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Der naturwissenschaftliche Unterricht — insbesondere in Physik und Chemie — bei uns und im Auslande PDF

78 Pages·1905·4.18 MB·German
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Abbandlungen zur Didaktik und Philosophie der Naturwissenschaft. Band I. Heft 3. Der naturwissenschaftliche Unterricht - insbesondere in Physik und Chemie - bei uns und im Auslande. Von Dr. Karl T. Fischer, a. o. Professor der Kgl. Technischen Hochschule in München. "Die Völker haben begonnen, das zu tun, wozu sie füreinander geschaffen sind - voneinander zu lernen." Friedrich Paulsen. ISBN 978-3-662-42720-0 ISBN 978-3-662-42997-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-42997-6 In h a 1 t. Seite A. Einleitung 3 B. Was kann der naturwissenschaftliche Unterricht für die Erziehung nützen? 7 C. Die zweckmäßige Methode des naturwissenschaftlichen Unterrichts . 10 D. Der gegenwärtige Stand des Physik- und Chemieunterrichts in verschiedenen Staaten 13 1. Deutschland . 13 2. Österreich-Ungarn 24 3. Italien . . 25 4. Frankreich 26 5. Schweden 38 6. Norwegen 40 7. Holland 41 8. Rußland einschließlich Finnland 48 9. Großbritannien und Irland . 57 10. Die Vereinigten Staaten von Amerika 62 E. Entwicklung des Laboratoriumunterrichts an in- und ausländischen Hochschulen 67 F. Schlußwort . 72 A. Einleitung. Niemand kann zwar in die Zukunft schauen und kein noch so weit blickender Mann kann das fernere Schicksal eines Volkes voraussehen; aber auf einen Faktor unserer Zukunft können wir einwirken, das ist die Jugend im Volk; in ihr stellt sich unsere Zukunft dar. Durch die Erziehung der Jugend und durch Unterrichtseinwirkung auf dieselbe bereiten wir somit unsere kommenden Geschicke vor, soweit sie· von uns und nicht von anderen Kräften abhängen. Und so wenig die Stellung des einzelnen Mannes oder eines Volkes zur Gesamtheit unverändert die gleiche geblieben ist oder überhaupt die gleiche bleiben kann und wird, so wenig werden die Mittel und Wege der Erziehung durch Unterricht für alle Zeiten dieselben bleiben können, die sie einst waren; vielmehr müssen wir in unablässiger Wachsam keit, wie die Wandlungen im politischen und wirtschaftlichen Leben, so insbesondere die Erziehungsaufgaben und -methoden mit früheren Zuständen vergleichen und fortwährend prüfen, ob das Rüstzeug, mit dem wir uns und unsere Nachkommen auf dem Wege der Erziehung versehen, nicht da und dort einer Verbesserung, Verstärkung oder Ergänzung bedarf, damit es standhalte gegenüber den veränderten Bedingungen des Kampfes, der Leben heißt. Für die Stunden der raschen und gewaltsamen Entscheidung, die der Krieg bezweckt, haben sicher wir Deutsche die am besten entwickelte Rüstung und scheuen kein Opfer, uns noch immer besser zu wappnen; ob aber unsere Ausbildung für den stillen, aber ununterbrochen währenden Kampf, den wir friedlichen Wettbewerb nennen und der wohl mehr als der Krieg ein Mittel zur Besserung und Hebung des Lebens des Einzelnen und der Staaten bedeutet, eben so sorgsam und opferwillig beobachtet und auf der Höhe der Zeit gehalten wird, vermögen nur wenige rückhaltlos zu bejahen. Fragen der Erziehung kommen leicht in die Gefahr, als nicht dringlich zu erscheinen, weil die Entscheidungen darüber nie augenblicklich Früchte tragen oder Schädlichkeiten zum Vorschein bringen: aber in dem Gebiet, wovon die Worte gelten videant consules ne quid detrimenti res publica capiat, müssen sie an wichtiger Stelle stehen, wenn anders weitertragende Ziele verfolgt werden als Berücksichtigung momentaner und äußerlicher Interessen. So sicher wie in der Entwicklung der Kriegführung Intellekt und Wille 14* 4 Fischer, Der naturwissenschaftliche Unterricht. [200] wichtiger geworden sind als bloße körperliche Kraft, so sicher wird die Erziehung des Einzelnen und ganzer Völker in Zukunft mindestens ebenso wichtig erscheinen als die militärische Durchbildung; im selben Maße natürlich wird sich das Verhältnis des Aufwandes für militärische und für die Erziehungszwecke der Schulen verschieben müssen. Und es werden die gebrachten Opfer keine schlechte Kapitalsanlage sein; andererseits "Ersparung" derselben einen Verlust von vervielfältigtem Betrage bedeuten. Wird doch in England der Rückgang der Industrie zu Gunsten Deutschlands in erster Linie und fast ausschließlich auf die Rechnung der Unterrichtseinrichtungen Deutschlands gesetzt 1), die noch bis vor 20 Jahren ohne l!"'rage in der ganzen Welt unerreicht dastanden. Werden wir in 20 Jahren noch dasselbe von uns behaupten dürfen, wenn wir nicht unermüdlich darauf bedacht bleiben, Lücken in unserem Unterricht auszu bessern und, wo nötig, grundsätzliche Änderungen vorzunehmen? Kaum. Denn Amerika2) und England haben mit dem Momente, wo sie die Vorzüge und Bedeutung unserer Unterrichtsorganisationen klar erkannten, energisch eingesetzt, um uns nicht nur einzuholen, sondern es schließlich besser zu machen als wir. Historische und kritische Aufsätze, namentlich in den bereits 12 je über 700 Seiten starke Bände umfassenden Special Reports on Educational Subjects (London, Eyre and Spottiswoode, Fleet Street E. 0.) des Board oj Education 3), bezeugen uns, welchen Wert England darauf legt, über den Stand 1) K. T. Fischer, Der naturw. Unterr. in England. Teubner 1901, S. 16 ff. - Reports on Education, Rep. of British Association (Belfast) 1902. 2) Daß in Amerika der Erziehung in allen Schichten des Volks die hervorragendste Bedeutung beigemessen und auf sie enorme Summen verwandt werden, zieht sich als Grundton durch sämtliche (26) Berichte der Teilnehmer an der englischen Moseley Educa tional Commission to The Gnited States of America, October-December 1903 (publiziert als Reports of the Moseley Commission etc. London, by the Cooperative Printing Society IJimited, New Bridge Street E. C. 1904, 400 p.). Die Änderungen im amerikanischen Schulwesen scheinen ganz dem Geiste zu entsprechen, den ein Brief an MoSELEY aus Philadelphia atmet, in dem es heißt: "Conse1·vative sclwol men are never apt to approve o.f any fundamental improvement in educational metlwds. Such people in our country must be compelled to stand aside from the march o.f events. We cannot for than to die as nations have done in past centuries. The development of the steam engine, the application o.f electricity, tlze growth o.f great cities have come on so rapidly, utterly changing not only parental 1·elations for a !arge part o.f the people, but also many industrial, moral and civic conditions, that we find ourselves all at once up against several problems o.f vast importance, and we conclude that they must be solved by means o.f the schools. Old metlwds, however, will not answe1· the purpose o.f the new wnditions, which demand intelligent training in the practice as well as the theory o.f morals and citizenship as in engineering in its various bmnches". 3) Ve rgleiehe _ferner die vielfachen Aufsätze in der englischen Zeitschrift Nature über Unterrichtsfragen namentlich von John Perry (Englands Neglect of Science) ferner: Balfours Rede "On Science and lndustry", Nature 55, S. 85, 1896.-Education of Engeneers, Nature 66, S. 530-538, 1902. -- New Regulations of the Board of Education, Nature 70, S. 345, 1904: "The sorry figure this country has recently cut in the industrial competitiou of the nations, and in another direction in South Africa, is precisely because of the dis- [201] Fischer, Der naturwissenschaftliche Unterricht. 5 der Erziehung in andern Ländern ein klares Bild zu gewinnen und Nutz anwendungen zu ziehen. In der Einleitung zu dem Bande über Erziehung in den Vereinigten Staaten von Amerika (vol. 10 der Special Reports on Edu cational Subjects, 1902) sagt Sir JosHUA FITCH, "American educational rejormers look with most confidence for help and guidance to "eminent teachers and professors rather than palificians or official personages" ( vergl. Nature Bd. 66, S. 648, 1902), und die enormen Geldmittel, welche in Amerika für Unterrichtszwecke ver wendet werden, während die militärischen Ausgaben verhältnismäßig klein bleiben, beweisen, daß diese Anschauung praktisch durchgeführt wird. Nach einem Bericht des Bureau of Education gibt Amerika allein für Volks schulen mehr aus als England, Frankreich und Deutschland zusammen im Etat der Kriegsmarine. Eine Reihe von Büchern legt ein beredtes Zeugnis ab für das Interesse Englands und Amerikas an Erziehungseinrichtungen und ·methöden; z. B. die Sammlung von 13 Vorträgen von R. D. Roberts, betitelt: Education in the nineteenth century. Cambridge, at the University Press. 274 S. 1901; Science and education, Essays by Thomas H. Huxley. London, Macmillan, 1899,451 S.; L. C. Miall, Thirty years ojteaching London, lrfacmiltan, 1897, 250 S.; Chapters an the aims and practice of teaching edited by .Prederic Spencer, 284 S. Cambridge, at the University Press 1899; Teaching and Organisation with special rejerence to secondm·y sclwols, a manual of practice, edited by P. A. Barnett. 419 S. Longmans, Green 9· Cie., London; Herbert Spencer, Education, intellectual, moral and physical, 180 S. Cheap edition, Williarns and Norgate, London 1898; lrfonographs an Education in the United States. Edited by Nicholas lrfurray Butler, Albany, New Yersey, 1900; Hadley, Arthur Twining, The education of the American citizen (Yale Bicentennial Publications), New York 9· London 1901; Nicholas Murray Butler, The meaning of education and other essays, New York 1898; Charles William Eliot, Educational Reform Essays and addresses, New York 18.98; Francis A. Walke1·, Discussions in Education, edited by James Phinney Munroe, New York 1899 u. a. m. Dank der frischen Initiative und der zähen Ausdauer, mit der der Anglesachse ein einmal erkanntes Ziel möglichst bald zu erreichen sucht, ist zwischen Diskussion und praktischer Verwirklichung erzieherischer Ideen in England und Amerika nur eine kleine Zeitspanne verflossen - eine für uns, da wir irrfolge der stetig wachsenden Zentralisierung zwar stetiger, aber dafür schwerfälliger arbeiten, fast unverständlich kurze Zeit. Ohnedies für Theoretisieren und kritisches Abwägen mehr als andere Nationen irrfolge von Gewöhnung veranlagt, haben wir fast vergessen, daß auch die Erziehung, d. i. die Einwirkung auf den Willen, das Gemüt und den Verstand, auf die position of the times past, on the part of those responsible for English Education, to regard "the training of the intellect towards understanding and applying the laws of the physical universe" as the work of some special kind of school instead of being a necessary and important part of every grade of education".-T. A. Organ, Vice-Chairman of the Technical Education board of London, Address to the Conference of Science Teachers, The London Technical Education Gazette 8, S. 8 f., 1902 u. a. m. 6 Fischer, Der naturwissenschaftliche Unterricht. [202] körperlichen und geistigen Fähigkeiten belebter Wesen, ebenso gut wie die Technik, d. i. die Kunst der Gestaltung der leblosen Materie, in das Ge biet der experimentellen Forschung gehört und Versuche erfordert4), wenn über die Richtigkeit von Überlegungen ein endgültiges Urteil gefällt werden soll. Über den erzieherischen Wert und die geeigneten Lehrmethoden der sogenannten Geisteswissenschaften, der Sprachen und der Geschichte, haben Jahrhunderte Klärung gebracht; und wir konnten uns solche Zeiträume gestatten, da wir den andern voraus waren; in Bezug auf die Naturwissen schaften muß über den Wert und die Methode rascher entschieden werden, also eifriger und vielseitiger experimentiert werden. Denn die Überzeugung, die unsere Universitäten groß werden ließ, "daß5) jeder Fortschritt der Vernunft und Wissenschaft zugleich eine Steigerung der kulturschaffenden Kräfte, zuletzt auch eine Erhöhung der Machtmittel des Staates herbeiführen müsse", hat sich mittlerweile auch in den meisten anderen Ländern Bahn gebrochen und auf die Entwickelung des Unterrichts ihren Einfluß bereits ausgeübt; so weit, daß auch FAULSEN bereits (a. a. 0. S.13) schreibt: "es bedürfe hier" - in den Naturwissenschaften - "bei uns die Unterrichtsmethode weiterer Ausbildung ..." "und es scheinen uns namentlich im Gebiete des naturwissenschaftlichen Unterrichts Amerika und England vorausgeeilt zu sein". Ich habe bereits in meinem Berichte "Über den naturwissenschaft lichen Unterricht in Engl and, insbesondere in Physik und Chemie", Teubner 1901, die Meinung ausgesprochen, es sei derselbe in England in den Jahren 1890-1900 auf Grund der Erfahrung und Überlegung weiter und besser ausgebildet worden als bei uns in Deutschland, und jetzt, da ich bis auf den gegenwärtigen Tag die Entwickelung verfolgt habe, glaube ich sagen zu dürfen: die Entwickelung der Methoden des naturwissen schaftlichen Unterrichts hat in England und Amerika ihren Abschluß erreicht und die als beste erkannte Methode ist bereits allgemein eingeführt, während bei uns in Deutschland die Frage der Unterrichts methoden der Physik und Chemie an Mittel- und Elementarschulen nur von einigen wenigen berufsfreudigen Lehrern in Fluß gehalten, seitens der meisten maßgebenden Körperschaften aber noch nicht einmal mit der Absicht entscheidender Erledigung praktisch in Angriff ge nommen worden ist. Daß wir nicht ohne zwingende Gründe die Frage des naturwissen schaftlichen Unterrichts als eines zeitgemäßen Erziehungshilfsmittels über 4) In dieser Hinsicht sind die Versuche des Münchner Schulrates G. Kerschen steiner über das Zeichnen der Kinder, niedergelegt im Aufsatze: "Das zeichnende Kind und sein Verhältnis zur Kunst", Beilage zur Allgemeinen Zeitung No. 73, 29. März 1904 hochinteressant. 5) Friedrich Paulsen, Die höheren Schulen Deutschlands und ihr Lehrerstand, in ihrem Verhältnis zum Staat und zur geistigen Kultur. Braunschweig, Vieweg & Sohn s. 1904-, 7. [203] Fischer, Der naturwissenschaftliche Unterricht. 7 Gebühr und zu unserem Schaden vertagen, wollen die folgenden Ans führungen zu verhindern mitwirken, indem sie in Wort und Bild über den Stand des physikalischen und gelegentlich des chemischen Unterrichts in verschiedenen Ländern Bericht erstatten. Da ich vorläufig aus eigener, mehrmonatlicher Erfahrung nur die englischen Verhältnisse kenne, so war ich darauf angewiesen, durch zum Teil eingehendere Korrespondenzen und Studium der Literatur, Programme und Lehrbücher Einblick in die Sach lage in anderen Ländern zu gewinnen. Ich bin aber dabei von so vielen und so maßgebenden Persönlichkeiten aufs bereitwilligste unterstützt worden, daß ich glaube, einen ziemlich richtigen Überblick geben zu können. Ohne einzelne Namen zu nennen, danke ich aufrichtig und herzlich allen, die mir, der Sache zu Liebe, so gerne in Briefen, Druckschriften und Büchern wert volle Förderung und Auskunft schenkten. B. Was kann der naturwissenschaftliche Unterricht für die Erziehung nützen? Als Alexander der Große gefragt wurde, wem er sein Reich hinter lassen wolle, sagte er "-.q; XQa-rta-rcp", d. h. "dem Tüchtigsten". Das Wort gilt heute mehr als sonst. Dem tüchtigsten Volke wird jeweils die Welt und ihre Weiterentwicklung zufallen, und jenes Volk wird das tüchtigste sein, in dem die Fähigkeiten jedes einzelnen möglichst weit entwickelt sind und in dem jeder einzelne es einerseits versteht, die ihn umgebende Welt richtig zu erkennen und sich übermächtigen Verhältnissen anzupassen, und doch andererseits die Macht der Idee nicht verkennt und den Sinn für ideale Ziele in sich leben und wirken läßt. Alles, was beitragen kann, den einzelnen körperlich und geistig "tüch tiger" zu machen, wäre daher ein wünschenswertes Element des Unterrichts; da Zeit und Geld zur Einschränkung zwingen, so muß eine Auswahl der Unterrichtselemente getroffen werden nach Maßgabe des Wertes, den sie für das oben genannte Ziel der Tüchtigkeit haben, und die Auswahl wird zu verschiedenen Zeiten verschieden sein müssen. In unserer Zeit ist ein gründlicher, nicht so sehr ein vielseitiger, naturwissenschaft lieber Unterricht ein unentbehrliches Unterrichtselement, das wir mit um so vollkommeneren Methoden zu Gunsten des Schülers verarbeiten müssen, je knapper die dem einzelnen Lehrgegen stande zumeßbare Zeit wird. Schon um des Wissens allein willen: solange wir die Kultur des klassischen Altertums in uns aufzunehmen hatten, mußte das Studium der alten Sprachen und der Geschichte als der wichtigste Zugang zu jener Bildungsstufe den Hauptinhalt des Unterrichts bilden; naturwissenschaftlicher Unterricht war damals nicht nötig, weil nicht möglich, da es noch keine naturwissenschaftliche Forschung gab. Seit wir aber durch das Studium 8 Fischer, Der naturwissenschaftliche Unterricht. [204] der Natur und die daraus abgeleitete Dienstbarmachung der Naturkräfte neue Bahnen in der Produktion, in der .Arbeitsteilung und im Verkehr betreten haben, muß der naturwissenschaftliche Unterricht den ihm zu kommenden Platz in der Schule erhalten, damit in der sogenannten "all gemeinen Bildung" - ich möchte darunter die Fähigkeit des Einzelnen verstehen, sich und andere in ihrem Verhältnisse zu einander und zum Staate und zur Kirche gerecht zu beurteilen und darnach zu handeln - nicht jene Momente vermißt werden, ohne die wir unsere eigne Zeit, unsere gegenwärtige Entwickelung und Aussichten für die Zukunft nicht verstehen können. Es genügt nicht mehr, nur zu wissen, wie es früher einmal in der Welt aussah, und zu versuchen, den damaligen Stand zu erhalten; das würde nicht "Leben" sein. Zweitens sind die Naturwissenschaften ein vorzügliches Mittel zur Steigerung des Könnens, zur Entwicklung des Charakters, wenn sie richtig gelehrt werden. Die herrschende Idee, die W. von Humboldt unter Friedrich Wilhelm III. in seiner Organisation des höheren Unterrichts und der Berliner Universität verfolgte war die (PAULSEN, a. a. 0. S. 8): "die höheren Stände, vor allem aber die leitenden Beamtenkreise aller Zweige des öffentlichen Dienstes durch einen eigentlich wissenschaftlichen Unterricht, den die Ge lehrtenschulen zu beginnen, die Universität zu vollenden habe, zu voller Freiheit und Selbständigkeit des Denkens und Handeins zu erheben". Dem gemäß sollte schon der Schüler des Gymnasiums "nicht bloß fertige Kennt nisse passiv und gedächtnismäßig aufnehmen, sondern durch freie Selbst tätigkeit Wissen hervorbringen lernen. Das allein gebe Bildung im wahren Sinne des Wortes, Kultur der geistigen Kräfte" (a. a. 0. S. 9). Hat nicht PESTALozzi dieselbe Anschauung für die Volksschule gepredigt: "Selbst tätigkeit allein schafft Bildung, nicht blos gedächtnismäßiges Lernen". Wie herrlich kann ein gesunder Physik- und Chemieunterricht dieser Unterrichts idee dienen! Viel besser, glaube ich, nach allem, was unsere besten Physiker6) darüber schrieben und was wir selbst in unserer fachlichen Tätigkeit innerlich gewonnen haben, als historischer oder selbst mathe matischer Unterricht, mindestens aber ebenso gut! Und sicher in unserer Zeit, die von uns verlangt, daß wir scharf beobachten, richtig schließen und überlegt, aber kraftvoll handeln, und in der jeder einzelne selb ständig zwischen Wissen und Meinen zu unterscheiden im staude sein soll, damit nicht eitle Spekulation und unerlaubte Extrapolation die Grenze zwischen beiden Gebieten zum Schaden Urteilsloser7) verwischen (vergl. E. Häckels W elträtsel). 6) Henry A. Rowland, Das höchste Ziel des Physikers, Physikalische Zeitschrift 2, S. 667-673, 1901. - B. Helmholtz, Vorträge und Reden Bd. I, S.179ff., 1896. - Th. H. Huxley, Essays on Science and Education, London, Macmillan, 1899. 7) Bastian Schmid, Dringen durch die modernen Naturwissenschaften materia listische Ideen in die Schule? Natur und Schule 3, 1. Heft, 1904.

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