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Die Darstellung der Ehernen Schlange von ihren Anfängen bis zum Ende des Mittelalters PDF

207 Pages·2012·1.79 MB·German
by  DiehlUrsula
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DIE DARSTELLUNG DER EHERNEN SCHLANGE von ihren Anfängen bis zum Ende des Mittelalters Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Ludwig-Maximilian-Universität zu München vorgelegt von U r s u l a D i e h l Ilbesheim bei Landau/Pfalz 1956 Die Originalarbeit wurde durch Dr. Carl Graepler im Jahr 2012 in die vorliegende pdf-Version übertragen. [email protected] Referent: Prof. Dr. Hans Sedlmayr Tag der mündlichen Prüfung: 29. Februar 1956 I N H A L T S V E R Z E I C H N I S Vorwort I. DER BIBLISCHE BERICHT UND SEINE AUSLEGUNG VOM HELLENISMUS BIS INS 13. JAHRHUNDERT A. Die Eherne Schlange im Alten und Neuen Testament ..................................................... 1 B. Die Auslegung des biblischen Berichts a. Die vorchristliche Deutung ........................................................................................... 2 b. Die christliche Deutung ................................................................................................ 3 II. DIE DARSTELLUNG DER EHERNEN SCHLANGE VOR DEM 12. JAHRHUNDERT A. Das Problem der bildlichen Darstellung der Ehernen Schlange in der Sepulkralkunst a. Die Eherne Schlange als Symbol in der Sepulkralkunst ............................................. 12 b. Die Eherne Schlange im Verband des Moseszyklus ................................................... 15 c. Die Eherne Schlange als Typus des Gekreuzigten ...................................................... 19 B. Die Eherne Schlange in vereinzelten Textillustrationen des 10. bis 12. Jahrhunderts a. Abendländische Darstellungen ................................................................................... 22 b. Byzantinische Darstellungen ...................................................................................... 24 III. DIE DARSTELLUNG DER EHERNEN SCHLANGE VOM 12. BIS 15. JAHRHUNDERT A. Aufkommen und Verbreitung von Darstellungstypen westlich des Rheins a. Die Ausprägung des Schlange-Säule-Typus in der Goldschmiedekunst des Rhein-Maas-Gebietes ............................................................................................ 27 b. Die Ausbildung des Drache-Säule-Typus und seine Verbreitung durch die Kathedrale .................................................................................................... 32 c. Der Einfluss der französischen Ikonographie auf die englische Darstellungsweise der Ehernen Schlange ................................................................... 42 B. Die Darstellung der Ehernen Schlange östlich des Rheins a. Die frühen deutschen Darstellungen ............................................................................ 47 b. Die Ausprägung einzelner Typen der Schlange am Holz ........................................... 51 c. Die Frage nach dem Impuls zur typologischen Darstellung der Ehernen Schlange in Deutschland ......................................................................... 56 C. Die Darstellung der Ehernen Schlange in Italien und ihr Verhältnis zum Norden a. Vom Norden abhängige Darstellungen ....................................................................... 60 b. Vom Norden unabhängige Darstellungen ................................................................... 64 IV. DIE HERKUNFT DER DARSTELLUNGSFORMEN DER EHERNEN SCHLANGE UND IHR VERHÄLTNIS ZUR LITERATUR A. Die frühen Einzelformen a. Die Schlange als ’Kultbild’ ......................................................................................... 67 b. Die Schlange in Verbindung mit dem Baum ............................................................... 67 c. Die Schlange an vertikaler Stütze ................................................................................ 69 B. Die linksrheinische Gruppe der sitzenden ’aggressiven’ Schlange a. Die Schlange auf der Säule ......................................................................................... 70 b. Der Drache auf der Säule ............................................................................................ 74 C. Die rechtsrheinische Gruppe der hängenden ’passiven’ Schlange a. Die undifferenzierte Erhöhung der Schlange ............................................................... 80 b. Die Schlange am Gabelholz ......................................................................................... 81 c. Die Schlange am Kreuz ................................................................................................ 86 Anmerkungen: ........................................................................................................................................ 89 K A T A L O G Vorwort zum Katalog ............................................................................................................. 112 BUCHMALEREI Syrien, Byzanz ..................................................................................................... 113 Frankreich ............................................................................................................. 116 England ................................................................................................................. 127 Deutschland .......................................................................................................... 130 Spanien ................................................................................................................. 140 Italien .................................................................................................................... 141 GOLDSCHMIEDEKUNST Rhein-Maas-Gebiet .............................................................................................. 142 Deutschland .......................................................................................................... 146 England ................................................................................................................. 150 Frankreich ............................................................................................................. 151 GLASMALEREI Frankreich ............................................................................................................. 152 England ................................................................................................................. 156 Deutschland .......................................................................................................... 157 Italien .................................................................................................................... 160 PLASTIK Frankreich ............................................................................................................. 161 Spanien ................................................................................................................. 164 England ................................................................................................................. 165 Deutschland .......................................................................................................... 166 Italien .................................................................................................................... 170 WANDMALEREI England ................................................................................................................ 171 Deutschland ......................................................................................................... 172 Italien ................................................................................................................... 174 TEXTILIEN Deutschland ......................................................................................................... 175 VARIA ................................................................................................................................... 177 L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s ............................................................................................. 178 P e r s o n e n- u n d S a c h v e r z e i c h n i s ................................................................... 194 O r t s v e r z e i c h n i s z u m K a t a l o g ........................................................................ 196 T e x t s e i t e n n a c h w e i s z u m K a t a l o g ................................................................ 198 I V o r w o r t Zu den Darstellungen, die seit dem hohen Mittelalter zum festen Bestand des christlichen Bilderschatzes zählen, in den vor- und frühmittelalterlichen Jahrhunderten jedoch selten oder gar nicht nachzuweisen sind, gehört die der Ehernen Schlange, die auf göttlichen Befehl von Moses errichtet wird (4. Mos. 21, 8-9). Für das Verständnis des Wandels innerhalb der christlichen Bild- und Gedankenwelt im Mittelalter erscheint es mir aufschlußreich, einerseits die Gründe für das Fehlen dieser Darstellung in frühchristlicher Zeit – bei gleichzeitiger Verbildlichung einer Reihe anderer Ereignisse aus der Moses-Geschichte – zu untersuchen und andererseits den Ursachen nachzugehen, die zu ihrer Aufnahme in den Themenkreis der christlichen Kunst und zu ihrer Verbreitung führten. Als Resultat einer solchen Untersuchung können folgende Ergebnisse vorgelegt werden: 1. Wenn Darstellungen der Ehernen Schlange in frühchristlicher Zeit und in den von der frühchristlichen Kunst abhängigen Epochen nicht festzustellen sind, so ist dies wesentlich darin begründet, daß das frühe Christentum die bildliche Gestaltung der Ehernen Schlange vermied, um dem Vorwurf heidnischer Götzenverehrung auszuweichen. Darauf weist sowohl das Verteidigen der Schlangenerrichtung hin als auch das bisweilen absichtliche Vermeiden ihrer Erwähnung durch die frühen Bibelexegeten. 2. Die Aufnahme der Ehernen Schlange in den abendländischen Bilderkreis erfolgt im 12. Jahrhundert. Die wenigen früheren, seit dem 7. Jahrhundert entstandenen Darstellungen sind Einzelerscheinungen ohne direkte Nachfolge. Vorbereitet durch die auf Joh.3,14 begründete christliche Auslegung von Mos.21,8-9 erreicht die Eherne Schlange ihre Bedeutung für die abendländische Kunst nicht innerhalb des Bibelzyklus, sondern neben dem Gekreuzigten im typologischen System. Die große Verehrung des Kreuzes im 12. Jahrhundert und die damit verbundene häufige Verwendung seiner Typen bewirken ihre Darstellung hauptsächlich auf Kreuz-Reliquiaren und meßbezogenen Gegenständen, sowie in den monumentalen christologischen Programmen der Kathedrale. Von da aus dringt die Darstellung von 4.Mos.21,8-9 auch in den Bibelbilderzyklus ein. Einmal aufgenommen in den Bildvorrat der christlichen Kunst bleibt die Darstellung der Ehernen Schlange von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis ins 18. Jahrhundert ein kontinuierlich fortlebendes bedeutendes Bildthema des Abendlandes. II 3. Allen Darstellungen gemeinsam ist die e r h ö h t e Anbringung der Ehernen Schlange, die sie zum 'Typus' des erhöhten (= gekreuzigten) Christus macht. Die Aktion des Erhöhens selbst drückt nur eine Gruppe byzantinischer Handschriften aus. Im Abendland wird die als 'Errichtung der Ehernen Schlange' bezeichnete Szene durch die Darstellung des bereits erhöhten Schlangenbildes und des darauf hinweisenden Moses wiedergegeben. Die enge Verbindung von Moses und Schlange ist bezeichnend für die mittelalterliche Darstellung des Themas. Erst in der nachmittelalterlichen Kunst wird die Schlange aus dem alttestamentlichen Zusammenhang gelöst und isoliert dargestellt. In Form und Anbringung der Ehernen Schlange, daneben auch im Aufbau der Szene, sind charakteristische, kunstgeographisch fixierbare Unterschiede festzustellen. Dadurch lassen sich die meisten abendländischen Darstellungen des Schlangenbildes zu T y p e n zusammenfassen, die – alle im 12. Jahrhundert entstanden – sich in eine linksrheinische und eine rechtsrheinische Gruppe scheiden. Westlich des Rheins ist die Schlange als 'Vernichterin' der Schlangen ein aggressives Wesen, östlich des Rheins als ’Rettungsmittel’ für die Befallenen ein passives. Die unterschiedliche Auffassung der Ehernen Schlange, die in ihrer Darstellungsform zum Ausdruck kommt, entzieht sich letztlich der Erklärung. Von den abendländischen Typen abzusetzen sind die wenigen, auf das 11. und 12. Jahr- hundert beschränkten byzantinischen Darstellungen der Ehernen Schlange. 4. Theologische Ausdeutung und formale Ausprägung der Ehernen Schlange laufen bis zum Ende des Mittelalters weitgehend unabhängig nebeneinander her. Die Formen, in denen die mittelalterliche Kunst die Schlange verbildlicht, werden von Vor b i l d e r n – auch aus themafremden Zusammenhängen – angeregt oder übernommen. Obwohl seit frühchristlicher Zeit durch die Literatur nahegelegt, setzt sich das K r e u z als Träger der Schlange erst am Ende des Mittelalters durch, um von da die beherrschende Darstellungsform zu werden. In der Zäsur, die durch die Ablösung der mittelalterlichen Darstellungsprinzipien im Laufe des 15. Jahrhunderts erfolgt, wird für die vorliegende Arbeit die Begrenzung gesehen. Als Einwand gegen die Richtigkeit der hier ausgesprochenen Feststellungen könnte vorgebracht werden, daß gültige Aussagen nicht möglich seien, solange nicht alle noch existierenden Darstellungen der Ehernen Schlange aus dem umrissenen Zeitraum erfaßt werden können. Durch Aufzeigen des methodischen Vorgehens lassen sich derartige Zweifel jedoch zerstreuen. Das Thema hat bisher keine geschlossene Bearbeitung erfahren. Wenn im Katalog vorwie- III gend Denkmäler aus dem Norden des Abendlandes erscheinen, so hängt dies nur zum Teil damit zusammen, daß die Möglichkeiten zur Erfassung von Werken des französischen und des deutschen Kunstkreises besonders günstig waren, sondern vor allem damit, daß die Bildtypologie, mit der die Darstellung der Ehernen Schlange eng verknüpft ist, gerade im Norden des Abendlandes ihre Blüte erlebte, d.h. daß gerade hier die meisten Darstellungen der Ehernen Schlange geschaffen wurden und erhalten sind. Vollständigkeit in der Erfassung aller bis zum Ende des Mittelalters entstandenen Darstellungen ist zwar - schon wegen der Verstreutheit der Denkmäler - nicht zu erreichen, aber sie ist offenbar auch nicht notwendig, um gültige Aussagen zu treffen. Die wesentlichen Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung und Wandlung der Ehernen Schlange lassen sich aufdecken, sobald eine gewisse größere Zahl von Denkmälern aus allen für die Darstellung in Frage kommenden Gebieten innerhalb des zu untersuchenden Zeitraumes zur Beobachtung erfaßt ist. Das bestätigt sich ebenso bei der Vervollständigung des eigenen Sammel- ergebnisses durch das in den "Monuments historiques" in Paris zentralisierte Material wie bei seinem Vergleich mit dem Material des "Index of Christian Art" der Princeton University in Rom. In der Überzeugung, in ikonographische und ikonologisch-geisteswissenschaftliche Zusammenhänge verstehend einzudringen, sei nur möglich, wenn auch die jeweilige zeitgenössische Literatur auf ihre Stellungnahme zur Ehernen Schlange geprüft würde, wurden die Schriften der griechischen und lateinischen Kirchenväter und der mittelalterlichen Kirchenschriftsteller, soweit wie möglich, herangezogen. Da theologische Deutung und bildliche Darstellung der Ehernen Schlange sich bis gegen Ende des Mittelalters nicht decken, muß besondere Aufmerksamkeit der Herleitung der Formen und den Umständen gelten, unter denen sie 'erfunden' oder aus anderen Beziehungen gelöst und übernommen wurden. Hier erschlossen sich wichtige Zusammenhänge. Somit ist die Ableitung der Formen als Hilfsmittel der ikonographisch-kunstgeschichtlichen Unter- suchung anzusehen. Das Eindringen in die historischen Entwicklungszusammenhänge des Bildgedankens der Ehernen Schlange erlaubt schließlich, einmal zur genaueren Erkenntnis des Einzelkunstwerks beizutragen, zum anderen an e i n e m Bildthema vom Ikonographischen her kunstgeographische, werkstattmäßige, zeitgebundene Zusammenhänge zu umreißen, deren Kenntnis der Kunstwissenschaft zur Ordnung, Bestimmung und Erschließung anonymen mittelalterlichen Kunstgutes dienlich sein kann. 1 I. DER BIBLISCHE BERICHT UND SEINE AUSLEGUNG VOM HELLENISMUS BIS INS 13. JAHRHUNDERT A: Die Eherne Schlange im Alten und im Neuen Testament. 4.Mos.21,6-9: Das 21. Kapitel des 4. Buches Moses (Numeri) berichtet, wie den Kindern Israels gegen Ende ihrer vierzigjährigen Wüstenwanderung der Durchzug durch der Edomiter Land ver- weigert wird, wie sie das Land umziehen müssen, wie sie auf dem weiten Weg verdrossen werden und wie sie, hungrig und durstig, wieder einmal das Vertrauen auf ihren Gott ver- lieren. Zur Strafe für ihr Murren und Aufbegehren sandte der Herr feurige Schlangen unter das Volk. Als sie von diesen gebissen wurden und sehr viele von ihnen starben, kamen sie zu Moses und sprachen: "Wir haben gesündigt, daß wir wider den Herrn und wider dich geredet haben. Bete, daß er die Schlangen von uns nehme. Da betete Moses für das Volk. Und der Herr sprach zu ihm: Mache eine eherne Schlange und richte sie zum Zeichen auf: Wer gebissen ist und sie anblickt, soll am Leben bleiben. Also machte Moses eine eherne Schlange und richtete sie zum Zeichen auf. Blickten die, welche gebissen waren, sie an, so wurden sie geheilt."(1). 2.Kö.18,4: Über das Schicksal des Bildwerkes während der letzten Wanderjahre schweigt die Bibel. Auch in dem Bericht über die diesem Ereignis folgenden Jahrhunderte wird es mit keinem Wort erwähnt. Aber dann heißt es im 2. Buch der Könige von dem Gott wohlgefälligen König Hiskias: "Er verwüstete die Höhen, zerbrach die Bildsäulen und zerstörte die eherne Schlange , die Moses gemacht hatte, denn bis zu jener Zeit zündeten die Kinder Israels vor ihr Räucheropfer an, und er nannte sie Nohestan" (2). Joh.3,14: Noch schneller als über die Entstehung des Bildwerkes geht der Berichter damit über seine fünf Jahrhunderte später erfolgte Zerstörung hinweg und kaum hätte diese eherne Schlange eine jahrtausendelange Nachwirkung gehabt in der christlichen Literatur und Kunst, wäre ihr nicht im Neuen Testament durch Christi Worte, die Johannes überliefert, ein neues Gewicht gegeben worden: "So wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn erhöhet werden, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben."(3). Das E r h ö h t s e i n , das bei Johannes die Verbindung zwischen Eherner Schlange und Christus herstellt, ist das fruchtbare Moment für die christliche Gestaltung des Themas, sowohl für die literarische als auch für die bildkünstlerische. B Die Auslegung des biblischen Berichts. Die Auslegung des biblischen Berichtes wird im folgenden der Untersuchung der Denkmäler vorangestellt, teils, um gleich am Anfang in die Problematik der Numeri-Stelle einzuführen, die später wichtig für die Erklärung des Bildbestandes sein wird, teils, weil es einfacher erscheint, von den biblischen Darstellungen auf die Behandlung des Themas in der in der Literatur zurückzuverweisen als umgekehrt. 1 2 In dreifacher Hinsicht ist Num:21,6-9 rätselhaft: 1. Moses, der leidenschaftliche Bekämpfer jeglichen Bilderdienstes (4), erhält von Gott selber die Weisung, ein Bildwerk anzufertigen, 2. Plage und Heilmittel haben die gleiche Gestalt: Was zuvor getötet hat, rettet nun den gläubig Anschauenden, 3. Rettungszeichen ist die Schlange, das von Anbeginn an und bis in alle Ewigkeit verfluchte Lebewesen, die Verführerin des Menschengeschlechtes, die Sünde schlechthin und damit auch die Verkörperung des Satans (5). Wegen dieser Widersprüche gab die Bibelstelle bis zur Neuzeit häufig Anlaß zu Auslegung, Erklärung und Verteidigung (6). Vor allem mußte sie in einer Zeit, als heidnische und gnostische Schlangenkulte noch allerorts verbreitet waren, bei den Nichtgläubigen Wider- spruch und bei den Proselyten Verwunderung erregen. Schon früh setzt daher der Versuch ein, das Ereignis in der Wüste verständlich zu machen durch eine sinnbildliche Deutung. a. Die vorchristliche Deutung Auf die s y m b o l i s c h e Bedeutung des Schlangenbildes wird schon in dem "Buch der Weisheit" hingewiesen, einer apokryphen Schrift aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert, wohl verfaßt von einem griechisch gebildeten ägyptischen Juden. Im 16. Kapitel (6-7) heißt es: "Nur kurze Zeit waren sie zur Warnung in Schrecken versetzt und erhielten ein Zeichen der Rettung zur Erinnerung an das Gebot deines Gesetzes, denn der Sich-Zuwendende wurde nicht um des Geschauten willen gerettet, sondern um deinetwillen, des Retters aller" (7). Zum ersten Mal ist damit ausgedrückt, daß die heilende Kraft nicht im angebeteten Götzenbild liege, sondern, daß dieses Bildwerk nur ein σύµβολον τῆς σωτηρίας sei, hinter der sich der göttliche Retter verberge. Steht die Eherne Schlange symbolisch für die rettende Kraft Gottes, so a l l e g o r i s c h für die 'Mäßigung' und für die 'Standhaftigkeit' im Gegensatz zu der 'Lust', die durch die Schlange der Versuchung verkörpert wird, in den Schriften des großen jüdisch-alexandri- nischen Exegeten P h i l o (ca. 20 v.Chr. bis nach 50 n.Chr.), des Begründers der noch weit in die christliche Exegese wirkenden Begründers der alexandrinischen, allegorischen Bibel- Auslegung (8). Für ihn ist die Schlange, "insofern sie auf dem Bauche kriecht (Gen.3,14), den Menschen beißt (Deut. 8,15), denselben täuscht (Gen. 3,13), ein Bild der Lust, welche an der Erde haftet und die Seele des Menschen gefährdet. Anders aber liegt die Sache, wenn die Schlange von Erz ist, dann wird sie zur σωφροσύνη, welche auch fest ist wie Erz" (9). Außerdem ist die Eherne Schlange die καρτερία, die im Kampf gegen die ἡ#ονή (Schlange der Sünde) aushält. Bemerkenswert scheint mir, daß Philo zwar in seinen Kommentaren zum Pentateuch, die hauptsächlich für Juden geschrieben wurden, öfter auf die Numeri- 2 3 stelle anspielt, jedoch in seiner, für einen hellenistisch-heidnischen Leserkreis bestimmten, historisch-apologetischen Schrift "Das Leben des Moses" im geschichtlichen Ablauf diese Szene übergeht (10). Die Erzählung geht bis zu Num.21,1-3 (Besiegung der Kanaäniter) und fährt fort bei Num.21,16 (Entdeckung des Quells). Besonders auffällig ist das Fehlen der Schlangenplage deshalb, weil alle übrigen Strafen und Seuchen des israelitischen Volkes ausführlich geschildert werden. Aus diesem Verschweigen läßt sich schließen, daß die Errichtung der Ehernen Schlange schon damals als Ansatzpunkt für die heidnische Kritik an der Logik der Heiligen Schrift benutzt wurde, weil sie als Widerspruch empfunden werden mußte zu dem gerade im 3. Buch der "Vita Mosis" nachdrücklich gegebenen Hinweis auf das erste Gebot, wonach keine falschen Götter, vor allem aber keine Tiere – wie beispielsweise Krokodil oder Aspis – anzubeten seien. In den ’"Jüdischen Altertümern" des F l a v i u s J o s e p h u s (37/38-110/20 n.Chr.), einer Nacherzählung des biblischen Textes mit apokryphen Zusätzen, die mehr noch als das Werk Philos im Abendland verbreitet waren und schon früh illustriert wurden, ist die Errichtung der Ehernen Schlange ebenfalls übergangen, während die übrigen Schicksale der Juden während ihrer Wüstenwanderung ausführlich geschildert werden (12). Man darf wohl die Auslassung von Num. 21,6-9 auch hier als absichtliches Verschweigen interpretieren, denn Josephus "verschweigt in seinen Werken manches, was bei den Heiden Anstoß hätte erregen können, manches auch deutet er um ..." (13). b. Die christliche Deutung. Für die christliche Exegese gibt es von Anfang an nur eine Auslegungsmöglichkeit von Num.21,6-9: die Christus praefigurierende. Bei Johannes (3,14) ist nur das ὑπωδῆναι, die Erhöhung, nicht die Eherne Schlange, Träger der Beziehung, wobei nicht klar entschieden werden kann, ob nur an die Erhöhung am Kreuze gedacht werden soll oder auch an das Erhöhtwerden in den Himmel. Wahrscheinlich gehen beide Vorstellungen hier ineinander über (14). Johannes steht damit im Gegensatz zur Anschauung und Lehre gnostischer Sekten, die gerade im Bilde der Schlange – die mit dem Heiland gleichgesetzt wird – das Symbol der Rettung sehen (15). Diese noch im Geiste der jüdisch-allegorischen Exegese stehende doppeldeutige Auslegung durch den Evangelisten wird wenig später durch den eindeutigen Bezug auf die Kreuzigung abgelöst und damit der für die Folgezeit so wichtige Schritt zur t y p o l o g i s c h e n Deutung vollzogen. In dem – wohl noch im 1. Jahrhundert verfaßten – apokryphen - B a r n a b a s b r i e f heißt es: "Noch einen Hinweis auf Jesus gibt Moses durch ein Wahrzeichen aus Anlaß eines Hinsterbens der Israeliten. Um sie nämlich zu überführen, daß sie um ihrer Übertretungen willen der Drangsal des Todes überlassen werden, hatte der Herr, sintemal durch die Schlange bei Eva die 3

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15 H. Odeberg, The forth Gospel (1929), S.102. – Vgl. auch Anm.19. FVERVNT + (Außenrand); VITA SVBIT LETVM DVLCEDO POTAT ACETVM.
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