Der Weg der Gemeinde in der Endzeit Rudolf Ebertshäuser Einführung Den meisten Gläubigen ist bewußt, daß wir heute in der "Endzeit" oder letzten Zeit leben, d.h. in der Zeit kurz vor der Wiederkunft des Herrn Jesus Christus. Oftmals aber sind unsere Vorstellungen von dieser „Endzeit“ ziemlich unbestimmt und mehr von persönlichen Gedanken und Gefühlen geprägt als von den Aussagen der Schrift zu diesem Thema. Nur wenige Gläubige haben sich mit dem, was das Wort Gottes über diese letzte Zeit zu sagen hat, gründli- cher auseinandergesetzt. Das ist ein schwerwiegendes Versäumnis, denn wenn wir die Zeichen der Zeit nicht richtig beurteilen (vgl. Mt. 16,3), werden wir in die Irre gehen und den verderblichen Entwicklungen die- ser Endzeit nicht richtig begegnen können. Die Heilige Schrift macht zahlreiche wichtige und klare prophetische Aussagen über die letzte Zeit. Unser Herr hat uns in Seinem kostbaren Wort alles geoffenbart, was wir brauchen, um auch heute, da die Heilszeit der Gemeinde bald ihrem Ende zugeht, nach Seinem Willen leben und dienen zu können. Viele Gläubige jedoch umgehen diese Aussagen der Bibel, weil sie in ihrem Ernst und ihrer nüchternen Ent- hüllung der Gefahren und verderblichen Entwicklungen der Endzeit zu beunruhigend sind. Sie sind eine Herausforderung zur Buße, zu einem wachsamen Leben in Heiligung und Gottesfurcht, und solche unbe- quemen Wahrheiten werden heute vielfach verdrängt. Die Folge einer solchen Einstellung ist aber, daß solche Christen der Irreführung des Widersachers keinerlei Widerstand entgegensetzen können. Der Feind nämlich streut seine Lehren über die letzte Zeit eifrig in der Gemeinde aus; sie sind alle darauf ausgerichtet, die Christen in Illusionen zu wiegen und von einer nüchter- nen geistlichen Sicht der Endzeit abzulenken. Was sind die charakteristischen Grundzüge der letzten Zeit? Welche heilsgeschichtliche Sicht vermittelt uns die Bibel? Wie sieht die Lage der wahren Gemeinde der Gläubigen in den letzten Tagen aus, und was sind ihre Perspektiven? Auf all diese Fragen gibt die Bibel uns Antworten. In dieser Schrift wollen wir die Grund- aussagen der Bibel über die Endzeit untersuchen und uns besonders damit beschäftigen, was die Bibel über die Gefahren der Verführung in der letzten Zeit sagt. Verführung in christlichem Gewand ist eines der Grundmerkmale der letzten Zeit, und es ist für alle Gläubi- gen, die dem Herrn treu nachfolgen wollen, ausgesprochen wichtig, sich mit den entsprechenden Warnun- gen der Heiligen Schrift auseinanderzusetzen. Dazu will diese Schrift eine Hilfe sein. 1 A. Die "Endzeit" in der Lehre der Bibel Wir wollen zunächst einen kurzen Überblick darüber geben, was eigentlich die Heilige Schrift, das Wort Got- tes, zum Thema "Endzeit" sagt und welche Ratschläge und Warnungen sie uns Gläubigen gibt, damit wir in dieser Zeit dem Herrn treu bleiben und siegreich ans Ziel kommen können. Es ist heute ganz besonders wichtig, daß wir uns konsequent an das von Gott eingegebene Wort der Bibel halten, anstatt auf Menschenlehren zu hören und menschlichen Meinungen und Traditionen zu folgen, die sich zwangsläufig als kurzsichtig, haltlos oder gar verführerisch herausstellen. Dabei möchten wir betonen, wie wichtig gerade in der Endzeit der Grundsatz der biblischen Schriftteilung ist (vgl. 2Tim 2,15), der von der neutestamentlichen Lehre her die verschiedenen Heilszeiten unterscheidet, in denen Gott handelt. Besonders gilt dies für die rechte Unterscheidung der Heilszeit des Gesetzes (Israel), der Heilzeit der Gnade (Gemeinde) und der kommenden Heilszeit des Tausendjährigen Reiches, in der der Messias das Reich Gottes sichtbar auf der Erde verwirklicht. Wenn das unterschiedliche Handeln Gottes in den verschiedenen Heilszeiten nicht beachtet wird, dann wer- den die Gläubigen leicht Opfer verführerischer Lehren. Eines der Grundmerkmale dieser Irrlehren ist nämlich das Durcheinanderwerfen und Verleugnen der heilsgeschichtlichen Unterscheidungen, die die Schrift selbst macht. Daraus ergeben sich schlimme Irrtümer und Fehlentwicklungen in der Gemeinde. Wir wollen versu- chen, wenigstens in einem groben Überblick die biblische Lehre darzustellen (vgl. zum vertieften Studium das Buch von J. F. Walvoord, Brennpunkte biblischer Prophetie, Holzgerlingen 1992). 1. Das „Ende der Tage“ im Alten Testament: das Volk Israel und das Kommen des Messias Der Begriff der "Zeit des Endes" oder der "letzten Tage" (für den "Endzeit" nur eine Abkürzung ist) kenn- zeichnet in der Heiligen Schrift die Zeit, in der Gott mit Seinen Plänen zum Ziel, zu dem von Ihm festgesetz- ten Abschluß kommt. Im Alten Testament wird der Begriff "Ende der Tage" gebraucht für die letzte Zeit der Drangsal und des Ge- richts über Israel und die Heidenvölker, die mit dem Kommen des Messias und dem Anbruch des messiani- schen Friedensreiches endet. So finden wir den Begriff z.B. in 4Mo 24,14; 5Mo 4,30; 5Mo 31,29; Jes 2,2; Jer 23,20; 30,24; 48,47; 49,39; Dan 2,28; 10,14; Hos 3,5. Damit deckungsgleich ist der Begriff „Zeit des En- des“, der sich in Dan 8,17; 11,35; 11,40; 12,4; 12,9 findet. Wir wollen einige dieser Bibelworte betrachten: Wenn du in der Drangsal bist und dich alle diese Dinge getroffen haben am Ende der Tage, so wirst du zu dem HERRN, deinem Gott, umkehren und seiner Stimme gehorsam sein. (5Mo 4,30) (…) aber es gibt einen Gott im Himmel, der Geheimnisse offenbart; der hat den König Nebu- kadnezar wissen lassen, was am Ende der Tage geschehen soll. (…) Aber in den Tagen jener Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das in Ewigkeit nicht unterge- hen wird; und sein Reich wird keinem anderen Volk überlassen werden; es wird alle jene Kö- nigreiche zermalmen und ihnen ein Ende machen; es selbst aber wird in Ewigkeit bestehen (…) Der große Gott hat den König wissen lassen, was nach diesem geschehen soll. Und der Traum ist zuverlässig, und seine Deutung steht fest! (Dan 2,28.44-45) Denn diese Worte sollen verschlossen und versiegelt bleiben bis zur Zeit des Endes. Viele sollen gesichtet, gereinigt und geläutert werden; und die Gottlosen werden gottlos bleiben, und kein Gottloser wird es verstehen; aber die Verständigen werden es verstehen. (…) Du 2 aber geh hin, bis das Ende kommt! Du darfst nun ruhen und wirst einst auferstehen zu dei- nem Erbteil am Ende der Tage! (Dan 12,9-13) Danach werden die Kinder Israels umkehren und den HERRN, ihren Gott, und David, ihren König, suchen; und sie werden sich bebend zu dem HERRN und zu seiner Güte flüchten am Ende der Tage. (Hos 3,5) Diese Worte zeigen uns, daß Gott einen von Anbeginn feststehenden Plan mit dem auserwählten Volk Sei- nes Bundes, mit Israel, hat. Israel hatte den Bund mit dem HERRN gebrochen; es war abtrünnig geworden und hat sich dem Götzendienst ergeben. Die größte Sünde Israels bestand jedoch, daß sie ihren Herrn und Retter, den Messias Jesus Christus, ver- warfen, als Er zu ihnen kam und das vorhergesagte Sühnopfer für sie brachte (vgl. Jesaja 53). Der gekreu- zigte Sohn Gottes wurde so in der Tat für das ungläubige Israel der "Stein des Anstoßes", wie es im Römer- brief erklärt wird: "Denn sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes, wie geschrieben steht: »Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Fels des Ärgernisses; und jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden!«" (Röm 9,32-33). Jesus spricht zu ihnen: Habt ihr noch nie in den Schriften gelesen: »Der Stein, den die Bau- leute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen, und es ist wunderbar in unseren Augen«? Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das dessen Früchte bringt. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschmettert werden; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen. (Mt 21,42-44) Als Folge wurde das Volk Israel für eine Zeit beiseitegesetzt und den Zorngerichten Gottes unterworfen, wie sie so eindrücklich schon in 3. Mose 26 und 5. Mose 28 bis 30 für Abtrünnigkeit und Bundesbruch angekün- digt worden waren. Etwa 40 Jahre nach der Kreuzigung des Herrn wurde das jüdische Volk von den Römern in einem blutigen Krieg niedergezwungen, und der überlebende Rest wurde aus dem Land vertrieben, in die Sklaverei verkauft und unter die Heidenvölker zerstreut – etwa 1900 Jahre lang. Es war das unsichtbare, verborgene Wirken Gottes, das einen Teil des jüdischen Volkes im 20. Jahrhundert wieder in das uralte Land der Verheißung brachte. Die Rückkehr eines so lange zerstreuten und unterdrück- ten Volkes sein altes Heimatland ist ein eindrucksvolles Wunder Gottes in der Weltgeschichte, ein leuchten- des Zeugnis dafür, daß der ewige Gott Sein heiliges Wort erfüllt. Es mußte so geschehen, weil das feste prophetische Wort der Bibel vielfach verkündet, daß das abtrünnige Volk Israel am Ende der Tage wieder zurückkehren wird in sein Land, das ihm von Gott gegeben wurde. Dort wird es auch seine nationale Um- kehr zu Gott erleben und die Errettung durch den Herrn Jesus Christus erfahren. Zuvor aber muß sich seine Bosheit und Abtrünnigkeit noch vollenden, was in einem gottlosen Bündnis mit dem Antichristen bzw. der heidnischen Weltmacht der letzten Tage zum Ausdruck kommt, und das letzte Gericht Gottes in Form der großen Drangsal muß es treffen. Alle Heidenvölker werden es bedrängen und zu vernichten suchen, und es wird keinen Ausweg sehen, bis ihm vom Himmel her Hilfe durch den Messias zu- teil wird, zu dem es sich in dieser Zeit bekehrt. So ist der Begriff "die letzten Tage" im AT der Ausdruck des souveränen Planes Gottes, des Allmächtigen und Allwissenden, der schon von Anfang an das Ende vorhersagt, weil es bei Ihm bereits beschlossen und in Seinen Ratschlüssen festgelegt ist. Gott kommt zu Seinem Ziel in Seinem Gerichtshandeln und auch in Seinem Gnadenhandeln. Die Zeit des Endes bedeutet, daß Gott Sein Gericht über alle Gottlosigkeit sowohl der Heidenvölker als auch des Volkes Israel vollendet, aber auch, daß Er Seine Pläne der Gnade für den Überrest Israels wie auch für den Überrest der Heidenvölker hinausführt. Beides tut Er durch Seinen Sohn, den Messias, unseren Herrn Jesus Christus. Die "letzten Tage", wie sie uns die heiligen Schriften des AT offenbaren, drehen sich also um eine Person: um den kommenden Messias, den gesalbten König, den der HERR selbst eingesetzt hat, und dessen Name selbst "HERR" ist, um unseren Herrn Jesus Christus! In Ihm allein ist das Heil, sei es für die Heiden oder für die Juden. Vor IHM wird sich einmal jedes Knie beugen, und Seine Herrschaft wird herrlich sein über dem Volk Israel und der ganzen Erde. 3 2. Die "letzten Tage" im Neuen Testament: der wiederkommende Herr und die Gemeinde Das Neue Testament lehrt, daß mit dem Kommen des Herrn Jesus auf die Erde eine heilsgeschichtliche Zeitenwende gekommen ist, die in einem gewissen Sinn die „letzten Tage“ eingeläutet hat. So heißt es in Hebräer 1,1-2: "Nachdem Gott in vergangenen Zeiten vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn". In 1Pt 1,20 heißt es: "(...) aber er wurde geoffenbart in den letzten Zeiten um euretwillen ..." Deshalb sagt Paulus auch von den Gläubigen der ersten Gemeinde: "(…) sondern es wurde für uns auf- geschrieben, auf die das Ende der Weltzeiten gekommen ist" (1Kor 10,11). Johannes mahnt seine Mit- gläubigen in 1Joh 2,18: "Kinder, es ist die letzte Stunde!" Jakobus mahnt: "Ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen!" (Jak 5,3). (Ähnlich auch 2Tim 3,1; 2Pt 3,3; Jud 18 "in der letzten Zeit"). So kann man also sagen, daß in gewisser Weise die "Zeit des Endes" schon seit dem Kommen des Herrn Jesus auf die Erde angebrochen ist. Mit der Kreuzigung und Auferstehung des Sohnes Gottes ging die Heilszeit des Gesetzes zu Ende, und die heutige Heilszeit der Gnade begann. Israel wurde als das auser- wählte Volk Gottes beiseitegesetzt und im Gericht zerstreut unter die Heiden. Durch das Evangelium der Gnade ruft Gott Heiden und Juden zu Seiner Gemeinde. Die Gemeinde Gottes ist ein neuer, in vielem von Israel unterschiedener Abschnitt im Heilshandeln Gottes mit den Menschen, viele Ausleger sagen auch: ein neues Heilszeitalter. Aber das NT bezeichnet auch die Zeit der Wiederkunft des Herrn Jesus Christus als die "letzte Zeit": 1Pt 1,5 lesen wir von dem Heil, "das bereit ist, geoffenbart zu werden in der letzten Zeit". In der Endzeitrede spricht der Herr Jesus mehrfach von der Zeit seines Wiederkommens als dem "Ende" (Mt 24, 6 u. 14; vgl. Mk 13,7; Lk 21,9). In einem besonderen Sinn sind also die letzten Tage des Zeitalters der Gemeinde "End- Zeit", die Zeit unmittelbar vor der Wiederkunft des Messias. In diesem Sinn deckt sich der alttestamentliche und der neutestamentliche Begriff von der "letzten Zeit" weitgehend. a) Das Heilszeitalter der Gemeinde und seine Besonderheiten Wir sollten solche sein, die die Zeichen der Zeit verstehen, in der wir leben, im Gegensatz zu den Pharisäern (Mt 16,3). Wir können im Handeln Gottes mit den Menschen verschiedene Abschnitte oder Heilszeiten er- kennen, die wir auch unterscheiden müssen. Gott handelte auf eine besondere Weise mit Seinem auserwählten Volk Israel durch viele Jahrhunderte auf der Grundlage des Alten Bundes, d.h. des mosaischen Gesetzes (Heilszeit des Gesetzes oder Israels). Mit dem vollkommenen Sühnopfer Jesu Christi fand diese Zeit des Gesetzes ein Ende. Christus erfüllte das Ge- setz als einziger Mensch vollkommen, Er starb dem Gesetz und wurde aus den Toten auferweckt. Daher hat das Gesetz mit seinen Forderungen, die das Halten aller Gebote zur Voraussetzungen für die Errettung machten, keinen Anspruch mehr an uns, die wir Christus angehören. Gott berief nun aus Heiden und Juden ein besonderes Eigentumsvolk auf der Grundlage der Gnade, des Evangeliums und des Glaubens. Diese neue Heilszeit wird als die der Gemeinde oder der Gnade bezeich- net. Die Gemeinde steht nicht unter dem mosaischen Gesetz, sondern unter der Gnade. Gott gewährt ihr die Errettung nicht aus Werken des Gesetzes, sondern durch den Glauben an Jesus Christus. Die Gläubigen sind in Christus; sie sind neue Geschöpfe und Kinder Gottes, von neuem gezeugt durch den Geist Gottes. Die Gemeinde als Heilsorganismus war im AT noch nicht geoffenbart worden; sie war in alten Zeiten ein Ge- heimnis, das erst den neutestamentlichen Aposteln und Propheten, besonders Paulus, geoffenbart wurde (Joh 16,12-14; Röm 16,25-26; Eph 3,1-12). Deshalb beziehen sich auch die alttestamentlichen Propheten nicht direkt auf die Gemeinde. Was die Endzeit für die Gemeinde bedeutet, finden wir ausschließlich im NT geoffenbart. Die Gemeinde ist ihrem Wesen, ihrer Berufung nach die Braut des Christus und zugleich Sein Leib. Sie ist eine heilige Priesterschaft und zugleich der Tempel Gottes in der jetzigen Heilszeit. Sie ist ihrem Wesen nach die „Herausgerufene“ (gr. ek-klesia), eine kleine Schar von begnadigten Sündern, von Auserwählten und Geliebten, berufen, in dieser bösen Weltzeit Zeugnis für Jesus Christus abzulegen und den Menschen 4 den Weg zur Errettung zu zeigen. Die Gemeinde hat – im Gegensatz zu Israel und den Heidenvölkern – eine himmlische Berufung, eine himmlische Stellung und ein himmlisches Erbteil. Wie Israel bald nach seiner Berufung als Volk Gottes und dem Bundesschluß als Ganzes versagte und vom Herrn abwich, so geschah es auch in der Gemeinde. Schon in der Apostelzeit gab es Irrlehren und verderb- liche Einflüsse in der jungen Gemeinde; aber nach dem Ende der Apostelzeit wurde der zersetzende Einfluß von Irrlehren immer stärker, so daß die Gemeinde ihren heiligen Charakter und ihre Ausrichtung auf Gottes Wort immer mehr verlor. Sie entartete zur katholischen Kirche, in der ein anderes Evangelium, ein anderer Jesus und ein anderer Geist wirksam war (2. Korinther 11). Wie im Volk Israel, war es auch in der Gemeinde nur ein heiliger Überrest, der Christus und Seinem Wort noch treu blieb und das Licht des Evangeliums wei- tertrug. Zu diesem Überrest zählen besonders auch die Waldenser und die Täufer. Insgesamt entwickelte sich die Christenheit zu einem verdorbenen, von Christus abgefallenen Gebilde, das immer mehr das Gepräge der Hure Babylon bekam. So nennt die Schrift auch für die Gemeindezeit eine "letzte Zeit", die "letzten Tage" (2Tim 3,1), in denen der Glaubensabfall und die Verführung ausreifen. Am "Tag des Herrn", wenn Christus kommt, um die Welt zu richten, wird auch die abtrünnige Christenheit gerich- tet werden, die Teil dieses Weltsystems und der Heidenvölker ist (2Th 1,5 – 2,12; Offb 17 und 18). Diese Verderbnis wird auch in den "Himmelreichsgleichnissen" von Matthäus 13 prophetisch vorhergesagt. Das Gleichnis vom Senfkorn und das Gleichnis vom Sauerteig zeigen einerseits das unnatürliche Größenwach- stum der äußerlichen Christenheit und andererseits ihre innere Zersetzung durch Irrlehre und Sünde. b) Die Vollendung der Gemeindezeit: die Entrückung Entsprechend ihrer himmlischen Stellung und Berufung wird die Gemeinde nicht für immer auf der Erde blei- ben. So wie ihre Stellung schon heute geistlicherweise in den himmlischen Regionen ist (Eph 2,6; Kol 3,1-4), so wird sie am Ende, bei der Vollendung ihrer Bestimmung und Existenz, in den Himmel versetzt und mit ih- rem herrlichen Haupt, dem Christus, vereint werden. Dies geschieht bei der Entrückung, wenn der Herr Jesus Christus wiederkommt, um Seine Brautgemeinde zu sich zu holen. Dieses Kommen des Herrn für die Gemeinde muß unterschieden werden vom Kommen des Herrn für Israel und die Heidenvölker. Das eine Kommen ist dadurch gekennzeichnet, daß Christus aus dem unsichtbaren Himmel in den Lufthimmel herabkommt, worauf die Toten in Christus auferstehen und zu- sammen mit den dann lebenden Gläubigen verwandelt werden und mit dem Herrn in den Himmel geführt werden. So lesen wir es in 1Th 4,15-17: Denn das sagen wir euch in einem Wort des Herrn: Wir, die wir leben und bis zur Wiederkunft des Herrn übrigbleiben, werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen; denn der Herr selbst wird, wenn der Befehl ergeht und die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes er- schallt, vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zusammen mit ihnen entrückt werden in Wolken, zur Begegnung mit dem Herrn, in die Luft, und so werden wir bei dem Herrn sein al- lezeit. Dieses Kommen des Herrn für die Gemeinde muß nach der Überzeugung vieler Ausleger, die auch meine eigene ist, zuerst geschehen, vor dem Kommen des Herrn zum Gericht für die Völker. Nach der Schrift gibt es auch kein äußerliches, geschichtliches oder heilsgeschichtliches Ereignis, das vorher notwendigerweise stattfinden müßte. Sie findet dann statt, wenn die Vollzahl der Heiden eingegangen ist (Röm 11,25). Dieses Kommen wird nach meiner Überzeugung vor der großen Drangsal stattfinden, vor den Zorngerichten des Endes. Das Kommen des Herrn zur Entrückung für die Gemeinde bedeutet in gewisser Weise den Beginn des "Ta- ges des Herrn", der auch "Tag des Christus" genannt wird. Wenn die wahre Gemeinde, die Licht und Salz der Erde war und für die Völker und ihre Obrigkeiten noch betete, hinweggenommen wird, dann wird dies den Ausbruch der Schreckensherrschaft des Antichristen einleiten und den Auftakt für die Zorngerichte des "Tages des Herrn" bedeuten. Die Gemeinde, der Leib des Christus, ist es, was jetzt noch die antichristlichen Mächte in ihrer vollen Entfal- tung zurückhält (2Th 2,6-7), und zwar durch ihre beständige Fürbitte (vgl. 1Tim 2,1-2)! Sobald die Gemeinde entrückt ist, wird der Tag des Herrn beginnen, der große Gerichtstag in der Vollendung der Zeiten, an dem alle Gottlosigkeit, aller Ungehorsam und Unglaube gerichtet werden wird. So war es im Vorbild des AT: Die 5 Flut kam erst über die Welt, als Noah mit den Seinen in der Arche war; das Feuer kam erst über Sodom, als Lot und die Seinen aus der Stadt hinausgebracht waren. Die Entrückung ist also das Ereignis, das wir in erster Linie und als Nächstes erwarten sollten. Wir warten nicht auf den Antichristen oder auf die große Drangsal, sondern auf den wiederkommenden Herrn! Schon der Apostel Paulus (vgl. 2Kor 5,2-4; 1Th 4,17) und die apostolischen Gemeinden (1Th 1,10) erwarteten je- derzeit die Wiederkunft des Herrn, und auch wir sollten solche sein, die den Herrn Jesus Christus als den Wiederkommenden beständig erwarten (Offb 22,20). Der Herr kann jederzeit kommen, und Er kommt bald, unversehens, wie es die Schrift uns bezeugt! Auf uns wartet eine herrliche Zukunft: die Vereinigung mit unserem Herrn und Haupt und das Hochzeitsmahl des Lammes, das Preisgericht des Christus für die Seinen und das himmlische Jerusalem. Und ich hörte etwas wie die Stimme einer großen Volksmenge und wie das Rauschen vieler Wasser und wie der Schall starker Donner, die sprachen: Hallelujah! Denn der Herr, Gott, der Allmächtige, hat die Königsherrschaft angetreten! Laßt uns fröhlich sein und jubeln und ihm die Ehre geben! Denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereit gemacht. Und es wurde ihr gegeben, sich in feine Leinwand zu kleiden, rein und glänzend; denn die feine Leinwand ist die Gerechtigkeit der Heiligen. Und er sprach zu mir: Schreibe: Glückselig sind die, welche zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind! Und er sprach zu mir: Dies sind die wahrhaftigen Worte Gottes! (Offb 19,6-9) c) Der Antichrist, die Heidenvölker und Israel nach dem Ende der Gemeindezeit Wenn die wahre Brautgemeinde des Christus von dieser Erde weg in den Himmel aufgenommen wurde, dann wird unter der Zulassung Gottes, des obersten Herrschers, der Satan in hektischer Verführungsaktivität das Kommen des Antichristen vorbereiten, des Menschen der Sünde, der die Bosheit der gottlosen Men- schen auf die Spitze treibt und alle die Menschen in seinen Bann zieht, die der Wahrheit Gottes nicht glau- ben wollten (2Th 2,3-12). Der Anti-Christus (das bedeutet: der Gegen-Christus, der falsche gesalbte Herrscher, den der Teufel gegen den wahren Christus aufstellt, aber auch: der Anstatt-Christus, der, welcher anstatt des wahren Christus über die Menschen Macht ausüben will), dieser Antichrist also wird eine auf Betrug und Gewalt gegründete Weltherrschaft anstreben und zeitweise auch erreichen. Der Antichrist wird sich, ähnlich wie Hitler oder Stalin, als Erlöser und Retter der Menschen aufspielen, der ihnen Frieden und Sicherheit bringen will. Um die Menschen zu beherrschen, wird er sich auch falscher Pro- pheten und falscher Zeichen und Wunder bedienen. Er wird die Heidenvölker in seinen Bann ziehen, wobei ihm die Hure Babylon, die falsche Welteinheitskirche, behilflich sein wird, bevor er sich gegen sie wendet und sie grausam vernichtet. Aber auch das Volk Israel, d.h. die gottlose Mehrheit und Führung desselben, wird mit dem Antichristen ein Bündnis schließen, wie der Prophet Daniel bezeugt. Dies geschieht vielleicht, um von dessen Großmacht Sicherheiten für ihre Existenz angesichts so zahlreicher umgebender Gegner zu erhalten. In jedem Fall wird dieses Bündnis nach 3 1/2 Jahren gebrochen werden, der Antichrist wird einen Greuel der Verwüstung im Tempel in Jerusalem aufrichten, und dann wird Israel in eine schreckliche Drangsal kommen, die beinahe in seiner Vernichtung enden wird. Auf dem Höhepunkt der Not wird sich ein Teil des Volkes in aufrichtiger Buße zu Gott hinwenden und um Hilfe zu dem HERRN der Heerscharen schreien. d) Das Wiederkommen des Herrn als Richter und König: der Anbruch des tausendjährigen Reiches An diesem entscheidenden Punkt der Weltgeschichte, so bezeugen es sowohl das AT wie auch das NT, wird der Herr Jesus Christus als der wahre Retter und Messias Israels vom Himmel her offenbar werden und zugunsten des bedrängten bekehrten Überrestes der Israeliten eingreifen. Er wird blutiges Gericht am Anti- christen und allen gottlosen Heidenvölkern üben, er wird die gottesfürchtigen Israeliten aus der Drangsal herausretten und ihnen wahren Frieden und echte Sicherheit verschaffen. Der Überrest der Heidenvölker, diejenigen, die an Ihn glaubten und Seinen Knechten Unterstützung gaben, wird in das Friedensreich einge- hen und an den Segnungen des Messias teilhaben. 6 Bald aber nach der Drangsal jener Tage wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond wird seinen Schein nicht geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels erschüttert werden. Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, und dann werden sich alle Geschlechter der Erde an die Brust schlagen, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird seine Engel aussenden mit starkem Posaunenschall, und sie werden seine Auserwählten versammeln von den vier Windrichtungen her, von einem En- de des Himmels bis zum anderen. (Mt 24,29-31; vgl. Mt 25,31-32.41.46) Sie sind ein Anzeichen des gerechten Gerichtes Gottes, daß ihr des Reiches Gottes würdig geachtet werdet, für das ihr auch leidet; wie es denn gerecht ist vor Gott, daß er denen, die euch bedrängen, mit Bedrängnis vergilt, euch aber, die ihr bedrängt werdet, mit Ruhe ge- meinsam mit uns, bei der Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel her mit den Engeln sei- ner Macht, in flammendem Feuer, wenn er Vergeltung üben wird an denen, die Gott nicht an- erkennen, und an denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorsam sind. Diese werden Strafe erleiden, ewiges Verderben, vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Kraft, an jenem Tag, wenn Er kommen wird, um verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert in denen, die glauben – denn unser Zeugnis hat bei euch Glauben gefunden. (2Th 1,5-10) Nach den reinigenden Gerichten, die vor und kurz nach dem Kommen Jesu Christi in Macht und Herrlichkeit über die Erde und ihre gottlosen Bewohner ergehen, werden die übriggebliebenen Menschen 1000 Jahre Friedensherrschaft des Messias erleben – eine Zeit wunderbarer Segnungen, wo es endlich wahren Frieden und wahre Gerechtigkeit auf Erden geben wird. Der Teufel und seine Engel werden für diese Zeit im Ab- grund gefangen gehalten und können die Völker nicht mehr verführen. Der Traum unzähliger Menschen, der immer wieder enttäuscht wurde, sobald sündige Menschen ihn ver- wirklichen wollten, wird endlich wahr werden. Friede, Wohlergehen, eine wunderbare Blüte der Schöpfung und Gottes reicher Segen über den gehorsamen Menschen wird dieses Reich kennzeichnen. Es wird aber noch Sünde und Tod geben, und der Christus wird immer wieder strenges Gericht über Rebellen üben müs- sen. Am Ende des Tausendjährigen Reiches wird der Satan noch einmal freigelassen – und es gelingt ihm, zahl- lose Menschen noch einmal zu verführen, die im Reich des Messias groß geworden sind, aber unzufrieden waren mit der gerechten Herrschaft Gottes. Kaum etwas zeigt die Verdorbenheit der menschlichen Natur eindringlicher als diese letzte Rebellion undankbarer, verfinsterter Geschöpfe gegen ihren Gott und Schöp- fer, der ihnen so viel Gutes tat. Dieser Aufstand endet mit der Niederwerfung der Rebellen und mit dem ehrfurchtgebietenden abschließen- den Gericht vor dem großen weißen Thron. Dort müssen alle Sünder vor Gott Rechenschaft abgeben über alle ihre bösen Gedanken, Worte und Taten, und sie werden abgeurteilt und in den Feuersee geworfen, wo sie ewige Qual erleiden, zusammen mit dem Satan und seinen rebellischen Engeln. e) Die Vollendung von Gottes Ratschlüssen in der Herrlichkeit Nach diesem reinigenden letzten Gericht, das offensichtlich auch mit einer Auflösung der alten Himmel und der alten Erde im Feuer verbunden ist, wird Gott neue Himmel und eine neue Erde erschaffen, in denen es keinerlei Sünde, keine Krankheit und keinen Tod gibt. Wir treten aus der Zeit in die Ewigkeit, aus der alten Schöpfung in die neue Schöpfung, wo die aus Gnade durch das Blut des Lammes erlösten Gotteskinder ewige Freude und ewige Herrlichkeit in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn genießen werden. Was für eine herrliche Hoffnung haben wir! Und was für einen herrlichen Retter und Bräutigam! Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen, und das Meer gibt es nicht mehr. Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabsteigen, zubereitet wie eine für ih- ren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Sie- he, das Zelt Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen; und sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und Gott wird abwischen alle Trä- nen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, weder Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er sprach zu mir: Schreibe; denn diese Worte sind wahrhaf- tig und gewiß! (Offb 21,1-5) 7 O welche Tiefe des Reichtums sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie un- ergründlich sind seine Gerichte, und wie unausforschlich seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor gege- ben, daß es ihm wieder vergolten werde? Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Ehre in Ewigkeit! Amen. (Röm 11,33-36) B. Wesen und Auftrag der Gemeinde in der Endzeit Für jeden ernsthaften Gläubigen ist es heute von großer Wichtigkeit, die Aussagen des Wortes Gottes über die "letzten Tage" (2Tim 3,1), die "Endzeit", zu kennen und im Herzen zu behalten. Unser Herr Jesus Christus hat uns nicht ohne Hilfe und klare Orientierung gelassen für diese schweren Zeiten. Er hat uns durch Seine Apostel und Propheten in der Heiligen Schrift zahlreiche Aussagen über die Kennzeichen jener Zeit und viele Ermutigungen und Ermahnungen für unseren Weg durch diese Zeit gegeben. Auch hier gilt jedoch, daß nur ein tieferes Erforschen, ein systematisches Studium aller biblischen Aussagen zu diesem Thema uns ein zuverlässiges Gesamtbild gibt. Die wichtigsten Abschnitte des Neuen Testaments, die sich direkt oder indirekt, prophetisch oder ermahnend mit den letzten Tagen in bezug auf die Gemeinde beschäftigen, sind: Mt 7,15-23; Mt 13,24-50; Mt 24,1-24 (teilweise); Mk 13,28-37; Lk 21,5-11; Apg 20,17-38; Rö- mer 11 (teilweise); Röm 16,17-20; 1Kor 11,19; 1Kor 13,8-13; 2Kor 6,11-18; 2Kor 11,1-15; Gal 1,6-10; Phil 3,17-21; 1Th 4,13-5,11; 2. Thessalonicher 1 u. 2; 1Tim 4,1-11; 1Tim 6,3-16; 2Tim 2,14-26; 2Tim 3,1-17; 2Tim 4,1-8; Tit 3,9-11; 1Pt 4,7-19; 2Pt 1,19-21; 2. Petrus 2 u. 3; 1Joh 2,15-28; 1Joh 4,1-6; 2Joh 4-11; Judas; Offenbarung 2 u. 3. Davon müssen wir sorgfältig die endzeitlichen Prophezeiungen in bezug auf Israel, den "Tag des Herrn" und den Anbruch des Tausendjährigen Reiches unterscheiden, auf die hier nicht eingegangen wird. Wenn wir die biblischen Aussagen zur Endzeit und der Lage der Gemeinde in dieser Zeit im Zusam- menhang betrachten, dann zeigt sich ein ernüchterndes, ernstes Bild. Es steht im auffälligen Gegen- satz zu dem weltförmigen Zukunftsoptimismus mancher Christen und zu den schwärmerischen Visio- nen der Charismatiker. Wir wollen versuchen, die wichtigsten biblischen Linien zu skizzieren. 1. Die Entwicklung der Welt in der Endzeit: Ausreifung des Bösen Die Bibel sagt uns, daß in den letzten Tagen schlimme (od. böse, gefährliche, schwere) Zeiten eintre- ten werden (2Tim 3,1). Die letzten Tage, die ausreifende Endzeit wird also, geistlich gesehen, nicht von einem Siegeszug des Guten und Göttlichen gekennzeichnet sein, sondern von einem Wachstum des Bösen in der Welt, das sich auch in der Gemeinde als Verfall niederschlägt (vgl. Mt 24,12; 2Tim 3,1-5). Die Endzeit ist Reifungszeit, Zeit, die der göttlich bestimmten Vollendung entgegenläuft. Was die ge- genwärtige böse Weltzeit angeht, so wird sie in diesem Reifungsprozeß nicht besser, sondern zuneh- mend verderbter und schlimmer. Die Sünde wird immer mehr überhand nehmen, sie wird dreister werden, immer herausfordernder und frevelhafter. 8 a) Die letzten Tage sind wie die Tage Noahs und Sodoms Unser Herr vergleicht die Zeit des Endes mit der Zeit kurz vor der Sintflut: Die Menschen werden in dreisten Sünden, in Okkultismus und Perversionen ruhig und selbstzufrieden vor sich hinleben und auf die Prediger der Gerechtigkeit nicht achten, bis sie das göttliche Gericht überfällt (Mt 24,37-39; vgl. 2Pt 2,4-9). Von der Menschheit kurz vor der Sintflut sagt uns das Wort Gottes: "Und der HERR sah, daß die Bosheit des Menschen auf der Erde groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag" (1Mo 6,5). Nicht zuletzt durch okkulte Perversionen hatten die sündigen Menschen ihre Bosheit auf die Spitze getrieben, so daß Gott eingreifen mußte: "Die Erde aber war verdorben vor Gott, und die Erde war erfüllt mit Gewalttat. Und Gott sah die Erde, und siehe, sie war verdorben; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verdorben auf Erden." (1Mo 6,11-12). Die Folge war das göttliche Zorngericht (V. 13.17). In Lk 17,28-34 zieht unser Herr auch das Gericht über Sodom als Bild für die letzte Zeit heran. Auch hier finden wir perversen Okkultismus und schreckliche Sünden, in Dreistigkeit begangen, bevor die göttlichen Feuerflammen die Frevler verzehrten (vgl. auch hier wieder die interessante Parallele in 2Pt 2,6-8 bzw. Jud 7). An den Bewohnern Kanaans können wir auch einen Grundsatz von Gottes Regie- rungswegen mit der Welt lernen; als Gott Abraham das Land Kanaan für eine ferne Zukunft verheißt, sagt Er: "denn das Maß der Schuld des Amoriters ist bis jetzt noch nicht voll" (1Mo 15,16). Gott schaut in Seiner Langmut und dem Wunsch, die Menschen zur Buße zu führen, der Bosheit lan- ge zu (vgl. 2Pt 3,7-9); aber Er hat ein Maß, und wenn die Bosheit ausreift und auf die Spitze getrieben wird, dann kommt das göttliche Gericht ohne Zögern und Erbarmen über die Frevler, dann, "wenn die Frevler [od. Abgefallenen] das Maß vollgemacht haben" (Dan 8,23). b) Die Ausreifung des Bösen ist notwendig Wir leben nun nach der Aussage der Bibel in genau solch einer Zeit. Diese Welt ist voll Bosheit, und die Bosheit wächst und wird immer stärker, bis sie das Maß voll macht in der antichristlichen Rebellion der Völker gegen den lebendigen Gott. Wir leben noch nicht in der eigentlichen Herrschaftszeit des Antichristen und werden sie nur aus dem Himmel mitbekommen – aber wir leben in einer Zeit, in der antichristliche Tendenzen wachsen und das "Geheimnis der Gesetzlosigkeit" immer stärker wirkt, bis es in nicht allzu weiter Zukunft offen ausbrechen wird (2Th 2,7). Diese Entwicklung ist von Gott so verordnet und in ihrer Gesamttendenz heilsgeschichtlich notwendig; die Gemeinde kann sie nicht verhindern. Wohl aber kann und soll sie durch ihre Gebete und ihr Zeug- nis diese Entwicklung zum Bösen noch bremsen und aufhalten, wo das möglich ist, und in den unver- meidlichen Gerichten Gottes über die Völker immer wieder um Gnade bitten, um Aufschub und Raum zur Umkehr – und sie wird darin gewiß von Gott erhört werden. Aber dieser priesterlich-fürbittende Dienst der Gemeinde wird letztlich an der Entwicklung der letzten Tage, an der Ausreifung des Bösen nichts Entscheidendes ändern können. Es ist hier sehr wichtig, daß wir Christen heute unseren Handlungsspielraum weder schwärmerisch überschätzen noch pes- simistisch unterschätzen, sondern die biblischen Linien unseres Dienstes in der Endzeit nüchtern er- kennen. c) Der Tag des Herrn: Gottes Gericht über eine gottlose Welt (2. Thessalonicher) In allen Entwicklungen der Endzeit ist es wichtig, klar vor Augen zu haben, daß die zunehmende Ent- faltung und Vorherrschaft der Gesetzlosigkeit und des Bösen nicht auf eine schrankenlose Eigen- mächtigkeit der Menschen oder eine Willkürherrschaft des Teufels zurückgeführt werden kann. Sie ist vielmehr Bestandteil des souveränen Regierungs- und Gerichtshandelns Gottes an einer Welt, die Ihn, Sein Wort, Sein Heil hartnäckig und höhnisch zurückgewiesen hat. Diese Wahrheit wird uns besonders im 2. Thessalonicherbrief bezeugt. Dieser Brief ist eine kostbare prophetische Offenbarung für uns Gläubige der Endzeit und verdient unser intensives Studium und ernstliche Beachtung für die Ausrichtung unseres geistlichen Lebens. 9 Wir wollen hier einige wichtige Aussagen dieses Briefes zu unserem Thema betrachten. Der Aus- gangspunkt des Briefs ist die Bedrängnis, in der sich die Thessalonicher durch Verfolgungen seitens ihrer heidnischen Umgebung befanden (V. 4-5; vgl. 1Th 2,14; 3,1-4). Ihre Standhaftigkeit und Glau- benstreue in den Übergriffen von Seiten der Götzendiener ist ein Anzeichen des gerechten Gerichts über die Bösen; die Gläubigen demonstrieren damit, daß das Reich Gottes, um dessentwillen sie lei- den, sich am Ende stärker erweisen wird als das Reich der Finsternis, dem die Christenverfolger die- nen (V. 5). Der große Tag des Herrn Paulus lenkt den Blick der Angefochtenen, die momentan das Eingreifen Gottes gegen ihre Bedränger nicht erlebten, auf das Endgericht Gottes am Tag des Christus (identisch mit "Tag des Herrn"), der ei- ne große Abrechnung mit all denjenigen sein wird, die Feinde Gottes waren und sind (vgl. 2Pt 3,3-12). Für sie selbst wie für alle wahren Gläubigen wird dieser Tag Erquickung und Ruhe bringen, wenn der Herr in Seiner Herrlichkeit auf Erden offenbart wird, denn sie sind zu diesem Zeitpunkt schon mit Ihm durch die Entrückung vereint (vgl. 1Th 4,13-18; 2Th 2,1-2) und werden "mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit" (Kol 3,4; vgl. 2Th 1,10-12). Für die Frevler, die Sünder aber, diejenigen, "die Gott nicht anerkennen und die dem Evangelium unseres Herrn Jesus nicht gehorsam sind" (V. 8), entbrennt dann der lange zurückgehaltene Zorn Gottes (2Pt 3,7-10) über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen (vgl. Röm 1,18-32) in seiner ganzen Schärfe: "Sie werden Strafe erleiden, ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke" (V. 9). Dieser Tag des Herrn wird das gerechte Gericht Got- tes mit sich bringen, die Abrechnung, die Vergeltung für alle Bosheit, die sündige Menschen auf dieser Erde begangen haben. Der "Tag des Herrn" ist in Wahrheit ein langer, mehrere Phasen umspannender Zeitraum (vgl. 2Pt 3,8), in dem Gott durch den Herrn Jesus Christus als Richter Sein Gericht über alle Geschöpfe vollen- det. Dieser große Gerichtstag beginnt in gewisser Weise bereits mit der Entrückung der Gemeinde, wenn die letzten Schranken für die Flut der Bosheit und des Verderbens beseitigt werden und die Sie- gelgerichte über die Welt hereinbrechen. Das umfassende Gericht Gottes schließt auch das Preisgericht über die Gläubigen ein (vgl. 1Kor 1,8; 3,13; 4,3-5; 2Kor 1,14; Phil 1,6; 1,10; 2,16; 1Joh 4,17), bei dem es nicht um Heil oder Verdammnis, sondern um den Lohn der Erlösten geht, den der Herr Jesus Christus den Seinen dann zuerkennen wird. Der eigentliche Höhepunkt des "Tages des Herrn" jedoch ist die Wiederkunft des Christus auf Erden in Herrlichkeit (vgl. Mal 3,2-5; Jes 2,10-21; Jes 13,6-13; Joel 2,1-11; Am 5,18-20; Zeph 1,14-18; Sachar- ja 12 bis 14) und das Gericht an den Feinden Gottes, die zu der Zeit auf Erden leben, besonders an dem Antichristen. Er schließt den Sturz Satans und seiner Engel und deren Bindung ein, das Tau- sendjährige Reich, die letzte antichristliche Völkerrebellion nach Freilassung des Satans, die endgülti- ge Verbannung Satans in den Feuersee und das Endgericht über alle Menschen, die nicht im Lebens- buch des Lammes stehen. Am Ende dieses Gerichtstages vergehen die jetzigen Himmel und die Erde, die alte Schöpfung, im Feuer Gottes (2Pt 3,10-13), und nach diesem Gerichtstag krönt Gott Sein herrliches Erlösungswerk mit der Neuschöpfung von Himmel und Erde: Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen, und das Meer gibt es nicht mehr. Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabsteigen, zuberei- tet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut (Offb 21,1-2). Gott ist ein Gott des Gerichts Die ernsten, ehrfurchtgebietenden Worte, die die Heilige Schrift gebraucht, um das große Gericht des heiligen Gottes über die sündige Menschheit zu beschreiben, mögen vielen Christen Unbehagen be- reiten, die bereitwillig eine einseitige Verkündigung aufgesogen haben, nach der Gott die Sünder nur und bedingungslos liebe und "annehme, so wie sie sind". 10
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