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Der rote Imperialismus: Die Strategie Moskaus und Pekings im Kampf um die Weltherrschaft PDF

126 Pages·1965·3.398 MB·German
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Der rote Imperialismus Hubertus Prinz zu Lowenstein Der rote Imperialismus Die Strategie Moskaus und Pekings im Kampf um die Weltherrschaft Westdeutscher Verlag· Koln und Opladen . 1965 ISBN 978-3-322-96101-3 ISBN 978-3-322-96235-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-96235-5 Verlags-Archiv 051032 © 1965 by Westdeutscher Verlag· Koln und Opladen Gesamtherstellung Druckerei Dr. Friedrich Middelhauve • Opladen Inhalt 1. Kapitel: Die Grundlagen der sowjetisehen und rotehinesisehen Au/Jen- und Militarpolitik ........................ II Russiscner Imperialismus - Panslawismus und Missionsgedanke - Imperialis- mus und Marxismus - Der Marxismus als Hilfsmittel des Imperialismus - Der »Heilsgedanke« im Marxismus - ein neuer Messianismus - Die Welt revolution aus russiscner Sicht - Der Imperialismus im rotcninesiscnen Raum - Die erfolgreiche Verbindung von Revolution und Imperialismus 2. Kapitel: Revolutionare Dialektik als Mittel der Au/Jenpolitik 16 Politiscne Biindnisse in Innen- und AuBenpolitik bestimmen sicn fiir die Kommunisten nur nacn Niitzlicnkeitserwagungen - Zusammenarbeit von Kommunisten und Nationalsozialisten zum Sturze der Weimarer Republik - Die Vertrage von Brest Litowsk, Rapallo, Berlin, der Ribbentrop-Molotow- Pakt - Der Begriff der ,.Sittlichkeit« gemaB marxistiscner Dialektik - Die Umkehrung des Clausewitzscnen Wortes: fiir die Sowjets bedeutet »Politik die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln« - Den Begriff des »Frie dens« im traditionellen Sinne gibt es fUr kommunistiscne Staaten nicnt - Une guerre permanente. 3. Kapitel: Der ReehtsbegrifJ in kommunistiseher Sieht 21 Das Recnt ist nicnts Absolutes, es muB dem lOKlassenkampfc dienen - Der programmatiscne Atheismus - Biindnisse mit Kircnen aus Niitzlicnkeits griinden - Adscnubej im Vatikan - Vertrag zwiscnen der kommunistiscnen Tscnechoslowakei und der Katholiscnen Kircne - Die Forderung nacn einem festen Recnt ist fortscnrittsfeindlicn und bourgeois - Der gleicne Gesicnts punkt »klassenbedingten« Recntes aucn im internationalen Leben - Sittlich ist, was dem ,.Proletariat« niitzt: In allen Landern wird dieses durch die Sowjetunion vertreten - Keine nicnt-kommunistiscne Regierung wird wirk lich anerkannt. Der Kommunismus fiigt sich nur gegebenen Macntverhalt nissen - Vertragsbrucn als Prinzip sowjetiscner AuBenpolitik: Tausend ge brocnene Vertrage in vierzig Jahren. 4. Kapitel: Die Einheit der sowjetisehen Au/Jen- und Militarpolitik 27 Die sowjetiscne Gesamtpolitik als glob ale Vereinigung von Imperialismus und Missionsgedanken - Kein »Ost-West-Konflikt« - Die »Zwei-Lager- 5 Theoriec der sowjetischen Gesamtpolitik - ,.Koloniale Befreiungskriegec, ,.farbige Weltrevolutionc- Die ganze Welt ist eine Front - Nur lOtak tischec Bedeutung der Kontinente und Lander - Die Kampftatigkeit mag nachlassen; sie hOrt nie ganz auf - Die psychostrategische Kriegfiihrung - lOKoexistenz«. 5. Kapitel: Grundzuge der sowjetisch-rotchinesischen Militarstrategie ................................. 32 Die sowjetischen Streitkrafte als Instrument der Weltrevolution. Marschall Sokolowskys Buch »Militarische Strategie« - Die ,.ideale Strategie«: ohne heillen Krieg die freie Welt zur Kapitulation zu zwingen - Ein blitzartiger Schlag gegen Europa? - Der ,.preemptive« Schlag - Die Bedeutung der Landstreitkrafte besteht weiter: auch als Mittel, die »entsprechende Ord nung« herzustellen - Die neuen Typen der Luftwaffe: Hypersonische 5-Mach-Flugzeuge? - Die U-Bootflotte - Die atlantisch-europaische Welt als Hauptkriegsschauplatz - Zahlreiche Nebenkriegsschauplatze - Luftlande operationen in Alaska und Nord-Kanada? Die s(lwjetische ,.Fischereiflotte« 6. Kapitel: Grundzuge der politischen und psychologischen sowjetisch-rotchinesischen Strategie ... . . . . . . . . . . . . . .. 40 Verwandtschaft zwischen Marxismus und agnostischer, ,.bourgeoiser« Ge sellschaft - Der Diesseits-Messianismus der Bourgeoisie - Der Fetisch der ,.Abriistung« -sowjetisches Mittel, die ,.Bourgeoisie« geistig zu entwaffnen- Die Sowjets waren nie Pazifisten - ,.Heilige« Kriege des Proletariats - ,.Nationale Befreiungskriege sind gerechte Kriegec - Die "Angst-vor-den Deutschen«-Propaganda und das Werben um die Deutschen - Der "Geist von Camp David«, 1959, und die Atomrampen in Kuba, 1962 - Die In tellektuellen und der Kommunismus - Sport und der Kommunismus - Die Profitsucht der Bourgeoisie und der Kommunismus - Die "Entstalinisie rung« als Propagandaschlager - Mao Tse-tung und die Verwirrungstaktik Koexistenz und Schredtenspropaganda 7. Kapitel: Grundzuge der wirtschaftlichen und waffentechnischen Sowjetstrategie .................................. 50 Eine totalitare Macht und die Wirtschaft - Konflikt zwischen Versprechun gen und Leistungsvermogen - Chruschtschows Handelsoffensive - Warum nahern sich einzelne Satelliten dem Westen? - Die strategische Bedeutung der Weizenkaufe - Die ,.Schlacht im Laboratoriumc - Die neuen Waffen: tausend Megatonnen-Bomben, Raumwaffen, elektromagnetische Kriegfiih rung - Chruschtschows Drohung yom September 1964 mit der ,.neuen, furcht baren Waffec (nur an die chinesische Adresse?) - Kobaltbomben? Strah lungswaffen aus dem Weltraum - Das Laser-Prinzip - Plasma-Jets - Ionen raketen - Die Photonenrakete der naheren Zukunft - "Kugelblitzec - Experimente mit ,.Anti-Materiec und die Einsteinsche Materie-Energie gleichung - Der Geophysikalische Krieg - Anti-Gravitationskrafte - Freie 6 Raumenergie - Auch der Westen arbeitet daran, aber ihm fehlt der politische Wille 8. Kapitel: Die militarischen Hauptfronten 57 Die heutige Frontziehung in Europa und Asien als Ergebnis der erfolgrei chen politischen Kriegfiihrung der Sowjets im zweiten Weltkrieg - Die Tei lung Deutschlands und Europas - Jalta: sowjetischer Sieg auch in Asien - Die Teilung Koreas - Die sowjetischen Versuche, nach Westen und ins Mittel meer vorzustoBen - Gegenzug der atlantischen Welt: Briisseler Pakt und NATO - Die Blockade von Berlin - Umgruppierung des sowjetischen An griffs: Der StoB gegen Siidkorea - Korea oHnet den Westmachten die Augen: Notwendigkeit eines deutschen Verteidigungsbeitrags 9. Kapitel: Die Verteidigung der europaisch-atlantischen Welt 64 Friede in Europa dank der militarischen Verteidigung - Die Streitkrafte des Warschauer Paktes - Die Streitkrafte der NATO - Massiver Gegenschlag oder flexible response,,? - Die franzosische Konzeption des massiven J> Gegenschlags - Die franzosische force de frappe - Die politische und militarische Bedeutung der geplanten multilateral en Flotte - Die Verteidi- gung des Atlantik als Teil der europaischen Verteidigung - Notwendigkeit einer politischen Einheit und Einmiitigkeit 10. Kapitel: Moskau und Peking: Die verbundeten Gegner. . . . . . .. 73 Die Eroberung Chinas: der groBte Sieg des Kommunismus seit 1917 - In diesem PrazeB von fast dreiBig Jahren: drei Perioden der ,.friedlichen Ko existenze als Mittel der Unterwerfung - Tschitscherins Botschaft auf dem 5. Parteitag, 4. Juli 1918: Die Sowjetunion werde China alle Gebiete zuriick geben, die das zaristische RuBland ihm geraubt habe - Kiindigung der »un gleichen Vertragec - ,. Volksfront« zwischen Kommunistischer Partei und Kuo-min-tang - Kommunistische Infiltration - Die kommunistischen Auf stande. Die Rolle der deutschen Agenten, Heinz Neumann und Gerhart Eisler - Die Anfange Mao Tse-tungs - Der unerklarte sino-japanische Krieg unddie Rolle der Kommunisten - Der sowjetisch-japanische Pakt vom 13. April 1941 : Verletzung der Vertrage mit China und Ermunterung fur Japan zur Eroffnung des pazifischen Krieges - Die kommunistische Eroberung Chinas: auch durch einen Propagandasieg iiber die amerikanische offentliche Meinung - Fortbestehen der Bindungen Sowjetunion-Rotchina - Rotchina gewahrt politische Wirtschaftshilfe: Kuba, Ceylon, etc. - Ein dringen Rotchinas in Lateinamerika - Der Rotchinesische Kommunis mus: Eine rigoristische Auslegung des Marxismus, keine ,.haretische Abwei chungc - Verbindung chinesischer, nationalistischer Bestrebungen mit der Revolution - Mao Tse-tungs Forderungen an die Sowjetunion konnen sich auf die Tschitscherin-Erklarung von 1918 stiitzen - Trotz scharfer Auseinan dersetzung Peking-Moskau: Einig im Ziel - Maos Atombombe und Chru schtschows Sturz bilden den Beginn erneuter, noch engerer Zusammenarbeit. 7 11. Kapitel: Die Sowjetunion und Rotchina im Fernen Osten..... 82 Die strategische Lage im Fernen Osten: Korea, Japan, Taiwan, die ameri kanischen Basen auf dem Ryukyus - Hintergriinde des Koreakrieges - Korea als Modellfall fiir die rotchinesisch-sowjetische Zusammenarbeit - Die Stel- lung Japans im Fernen Osten - Japans geistige Probleme - Die "Schlacht im Klassenzimmer« muB fiir die Freiheit gewonnen werden - Die weltpoli tische Bedeutung National-Chinas - Die militarische Macht National-Chinas 12. Kapitel: Siidasien und der »Balkan« des Eurasischen Kontinents 91 Die Gleichzeitigkeit des rotchinesischen Angriffs gegen Indien, und Chru schtschows Raketenbedrohung Amerikas von Kuba aus - Was von der ,.Offentlichen Meinung« zu halten ist - Die Volker Asiens ohne Komplexe gegeniiber der Macht - Folgen des rotchinesischen Angriffs fiir die Be ziehungen Indien-Pakistan - Der Kaschmirkonflikt - Indiens Bevolkerungs problem - Die geistigen Krafte Indiens als QueUe der Hoffnung - Der Versuch, Indien von Ceylon und von Siidost-Asien aus zu flankieren - Die Lage auf Ceylon - Gefahr eines neuen ,.Kuba« - Rotchina erhebt Anspriiche auf ganz Siidost-Asien - Der "Balkan« des Kontinents: Vietnam, Stein auf dem kommunistischen Brett, wie vor dem ersten Weltkrieg Serbien auf dem russischen - Viet Cong, Ho Chi Minh - Die Bedeutung und das tragische Ende des Prasidenten Ngo-Dinh-Diem - Der Aufbau von Vietnam - Die Guerilla-Taktik der Viet Cong - Die Rolle des Monchtums im politischen Kampf - Berlin konnte auch am Mekong verlorengehen. 13. Kapitel: Grundzuge einer militarischen Gegenstrategie . . . . . . .. 101 Politische Richtlinien fiir die Strategie der freien Welt: Nur defensiv - Den- noch miiBte der Krieg, den die Sowjets beginnen, gewonnen werden: Kein "Patte - die hochst gefahrliche "Gleichgewicht-des-Schreckens«-Theorie - Die ,.Schlacht im Laboratorium« erfordert den Wettlauf der Forschung - Die ,.Generationen von Waffen«, der Prototyp SR 71 - Das Jahr 1970 als Stichjahr - Die Verteilung der atomaren Waffen unter den Verbiindeten - Jede realistische Gegenstrategie muB global sein - Koordinierung notig zwischen NATO -CENTO -SEATO - Der nordost-asiatische Verteidigungs komplex - Die Verteidigung des Pazifischen Raumes: Australien, Neusee- land - Bei globaler Gegenstrategie: Die Geographie auf seiten der freien Welt 14. Kapitel: Grundzuge einer politischen und psychologischen Gegenstrategie ................................. 108 Auch diese Gegenstrategie muB global sein - Gegen den Angriff durch die Revolution des Kommunismus: Gegenangriff durch die Revolution der Freiheit - "Ubi libertas, ibi patria« als revolutionarer Gegenschlag - Die Gefahr der koexistenzialistischen Gehirnwasche - Die Chimare der Ab riistung - Den Sowjets bliebe stets die ,.zweite Front«, die Revolution - Die Gegenstrategie erfordert auch einen wirtschaftlichen Gegenangriff - Der 8 materialistisme Fortsmrittsglaube (eine Art ,.Messianismus«) der freien Welt als Hilfsmittel der Sowjets - Notwendigkeit der Organisation der globalen Gegenstrategie - Planungsstab der freien Welt - Kein nationaler Kampf, keine Annexionen seitens der freien Welt - Ein globaler Befrei ungskampf 15. Kapitel: Ausblicke ...................................... II6 Unter welmen Umstanden sind die Sowjets zum Angriff bereit? - Verlust risiko von 10 bis 20 Prozent? - Der Realismus der Sowjets als Simerheits faktor - Die Sowjets konnen sim aum »zurii<:kziehen,,; das liegt in der Lehre des Marxismus - Starke der freien Welt entziindet keinen Krieg, Smwame konnte es - Notwendigkeit, jeden politismen Durmbrum der Sowjets zu verhindern und militarisch iiberlegen zu bleiben - Unter diesen Umstanden langere Friedenszeit moglich - Die Hoffnung: Die in der mensmlimen Natur ruhende Freiheit, die keine Tyrannei je vernimten konnte Quellenverzeichnis ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 125 9 1. KAPITEL Die Grundlagen der sowjetischen und rotchinesischen AuBen- und Militiirpolitik Lange bevor es den Marxismus-Leninismus gab, der mit seinem Auft rag zur Weltrevolution und Weltherrschaft die sowjetrussische Politik von heute auf das wirksamste unterstiitzt, gab es einen russischen Imperialis mus, verbunden mit einem russischen SendungsbewuBtsein. Das sowjetische Imperium, das heute von Elbe und Werra bis zur Japa nischen See reicht, ist aus dem kleinen Fiirstentum Moskau hervorgegan gen, das urn 1300 begriindet wurde, zu einer Zeit also, da das Heilige Romische Reich, das die Christenheit des Abendlandes vereinigte, seinen Hohepunkt bereits iiberschritten hatte. 1453 ist das entscheidende Datum fUr das Ende des Ostromischen Reiches; sein jahrhundertelanger Widerstand gegen den Ansturm der Tiirken war nach dem Fall von Konstantinopel gebrochen. Der GroBfiirst von Moskau, Iwan III., schloB die Ehe mit Zoe, der Nichte des letzten ostromischen Kaisers Konstantin XI. Fortan erhob das aufsteigende moskowitische Fiirstentum den Anspruch, religioser und politischer Erbe des Ostromi schen Reiches zu sein. Iwan III. nannte sich als erster »Zar von ganz RuBland«, seine Hauptstadt Moskau wurde zum »Dritten Rom«. Urn die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte RuBland seine Grenzen im Westen bereits bis zum Dnjepr und an die Diina vorgeschoben. Sibirien war russische EinfluBsphare bis zur Japanischen See im Fernen Osten. 1m VorstoB an das Schwarze Meer war im Siiden das Asowsche Meer erreicht, im Norden an zwei Stellen bei St.Petersburg - gegriindet 1703 - die Ostsee. Heute ist das ganze Siidufer der Ostsee, bis dicht vor die Tore von Liibeck, also iiber tausend Kilometer, in sowjetischen Handen. Die Nordkiiste des Schwarzen Meeres wurde schon im 19. Jahrhundert rus sisch. Dazu kamen weite Landstriche am Kaspischen Meer. Infolge der drei ersten Teilungen Polens durch die europaischen GroB machte, 1772, 1793 und 1795, wurden die Grenzen RuBlands weit nach Mitteleuropa hineingeschoben. Gleichzeitig wurden die letzten baltischen Gebiete an der Ostsee, nach Livland und Estland nun auch Litauen und Kurland, russisch. Anfang des 19. Ja hrhunderts wurde Finnland russi sches Gouvernement. Die vierte Teilung Polens wurde in dem Geheimabkommen zum Ribben trop-Molotow-Vertrag yom 23. August 1939 festgelegt, das kaum fUnf Wochen spater, am 28. September, zwischen der Regierung Hitler und II der Sowjetunion vertraglich bestatigt und erganzt wurde. Die UdSSR nahm sich uber 200 000 Quadratkilometer (77 620 Quadratmeilen) pol nischen Gebietes. In Sudost-Europa war das Ziel RuBlands, seine Vorherrschaft auf aIle Balkanslawen auszudehnen, einer der wesentlichsten Griinde fur den Konflikt mit Osterreich-Ungarn und damit fur den Ausbruch des ersten Weltkrieges gewesen. Diese durchaus imperialistische Politik wurde ziel strebig ideologisch unterbaut. RuBland trat als die groBte slawische und groBte orthodoxe Macht, also als Beschutzer der griechisch-orthodoxen Balkanslawen, auf. Den katholischen Westslawen gegenuber, die unter dem Zepter Osterreichs ein gluckliches und freies Leben fuhrten, konnte zwar nicht der orthodoxe, aber immerhin der panslawistische Missions gedanke ins Spiel gebracht werden. 1m Dienst des sowjetrussischen Imperialismus von heute fallt dem Kom munismus eine ahnliche Rolle zu. ,.Das Vaterland aller Werktatigen« ist RuBland, dort, wo der Kommunismus zuerst an die politische Macht kam, und es gelang sogar, die panslawistische und die orthodoxe Propaganda linie in bestimmter zweckdienlicher Hinsicht beizubehalten. Spatestens im Augenblick des Kriegsausbruches, am 22. Juni 1941, hat Stalin die nationale und wehrpolitische Bedeutung der orthodoxen Kirche fur den atheistischen Staat begriffen. Heute ist diese Kirche ein ernst zu nehmender Faktor in der sowjetischen AuBenpolitik. Der Begriff des ,.Klteren Bruders« ist schon seit der Mitte der dreiBiger Jahre wieder lebendig. Er gilt fur das russische Yolk in seiner Gesamtheit und nicht etwa, wie es nach marxistischer Lehre verstandlich ware, nur fur das russische Proletariat. Dieser Kltere Bruder besitzt den anderen slawischen Volkern gegenuber eine deutliche Vorrangstellung. Auch gegen uber den nicht-slawischen Volkerschaften innerhalb der Sowjetunion gilt dieser Anspruch. Ais das ,.hervorragendste Volk« der Sowjetunion und als ,.die fuhrende Macht im Lande« hat Stalin das russische Yolk bei der groBen Siegesfeier im Kreml, am 24. Mai 1945, herausgestellt. Was Karl Marx bereits gefurchtet hatte, ist also eingetreten: 1m russischen Raume ist seine Sozialkritik mit einer Art von mystischer Glut, wie sie der slawischen Seele eigen ist, erfullt worden. Freilich, schon im ursprung lichen Marxismus steckt bei allem Materialismus und Agnostizismus des 19. J ahrhunderts ein mystischer Kern, ein letzter Funke christlichen Erbes und judischer Messiashoffnung. Der neue Heiland, Trager des messiani schen Gedankens, ist das ,.Proletariat«, das von Marx und Engels in Worten geschildert wird, die das Bild heraufbeschworen des allduldenden, alles erleidenden Knechtes Gottes im 42. Kapitel des Propheten Jesaias. Thomas G. Masaryk, der Begrunder der Tschechoslowakischen Repuhlik, hat in einer fruhen Arbeit, die schon in den achtziger J ahren des 19. J ahr hunderts erschien, festgestellt, daB es sich hier urn eine Art neuer Religion handelt, urn eine diesseitige ErlOsungslehre, die das Paradies auf die Erde 12

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