Mitteilungsblatt der Ärztekammer und der KassenärztlichenVereinigung Niedersachsen 91. Jahrgang | Mai 2018 Weiße Flecken auf der Landkarte? Gesucht: Konzepte gegen den Ärztemangel Kammerversammlung Antibiotikatherapie Honorar & Verträge Ärztevereine – Landesgesundheits- Honorarabrechnung quo vadis? amt veröffentlicht 4. Quartal 2017 Strukturen und aktualisierten Perspektiven Ratgeber Hier finden Sie, was Sie suchen. Der Anzeigenmarkt im niedersächsischen ärzteblatt Hannoversche Ärzte-Verlags-Union GmbH, Karl-Wiechert-Allee 18-22, 30625 Hannover Telefon 05 11 / 3 80 - 22 82, Telefax 05 11 / 3 80 - 22 81 Online-Anzeigenaufgabe: [email protected] oder unter www.haeverlag.de/service Editorial Mangelerscheinungen Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, immer länger werden die Schatten, die der dro- hende Ärztemangel vorauswirft. Es ist wie die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm – schaut man sich die Statistik an, wo denn derzeit Ärzteman- gel herrscht, lautet die Auskunft: Eigentlich nir- gends. Hier und dort droht Unterversorgung. Doch bislang ist es uns bei der KVN immer noch ge- lungen, die Lücken zu schließen. Doch so wird es nicht bleiben. Derzeit fehlen, N V os: K übers ganze Land gerechnet, statistisch über 300 ot Hausärztinnen und -ärzte. In den nächsten zehn F Jahren wird rund ein Drittel der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Niedersachsen in den Ruhestand gehen. Viele der Praxen werden dann kei- nen Nachfolger finden. Schon jetzt haben Hausärztinnen und -ärzte, zumal auf dem Lande, große Schwierigkeiten, am Ende ihres Berufslebens ihre Praxis abzugeben. Es gibt kein Patentrezept gegen die dann drohenden Versorgungslücken. Bislang hat sich in Nieder- sachsen eine breite Kombination von Maßnahmen bewährt. Wir fördern Neuniederlassungen mit ho- hen Zuschüssen, vergeben Stipendien, versuchen, über Verbundweiterbildung junge Kolleginnen und Kollegen an ihren Ausbildungsort zu binden. Wir haben den Bereitschaftsdienst reformiert, um die Be- lastung unserer Mitglieder mit Notdiensten zu verringern. Wir unterstützen die Beschäftigung arzt- entlastender Praxisangestellter, Anstellungsverhältnisse und Jobsharingmodelle. Was lässt sich noch tun? Auf unserem Symposium „Niederlassen in Niedersachen“ Mitte April wurde deutlich, dass es ohne politische Unterstützung nicht gehen wird. Unterstützung von „unten“: Die Ge- meinden sind gefragt, ein lebenswertes, positives Niederlassungsklima vor Ort zu schaffen – auch für die Lebenspartner und Kinder der Ärzte. Unterstützung „von oben“: Die Berliner Politik Bühne muss die Bedarfsplanung reformieren und realistische Verhältniszahlen schaffen. Die KVen müssen mehr Möglichkeiten erhalten, auf den Versorgungsbedarf in den Gemeinden vor Ort individuell zu reagie- ren. Unterstützung durch das Land Niedersachsen, das seine Zusage einhalten und die Studienkapa- zitäten an den Medizinfakultäten im Land deutlich aufstocken muss. Nur im engen Schulterschluss mit den Gemeinden und den Regierungen kann es gelingen, die am- bulante medizinische Versorgung an sich wandelnde Erfordernisse anzupassen. Wir als ärztliche Selbst- verwaltung begreifen den Sicherstellungsauftrag als Verpflichtung gegenüber unserer Bevölkerung, aber auch als Verpflichtung Ihnen, unseren Mitgliedern, gegenüber. Denn Sie sind es, die tagtäglich die Ver- sorgung gewährleisten. Sie brauchen junge Kolleginnen und Kollegen, die Sie dabei unterstützen und ihre Nachfolge antreten. Herzlich Ihre Mark Barjenbruch Dr. Jörg Berling Vorstandsvorsitzender der KVN Stellv. Vorstandsvorsitzender der KVN 5 | 2018 3 Inhalt niedersächsisches ärzteblatt el gi Fi T. o: ot F „Antibiotika noch gezielter einsetzen!“ Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) hat eine Neuauflage des Rat- gebers zur Antibiotikatherapie für niedergelassene Ärzte publiziert. Kammerpräsi- dentin Dr.med. Martina Wenker, der Präsident des Landesgesundheitsamts Dr.med. Matthias Pulz, Gesundheitsministerin Dr.rer. nat. Carola Reimann und der stellver- tretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen Dr.med. Jörg Berling erläuterten den niedersächsischen Medien das Thema. ÄKN Seite 13 Politik Intern 8 11. Kammerversammlung (18. Wahlperiode) Dele- 21 Alles GuteOnline-Chefredakteur Raimund Dehmlow gierte bereiten Themen für den 121. Deutschen Ärz- in den Ruhestand verabschiedet tetag vor Bezirksstellen Klinik und Praxis 22 Themen und Termine 13 Antibiotikaratgeber NLGA stellt Neuauflage des Rat- Qualitätsmanagement gebers zur rationalen oralen Antibiotikatherapie vor 14 OrganspendeJahresbericht 2017 der DSO erschienen 24 PromotionspreisQualitätsinitiative schreibt diesjähri- gen Promotionspreis aus Recht 25 FILU-FSelbstregulation früh- und reifgeborener Kinder 15 Befunderhebungsmangel bei postoperativen Kompli- spielerisch fördern kationen Aus der Praxis der Schlichtungsstelle für Patientensicherheit Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekam- mern 25 Neue Arbeitshilfe der GQMGOffene Kommunikation 17 Weniger Anträge in 2017 Statistik der Schlichtungs- mit Patienten spart Nerven und Prozesskosten stelle für den Kammerbereich Niedersachsen Neue Medien 18 Überraschung – Facebook sammelt Daten! Worauf man bei der Nutzung von Sozialen Medien wie Face- book achten sollte Korrigendum In nä 4/2018 hat sich auf Seite 12 ein Fehler eingeschlichen. Das Zitat am Ende des vierten Absatzes muss lauten: „Am Ende dürfen die Daten nicht besser gepflegt sein als die Patienten.“ 4 niedersächsisches ärzteblatt Standards Mangelerscheinungen 3 Editorial Die KVN tut, was sie kann. Doch auf Dauer 6 Aktuell wird sie mit ihren Möglichkeiten an Grenzen stoßen. Nur mit den Mitteln der großen Po- 26 ÄKN-Mitteilungen litik lässt sich der Ärztemangel wirksam be- 65 KVN-Mitteilungen kämpfen. Einen Königsweg dafür, das zeig- te das Niederlassungs-Symposium der KVN 67 Veranstaltungen im April, gibt es nicht. Eine Reform der Be- 71 Rubrikenanzeigen darfsplanung, mehr Studienplätze und ein Fächer von Anreizsystemen müssen Hand in 83 Impressum Hand greifen, um die ambulante Versor- gung zukunftsfest zu machen. S. 50 KVN Honorar & Verträge Praxis und Versorgung 35 Grenzen des Wachstums Ergebnisse der Honorarab- 53 Erbverzicht kann sich lohnen Steuertipp: Die steuerli- rechnung 4/ 2017 chen Folgen eines Berliner Testamentes und zwei Hei- lungsvorschläge Arzneimittel & Verordnung 54 Neuerscheinungen 44 Nicht messbare Voriconazol-Spiegel Atis informiert: 56 Spielzeug im Warte- und Behandlungszimmer Infor- Ursächlich ist die Interaktion mit dem CYP-Induktor Ri- mationsstreckeHygiene und Medizinprodukte: Spiel- fampicin zeug sollte leicht zu reinigen sein – und auch regel- 45 Wirkstoff AKTUELL informiert paxisnah über Arznei- mäßig gereinigt werden mittel AKDÄ bittet um Teilnahme an Umfrage über Ver- 58 Aktuelle Seminare Seminarangebote Juni bis Septem- besserungsmöglichkeiten ber 2018 – noch Plätze frei 46 Nicht ratlos gegen Resistenzen KVN hat noch Anmer- Politik & Verbände kungen zum neuen Ratgeber zur Vermeidung von An- tibiotikaresistenzen 63 Aus anderen KVen 64 Verzögerungen könnten Praxen teuer zu stehen kom- Selbstverwaltung men Telematikinfrastruktur: Krankenkassen wollen 47 Gesucht: Innovative Versorgungslösungen Nieder- trotz Lieferpannen bei der Industrie an Absenkung der sächsischer Gesundheitspreis wird 2018 zum achten Erstattungspauschale festhalten Mal ausgeschrieben 50 Große Politik für die ProvinzSymposium „Niederlas- sen in Niedersachsen“ der KVN: Ambulante Versor- gung zukunftssicher machen 52 Ambulante Chirurgie auch auf Station Der Vorstand vor Ort: KVN-Vize Dr. Jörg Berling informierte sich über belegärztliche Chirurgie 5 | 2018 5 Aktuell KKH meldet 270 Betrugsfälle für das Jahr 2017 Professor Dr.jur. Dr. h.c. Michael Kubiciel, Experte für Deut- sches, Europäisches und Internationales Strafrecht, Straf- prozessrecht sowie Medizin- und Wirtschaftsstrafrecht, wies gegenüber der Presse darauf hin, dass der Gesetzgeber vor zwei Jahren mit der Einführung der Straftatbestände „Beste- chung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“ (§§299a, 299b StGB) bei niedergelassenen Ärzten eine Strafbarkeits- lücke geschlossen habe. Die positive Wirkung bestehe ins- besondere darin, dass in den vergangenen beiden Jahren vie- le Ärzte, Krankenhäuser und Medizinproduktehersteller ih- re Vertragsbeziehungen auf die Vereinbarkeit mit dem gel- tenden Recht überprüft und gegebenenfalls angepasst haben. „Die weitaus meisten Verfahren gegen Ärzte und andere KKH-Chefermittlerin Dina Michels (Mitte) und Heilberufler werden aber nicht wegen eines Korruptions- Professor Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel in Hannover verdachts geführt, sondern wegen des Vorwurfs des Ab- rechnungsbetrugs. Dem liegen zumeist tatsächlich und Durch gepanschte Medikamente, gefälschte Rezepte und un- rechtlich ausgesprochen komplexe Sachverhalte zugrunde, rechtmäßig abgerechnete Leistungen ist der KKH Kaufmän- die an einem vergleichsweise ‚alten‘ Straftatbestand – Be- nische Krankenkasse im Jahr 2017 ein Betrugsschaden von trug gemäß §263 StGB– gemessen werden“, erläuterte Ku- 3,7Millionen Euro entstanden. Ein Ermittlerteam der Kasse biciel. Vom 11. bis 12. April trafen sich im Hauptsitz der KKH deckte bundesweit 270 neue Delikte auf und stellte in 22 in Hannover rund 200 Experten zur Fachtagung „Betrug im Fällen Strafanzeige. „Betroffen sind nahezu alle Bereiche des Gesundheitswesen“. Bereits im März hatte die AOK Nie- Gesundheitswesens“, sagte KKH-Chefermittlerin Dina Mi- dersachsen für die Jahre 2016 und 2017 einen Schaden von chels auf einer Pressekonferenz am 11. April. Besonders be- insgesamt 7,7Millionen Euro durch Betrug und Korruption ■ troffen sei die ambulante Pflege. im Gesundheitswesen gemeldet. blu Risiko Zeckenstich: Bei Reisen in Risikogebiete an die FSME-Impfung denken! Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) er- hem Fieber. „Dann kann es zu ei- innert vor der Hauptreisezeit an die Impfung gegen die Früh- ner Hirnhautentzündung, einer sommer-Meningo-Encephalitis (FSME) für alle Personen, die Gehirnentzündung oder einer Ent- sich in Risikogebieten– wie zum Beispiel Süddeutschland, zündung des Rückenmarks kom- Österreich und der Schweiz– viel in der Natur aufhalten. men. Auch bleibende Schäden wie In Niedersachsen ist weiterhin kein FSME-Risikogebiet aus- Lähmungen können nicht ausge- gewiesen. „Wir beobachten seit Jahren sehr genau die Ver- schlossen werden“, erklärte Professor Dr.med. Dr.rer. nat. breitung der FSME in Niedersachsen“ sagte Dr.rer. nat. Ma- Helmut Eiffert von der Universitätsmedizin Göttingen. syar Monazahian, Virologe am Niedersächsischen Landes- gesundheitsamt am 19. April gegenüber der Presse. „Seit „Um einen sicheren Schutz zu erreichen, sind mindestens 2002 sind uns 18 Fälle bekannt, bei denen die Infektion ver- zwei Impfungen im Abstand von zwei Wochen notwendig“, mutlich in Niedersachsen erfolgt ist, neun davon in den Jah- sagte Dr.med. Mustafa Yilmaz, Leiter des Fachbereichs Ge- m o ren 2016 und 2017. Eine mögliche Infektion mit dem FSME- sundheit der Region Hannover. Nach zwei Impfungen be- olia.c Virus in Niedersachsen ist damit zwar nicht völlig auszu- steht ein Schutz, der allerdings nur etwa ein Jahr anhält. Um Fot n - schließen, aber immer noch sehr unwahrscheinlich.“ den Impfschutz zu komplettieren, ist eine dritte Impfung not- man wendig, die fünf bis zwölf beziehungsweise neun bis zwölf erk B Bei einem großen Teil der Infizierten verläuft die Erkrankung Monate nach der zweiten Impfung fällig ist. Der Impfschutz niel Da milde und ähnelt einer Sommergrippe. In 20 bis 30 Prozent hält dann mindestens drei Jahre. Bei Reisen in FSME-Risi- e; d aller Fälle kommt es nach einem symptomfreien Intervall kogebiete in Deutschland werden die Impfkosten in der Re- Wil aber zu starken Krankheitssymptomen verbunden mit ho- gel von den Krankenkassen getragen. ■blu C. F. o: ot F 6 niedersächsisches ärzteblatt Aktuell Patienten möchten mehr Digitalisierung 83 Prozent der Patienten sehen bei der Digialisierung des deutschen Gesund- heitswesens Nachholbedarf, so das Er- gebnis einer repräsentativen Online- befragung der ApoBank. Schon jetzt wird das Internet bei Themen rund um die eigene Gesundheit intensiv ge- nutzt. Doch nur für sechs Prozent der Befragten können die Informationen ei- nen Arztbesuch ersetzen. 56 Prozent der Befragten erwarten durch die Di- gitalisierung einen vereinfachten Zu- gang zur medizinischen Versorgung, etwa durch Online-Terminvereinba- rung, Austausch mit Ärzten und Apo- thekern, die Telefonsprechstunde und die Online-Sprechstunde. 60 Prozent der Befragten könnten sich vorstellen, digital mit ihrem Arzt zu kommunizie- ren, an erster Stelle per Telefon, an zweiter Stelle steht der Video-Chat, ge- folgt von E-Mail und Text-Chat wie WhatsApp. 62 Prozent signalisierten auch hohe Bereitschaft, ihre Gesund- heitsdaten über eine elektronische Ge- Klarer Trend: Anstellung in der Niederlassung sundheitsakte Medizinern zur Verfü- gung zu stellen. Die Datensicherheit ist Anstellungsverhältnisse liegen weiter chotherapeuten, das entspricht etwa dabei offenbar kein Hindernis. „Den im Trend. Nach der aktuellen Arztzahl- 0,6 Prozent. Mehr Zahlen gibt der Ta- Komfort, mit wenigen Klicks zum statistik für 2017 stieg die Anzahl der an- bellenband des Bundesarztregisters un- gewünschten Ergebnis zu kommen, gestellten Vertragsärzte 2017 im Ver- ter: http://www.kbv.de/html/bundesarzt- erwartet der Patient zunehmend auch gleich zum vorherigen Jahr um knapp register.php.Auf www.lass-dich-nieder.de von den Heilberuflern“, urteilt die zehn Prozent auf 31.477. Das sind fast finden sich für angehende Mediziner ApoBank. ■ös sechsmal so viele wie noch vor zehn und Medizinstudenten alle notwendigen Jahren. Insgesamt nahmen 172.647 Ärz- Informationen zum Thema Niederlas- te und Psychotherapeuten im Jahr 2017 sung, einschließlich zu Fördermöglich- ■ an der vertragsärztlichen Versorgung keiten in den jeweiligen Regionen. ös teil, darunter 147.350 Ärzte und 25.297 Psychotherapeuten. Die Gesamtzahl hat sich gegenüber 2016 um fast 3.000 Männer noch immer Vorsorgemuffel erhöht. Angesichts des anhaltenden Trends zur Teilzeittätigkeit ergibt sich bei Mit einer Teilnehmerquote von 40,3 Prozent bei der Krebsfrüherkennung lie- der Betrachtung der Teilnahmeumfänge gen die Niedersächsinnen und die Bremerinnen mit 39,4 Prozent deutsch- ein Plus von gerade einmal 0,2 Prozent. landweit im unteren Mittelfeld. Der Bundesdurchschnitt lag bei knapp 40,5 Pro- Der Zuwachs bei den Psychotherapeu- zent. Bei den Männern ist die Vorsorgebeteiligung nach wie vor mau: Mit 12,1 hnitt)ten hat sich 2017 abgeschwächt. Laut Prozent liegen die Niedersachsen und mit 11,9 Prozent die Bremer gerade noch Ausscder Statistik gab es im Jahr 2017 – in Be- über dem Bundesdurchschnitt von 11,4 Prozent. Darauf hat kürzlich die Bar- Bank (zug auf die in der Bedarfsplanung zäh- mer Krankenkasse hingewiesen. Sie rief die Versicherten zu einer höheren In- Apolenden vollen Sitze – einen bundeswei- anspruchnahme der Krebsfrüherkennung auf. ■ös b. bten Anstieg um 146 auf 23.717 Psy- A 5 | 2018 7 „Qualität und Quantität!“ Präsidentin Dr. Martina Wenker fordert das Deutsche Staatsexamen für alle in Deutschland tätigen Ärzte aus Nicht-EU-Ländern / Frühjahrs- Kammerversammlung ganz im Zeichen des 121. Deutschen Ärztetags In einer sehr aktiven und fruchtbaren Debatte bereiteten die nen der großen Streitpunkte zu Beginn der Koalitionsver- Mitglieder der Kammerversammlung am 14. April 2018 ihre handlungen – so werde nun eine Kommission eingesetzt. Delegation auf den 121. Deutschen Ärztetag vor, der vom Diese habe den Auftrag, bis Ende 2019 Vorschläge für „ein 8.bis 11. Mai in Erfurt stattfindet. Die Präsidentin der Ärzte- modernes Vergütungssystem“ zu erarbeiten, das „den Ver- kammer Niedersachsen, Dr.med. Martina Wenker, gab dafür sorgungsbedarf der Bevölkerung und den Stand des medi- eingangs einen umfassenden Überblick zu den aktuellen be- zinischen Fortschritts“ abbildet. Ferner solle der „Masterplan rufspolitischen Themen. Für das Niedersächsische Ministeri- Medizinstudium 2020“ „insbesondere im Hinblick auf die um für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung nahm Mi- Neuregelung des Studiengangs, die Stärkung der Allge- nisterialrat Dr. Thomas Horn, Leiter des Referats Heilberufe, meinmedizin sowie die Landarztquote“ zügig umgesetzt an der Debatte teil. Aus Sicht des Ministeriums sei es sehr zu werden. Positive Punkte seien die Stärkung der Hospiz- und begrüßen, dass sich die Ärzteschaft auf Landes- wie auf Bun- Palliativversorgung sowie die Weiterentwicklung des Prä- desebene mit dem Thema Fernbehandlung beschäftige und ventionsgesetzes. Das Sofortprogramm für 8.000 zusätzliche hier entsprechende Regelungen in der Berufsordnung festge- Pflegestellen, finanziert aus Mitteln der Gesetzlichen Kran- schrieben würden, erklärte Horn in seinem Grußwort. kenversicherung, sei zwar sehr zu begrüßen, allerdings nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“. Der Pflegenotstand sei Kammerpräsidentin Wenker berichtete, dass das Thema in der Tat ein absolut drängendes Thema. Hier gelte es, „den Fernbehandlung neben der Novelle der Musterweiterbil- Pflegeberuf gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wieder dungsordnung (MWBO) eines der Kernthemen des 121. attraktiver zu gestalten“, so Wenker. Deutschen Ärztetags sein werde. In ihrem Bericht zur Lage g ging sie unter anderem auf den Koalitionsvertrag der Gro- Energisch sprach sich die Präsidentin gegen ein Sprech-er b e ßen Koalition in Berlin ein und kommentierte die wichtigs- stundenkontingent von mindestens 25 statt bisher 20 Stun-ück Kr ten Punkte zu den Themen Gesundheit und Pflege. Was die den pro Woche für gesetzlich versicherte Patienten in derH. o: Zukunft des Systems der Krankenversicherung betrifft– ei- ambulanten Versorgung aus. Die Debatte um die Ungleich-ot F 8 niedersächsisches ärzteblatt Politik behandlung von gesetzlich und privat Versicherten zeuge Resolution der Kammerversammlung von viel Misstrauen. „Der Gesetzgeber möchte hier in In- halte hineinregieren, die eine Angelegenheit der Selbstver- Die Abgeordneten der Kammerversammlung der Ärzte- waltung sind“, erklärte Wenker und erhielt dafür großen Ap- kammer Niedersachsen appellieren an die Landesregie- plaus. Die Ärzteschaft werde in den kommenden Monaten rung, ihr Ziel aus dem Koalitionsvertrag, Teilstudienplätze sehr genau darauf achten, dass die bewährten Strukturen der der Medizin in Vollstudienplätze umzuwandeln, schnell Selbstverwaltung im Zuge der Gesetzgebung nicht weiter umzusetzen. Den Studierenden mit Teilstudienplatz kann ausgehöhlt würden. dadurch eine Planungssicherheit und eine Standortverläss- lichkeit vermittelt werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, den Zur Finanzierung der Krankenhäuser werde die Große Ko- ärztlichen Nachwuchs langfristiger für eine ärztliche Tätig- alition den Strukturfonds um weitere vier Jahre verlängern, keit in Niedersachsen zu motivieren. berichtete Wenker. Mit Hilfe des Fonds sollen auch künftig Umstrukturierungen und die Digitalisierung der Häuser ge- fördert werden. Gefördert werde auch das Belegarztwesen. Als ein „gigantisches Thema“ bezeichnete die Präsidentin die Ein weiteres zentrales Thema der Präsidentin war die For- Notfallversorgung. Hier setze die Große Koalition insbe- derung nach mehr Studienplätzen für Humanmedizin. Wen- sondere auf Notfallleitstellen und integrierte Notfallzentren. ker zitierte aktuelle Zahlen aus einem Beitrag der Frankfur- ter Rundschau vom 13. April. Im Bundesdurchschnitt wer- Dr. Wenker informierte die Mitglieder der Kammerver- den demnach pro 1.000 Einwohner 1,26 Humanmedizin- sammlung ferner zum Sachstand der Novellierung der Ge- studenten ausgebildet, allerdings mit sehr großen Unter- bührenordnung für Ärzte (GOÄ) und kündigte für den 26. schieden in den Bundesländern: Hessen bilde mit 1,61 Stu- April eine gemeinsame Forumsveranstaltung für alle Fach- dierenden pro 1.000 Einwohner deutlich über dem Bun- gesellschaften und Berufsverbände an. Dabei werde es un- desdurchschnitt aus, aber Niedersachsen liege mit 0,79 Stu- ter anderem um Kalkulationsgrundlagen gehen. Sie erinnerte dierenden pro 1.000 Einwohner weit unter dem Bundes- an folgenden Beschluss des 120. Deutschen Ärztetags in Frei- durchschnitt. „Da ist noch viel Luft nach oben“, sagte Wen- burg im Breisgau: „Die Bundesärztekammer wird die so be- ker mit Blick zum Vertreter des Niedersächsischen Ministe- schriebene Neuordnung der GOÄ nur dann beim BMG als riums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. konsentiert einbringen, wenn von einer neuen Bundesre- gierung in der nächsten Legislaturperiode des Bundestags Mit Freude konnte Wenker aber melden, dass das Nieder- keine weiteren grundlegenden ordnungspolitischen Beein- sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur wenige trächtigungen in der privatärztlichen Versorgung vorgesehen Tage zuvor gemeinsam mit der Universitätsmedizin Göttin- sind. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine GOÄ-un- gen (UMG) und dem Städtischen Klinikum Braunschweig ei- abhängige Einheitsgebührenordnung geplant wird.“ Die Präsidentin bezog in Ihrem Lagebericht deutlich Stellung zum aktuell wieder verstärkt diskutierten Paragrafen 219a Straf- gesetzbuch, der die Werbung für den Schwangerschaftsab- bruch unter Strafe stellt: „Ich persönlich halte die gegenwärtig geltende Regelung für ausgewogen. Sie war das Ergebnis ei- Anzeige ner langjährigen Debatte.“ Damit bezog die Präsidentin eine andere Position als etwa die Landesärztekammern Hamburg und Berlin, die kürzlich die Streichung dieses Paragrafen ge- Privatliquidation von Mensch zu Mensch. fordert hatten. Wenker begründete ihre Position konkret: „Ich meine, dass man Paragraf 219a nicht losgelöst vom Paragraf 219 betrachten darf. Die Beratung einer Schwangeren in ei- ner Not-und Konfliktlage dient dem Schutz des ungeborenen „Von Schulungen profitieren alle – wenn man bereit ist, das Gelernte Lebens. Jede Änderung des Paragrafen 219a zugunsten einer in der Praxis auch umzusetzen!“ Abtreibung ändert zwangsläufig das Gefüge der aufeinander Dr. med. Heinzdieter Thelen aus aufbauenden Paragrafen 218, 219 und 219a zu Lasten des un- Menden, Mitglied der PVS seit 1986 geborenen Lebens. Das ist aus meiner ärztlichen Perspektive „Jetzt meinen Erfahrungsbericht strikt abzulehnen.“ Für ihre Position erhielt die Präsidentin gro- kostenfrei unter ßen Applaus und auch in der nachfolgenden Debatte die un- [email protected] Die PVS® Niedersachsen | Stadtkoppel 29 | 21337 Lüneburg anfordern!“ 04131 3030 120 | [email protected] eingeschränkte Zustimmung der Delegierten. 5 | 2018 9 Politik Plenum am 14. April in Hannover ne Absichtserklärung („Letter of Intent“) zur Etablierung ei- Ärztevereine – quo vadis? nes „Klinischen Campus Braunschweig der Universitätsme- dizin Göttingen am Klinikum Braunschweig“ unterzeichnet Von den bundesweiten berufspolitischen Themen kam Wen- hat. Mindestens 60 Studierende pro Jahr sollen in Zukunft ker im zweiten Teil ihres Berichts zu einem kammerspezifi- nach erfolgreichem Abschluss des ersten Studienabschnitts schen Thema: die interne Organisation der Mitglieder in den in Göttingen am Standort Braunschweig ihr klinisches Stu- niedersächsischen Ärztevereinen. Dieses Thema werde im dium abschließen. „Die UMG und das Klinikum Braun- Rahmen der derzeitigen Besuche von Präsidentin, Hauptge- schweig haben damit einen ganz großen Schritt in die rich- schäftsführer und dem Leiter des Teams Kommunikation der tige Richtung gemacht“, lobte Wenker. Die Delegierten der ÄKN in den elf Bezirksstellen regelmäßig als Themenschwer- Kammerversammlung verabschiedeten in diesem Kontext ei- punkt angesprochen. Die Ärztevereine in Niedersachsen ha- ne Resolution für die Schaffung weiterer Vollstudienplätze, ben eine lange Tradition, so wurde beispielweise der Ärzte- die inzwischen der Landesregierung zugestellt worden ist. verein Hannover am 14. Mai 1829 von 20 Ärzten gegründet mit dem Ziel der Pflege der Kollegialität und der auf die Pra- Die Präsidentin erneuerte außerdem ihre Forderung, dass al- xis bezogenen Fortbildung durch gegenseitigen Information le in Deutschland tätigen Ärzte aus Nicht-EU-Ländern das über diagnostische und therapeutische Fortschritte. deutsche Staatsexamen ablegen müssen. Es gelte „Qualität vor Quantität.“ Damit reagierte sie auf Bundesgesundheits- Die Ärztevereine wurden in den vergangenen Jahrzehnten zu- minister Jens Spahn, der jüngst beschleunigte Verfahren zur meist in Personalunion durch die ehrenamtlichen Vorsitzen- Anerkennung ausländischer Ärzte angedacht hatte. Das bun- den der Kreisstellen der Kassenärztlichen Vereinigung Nie- desdeutsche Staatsexamen als ein transparentes, bundes- dersachsen (KVN) geleitet und hatten überwiegend Aufgaben einheitliches und rechtssicheres Verfahren sei eine Grund- der KVN inne – wie etwa die Einteilung zum vertragsärztli- N K voraussetzung für den erforderlichen Patientenschutz. Die- chen Bereitschaftsdienst oder der Urlaubsvertretung zwi-Ä b.: ser Argumentation schlossen sich viele Delegierte in der an- schen den Arztpraxen. Im Zuge ihrer Organisationsentwick-Ab g, schließenden politischen Debatte an. lung beschloss die Kammerversammlung am 29. Septemberer b e 2010 die Stärkung ihrer hoheitlichen Ärztevereine gemäß ück Kr §§ 23, 24 Kammersatzung der ÄKN und stellt hierfür im Haus-H. o: halt fünfEuro pro Jahr für jedes Mitglied bereit. ot F 10 niedersächsisches ärzteblatt
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