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Die Bundestagswahl 2009: Analysen der Wahl-, Parteien-, Kommunikations- und Regierungsforschung PDF

399 Pages·2010·2.48 MB·German
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Karl-Rudolf Korte (Hrsg.) Die Bundestagswahl 2009 Karl-Rudolf Korte (Hrsg.) Die Bundestags- wahl 2009 Analysen der Wahl-, Parteien-, Kommunikations- und Regierungsforschung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Frank Schindler Redaktion: Patrick Hintze, Franziska Zentner (NRW School of Governance, Universität Duis- burg-Essen) VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesond ere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-17476-1 Inhalt Karl-Rudolf Korte 9 Die Bundestagswahl 2009 – Konturen des Neuen Problemstellungen der Regierungs-, Parteien-, Wahl- und Kommunikationsforschung Teil I: Wahlforschung Matthias Jung/Yvonne Schroth/Andrea Wolf 35 Wählerverhalten und Wahlergebnis Regierungswechsel ohne Wechselstimmung Rüdiger Schmitt-Beck/Ansgar Wolsing 48 Der Wähler begegnet den Parteien Direkte Kontakte mit der Kampagnenkommunikation der Parteien und ihr Einfluss auf das Wählerverhalten bei der Bundestagswahl 2009 Thorsten Faas 69 Das fast vergessene Phänomen Hintergründe der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2009 Teil II: Parteienforschung Jan Treibel 89 Was stand zur Wahl 2009? Grundsatzprogramme, Wahlprogramme und der Koalitionsvertrag im Vergleich Ulrich Eith 117 Volksparteien unter Druck Koalitionsoptionen, Integrationsfähigkeit und Kommunikationsstrategien nach der Übergangswahl 2009 6 Inhalt Ton Nijhuis 130 Regieren und Parteienwettbewerb in einem nivellierten Vielparteiensystem Was erwartet die deutschen Parteien? Eine Antwort aus den Niederlanden. Ludger Helms 149 Lernen von Österreich? Parteienwettbewerb und Regierungsbildung im Zerrspiegel der Alpenrepublik Lothar Probst 167 Wird das deutsche Parteiensystem „europäischer“? Die Entwicklung des deutschen Parteiensystems im europäischen Vergleich Teil III: Kommunikationsforschung Klaus Kamps 187 Zur Modernisierung und Professionalisierung des Wahlkampfmanagements Die Kampagnenorganisationen im Vergleich Hagen Albers 227 Politik im „Social Web“ Der Onlinewahlkampf 2009 Christoph Bieber 239 Das „Kanzlerduell“ als Multimedia-Debatte Politische Kommunikation und Bürgerbeteiligung zwischen TV und Internet Jackson Janes 262 The Battle for the Ballot Pursuing the Volatile Voter Inhalt 7 Teil IV: Regierungsforschung Andreas Blätte 273 Reduzierter Parteienwettbewerb durch kalkulierte Demobilisierung Bestimmungsgründe des Wahlkampfverhaltens im Bundestagswahlkampf 2009 Tim Spier 298 Das Ende der Lagerpolarisierung? Lagerübergreifende Koalitionen in den deutschen Bundesländern 1949-2009 Niko Switek 320 Unpopulär aber ohne Alternative? Dreier-Bündnisse als Antwort auf das Fünfparteiensystem Timo Grunden 345 Ein schwarz-gelbes Projekt? Programm und Handlungsspielräume der christlich-liberalen Koalition Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 371 Literaturverzeichnis 375 Autorenverzeichnis 405 Dank 407 Karl-Rudolf Korte Die Bundestagswahl 2009 – Konturen des Neuen Problemstellungen der Regierungs-, Parteien-, Wahl- und Kommunikationsforschung Die Bundestagswahl von 2009 bleibt ein Solitär: Die Wählermobilisierung stand einzigartig im Schatten der Großen Koalition und der Weltwirtschaftskrise. Die Analysen der Regierungs-, Parteien-, Wahl- und Kommunikationsforschung stehen insofern vor einer besonderen Herausforderung. Denn neben der punktu- ellen Erforschung des Wahlergebnisses aus einem sozialwissenschaftlichen Ver- ständnis heraus, sind auch die Schlussfolgerungen für die wissenschaftliche Poli- tikberatung wichtig, die sich gerade längerfristig und verallgemeinerbar aus der Wahl ergeben. Doch sowohl der Parteienwettbewerb in Deutschland als auch die Einstellungsprofile der Wähler korrelierten mit dem Sonderformat der Großen Koalition und der ökonomischen Krisen-Konstellation. Dieser doppelten Besonderheit verdanken wir strategische Momente, die für den Parteienwettbewerb im Superwahljahr 2009 signifikant waren. Zweifellos gehört der gemeinsame Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihres Finanzministers Peer Steinbrück (SPD) im Oktober 2008 zur Vorgeschichte so eines strategischen Moments: Beide erklärten im Namen der Bundesregierung, dass die Einlagen der privaten Konten sicher sind.1 Sicherheit, Krisen-Sicherheit wurde ganz bewusst suggeriert, in einer Zeit, in der mehr denn je Ungewissheit zum Tagesgeschäft gehörte. Die politischen Spitzenakteure einer Regierung sind in eine Regierungsformation eingefügt (Grunden 2009: 67). Als Kollektivakteur ist die Formation extrem fragil und fluid. Handlungsfähig sind die Spitzenakteu- re, die wiederum ihr Politikmanagement unter den Bedingungen von politischer Komplexität und Unsicherheit organisieren (Luhmann 1983; Scharpf 1970). Bun- desfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) formulierte dies einem Spiegel-Inter- 1 Wenige Stunden zuvor sah sich die Bundesbank praktisch nicht mehr in der Lage, 500 Euro- Scheine den Banken zur Verfügung zu stellen, weil bereits zu viele Kunden Geld abgehoben hatten. 10 Karl-Rudolf Korte view: „Ich bemühe mich um Rationalität. Tue nur das, von dem du überzeugt bist! Politische Verantwortung heißt, bei Unsicherheiten und unvollständigen Informationen Entscheidungen zu treffen. Das unterscheidet Politiker von Wis- senschaftlern und Kommentatoren“ (zit.n. Sauga/Feldkirchen/Kurbjuweit 2008). Dies beschreibt ganz treffend ein strategisches Dilemma jeder Bundesregierung, nämlich strategische Entscheidungen zu treffen unter dem „Schleier des Nicht- wissens“ (Rawls 1979). Das Ausmaß des Nichtwissens hat sich zudem ganz of- fensichtlich in Zeiten der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 poten- ziert. Das Nichtwissen hat eine auch mittlerweile öffentlich anerkannte Zentrali- tät erreicht (Böschen/Schneider/Lerf 2004). Die Krise bedeutet für jede Regierung einen markanten Einschnitt im Hinblick auf das komplette Politikmanagement und die politische Legitimation des Regierungshandelns. Die Unsicherheitskrise hängt mit der Tiefe des ökonomischen Abschwungs ebenso zusammen wie mit der Ratlosigkeit, diesem mit nachhaltigem Politikmanagement zu begegnen. Zweifelsohne handelt es sich um einen besonderen strategischen Moment in der Regierungssteuerung. Weitere Besonderheiten kennzeichneten den Wahlkampf und das Wahler- gebnis:2 (cid:2) Die Wählermobilisierung verlief äußerst schleppend. Kontroverse, emotio- nale, skandalträchtige inhaltliche Auseinandersetzungen, die einem Wahl- kampf das spezifische Markenzeichen verleihen, fehlten. Die Große Koaliti- on zelebrierte ihre gemeinsame Regierungsbilanz, ohne jedoch einen Koali- tionswahlkampf führen zu wollen. Die Kanzlerin, die einen extrem Kanzler- zentrierten und präsidentiellen Wahlkampf führte, ließ risikoreich in keiner Phase eine Polarisierung aufkommen. Jede Idee nahm sie dankbar auf: Keine Experimente! Mit so einem Vermeidungswahlkampf auf Samtpfoten er- zwang sie systematisch und strategisch professionell eine Demobilisierung der SPD. (cid:2) Kanzlerin und Kanzlerkandidat (in der Doppelrolle des Vizekanzlers) gin- gen ungewöhnlich soft miteinander um. Persönliche Angriffe zwischen bei- den fielen aus (Murswieck 2009: 12ff; Korte/Fröhlich 2009). (cid:2) Angela Merkel ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die erste Bundeskanzlerin, die mit zwei verschiedenen Koalitionen (Große Koa- lition und Kleine Koalition) regiert. 2 hierzu Forschungsgruppe Wahlen 2009, Infratest Dimap 2009a, Korte 2009c sowie insbesondere die Beiträge von Faas, Albers und Jung/Schroth/Wolf i.d.B. Die Bundestagswahl 2009 – Konturen des Neuen 11 (cid:2) Die Bundestagswahlen weisen mehr Veränderung in den Stimmenanteilen auf als alle Bundestagwahlen seit 1957 (Weßels 2009a: 33ff). Rund 13 Millio- nen Wähler haben sich im Vergleich zur Bundestagswahl von 2005 von einer Partei zur anderen oder zu den Nichtwählern bewegt. Knapp 29 Prozent al- ler Wähler des Jahres 2005 haben sich umentschieden. (cid:2) Der Vorsprung der Union (mit dem zweitschlechtesten Ergebnis seit 1949) vor der SPD (mit dem schlechtesten Ergebnis der Nachkriegsgeschichte) ist mit 10,8 Punkten so groß wie seit 1957 nicht mehr. Niemals zuvor hat eine Partei bei Bundestagswahlen zweistellig verloren wie die SPD: ein Verlust von 11,2 Punkten. (cid:2) Die Qualität des Parteienwettbewerbs hat sich nachhaltig durch die Wahl verändert (Decker 2009a; Lösche 2009): die Verfestigung und Verstetigung des Fünf-Parteien-Systems; die Bekräftigung des bipolaren Systems zweier zumindest koalitionspolitisch abgrenzbarer Lager; das weitere Abschmelzen des Konzentrationsprozesses der traditionellen Volksparteien Union und SPD (nur noch 56,8 Prozent, in den 70er Jahren noch über 90%); der Dekon- zentrationsprozess verläuft zeitgleich mit dem Aufstieg von mittelgroßen Parteien. (cid:2) Niemals zuvor haben sich weniger Bürger an den Bundestagswahlen betei- ligt als 2009. Rund 18 Millionen Menschen (soviel Einwohner wie in Nord- rhein-Westfalen leben) wählten nicht. Insgesamt nahmen 70,8 Prozent der 62.168.489 Wahlberechtigten an der Abstimmung teil. Damit verringerte sich das Beteiligungsniveau um 6,9 Prozentpunkte gegenüber 2005 (77,7 Pro- zent). Somit sind fast 30 Prozent der Wahlberechtigten nicht zur Wahl ge- gangen. Verlierer sind vor allem die Volksparteien: 1,1 Millionen Stimmen hat die CDU, 2,2 Millionen die SPD an die Nicht-Wähler abgegeben. Seit der ersten Bundestagswahl von 1949 war die Wahlbeteiligung niemals zuvor so stark zurückgegangen wie 2009. Gekoppelt mit der niedrigsten Quote kann man das schon als Zäsur der Wahlgeschichte bezeichnen. Für die politikwissenschaftliche Begleitung der Bundestagswahl ergeben sich angesichts dieser Rekorde und Superlative eine Reihe von Fragestellungen. Sie sollen in diesem Konzeptionsband erarbeitet und beantwortet werden. Dabei wird immer abzuwägen sein, was an der zurückliegenden Bundestagswahl ty- pisch oder komparativ eher untypisch war. Nachfolgende Überlegungen geben überblicksartig erste Interpretations- muster aus den Bereichen Regierungs-, Parteien-, Wahl- und Kommunikations- forschung wieder. 12 Karl-Rudolf Korte 1 Regierungs- und Parteienforschung 1.1 Koalitions-Lotterie: Neue Formeln zur Macht Die Bundestagswahlen von 2005 hatten die Qualität von critical elections: Es wird nie mehr so, wie es vorher einmal war (Korte 2005: 12ff). Erst seit der Bundes- tagswahl von 2005 existiert ein asymmetrisches, changierendes Fünfparteiensys- tem mit neuer Qualität und mit weitreichenden Konsequenzen sowohl für die Regierungsbildung im Bund, als auch in den westdeutschen Ländern (Nieder- mayer 2007: 114ff). Jenseits der Großen Koalition sind entlang der tradierten parteipolitischen Lager keine Bündnisse mehr kalkulierbar mehrheitsfähig, wie es jahrzehntelang die Koalitionsbildungen in Deutschland erwartbar bestimmte. Erschwert wurde diese Unübersichtlichkeit dadurch, dass das Potential der SPD als Multikoalitionspartei auf Eis lag. Zumindest bis zur nächsten Bundestagswahl 2013 wird die Tabuisierung der Linken auf Bundesebene weiter gepflegt werden. Vielparteien-Parlamente können zwar noch zu Zweierkoalitionen führen, aber weniger verlässlich als zu früheren Zeiten. Sogenannte Lager- oder Traditionsko- alitionen werden durch neue Varianten zur Regierungsbildung ersetzt: neue lagerübergreifende Zusammensetzungen (z.B. Schwarz-Grün in Hamburg), neue Regierungs- bzw. Koalitionstypen (z.B. Große Koalitionen, Dreier-Bündnisse wie Jamaika im Saarland) oder neue Regierungsformate (z.B. Minderheitsregierungen wie in Hessen) (Decker 2009b: 431ff). Wer nicht nur rechnerische, sondern belastbare politische Mehrheiten sucht, muss sich zukünftig auf dem Koalitionsmarkt tummeln. Der Parteienwettbewerb hat somit hinsichtlich der Fragmentierung, Segmentierung und Polarisierung vergleichbare europäische Dimensionen angenommen (Mielke/Eith 2008: 94ff). Die Parteiendemokratie ist seit 2005 in Deutschland im Hinblick auf Koalitions- formate bunter, vielgestaltiger, entlagerter, mobiler und koalitionsoffener gewor- den. Die Sprache der Spitzenakteure spiegelte das allerdings nur rudimentär wider. In alter Rhetorik wurden immer noch Lagerpolarisierungen beschworen. Wähler haben eine erkennbare Sehnsucht nach Unterscheidbarkeit der Angebote. Auch für Wahlkämpfer ist es einfacher, entlang eines Lagers polarisierend zu mobilisieren. Doch die erwartbare machttaktische Koalitions-Lotterie, bei der alles nach Schließung der Wahllokale politisch möglich sein wird, was arithme- tisch zwingend ist, verflüssigte die Lager-Sehnsucht. Die Auszehrung und Selbstverzwergung der Volksparteien durch ein Regie- ren in Großen Koalitionen und einem wachsenden Koalitionsmarkt (Korte 2008) machten für die Bürger die Entscheidung an der Wahlurne zum Vabanquespiel.

Description:
Wie wählten die Deutschen bei der Bundestagswahl 2009? Wie groß war der Einfluss der Programm- und Personalangebote der Parteien auf das Wahlergebnis? Welche Konsequenzen folgen aus dem Wahlausgang für das Parteiensystem und das Regieren in Deutschland? Dieser Band bietet umfassende Analysen zur
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