischen Marxismus keine absoluten Gegensãtze, sondem waren Varianten ein liiit, seit Geschichte und Klassenbewujitsein, so wird in der Tat deut- und derselben Metaphysik der Arbeit, die eiftmal ais eine Art lich, wie emst der vom >Strukturalismus< erhobene Subjektivis- Sclbstunterscheidung der tátigen >Natur< oder, im anderen Fali, 4 mus-Vorwurf zu nehmen ist: zunáchst mit Recht gegen die objek- ti Is Vermittlungsinstanz im Zusichselbstkommen eines souverã- tivistischen und naturalistischen Positionen eines zur Legitima- nen transzendentalen Subjekts begriffen wurde. Noch dort, wo tionswissenschaft erstarrten >Marxismus-Leninismus< polemisie- dicses Denken die biirgerliche Arbeitsmetaphysik zu kritisieren rend, hatten es sich Lukács und Marcuse, Bloch und Sartre, vermeinte, bewegte es sich im gleichen homogenen, fláchenhaf- Gramsci, Korsch und viele andere zur Aufgabe gesetzt, »dem lm und zeitlosen Raum, den die biirgerliche Ideologie hervorge- Menschen innerhalb des Marxismus wieder seinen Platz zuriick- hracht hatte. Indem es nur die ursprungsphilosophische Reduk- 8 zuerobern« , dem »neuen Menschen, dem Sprung, der Kraft der (ion auf ein erstes fundierendes Prinzip kannte und die wirkliche 5 Liebe und des Lichts, dem Sittlichen selber« die »wiinschens- 11 ierarchie der Strukturen, die Komplexitát der Beziehungen und werte Selbstándigkeit« in der »allzu kupiert angehaltenen Sozial- Interdependenzen durch die einfache Beziehung zwischen >Scha- konstruktion« zuzuweisen. Sie hatten deshalb an die Stelle des lc< und >Kern<, >Erscheinung< und >Wesen< ersetzte, blieb es der 6 õkonomistischen Evolutionismus der uberkommenen Produk- Oberflàche verhaftet und verfehlte die Vielschichtigkeit einer tivkrãftemetaphysik die Konzeption der >Totalitát ais Subjekt< Wirklichkeit, die noch Marx uniibertroffen auf den Begriff ge- (Lukács) gesetzt, an die Stelle der vulgãrmaterialistischen Depo- liracht hatte. Die gegen Ende der Studentenbewegung formu- tenzierung des Bewufitseins zu einem blofien Reflex der õkono- lierte und von vielen aufgegriffene Parole >Von Marcuse zu Marx< misch-technischen Basis die konstitutive Rolle der Vernunft und hatte hierin ihre eigentliche Berechtigung. die freiheitliche Aktivitât des Menschen: Geschichte sollte be- Aber wãhrend vor dem Hintergrund dieser Oberlegungen die griffen werden ais die des sich selbst entfremdeten und aus der Wiederentdeckung des genuinen Marx, die >Rekonstruktion der Entfremdung wieder zu sich zuriickkehrenden Subjekts. Doch Kritik der politischen Okonomie<, wie sie von Althusser und an- wãhrend der >westliche Marxismus< solchermaBen die Dialektik deren Marxisten betrieben wurde, zweifellos ein Fortschritt war durch die Versubjektivierung des Objektiven, die Verlebendi- und eine prãzisere Analyse der búrgerlichen Gesellschaft erlaub- gung des Erstarrten wieder in Bewegung zu bringen glaubte, ent- te, ais dies im Rahmen der >õkonomistischen< oder >humanisti- ging ihm, daB er dem Objektivismus nur eine abstrakte Antithese schen< Arbeitsmetaphysik mõglich war, war doch die Art, in der entgegengesetzt hatte, die sich zu dem, was eigentlich iiberwun- dieser Rekurs auf Marx erfolgte, alies andere ais unproblema- den werden sollte, genau spiegelverkehrt verhielt. Alie Motive, tisch. So treffend und legitim die Kritik an >Okonomismus< und die den Objektivismus bestimmt hatten, waren erneut versam- >Humanismus< ais zweier komplementãrer Formen des búrgerli- melt: die Reduktion des Seienden auf ein urspriingliches Prinzip, chen Bewufitseins war, so fragwiirdig war doch das Verfahren, die Betonung der Génesis gegenúber der Geltung, der Begriff ei- diese Formen umstandslos aus der materialistischen Tradition ner kontinuierlichen und kohãrenten Geschichte, das teleologi- hinauszukatapultieren und in die angeblich zeitlose und unverãn- sche Modell, das Konzept einer >expressiven Totalitãt< (Althus- derliche Sphãre der >Ideologie< zu verbannen, ohne zugleich zu 10 11 rung; und es wird eines der wichtigsten Ziele dieser Arbeit sein, uri), derenMomente Ausdruckein unddesselbenZentrumssein den Realitàtsgehalt dieser Erfahrung gegenúber einer Theorie Okonomismus und Humanismus, EmpirismusundHisto- Nollten. zur Geltung zu bringen, die so sehr um die Souveránitàt des biir- i i/ismus, Objektivismus und Subjektivismus - alie diese Begriffs- 7 gerlichen Subjekts zentriert ist wie die kritische Theorie. Be- piinre bezeichneten, wie vor aliem Althusser herausgearbeitet trachtet man die Geschichte des westeuropàischen Marxismus keine absoluten Gegensãtze, sondem waren Varianten ein liiit, seit Geschichte und Klassenbewujitsein, so wird in der Tat deut- und derselben Metaphysik der Arbeit, die eiftmal ais eine Art lich, wie emst der vom >Strukturalismus< erhobene Subjektivis- Sclbstunterscheidung der tátigen >Natur< oder, im anderen Fali, 4 mus-Vorwurf zu nehmen ist: zunáchst mit Recht gegen die objek- ti Is Vermittlungsinstanz im Zusichselbstkommen eines souverã- tivistischen und naturalistischen Positionen eines zur Legitima- nen transzendentalen Subjekts begriffen wurde. Noch dort, wo tionswissenschaft erstarrten >Marxismus-Leninismus< polemisie- dicses Denken die biirgerliche Arbeitsmetaphysik zu kritisieren rend, hatten es sich Lukács und Marcuse, Bloch und Sartre, vermeinte, bewegte es sich im gleichen homogenen, fláchenhaf- Gramsci, Korsch und viele andere zur Aufgabe gesetzt, »dem lm und zeitlosen Raum, den die biirgerliche Ideologie hervorge- Menschen innerhalb des Marxismus wieder seinen Platz zuriick- hracht hatte. Indem es nur die ursprungsphilosophische Reduk- 8 zuerobern« , dem »neuen Menschen, dem Sprung, der Kraft der (ion auf ein erstes fundierendes Prinzip kannte und die wirkliche 5 Liebe und des Lichts, dem Sittlichen selber« die »wiinschens- 11 ierarchie der Strukturen, die Komplexitát der Beziehungen und werte Selbstándigkeit« in der »allzu kupiert angehaltenen Sozial- Interdependenzen durch die einfache Beziehung zwischen >Scha- konstruktion« zuzuweisen. Sie hatten deshalb an die Stelle des lc< und >Kern<, >Erscheinung< und >Wesen< ersetzte, blieb es der 6 õkonomistischen Evolutionismus der uberkommenen Produk- Oberflàche verhaftet und verfehlte die Vielschichtigkeit einer tivkrãftemetaphysik die Konzeption der >Totalitát ais Subjekt< Wirklichkeit, die noch Marx uniibertroffen auf den Begriff ge- (Lukács) gesetzt, an die Stelle der vulgãrmaterialistischen Depo- liracht hatte. Die gegen Ende der Studentenbewegung formu- tenzierung des Bewufitseins zu einem blofien Reflex der õkono- lierte und von vielen aufgegriffene Parole >Von Marcuse zu Marx< misch-technischen Basis die konstitutive Rolle der Vernunft und hatte hierin ihre eigentliche Berechtigung. die freiheitliche Aktivitât des Menschen: Geschichte sollte be- Aber wãhrend vor dem Hintergrund dieser Oberlegungen die griffen werden ais die des sich selbst entfremdeten und aus der Wiederentdeckung des genuinen Marx, die >Rekonstruktion der Entfremdung wieder zu sich zuriickkehrenden Subjekts. Doch Kritik der politischen Okonomie<, wie sie von Althusser und an- wãhrend der >westliche Marxismus< solchermaBen die Dialektik deren Marxisten betrieben wurde, zweifellos ein Fortschritt war durch die Versubjektivierung des Objektiven, die Verlebendi- und eine prãzisere Analyse der búrgerlichen Gesellschaft erlaub- gung des Erstarrten wieder in Bewegung zu bringen glaubte, ent- te, ais dies im Rahmen der >õkonomistischen< oder >humanisti- ging ihm, daB er dem Objektivismus nur eine abstrakte Antithese schen< Arbeitsmetaphysik mõglich war, war doch die Art, in der entgegengesetzt hatte, die sich zu dem, was eigentlich iiberwun- dieser Rekurs auf Marx erfolgte, alies andere ais unproblema- den werden sollte, genau spiegelverkehrt verhielt. Alie Motive, tisch. So treffend und legitim die Kritik an >Okonomismus< und die den Objektivismus bestimmt hatten, waren erneut versam- >Humanismus< ais zweier komplementãrer Formen des búrgerli- melt: die Reduktion des Seienden auf ein urspriingliches Prinzip, chen Bewufitseins war, so fragwiirdig war doch das Verfahren, die Betonung der Génesis gegenúber der Geltung, der Begriff ei- diese Formen umstandslos aus der materialistischen Tradition ner kontinuierlichen und kohãrenten Geschichte, das teleologi- hinauszukatapultieren und in die angeblich zeitlose und unverãn- sche Modell, das Konzept einer >expressiven Totalitãt< (Althus- derliche Sphãre der >Ideologie< zu verbannen, ohne zugleich zu 10 11

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