6 Nachr. entomol. Ver. Apollo, N. F. 24 (1/2): 7–28 (2003) 7 Die Großschmetterlingsfauna des NSG „Orbishöhe von Auerbach und Zwingenberg“ als Grundlage für ein Artenmonitoring (Lepidoptera) Mathias Ernst Dr. Mathias Ernst, Regierungspräsidium Darmstadt, Wilhelminenhaus, D-64278 Darmstadt, Deutschland; E-Mail: [email protected] Zusammenfassung: Im NSG „Orbishöhe von Auerbach und Einleitung Zwingenberg“, das Teil des EU-Flora-Fauna-Habitat-Gebie- Die Großschmetterlingsfauna (Makrolepidopterenfauna) tes „Kniebrecht, Melibocus und Orbishöhe von Seeheim- Jugenheim, Alsbach und Zwingenberg“ ist, wurden in dem des ca. 6,4 ha großen NSG „Orbishöhe von Auerbach Zeitraum von 1998 bis 2002 insgesamt 356 Großschmetter- und Zwingenberg“ wurde im Zeitraum 1998 bis 2002 lingsarten überwiegend durch den Lichtfang nachgewiesen. mittels Licht- und Köderfängen sowie durch Tagbeob- Unter den festgestellten Arten befinden sich auch Leitarten achtungen erfaßt. Zweck der Untersuchung war die der Vegetationseinheiten trockener und felsiger Standorte. Zusammenstellung biotoptypischer Arten, die als Leit- Etliche dieser Arten sind nicht nur in Hessen, sondern auch und Zielarten schutzwürdiger Lebensgemeinschaften im bundesweit selten oder gefährdet. Durch die Untersuchung konnte aufgezeigt werden, daß sich Parallelen zur Vegeta- Gebiet für eine Dauerbeobachtung geeignet erscheinen. tion und Fauna des Naturraumes Oberes Mittelrheintal In besonderem Maße wertbestimmend für die Biotopaus- ergeben. Maßgeblich hierfür sind die Vegetationseinheiten stattung des NSG sind der thermophile Birken-Eichen- Rheinischer Birken-Traubeneichen-Wald, Felsenkirschenge- Wald, die thermophilen Gebüsche und Saumgesellschaf- büsch und bodensaurer Halbtrockenrasen. Es werden Groß- ten, die Halbtrockenrasen und die Gesteinsfluren (Abb. schmetterlingsleitarten für die wertgebenden Vegetations- 1). Der Ermittlung von Leit- und Zielarten, mit deren einheiten zusammengestellt, die für ein Artenmonitoring Hilfe sich Aussagen über den Zustand und die Entwick- geeignet erscheinen. Weiterhin werden Zielarten bestimmt, mit deren Hilfe der Entwicklungszustand der Halbtrockenra- lung von Lebensgemeinschaften erzielen lassen, gilt das sen und Felsfluren überwacht werden kann. Von besonderer besondere Interesse des Naturschutzes (vergleiche zum Bedeutung ist das Naturschutzgebiet und darüber hinaus Beispiel Kratochwil & Schwabe 2001, Vogel et al. 1996). das gemeldete FFH-Gebiet für den seltenen Magerrasen- Glockenblumen-Blütenspanner (Eupithecia denticulata), da Das NSG ist Teil des ca. 930 ha großen Flora-Fauna-Habi- sich nach derzeitigem Kenntnisstand der wichtigste Teil der tat-Gebietes „Kniebrecht, Melibocus und Orbishöhe von Population im Bundesgebiet im hessischen Teil der Berg- Seeheim-Jugenheim, Alsbach und Zwingenberg“ (Abb. straße befindet. Hessen trägt somit für diese Art eine ganz 2), für die die Untersuchung zugleich einen Beitrag zur besondere Verantwortung. Entsprechende Erhaltungsmaß- Grunddatenerfassung darstellt. nahmen werden aufgezeigt. The Lepidoptera fauna of the nature reserve „Orbishöhe of Auerbach and Zwingenberg“ as a basis for a monitoring of species (Lepidoptera) Abstract: In the years from 1989 to 2002, 356 different species of Lepidoptera were found in the nature reserve „Orbishöhe of Auerbach and Zwingenberg“, which is part of the European nature protection Flora-Fauna-Habitat area „Kniebrecht, Melibocus and Orbishöhe of Seeheim- Jugenheim, Alsbach and Zwingenberg“. They were captured by light traps, by sugar baits and by attraction to artificial pheromones or they were observed in there biotopes. Some of the registered species are characteristic species of arid grassland, arid oak woods and of rocky heath. Some of these species are rare and endangered not alone in Hesse but also in the Federal territory of Germany. The investigation has shown some parallels to the vegetation of the region Oberes Mittelrheintal. Coherently, the plant communities Betulo- Quercetum, Prunetum mahaleb and the arid grassland Koelerio-Phleion phleoides are of great signifiance. The characteristic Lepidoptera species which are suitable for a monitoring of species are listet by the valuable vegetation they need. Besides, target species were fixed to control the maintenance and development of the arid grassland and rocky heath. The nature reserve and the whole FFH-area are of special interest for the rare Geometridae species Eupi- thecia denticulata. As the majority of the populations in the Federal Republic of Germany is in the Hessian part of the region of the Bergstrasse, Hesse has the responsibility to Abb. 1: Biotopaufnahme aus dem NSG „Orbishöhe von Auerbach und take measure of preservation. Zwingenberg“, iii. 2002. Eichenbuschwald, Felskuppe. © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 8 9 Erfassungsmethoden Tabelle 1). Aus früheren Aufsammlungen von Kristal (1980) und Streck (mündl.), überwiegend aus den Großschmetterlingsfauna 1970er Jahren, wurden zusätzlich 37 Arten der Gesamt- Die nachtaktiven Schmetterlinge wurden mit Hilfe von artenliste beigefügt. Aktuell konnten diese Arten nicht Lichtquellen, Streichködern und Sexualpheromonen bestätigt werden. angelockt und erfaßt. Zum Lichtfang wurden Trich- Die Systematik und Nomenklatur der Makrolepidopte- terfallen (Minnesota-Typ) eingesetzt, die mit ultravio- ren (vergleiche Gesamtartenliste im Anhang, Tabelle letthaltigen 8-Watt-Leuchtstoffröhren (superaktinisch beziehungsweise Schwarzlicht) ausgestattet waren. Flan- 6) orientiert sich an Karsholt & Razowski (1996) bezie- kierend zu den Lichtfallen wurde verschiedentlich auch hungsweise Gaedike & Heinicke (2000). der manuelle Lichtfang betrieben. Hierbei wurde eine Die Anzahl der Lichtfangeinsätze pro Monat und Jahr superaktinische 15-Watt-Leuchtstoffröhre verwendet, die siehe in Tabelle 1. in das Innere eines rundherum geschlossenen Schirmes aus weißer Gaze gehängt wurde („Leuchtturm“). Der Vegetation Köderfang zum Nachweis nachtaktiver Arten, insbe- Im Umkreis der Lichtfangstellen wurde die Vegetation sondere von Eulenfaltern (Noctuiden), erfolgte mit 2000 und 2001 pflanzensoziologisch aufgenommen. Der Hilfe einer Rotwein-Zucker-Apfeläther-Mischung. Zur potentielle Wirkungsbereich des Lichts um die Lichtfang- Erfassung von Sesiidae (Glasflügler) wurden künstliche stellen schwankte zwischen wenigen hundert Quadrat- Sexualpheromone eingesetzt, die in einer Theysohn- metern (Gebüsche, Hochstaudenfluren) und mehreren Variotrap-Trichterfalle ausgebracht wurden. Bei den tausend Quadratmetern (Eichenwald). Pheromonen handelt es sich um sechs verschiedene Präparate des Instituts für Pflanzenschutz in Wagenin- Für den Licht- und Köderfang wurden repräsentative gen, Niederlande. Stellen innerhalb der Vegetation ausgewählt. Die reale Jeder Licht- und Köderfang wurde protokolliert, wobei Vegetation wurde mittels pflanzensoziologischer Aufnah- die angeflogenen Arten gezählt, bei mehr als 20 Indivi- men erfaßt. Zur Kennzeichnung der Häufigkeit einzel- duen einer Art auch geschätzt wurden. Neben den Falter- ner Arten der Probeflächen diente die Schätzskala von beobachtungen wurden auch Witterungsdaten notiert, Braun-Blanquet, modifiziert nach Wilmanns (1998), um einen ähnlichen Lichtfang bei Vergleichsuntersu- bei der für jede Art der Deckungsgrad auf der jeweiligen chungen zu ermöglichen. Probefläche geschätzt wird. Die Arten, die bei den Licht- und Köderfängen während Für die Abschätzung der Bedeckung durch die einzelnen des Untersuchungszeitraumes jährlich neu hinzugekom- Arten werden in den Vegetationsaufnahmen folgende men sind, verteilen sich wie folgt: Im ersten Untersu- Deckungsgrade verwendet: chungsjahr konnten mit 220 (61,8 % der Gesamtzahl r = 1 Exemplar nach 5 Jahren) Arten trivialerweise die größte Anzahl + = 2–5 Exemplare ermittelt werden. Im zweiten Jahr kamen 73 (20,5 %), 1 = Deckung < 5 % und < 50 Exemplare im dritten Jahr 26 (7,2 %), im vierten Jahr 37 (10,3 %) und im fünften Jahr 9 (2,5 %) Arten neu hinzu. Bei 2m = Deckung < 5 % und > 50 Exemplare Fortführung der Untersuchungen wird die Anzahl der 2a = Deckung 5–15 % im Gebiet neu nachweisbaren Arten irgendwann gegen 2b = Deckung 15–25 % Null tendieren. Der geringfügige Anstieg der neu nachge- 3 = Deckung 26–50 % wiesenen Artenzahl im Untersuchungsjahr 2001 ist dem 4 = Deckung 51–75 % erhöhten Erfassungsaufwand zuzuschreiben (vergleiche 5 = Deckung 76–100 % Tabelle 1: „Lichtfangtabelle“ des NSG Orbishöhe. Übersicht über die Anzahl der Lichtfangfangeinsätze in den Jahren 1998 bis 2002. Jahr März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. 1998 — — — — 5 — 2 1 — 1999 — 2 4 3 4 2 1 — — 2000 — — 2 1 — 3 4 3 1 2001 2 1 5 3 3 3 2 3 1 2002 — — — — 2 1 — — — © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 8 9 Auswertung der Untersuchungsergebnisse Überprüfung nach Falterformationen Aufbau eines Leitartenmonitorings mit Hilfe von Zur Analyse des Falterbestandes einer Untersuchungs- stelle eignet sich die Überprüfung nach Falterforma- Großschmetterlingen tionen. Die Einteilung der Makrolepidopterenarten in Die Dauerbeobachtung, auch Biomonitoring genannt, Falterformationen, die von einem dominierenden Ökofak- ist die regelmäßige Erfassung von Organismen, um tor bestimmt werden, orientiert sich an Blab & Kudrna die ökologische Qualität von Pflanzengesellschaften, (1982). Da sich die Einteilung dieser Autoren nur auf Tag- Lebensraumtypen oder Biotoptypen zu bestimmen falter bezieht, wurde eine Feindifferenzierung der Offen- (Kratochwil & Schwabe 2001). Hierzu eignen sich ins- land- und Waldarten den denkbaren Unterscheidungsmög- besondere Arten mit guten Indikatoreigenschaften aus lichkeiten, die raumbezogen nach Vegetationsmerkmalen Tiergruppen, über die solide autökologische Kenntnisse und Standortfaktoren vorgenommen werden können, für vorliegen. Die sehr umfangreiche Insektenordnung der die Nachtfalter erweitert (vergleiche Ernst 1999). Schmetterlinge (Lepidoptera), von der in Deutschland Falterformation des Offenlandes ca. 3600 Arten bekannt sind (Pretscher 1998, Gaedike & Heinicke 1999), ist für faunistisch ökologische Untersu- Ubiquisten des Offenlandes chungen besonders gut geeignet, zumal sie in allen terre- xerothermophile Offenlandarten strischen und zum Teil sogar aquatischen Ökosystemen xerothermophile Offenlandarten steiniger oder verbreitet sind. felsiger Standorte Da die Großschmetterlinge populationsökologisch besser mesophile Offenlandarten untersucht wurden als die Kleinschmetterlinge, die mit hygrophile Offenlandarten insgesamt ca. 2050 Arten jedoch artenreicher in Mit- teleuropa auftreten als die Großschmetterlinge, wurde Falterformation der Gehölze beziehungsweise bei den Untersuchungen schwerpunktmäßig die Groß- Gehölzsäume schmetterlingsfauna betrachtet. Die Kleinschmetterlinge mesophile Waldarten wurden nur ausnahmsweise in einigen Fällen berück- mesophile Waldarten der Waldmäntel sichtigt. Im Gegensatz zu den Tagfaltern, die nur 5 % der Schmetterlingsarten umfassen, darunter nur wenige Waldarten, liegt es somit nahe, das ungeheure Potential der sogenannten Nachtfalter (Makroheterocera) für bio- zönologisch-landschaftsökologische Untersuchungen zu nutzen. Bei der Nachtfaltererfassung ist darauf zu achten, daß bei Vergleichsuntersuchungen der Lichtfang unter ähnlichen Bedingungen erfolgt. Aber selbst wenn diese gegeben sind, können Populationsschwankungen einzelner Arten zum Teil so gravierend sein, daß bei einer lediglich einjährigen Erfassung die Abundanzen unter Umständen falsch eingeschätzt werden. Demzu- folge sollten Populationsangaben über Leitarten, aber auch die Auswahl solcher Arten selbst, erst nach einer mehrjährigen Grunddatenerfassung erfolgen, durch die sich Fluktuationen abbilden, die Fehlinterpretationen vermeiden helfen. Für eine solide Einschätzung von natürlichen Populationsschwankungen wird man daher einen Erfassungszeitraum von 5–7 Jahren annehmen müssen. Die Auswahl der Arten, die für ein Monitoring herange- zogen wurde, erfolgte gemäß Schlumprecht (2000) nach folgenden Kriterien: • Repräsentanz einer Art in einem definierten Lebens- raumtyp • Eignung einer Art als Zeigerart (hohe Grundwasser- stände, Vorhandensein bestimmter Pflanzenarten, mikroklimatische Verhältnisse etc.) Abb. 2: Lage des Untersuchungsgebietes NSG „Orbishöhe von Auer- • Einschätzung von Arten nach ihrem Gefährdungs- bach und Zwingenberg“, aus der Topografischen Karte 1:25 000, Blatt 6217 Zwingenberg, mit Genehmigung des Hessischen Landesvermes- grad sungsamts unter der Nr. 2002-1-53 vervielfältigt. © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 10 11 mesophile Waldarten der Krautschicht und der historischen Gemälden aus dem achzehten Jahrhundert Säume war die Orbishöhe damals weitgehend gehölzfrei und xerothermophile Waldarten wurde als Weideflächen für Schafe und Ziegen genutzt. Einzelne Eichen standen aber bereits auf der Fläche, als xerothermophile Waldarten der Waldmäntel der überwiegende Teil der devastierten Standorte 1864 xerothermophile Waldarten der Krautschicht und mit Eichen und Kiefern aufgeforstet wurde. Eine forstli- der Säume che Nutzung findet an den steilen Hängen allerdings seit hygrophile Waldarten Jahrzehnten nicht mehr statt (Grenzwirtschaftswälder). Arten der Schluchtwälder Die aufgeforsteten Wälder wurden zunächst noch nie- derwaldartig genutzt, was durch die Vielstämmigkeit verschiedener Eichen zum Ausdruck kommt. Naturräumliche Zuordnung und Biotopbeschreibung Die Waldgesellschaft ist nur kleinflächig an verschiede- nen Stellen im NSG und darüber hinaus im FFH-Gebiet Das NSG „Orbishöhe“ liegt an der Nahtstelle der natur- „Kniebrecht, Melibocus, Orbishöhe“ verbreitet. Im räumlichen Haupteinheiten Bergstraße und Vorderer Gebiet finden sich zwei Ausbildungen: Eine Variante Odenwald. Die Lichtfänge konzentrierten sich auf die stockt auf trockenen, felsigen Standorten und wird durch süd- bis südwestexponierten Standorte mit xerothermo- das Nickende Leimkraut (Silene nutans Linnaeus, Caryo- philen Vegetationseinheiten oberhalb des nördlichen phyllaceae) gekennzeichnet. Die zweite Variante besie- Steinbruchs (vergleiche Abb. 1, Abb. 2). delt die westexponierten, flachgründigen Bergrücken. In ihr dominiert die Waldsimse (Luzula sylvatica Linnaeus, Der Rheinische Birken-Traubeneichen-Wald (Betulo- Juncaceae) als lokale Trennart. Quercetum petraeae Tüxen 1937) Nur auf den trockenen Standorten tritt auch die Wald- Die flachgründigen, felsigen Braunerde-Ranker der kiefer (Pinus sylvestris, Pinaceae) dem Bestand hinzu, steilen Süd- und Südwesthänge werden von mehr oder die zum Teil gepflanzt wurde, vermutlich aber auch weniger lichten Eichenwäldern besiedelt, die pflan- autochthone Vorkommen besaß (vergleiche Oberdorfer zensoziologisch den Eichen-Birken-Wäldern (Betulo- 1992). Zumindest weisen auch zoologische Kiefernwald- Quercetum) angehören. Nur xerothermophile Arten begleiter, wie zum Beispiel der Walker (Polyphylla fullo vermögen sich an diesen Standorten zu behaupten. Die Linnaeus, 1758; Coleoptera: Scarabaeidae), der an diesen Granit- und Diorit-Verwitterungsböden über der großen Standorten stets vereinzelt beim Lichtfang erschien, dar- Steinbruchwand sind überwiegend stark ausgehagert, da auf hin. Klausing (1957) bezeichnet die Waldgesellschaft der Wind das Fallaub im Herbst regelmäßig wegbläst. Sie als Ostmitteleuropäisch-subkontinentalen Eichentrocken- erinnern damit an streugenutzte Bestände historischer wald (Querco-Potentilletum albae) aus der pflanzenso- Waldnutzungsformen. Das Lokalklima weicht in diesen ziologischen Ordnung der xerothermophilen, submedi- Wäldern erheblich vom Großklima ab und weist stark terranen Flaumeichenwälder (Quercetalia pubescenti- kontinentale Züge auf. Klausing (1957) konnte für diese petraeae Klika 1933). Knapp (1963) beschreibt den Waldgesellschaft eine um durchschnittlich 3°C höhere Eichenwald der Orbishöhe als Hügelklee-Eichen-Misch- Sommertemperatur gegenüber dem Großklima (9,7°C wald (Trifolium-alpestre-Quercus-petraea-Assoziation mittlere Jahrestemperatur, Kunz 1970) feststellen. Damit des Querco-Potentilletum albae). Ich schließe mich dieser entspricht der Standort klimatisch dem der postglazialen Einschätzung nicht an und bezeichne die Gesellschaft als Wärmezeit oder submediterraner Gebiete. Die Standort- das bei Oberdorfer (1992) beschriebene Betulo-Querce- gunst wird auch durch das Vorhandensein einiger Pflan- tum nach Tüxen 1929, da wichtige Kennarten des Poten- zen- und Tierarten betont, die in Lebensgemeinschaften tillo-Quercetums im Gebiet nicht vorhanden sind. von kontinentaler beziehungsweise mediterraner Haupt- verbreitung siedeln (vergleiche Knapp & Ackermann An etwas luftfeuchteren Standorten geht das Betulo- 1952, Klausing 1957, Oberdorfer 1992). Quercetum in eine Variante mit Waldsimse (Luzula sylvatica) über. In der Baumschicht dominiert die Trau- Im Betulo-Quercetum dominiert die Traubeneiche (Quer- beneiche. An den Standorten, wo die Buche stärker cus petraea, Fagaceae), die bedingt durch die widrigen in die Waldgesellschaft einzugreifen vermag, wird die Standortbedingungen (extreme Temperaturschwankun- Waldgesellschaft dem Luzulo-Fagetum angegliedert. Das gen mit hohen sommerlichen Höchstwerten und lang- Betulo-Quercetum beschränkt sich demzufolge lediglich anhaltender Trockenheit (vergleiche Klausing 1957) auf die Geländerücken, auf denen sich die Buche auch häufig dürre Äste aufweist oder zopftrocken wird. Viele von Natur aus nicht durchsetzen kann. Bäume sterben bereits im mittleren Alter ab. Aufgrund des Wassermangels bleiben die Bäume meist kurzschäf- Als Kennarten erscheinen in der Variante mit Silene nutans tig und werden zum Teil nur wenige Meter hoch. Die das Doldige Habichtskraut und das Savoyer Habichts- Jahresringe sind extrem eng, wodurch die Altersanspra- kraut (Hieracium umbellatum L. und H. sabaudum che der Bestände kaum möglich ist. Die Forsteinrich- L., Asteraceae), sowie vereinzelt die subkontinentale tung bescheinigt den meisten Beständen aber ein recht Pechnelke (Viscaria vulgaris L., Caryophyllaceae). Mit hohes Alter von über 100 bis teilweise 200 Jahren. Nach hoher Stetigkeit tritt der Salbeigamander (Teucrium © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 10 11 scorodonia L., Lamiaceae) auf. An den steilen Hängen Tabelle 2: Pflanzensoziologische Aufnahmen (Aufn. 5, 6, 7: FFH-Gebiet „Kniebrecht, Melibocus und Orbishöhe“ und Orbishöhe; Aufn. 10: Katha- gesellen sich neben Silene nutans die Graslilien (Antheri- rinenberg Alsbach). Betulo-Quercetum petraeae, der Rheinische Birken- cum liliago L. und A. ramosum L., Liliaceae), vereinzelt Traubeneichen-Wald. — a = Variante mit Luzula sylvatica, b = Variante mit auch der Großblütige Fingerhut (Digitalis grandiflora Silene nutans. Weitere Abkürzungen siehe Text. Mill., Scrophulariaceae) und die beiden Ginsterarten Varianten a b Färberginster und Deutscher Ginster (Genista tinctoria L. und G. germanica L., Fabaceae) der Gesellschaft hinzu. Aufnahme-Nr. 6 5 7 10 Dort, wo sich der Wald aufgrund edaphischer Trocken- Datum der Aufnahme heit auf den flachgründigen Rankern auflöst, gewinnt Tag 6. 6. 6. 4. auch der Polsterginster (Genista pilosa L.) an Boden. Monat v. v. v. vi. Auffallender Begleiter des Betulo-Quercetums im NSG Jahr 2001 2001 2001 2001 und auch an vergleichbaren Standorten im angegebenen Exposition S S SW S FFH-Gebiet ist die Besenheide (Calluna vulgaris L., Eri- caceae). Bemerkenswert ist das permanente Verharren Gesamtartenzahl 16 10 17 10 von Calluna vulgaris über Jahrzehnte ohne menschliches Pflanzenart Zutun in den lichten Wäldern und selbst im kleinräu- A Hieracium sabaudum + . . + migen Wechsel mit basiphilen Mesobromion-Arten in Hieracium umbellatum + . . . den offenen Rasen. Calluna vulgaris tritt ansonsten in V, O Teucrium scorodonia 2a 1 2a 1 unseren Wäldern nur sporadisch an aufgerissenen Wege- böschungen oder als Zeugen vergangener Waldnutzungs- Melampyrum pratense 1 . . . formen mit Waldweide und Streunutzung an geeigneten Holcus mollis 2a . . . Standorten in den Beständen noch vereinzelt auf. Im D1 Luzula sylvatica 2a 3 3 . Untersuchungsgebiet profitiert sie von der bereits oben D2 Silene nutans . . . 1 angegebenen Standortgunst der laubfrei geblasenen Anthericum ramosum . . . 1 Hänge. Da von dieser Waldgesellschaft bislang keine K Quercus petraea BS 5 5 4 5 Vegetationsaufnahmen aus dem Naturraum und dem SS r . . r Untersuchungsgebiet vorlagen, werden die Aufnahmen aus der „Orbishöhe“ und dem FFH-Gebiet „Kniebrecht, KS 1 1 1 1 Melibocus und Orbishöhe“ diesem Beitrag beigefügt Luzula luzuloides 3 + 2a . (Tabelle 2). Tilia platyphyllos BS r . 2b . In der pflanzensoziologischen Tabelle 2 wurden folgende Abkür- SS . . 3 . zungen benutzt: Carpinus betulus SS + . . . A = Charakterart der Assoziation KS + . . . V = Charakterart des Verbandes Prunus avium KS . . . . O = Charakterart der Ordnung KS r . . . K = Charakterart der Klasse Fagus sylvatica SS + . . . D = Differentialart der Assoziation, des Verbandes, der Ordnung Hedera helix . . + . B = Begleiter Festuca hetrophylla . . . + BS = Baumschicht B Deschampsia flexuosa 3 3 1 4 SS = Strauchschicht Hieracium sylvatica 1 . 1 1 KS = Krautschicht Agrostis capillaris 2a . 3 . Anthoxanthum odoratum . 1 1 2a Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum Meusel Calluna vulgaris . R . . 1937) Castanea sativa . . 2a . Der Hainsimsen-Buchenwald bedeckt den größten Teil Luzula multiflorum . + + . der Waldfläche im Gebiet. Die zuvor beschriebene Wald- Poa nemoralis . + 1 . gesellschaft tritt in enger Verzahnung mit dem Luzulo- Fagetum auf und besetzt lediglich die Standorte, an die Viscari vulgaris r r die Buche nicht zu folgen vermag. Im NSG finden sich Pinus sylvestris . . r . Übergänge zum Betulo-Quercetum unter Beteiligung des Sorbus aucuparia . . r . Salbeigamanders, der Waldsimse oder des Wiesenwach- Solidago virgaurea . . + . telweizens (Melampyrum pratense L., Scrophulariaceae). Sorbus torminalis BS . . . r An luftfeuchteren und kühleren Nord- und Osthängen SS + . . . tritt in submontaner Höhenstufe auch das Waldreitgras KS . . + . (Calamagrostis arundinacea L., Poaceae) hinzu. © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 12 13 Waldmeister-Buchenwald (Galio-Fagetum Rübel 1930) Halbtrockenrasen (Brometalia Br.-Bl. 1936) Auf lößüberwehten, tiefgründigen und luftfeuchten Lediglich als Rumpfgesellschaften treten Halbtrockenra- Standorten, im Kontakt zum Luzulo-Fagetum, ist der sen aus der pflanzensoziologischen Ordnung Brometalia Waldmeister-Buchenwald in seiner typischen und, auf erecti auf. Bei den Rasen handelt es sich um langjährige sickerfrischen Standorten, auch in einer Bärlauch- Brachen ehemals beweideter Weinbergsrandlagen und Variante ausgebildet. aufgelassener Weinberge. Die Halbtrockenrasen verzah- nen sich mit der oben beschriebenen Saumgesellschaft Wärmeliebende Gebüsche (Berberidion Br.-Bl. 1950) einerseits und den wärmeliebenden Gebüschen anderer- seits. Nur noch wenige hundert Quadratmeter offener Stellenweise werden die Felsstandorte von Liguster- Rasen sind übrig geblieben. Entsprechend dem standört- gebüschen (Pruno-Ligustretum Tx. 1952) besetzt, die lichen Mosaik aus sauren Granitverwitterungs- und löß- auch in die lichten Wälder eindringen. Beteiligt sind in überlagerten Böden kommen bodensaure Trockenrasen dieser Gesellschaft unter anderem Berberitze (Berberis (Koelerio-Phleion phleoides Korneck 1974) und echte vulgaris L., Berberidaceae) und Behaarter Schneeball Halbtrockenrasen (Mesobrometum erecti B.-Bl. Ap. (Viburnum lantana L., Caprifoliaceae). Bemerkenswert Scherr. 1925) nebeneinander vor. ist das Vorhandensein des Felsenkirschengebüschs (Pru- netum mahaleb Nevole 1931) im Bereich der aufgegebe- Bedroht werden alle oben beschriebenen Lebensge- nen Weinberge oberhalb des großen Steinbruchs. Diese meinschaften durch die zunehmende Ausbreitung der Gebüschgesellschaft begleitet in pontomediterranen Robinie (Robinia pseudoacacia L., Fabaceae), die vom Bereichen die Flaumeichenwälder (Oberdorfer 1992) Bergstraßenrand hangaufwärts vorrückt und bereits die und ist ansonsten nur aus dem Naturraum Oberes Mit- Weinbergsrandlagen im Naturraum nahezu vollständig telrheintal in Hessen bekannt. Ob das Felsenkirschenge- beherrscht. büsch als autochthone Gesellschaft für die Orbishöhe Als floristische Besonderheiten der Halbtrockenrasen angesehen werden kann, konnte nicht ermittelt werden. seien die Feinstrahlaster (Aster linosyris L, Aste- raceae) und der Gelbe Zahntrost (Odontites lutea L., Blutstorchschnabel-Saumgesellschaft (Trifolion san- Scrophulariaceae) in recht ansehnlichen Beständen guinei T. Müller 1961) erwähnt. Bei dem Blutstorchschnabel-Saum handelt es sich um eine thermo- und heliophile Saumgesellschaft, die dem Silikatfugen-Gesellschaft (Androsacetalia vandellii Betulo-Quercetum vorgelagert ist. Die Gesellschaft steht Br.-Bl. 1934) im Offenland in Kontakt mit versaumten Halbtrockenra- Die Gesteins- und Felsstandorte der Orbishöhe weisen sen. Als Kennarten treten die Ästige Graslilie (Antheri- eine im hessischen Teil der Bergstraße bemerkenswerte cum liliago) und die Pechnelke (Viscaria vulgaris) auf. Als Größe auf. Dort, wo der Fels grusig zerfällt und sich Trennarten zu anderen Saumgesellschaften gesellen sich etwas Feinerde gebildet hat, haben sich trockenheitslie- das Savoyer Habichtskraut (Hieracium sabaudum) und bende Pflanzenarten aus der pflanzensoziologischen Ord- die Drahtschmiele (Deschampsia flexuosa L., Poaceae) nung der Silikatfugengesellschaft angesiedelt. Es sind hinzu. Als Verbandskennarten wären das Wohlriechende Bewohner extremer Standorte und oftmals Reliktarten Salomonsiegel (Polygonatum odoratum Mill., Lilia- ceae), der Blutstorchschnabel (Geranium sanguineum der postglazialen Wärmezeiten (Pott 1996). Besiedelt L., Geraniaceae), der Hügelklee (Trifolium alpestre L., werden Felsspalten der natürlichen Felsen oberhalb des Fabaceae), der Hirschhaarstrang (Peucedanum cervaria Steinbruchs, aber auch Spalten der Steinbruchwände L., Apiaceae) und die Astlose Graslilie (Anthericum und der verfallenen Weinbergsmauern. Sie wurden im ramosum) zu nennen. Als regionale Differentialarten, Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter betrachtet insbesondere auf lößüberwehten Standorten, gelten die und daher soziologisch nicht näher definiert. Als Kenn- Arten Schwalbenwurz (Vincetoxicum hierundinaria Med., arten treten der Schwarze Streifenfarn (Asplenium tricho- Asclepiadaeae), Großblütiger Fingerhut (Digitalis grandi- manes L.), die Mauerraute (Asplenium ruta-muraria L.), flora), Pfirsischblättrige Glockenblume (Campanula per- der Nordische Streifenfarn (Asplenium septentrionale L., sicifolia L., Campanulaceae) und Behaarter Alant (Inula Polyplodiaceae) und die Tripmadam (Sedum reflexum L., hirta L., Asteraceae). Crassulaceae) auf. Als wichtiger Begleiter wäre die Rund- blättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia agg., Eine Besonderheit des Blutstorchschnabel-Saumes ist Campanulaceae) zu nennen, die als Raupenfutterpflanze der Labmeistersaum Geranio sanguinei-Galietum glauci im Hauptlebensraum der vom Aussterben bedrohten Marstaller 1969, eine xerothermophile, subkontinen- Eupithecia denticulata (Treitschke, 1828) (Geometridae) tale Gesellschaft der steilen, flachgründigen Hanglagen. eine besondere Bedeutung besitzt. Kennzeichnende Art ist das seltene Blaugrüne Labkraut (Galium glaucum L., Rubiaceae). Zu den Flächenanteilen der Biotoptypen siehe Abb. 3. © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 12 13 Abb. 3: Biotoptypenübersicht (prozentuale Flächenanteile) im NSG „Orbishöhe von Auerbach und Zwingenberg“. Zusammenstellung von gebietstypischen anderen Lebensgemeinschaften eines Naturraumes und Leitarten in der Regel auch darüber hinaus. Die Leitarten zählen zu den stenöken (euzönen) Standortspezialisten, die In 64 Lichtfangnächten, in denen zum Teil drei Lichtfal- sich weiterhin in Arten untergliedern lassen, die sich len gleichzeitig aufgestellt wurden, bei mehreren Köder- ausschließlich in einer bestimmten Zönose aufhalten und Pheromonfangeinsätzen sowie Begehungen am Tage (zönobionte Arten), und Arten, die sich in einer Zönose konnten in dem Zeitraum von 1998 bis 2002 im NSG optimal entwickeln, aber auch in anderen Zönosen vor- „Orbishöhe“ insgesamt 356 Makrolepidopterenarten fest- kommen können (zönophile Arten). Dagegen werden gestellt werden. In den Jahren 1998–2001 erfolgte eine Arten, die sich in unterschiedlichen Zönosen optimal Grunddatenerfassung und im Jahr 2002 ein Monitoring entwickeln können, als euryök (tychozön) bezeichnet zur Kontrolle von Leit- und Zielarten mit geringerem Zeit- (vergleiche Kratochwil & Schwabe 2001). Keine erkenn- aufwand. Zusammen mit Angaben aus zurückliegenden bare Bindungen besitzen die Ubiquisten. Jahrzehnten über das Gebiet (Streck mündl.) beträgt die Die mit Hilfe der Licht- und Köderfänge erfaßten Nacht- Zahl der Arten, die im Untersuchungsgebiet somit seit schmetterlinge erlauben in der Regel noch keine Aussage Mitte der 1950er Jahren bekannt geworden sind, 392. über ihren Status im untersuchten Lebensraumtyp. Erst Einige der von Streck angegebenen Arten können als durch eine Erfassung über mehrere Jahre, durch Indivi- verschollen, andere sogar mit Sicherheit als ausgestorben duenzählungen der angeflogenen Arten bei jedem Licht- gelten. Für verschiedene Arten steht ein aktueller Nach- und Köderfang, ist es jedoch möglich, Hinweise auf die weis dagegen noch aus (siehe unten). Biotopindigenität der angetroffenen Arten zu geben und Unter den festgestellten Falterarten befinden sich auch Auskunft über die Bestandsentwicklungen von Popula- biotoptypische Arten, die als Leitarten in ein Artenmoni- tionen treffen zu können. Dies setzt natürlich identische toring eingebracht werden können. Die Zuordnung der Erfassungsmethoden voraus. Die Tabellen 3 und 4 enthal- Leitarten zu den wertbestimmenden Lebensraumtypen ten eine Zusammenstellung der in den Vegetationstypen erfolgt aufgrund ihres Bindungsgrades an die untersuch- thermophile Eichenmischwälder, xerothermophile ten Lebensgemeinschaften (Zuordnung der mesophilen Hecken und Säume, Halbtrockenrasen und Felsfluren und xerothermophilen Offenland- und Waldarten zu den festgestellten Leitarten, differenziert nach ihrem Bin- zuvor beschriebenen Lebensraumkomplexen). Leitarten dungsgrad. Besonders deutlich wird die Rolle einer Leit- besitzen in einer Lebensgemeinschaft oder in einem art, auch Leitform genannt (Tischler 1992), wenn die bio- Lebensgemeinschaftskomplex signifikant höhere Stetig- toptypischen Arten in hoher Dominanz auftreten. Dies keiten und oft auch höhere Abundanzen als in allen kann besonders für artenarme Lebensgemeinschaften © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 14 15 zutreffen (zum Beispiel Röhrichte). Dort können stenöke Arten vertreten. Diese entstammen den Schlucht- und Arten mitunter auch in hohen Individuenzahlen gemäß den Winkelseggen-Erlen-Eschenwäldern, die im Unter- dem zweiten biozönotischen Grundprinzip nach Thiene- suchungsgebiet und im FFH-Gebiet „Kniebrecht, Melibo- mann (1939), zitiert in Kratochwil & Schwabe (2001), cus und Orbishöhe“ zur typischen Vegetation zählen. angetroffen werden. In artenreichen Lebensraumtypen In hohem Maße bedeutsam sind die Arten steiniger oder (Halbtrockenrasen, thermophile Säume und andere) tre- felsiger Standorten, von denen 10 Arten im Gebiet auftra- ten biotoptypische Arten dagegen in der Regel in gerin- ten, die zugleich auch zu den seltensten und gefährdet- ger Individuenzahl oder gar als Einzelindividuen auf. sten Arten im Gebiet zählen. Auswertung nach Falterformationen Die faunistischen Ergebnisse unterstreichen die vegeta- tionskundlich-floristischen Befunde mit hohem Anteil Alle Falterarten, die aus dem Gebiet aktuell bekannt subpontischer und pontomediterraner Arten. Es handelt geworden sind, wurden in Falterformationen eingeteilt. sich um Reliktstandorte mit Vegetationseinheiten und Insgesamt beträgt der Anteil der Offenlandarten 19 % Pflanzenarten, die ihr Optimum in der postglazialen oder 67 Arten. Der Anteil der Wald- und Waldsaumarten Wärmezeit besaßen (Atlantikum bis Subboreal, ca. beträgt 81 % oder 289 Arten. Von den Offenlandarten 5800–3000 v. Chr.), als die Temperaturen im Durch- entfallen 16 Arten auf die Falterformation Ubiqisten, 30 schnitt ca. 3°C höher waren als heute und lichte Eichen- Arten zählen zu den mesophilen Offenlandarten und 21 und Kiefernwälder vorherrschten (Walter 1986). Als Arten gehören den xerothermophilen Offenlandarten solche Reliktpflanzen können zum Beispiel das Glanz- an, von denen knapp 50 % steinige oder felsige Standorte lieschgras (Phleum phleoides L., Poaceae), der Bergklee bevorzugen oder sogar benötigen. (Trifolium montanum L., Fabaceae), der Aufrechte Ziest Von den Waldarten werden die Arten der thermophilen (Stachys recta L., Lamiaceae), der Behaarte Alant (Inula Wälder, deren Mäntel und Säume näher betrachtet. hirta) oder die Mehlige Königskerze (Verbsacum lychnitis Insgesamt sind sie mit 26 Arten oder 7,3 % im Untersu- L., Scrophulariaceae) gelten. Zu den Arten mit pontome- chungsgebiet vertreten. Dabei entfallen auf die thermo- diterraner Verbreitung zählen unter anderen die Weich- philen Gebüsche 8 Arten, auf die thermophilen Säume selkirsche (Prunus mahaleb L., Rosaceae), der Hirsch- 14 Arten und auf den Wald selbst 4 Arten. Den größten haarstrang (Peucedanum cervaria), die Feinstrahlaster Anteil im Untersuchungsgebiet stellen die Arten meso- (Aster linosyris), die Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirun- philer Wälder, die 70,2 % oder 250 Arten umfassen. dinaria) und der Gelbe Zahntrost (Odontites lutea). Eine Auf die Baumschicht entfallen dabei 85 Arten, auf die Besonderheit unter den Reliktpflanzen der periglazialen Waldmäntel einschließlich Vorwaldstadien 60 und auf Steppenzeit stellt die seltene Niedrige Erdsegge (Carex die Krautschicht sowie die Binnen- und Außensäume humilis Leys., Cyperaceae) dar, die sich im Gebiet noch 98 Arten. Die Arten der hygrophilen Wälder sind mit 13 in guten Beständen behaupten kann. Zu den Falterar- Abb. 4: Falterformationen (prozentuale Artenanteile) im NSG „Orbishöhe von Auerbach und Zwingenberg“. © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 14 15 ten subpontischer Wiesensteppen, pontomediterraner der Verlust an xerothermophilen Wald- und Offenland- Steppenrasen und Waldheiden zählen zum Beispiel arten besonders auffallend ist. Allerdings beziehen sich die im Gebiet aufgefundenen Leitarten Rhodostrophia die Daten xerothermophiler Wälder und Gebüsche aus vibicaria (Clerck, 1779), Eupithecia denticulata (beides zurückliegenden Jahrzehnten in erster Linie auf Tagfal- Geometridae), Zanclognatha lunalis (Scopoli, 1763), ter. Die nachtaktiven Leitarten wurden erst durch den Hoplodrina superstes (Ochsenheimer, 1816), Hoplodrina Verfasser bekannt. Kristal und Streck haben zwar im respersa ([Denis & Schiffermüller], 1775), Chloantha Gebiet Lichtfang betrieben, geleuchtet wurde aber auf hyperici ([Denis & Schiffermüller], 1775), Agrochola der Steinbruchsohle, so daß die für das Monitoring laevis (Hübner, 1803), Epilecta linogrisea ([Denis & Schif- ausgewählten Lebensraumtypen somit nur aus einer fermüller], 1775), Chersotis multangula (Hübner, 1803) Distanz von 50 und mehr Metern mit dem Lichtschein (alles Noctuidae), Drymonia querna ([Denis & Schiffer- der Leuchtanlage erreicht wurden (Streck mündl.). müller], 1775), und Thaumetopoea processionea (Lin- Mikroklimatisch herrschen auf der Steinbruchsohle naeus, 1758) (beide Notodontidae). Den jeweiligen Anteil zudem kühlere und feuchtere Bedingungen, wohin sich der Falterformationen nach Arten siehe in Abb. 4. die xerothermophilen Arten offensichtlich selbst durch den Lichtfang nicht anlocken ließen. Lediglich Dichonia Leitarten xerothermophiler Wälder, Mäntel und Säume convergens ([Denis & Schiffermüller], 1775) (Noctuidae) Die Leitarten der Trockenstandorte werden getrennt konnte Streck durch Raupenfunde in den 1970er Jahren nach Arten der Lebensraumtypen Wälder, Waldmäntel nachweisen (Streck mündl.). Zu dem im Gebiet offen- und Trockensäume in Tabelle 3 angegeben. sichtlich verschollenen und ausgestorbenen Arten zäh- len der Segelfalter Iphiclides podalirius (Linnaeus, 1758) Unberücksichtigt bleiben die Arten aus fremden Auf- (Papilionidae), dessen Raupenfutterpflanze die Weichsel- sammlungen (Kristal 1980, Streck mündl.), von denen kirsche (Prunus mahaleb) dargestellt haben dürfte. Er konnte in den 1940er und 1950er Jahren noch regelmä- Tabelle 3: Lepidoptera-Leitarten der thermophilen Wälder und ßig beim Blütenbesuch in Zwingenberg und Auerbach Gebüsche. — BQ = Betulo-Quercetum , PL = Pruno-Ligustretum, GK = beobachtet werden (Streck mündl.). Auch Dauth (1965) Geranion sanguinei und Krautschicht Betulo-Quercetum, B = Baum- erwähnt die Art noch für die 1960er Jahre aus Auerbach. schicht. Das Braunauge (Lasiommata maera (Linnaeus, 1758), Art Lebensraumtypus Futterpflanzen Nymphalidae) konnte aktuell auch nach intensiver BQ PL GK Suche nicht mehr bestätigt werden, obwohl sich die B BQ Biotopbedingungen im lichten Betulo-Quercetum ver- Sphinx ligustri × Ligustrum vulgare mutlich nicht wesentlich verändert haben dürften. Cilix glaucata × Prunus spinosa Apeira syringaria × Ligustrum vulgare Crocallis tusciaria × Prunus spinosa Tabelle 4: Makrolepidopterenarten der Halbtrockenrasen. Acasis viretata × Crataegus laevigata Trichopteryx polycommata × Ligustrum vulgare Standort- Idaea rusticata × trockenes Laub Art eigenschaften Futterpflanzen Idaea subsericeata × trockenes Laub steinig/felsig Idaea degeneraria × Kräuter Apterona crenulella + Kräuter Idaea deversaria × trockene Blätter Chamaesphecia Genista tinctoria, Euphorbia cyparissias Rhodostrophia vibicaria × empiformis G. pilosa Zygaena loti Coronilla varia Aplocera efformata × Hypericum perforatum Zygaena transalpina Coronilla varia Thaumetopoea proces- sionea × Quercus petraea Hyles euphorbiae Euphorbia cyparissias Drymonia querna × Quercus petraea Aricia agestis Geranium spec. Paracolax tristalis × trockenes Laub Lasiommata megera Gräser Zanclognatha lunalis × trockenes Laub Charissa obscurata + Kräuter Pyrrhia umbra × Kräuter Scopula + Kräuter Hoplodrina ambigua × Kräuter marginepunctata Actinotia polyodon × Hypericum perforatum Galium album, Epirrhoe galiata + Chloanthe hyperici × Hypericum perforatum G. glaucum Agrochola laevis × Quercus petraea Eupithecia denticulata + Campanula rotundifolia Dichonia convergens × Quercus petraea Minoa murinata Euphorbia cyparissias Ammoconia caecimacula × Kräuter Heliothis viriplaca Kräuter Silene vulgaris, Hadena perplexa × Hoplodrina superstes + Kräuter S. nutans Hoplodrina respersa + Kräuter Epilecta linogrisea × Kräuter Euxoa tritici × Kräuter Galium album, Chersotis multangula + G. glaucum Kräuter, Flechten, Dysauxes ancilla × Moose Paradiarsia glareosa Kräuter © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main 16 17 Leitarten der Halbtrockenrasen und deren Säume Zusammenstellung biotoptypischer Arten für ein Monitoring Die Leitarten der Halbtrockenrasen werden in Tabelle 4 angegeben. Arten mit steinigen und felsigen Biotop- In diesem Kapitel werden die Arten zusammengestellt, ansprüchen werden hervorgehoben. Diese Arten zählen die für das Monitoring der Birken-Eichen-Wälder (Betulo- zu dem besonders wertgebenden und charakteristischen Quercetum), der thermophilen Hecken (Pruno-Ligustre- Arteninventar des NSG. tum) und der thermophilen Säume, der Krautschicht des Betulo-Quercetums (Geranio sanguineum) sowie Die Arten der Halbtrockenrasen, die Kristal (1980) und der Halbtrockenrasen in den naturräumlichen Haupt- Streck (mündl.) festellten, müssen ebenso als verschol- einheiten Bergstraße und Vorderer Odenwald geeignet len angesehen werden wie die des Betulo-Quercetums erscheinen. Die Zusammenstellung erfolgt getrennt und der xerothermophilen Gebüsche und Säume. Zu nach phänologischen Artengruppen. Wenn eine Art in den verschollenen Arten der Halbtrockenrasen im Tabelle 5 durch Fettkursivdruck gekennzeichnet wurde, Gebiet zählen Erynnis tages (Linnaeus, 1758) (Hesperi- handelt es sich um eine überregional herausragende Art, idae) und Maculinea arion (Linnaeus, 1758) (Lycaeni- die für einen besonders guten Erhaltungszustand des dae). Für sie sind die offenen Rasen offensichtlich soweit angegebenen Lebensraumtyps steht. Dies gilt insbeson- zusammengeschrumpft, daß sie den Falterarten keinen dere für die Art Eupithecia denticulata, für die bundes- Lebensraum mehr bieten können. Dies dürfte auch für weit gesehen das Regierungspräsidium Darmstadt eine Calamia tridens (Hufnagel, 1767) (Noctuidae) zutreffen, besondere Verantwortung trägt. die Streck noch Mitte der 1970er Jahre im Gebiet nach- Kommentare zu den besonders wertgebenden weisen konnte. Dagegen konnte bei einer Überprüfung Makrolepidopterenarten der im Winter 2001/2002 entbuschten Halbtockenrasen Anfang Juni 2002 ein Falter von Zygaena loti ([Denis & Aricia agestis ([Denis & Schiffermüller], 1775) Schiffermüller], 1775) und eine kleine Population von Dunkelbrauner Bläuling (Lycaenidae) Zygaena transalpina (Esper, 1780) (Zygaenidae) nachge- wiesen werden. Dies ist sicher als Erfolg der Pflegemaß- Auf den versaumten Halbtrockenrasen der Orbishöhe nahmen zu werten. fliegt der Dunkelbraune Bläuling in drei Generationen Tabelle 5: Phänologie ausgewählter Arten. — Lebensraumtypen: Mb = Halbtrockenrasen; PL = xerothermophile Hecken und Gebüsche; GK-BQ = xerothermophile Säume und Krautschicht des Betulo-Quercetums. — H = Monatshälfte. Erfassungszeitraum Lebens- März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Art raumtyp 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. 1. 2. H H H H H H H H H H H H H H H H Frühjahr Trichopteryx polycommata PL Sommer Aricia agestis Mb Apeira syringaria PL Idaea degeneraria GK-BQ Eupithecia denticulata Mb-(GK?) Zanclognatha lunalis GK-BQ Epilecta linogrisea GK-BQ Hoplodrina superstes Mb Chersotis multangula Mb Dysauxes ancilla GK-BQ Euplagia quadripunctaria GK-BQ Herbst Crocallis tusciaria PL Agrochola laevis BQ 13. Dichonia convergens BQ © Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main