SWP-Studie Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Susanne Dröge Das Pariser Abkommen 2015: Weichenstellung für das Klimaregime S 19 November 2015 Berlin Alle Rechte vorbehalten. Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus- zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet. SWP-Studien unterliegen einem Begutachtungsverfah- ren durch Fachkolleginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review). Sie geben ausschließlich die persönliche Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder. © Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2015 SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Ludwigkirchplatz 3−4 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-100 www.swp-berlin.org [email protected] ISSN 1611-6372 Inhalt 5 Problemstellung und Empfehlungen 7 Einleitung: Neuer Anlauf zu einem Klimaabkommen 8 Worüber wird in Paris verhandelt? 9 Wovon wird der Erfolg der internationalen Klimaverhandlungen 2015 abhängen? 9 Deutschlands Rolle in den Verhandlungen 12 Zwischen den Gipfeln: Klimaschutz unter der Einwirkung von Wirtschafts- und Energietrends 12 Krise bremst Vorreiter 13 Energietrends: Kohleverbrauch, Schiefergas und Energiewende 13 Chinas Energiezukunft bestimmt das Weltklima … 15 … ebenso wie Indiens steigende Energienachfrage 17 Energiewende made in the USA 18 Energiewende made in Germany 20 Vor Paris: Prioritäten der vier größten Verhandlungsmächte 20 Die USA übernehmen die Führung 21 China: unsichere Wirtschaftsentwicklung erschwert internationale Zusagen 22 Indien: Annäherung an das internationale Regime? 22 Die Europäische Union: Gastgeber, Antreiber und Vorbild 24 Gipfelentscheidungen: Grundlagen und Elemente eines neuen Regimes ab 2020 24 Die Klimarahmenkonvention (UNFCCC) 24 Klimaschutz: Vom Kyoto-Protokoll zu den INDCs 25 Bedeutung des Kyoto-Protokolls für die weiteren Verhandlungen 26 Erweiterung des Mandats: Vom Bali-Aktionsplan zur ADP 27 Anpassung an den Klimawandel 28 Verluste und Schäden aus dem Klimawandel 28 Finanzierung der Klimapolitik 29 Stand der Klimafinanzierung unter der UNFCCC 30 Der Green Climate Fund 31 Bestandteile einer Einigung in Paris 2015 33 Ausblick: Paris 2015 und weiter 34 Abkürzungsverzeichnis Dr. Susanne Dröge ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Globale Fragen Problemstellung und Empfehlungen Das Pariser Abkommen 2015: Weichenstellung für das Klimaregime Im Jahr 2015 steuert die internationale Klimapolitik auf ein neues Ziel zu: Bis Dezember 2015 sollen sich die 195 Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention UNFCCC darüber einig werden, wie sie ab 2020 mit den Herausforderungen umgehen wollen, vor die der Klimawandel die Politik stellt. Dazu gehören der Klima- schutz, die Anpassung an den Klimawandel, mögliche Verluste und Schäden, der Technologietransfer und die Finanzierung aller als notwendig angesehenen Maßnahmen. Bei der 21. Vertragsstaatenkonferenz (COP21, Conference of the Parties) in der französischen Hauptstadt (30. November bis 11. Dezember) soll das sogenannte Pariser Abkommen mit Zielvereinbarun- gen und Maßnahmen verabschiedet werden. Sechs Jahre ist verhandelt worden, nachdem 2009 in Kopenhagen der erste Anlauf zu einem neuen Klimaregime jenseits des Kyoto-Protokolls gescheitert war. In Kopenhagen wurden lediglich die Umrisse eines neuen Abkommens festgelegt. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten, die am Vorbild des Kyoto-Protokolls festhalten wollten, waren auf das Kopenhagener Ergebnis nicht vorbereitet. Die großen Staaten USA, China und Indien haben damals ihre Interessen durchgesetzt und einen völkerrechtlich bindenden Vertrag verhindert. Ein neues Regime für die Zeit ab 2020 wird nicht allein an einem wirksamen Klimaschutz zu messen sein, sondern auch daran, ob es ein umfassendes und nachhaltiges »Klimarisikomanagement« ermöglicht. Wie müsste das Regime ausgestaltet sein? Ein wesent- licher Baustein ist, dass sich die wirtschaftlich aufstei- genden Schwellenländer am internationalen Klima- schutz beteiligen. So würde die »firewall« zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern unter der UNFCCC aufgehoben, die bisher dafür gesorgt hat, dass sich die Schwellenländer für den Klimaschutz nicht zuständig fühlten. Ein weiterer Baustein ist die Unterstützung der wirtschaftlich schwachen Vertrags- staaten durch Klimafinanzierung und Kapazitäts- bildung auf der Basis verlässlicher Zusagen der Geber- länder. Gleichzeitig muss das neue Klimaregime fle- xibel bleiben, um einen dauerhaften Ausgleich der Interessen von 195 Parteien zu ermöglichen. Trotz des hohen Anspruchs sind die Chancen groß, dass in Paris ein Abkommen verabschiedet wird. Warum SWP Berlin Das Pariser Abkommen 2015: Weichenstellung für das Klimaregime November 2015 5 Problemstellung und Empfehlungen ist das so? Erstens haben sich die USA seit 2013 ernst- Schließlich stehen Strategien der Entwicklungs- haft bemüht, die eigenen Klimaziele zu erreichen politik für eine langfristige Bewältigung der wachsen- und auf bilateralem Wege China und Indien zu mehr den Herausforderungen rund um den Klimawandel klimapolitischer Zusammenarbeit zu bewegen. In erst am Anfang. Technische Einzelfragen müssen ver- Gesprächen mit China haben sie 2014 die langjährige tieft werden, sowohl um den Anpassungsbedarf von gegenseitige Blockade aufgelöst, die die internationale Ländern zu klären als auch um jene Staaten zu unter- Klimakooperation massiv beeinträchtigt hat. Durch stützen, die erstmals beim Klimaschutz mitwirken Bemühungen Deutschlands und der EU bei den Vor- wollen. bereitungen für Paris haben weitere Industrie- und Für die großen Staaten USA, China, Indien und Schwellenländer, zum Beispiel Brasilien, Kanada und die EU geht es vor allem darum, nach 2020 den Klima- Japan, Unterstützung für den langfristigen Klima- schutz mit ihren energiepolitischen Prioritäten zu schutz versprochen. vereinbaren. Zudem müssen die EU, die USA und wei- Zweitens wurden im Zuge der UNFCCC-Verhand- tere historische Klimasünder den Forderungen nach lungen nach Kopenhagen bereits wichtige Elemente Finanzmitteln nachkommen, um den Pariser Deal für das neue Regime abgestimmt. Dazu gehört das nicht zu gefährden. Für Deutschland und die EU Verfahren der freiwilligen Beiträge auf Basis natio- bieten sich 2016 viele Anknüpfungspunkte für eine naler Klimapolitik anstatt auf Basis international Zusammenarbeit mit den wichtigen Playern. Aufgrund verhandelter Lastenverteilung. Mehr als 150 Vertrags- der Energiewende-Agenda und der europäischen Erfah- staaten haben bis November 2015 dem Sekretariat der rung in der Klimapolitik haben die Schwellenländer UNFCCC ihre sogenannten INDCs (intended nationally durchaus Interesse an dieser Zusammenarbeit. Die determined contributions) gemeldet, die neben Klima- chinesische Regierung will das nationale Emissions- schutzzielen auch geplante Maßnahmen zur Anpas- handelssystem bereits im Jahr 2017 einführen, wofür sung in den Entwicklungsländern umfassen. Die INDCs sie viel Unterstützung benötigen wird. Die indische sind ein Vehikel, um eine breite Beteiligung der Ver- Regierung wird den Ausbau sowohl der Kohleverstro- tragsstaaten an dem neuen Klimaregime zu ermög- mung als auch der erneuerbaren Energien voran- lichen, und sie reichen über den Klimaschutz hinaus. bringen wollen – auch hier kann Deutschland hilf- Drittens wurde mit dem 2010 gegründeten Grünen reiche Impulse geben. Klimafonds (GCF) erstmals eine Institution geschaffen, Obwohl die USA wichtige Durchbrüche für die die für eine als gerecht empfundene Verteilung zu- Klimaverhandlungen erzielt haben, ist keineswegs gesagter Klimafinanzierungsmittel sorgen soll. gewiss, dass sie im Wahljahr 2016 die Klimaagenda Viertens wollen die armen Entwicklungsländer, der UNFCCC weiterhin aktiv mitgestalten werden. Das dass ein umfassendes Klimaregime nach 2020 der gute Zusammenspiel der US-Klimaaußenpolitik 2015 Anpassung an den Klimawandel einen ebenso hohen mit dem deutschen G7-Vorsitz wird beim Pariser Gip- Stellenwert beimisst wie dem Klimaschutz und die fel wahrscheinlich enden. Eine Fortsetzung wäre Anpassung finanziell und technisch ausreichend unter dem G20-Vorsitz denkbar, den 2016 China und unterstützt. Da die Mittel für die Klimafinanzierung im Jahr darauf Deutschland innehat. Dann böten sich seit Kopenhagen zunehmen, die INDCs nationalen durchaus Gelegenheiten, das Klimaregime gemeinsam Anpassungsbedarf konkretisieren und der GCF erste mit den USA auf höchster politischer Ebene weiter Projekte vergibt, ist hier eine positive Entwicklung zu auszugestalten. verzeichnen. Der EU hingegen, die sich den Prioritäten der ande- Offen ist allerdings, ob es in Paris gelingen wird, ren großen Verhandlungsmächte zögernd angenähert für alle Kernpunkte der Klimapolitik nach 2020 klare hat, muss es gelingen, die 2016 anstehenden Gesetz- Absprachen zu treffen. Es zeichnet sich ab, dass das gebungsverfahren mit Blick auf das für 2030 gesetzte Regime 2016 weiter ausgestaltet werden muss. So Klimaziel (40 Prozent weniger Emissionen als 1990) genügen die mit den INDCs angekündigten Klima- zügig abzuschließen. Deutschland sollte hierbei eben- schutzziele nicht, um das bis Ende des Jahrhunderts so als Befürworter von Reformen des EU-Emissions- angestrebte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Und die mit handels und einer Energieeffienz-Gesetzgebung auf- öffentlichen und privaten Geldern bestrittene Klima- treten wie als Vermittler zwischen den west- und den finanzierung nach 2020 kann in den Geberländern osteuropäischen Mitgliedstaaten. nur sukzessive auf den Weg gebracht werden. SWP Berlin Das Pariser Abkommen 2015: Weichenstellung für das Klimaregime November 2015 6 Einleitung: Neuer Anlauf zu einem Klimaabkommen Einleitung: Neuer Anlauf zu einem Klimaabkommen Das internationale Klimaregime der Vereinten Natio- Abbildung 1 nen befindet sich seit der Kopenhagener Konferenz Prozesse und Dimensionen des Klimawandels: 2009 im Umbruch. Bei den Klimaverhandlungen in politische, wirtschaftliche und systemische Einflüsse Paris im Dezember 2015 soll nun gelingen, was 2009 misslang: unter der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) Systemische Trends, global, regional ein neues globales Abkommen zu verabschieden. Nachhaltige/nicht nachhaltige Entwicklung, Grüne Wirtschaft (green economy), inklusives Die Erwartungen an die internationale Klimapolitik Wachstum* 2015 sind trotz der negativen Erfahrungen mit der VN- Konferenz in Kopenhagen 2009 (COP15) hoch. Denn es gilt auf der einen Seite die Erderwärmung zu begren- Treiber des Klimawandels zen und auf der anderen Seite die Risiken des Klima- Produktion, Konsum, Verteilung, Handel, wandels zu minimieren. In den letzten sechs Jahren Investitionen, Demographie wurden bereits Eckpunkte eines neuen Regimes be- schlossen. Dazu gehört, dass an der in Kopenhagen formulierten Freiwilligkeit nationaler Klimaschutz- maßnahmen nach 2020 festgehalten wird; außerdem Emissionsquellen soll die Anpassung an den Klimawandel eine dem Kli- Energieverbrauch, Industrielle Entwicklung, Transport, Gebäude, Landnutzung maschutz gleichwertige Stellung erhalten und die Zu- sammenarbeit zwischen den Entwicklungs- und Indus- trieländern auf ein neues Fundament gestellt werden. Der Klimaprozess ist allerdings umfassender. In Konzentration von THG in der Atmosphäre Anlehnung an Joyeeta Gupta1 lässt er sich in verschie- Verfügbarkeit von Senken, Eingriffe in CO2-Kreis- dene Dimensionen unterteilen, die durch politische läufe (»climate engineering«), Naturphänomene Maßnahmen und gesellschaftliche Veränderungen beeinflusst werden können (vgl. Abbildung 1). Neben politischen Akteuren sind daran auch Vertreter wei- terer gesellschaftlicher Gruppen aus Wirtschaft, Erderwärmung Forschung und Zivilgesellschaft beteiligt. So hat der Zwei Grad als globale Obergrenze, Eingriffe Klimawandel einen engen Bezug zu systemischen Ent- in das Klimasystem (»climate engineering«) wicklungen. Richtungsentscheidungen der nationalen und internationalen Politik, zum Beispiel für eine nachhaltige Entwicklung mit dem Schwerpunkt um- weltschonenden (»grünen«) Wachstums, beeinflussen Direkte Folgen des Klimawandels Anpassungsmaßnahmen, -kapazitäten auch den Klimawandel. Die Wirtschafts- und Verbrau- Versicherung, Umgang mit Verlusten und Schäden cherpolitiken nehmen Einfluss auf Produktions- und Konsummuster, auf Außenhandel und Investitionen, die allesamt als Treiber des Klimawandels gelten. Kon- kretisiert wird Klimaschutzpolitik durch Rahmen- Weitere indirekte Folgen setzungen, indem etwa Standards oder Preissysteme Management von Ressourcenverknappung, für Emissionsquellen festgelegt werden, etwa für Energie- Gesundheitsschäden, Versorgungskrisen, verbrauch oder Landnutzung. Treibhausgase (THG), Migration und andere die sich bereits in der Atmosphäre befinden, lassen * Vgl. <www.oecd.org/inclusive-growth/about.htm>. 1 Joyeeta Gupta, The History of Global Climate Governance, Cam- Quelle: angelehnt an Joyeeta Gupta, The History of Global Climate bridge: Cambridge University Press, 2014. Governance, Cambridge: Cambridge University Press, 2014, S. 24. SWP Berlin Das Pariser Abkommen 2015: Weichenstellung für das Klimaregime November 2015 7 Einleitung: Neuer Anlauf zu einem Klimaabkommen sich durch die Vergrößerung von Senken (natürliche nelle Fundierung bleibt, die eine Zusammenarbeit erst Speicher von Emissionen) oder direkte Eingriffe in verbindlich macht. Denn jedes Land neigt dazu, die den Klimaprozess eindämmen.2 Und eine umfassende Kosten des Klimaschutzes anderen zu überlassen und Klimapolitik bearbeitet auch die direkten und indirek- selbst gar keine oder nur wenige Vorgaben umzuset- ten Folgen des Klimawandels. Dazu gehören Anpassungs- zen (Trittbrettfahrerproblem). Aber auch aus politi- maßnahmen auf internationaler und lokaler Ebene, schen und wirtschaftlichen Gründen ist es für viele der Umgang mit den Schäden oder Verlusten, die Staaten schwierig, globale Vereinbarungen einzuhal- durch den Klimawandel bereits verursacht wurden, ten. In Paris wird es darum gehen, die INDCs so und mit konkreten Versorgungsrisiken, die aus dem verbindlich wie möglich in ein neues Abkommen zu Klimawandel entstehen. integrieren und die Zusagen regelmäßig zu erhöhen. Während »climate engineering« kein Verhandlungs- thema ist, wird vor allem über den Waldschutz (Re- Worüber wird in Paris verhandelt? ducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation – REDD) angestrebt, die CO -Senken zu 2 Die laufenden Verhandlungen im Rahmen der UNFCCC vergrößern. Über die Folgen des Klimawandels soll befassen sich mit drei der aufgeführten Dimensionen es zum ersten Mal ein Abkommen geben, in dem die (in Abb. 1 grau schattiert): Emissionsquellen, Konzen- Anpassung an den Klimawandel den gleichen Stel- tration von THG und direkte Folgen des Klimawandels. lenwert hat wie der Klimaschutz. Das bisherige Regime3 unter dem Kyoto-Protokoll Als Bedingung für das Klimaregime gilt seit Grün- (1997) fokussiert sich vor allem auf die Emissions- dung der UNFCCC 1992 das Prinzip der gemeinsamen, quellen und Senken (Minderung von Treibhausgasen, aber unterschiedlichen Verantwortung und Kapazi- Waldschutz). Der Leitgedanke ist, dass ein global ver- täten (CBDR&RC). Die in Paris ausgehandelten Lösun- ankertes Regime im Zuge von Verhandlungen und in gen müssen insofern als gerecht angesehen werden. verbindlichen Verträgen festlegt, wie der Anstieg der Als Referenzgrößen gelten der historische Beitrag Erderwärmung auf zwei Grad Celsius (2C°) begrenzt eines Landes zum Klimawandel und seine wirtschaft- werden kann und welchen Beitrag die Vertragsstaaten liche Leistungsfähigkeit mit Blick auf künftige Bemü- der UNFCCC dazu jeweils leisten sollen.4 Ein solcher hungen um den Klimaschutz und die Anpassung an Ansatz ist im Hinblick auf die Problemlage optimal – den Klimawandel. Klimafinanzierung (zum Begriff die Erdatmosphäre ist ein globales öffentliches Gut, vgl. unten, S. 29) und Technologietransfer können als das durch globales Handeln geschützt werden sollte. Mittel zum Ausgleich der Interessen und als Anreiz zu Jedoch ist eine Kooperation zwischen Staaten und umfassender Kooperation dienen; damit tragen sie Akteuren nicht effektiv, wenn sie ohne institutio- auch dazu bei, das CBDR&RC-Prinzip zu erfüllen (vgl. das Kapitel »Gipfelentscheidungen«, S. 24ff). 2 Auch die Chancen und Risiken des »climate engineering« – der Die Verhandlungen unter der Klimarahmen- technologischen Eingriffe in Teile des Erdsystems – werden im Um- konvention sind stark in die Kritik geraten, weil eine feld der Verhandlungen diskutiert. Vgl. Umweltbundesamt (Hg.), umfassende Lösung für die sich verschärfende Proble- Geo-Engineering – wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn? Methoden, matik des Klimawandels nicht in Sicht zu sein scheint. Rechtliche Rahmenbedingungen, Umweltpolitische Forderungen, Dessau Allerdings sind – nicht zuletzt angestoßen durch die 2009, S. 2, <https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/ UNFCCC und das Kyoto-Protokoll – auf nationaler, medien/publikation/long/4125.pdf> (abgerufen am 28.10.2015). 3 Das Klimaregime wird hier als internationales Regime ver- regionaler und lokaler Ebene viele klimapolitische standen, das normen- und regelgeleitete Formen der Koopera- Initiativen und Maßnahmen entstanden, die durch tion zwischen Staaten (und weiteren nichtstaatlichen Akteuren, staatliche und nichtstaatliche Akteure vorangetrieben die in das Regime einbezogen werden) festlegt; das Regime stellt werden, in Form zum Beispiel von zivilgesellschaft- sich dabei als Zusammenhang von expliziten oder impliziten lichen und unternehmerischen Initiativen oder von Prinzipen, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren dar, an denen sich die Erwartungen von Akteuren der Klimapolitik aus- Zusammenschlüssen von Städten. Bislang ist nicht richten. Vgl. Stephen Krasner, »Structural Conflict. The Third systematisch versucht worden, eine Verbindung dieser World against Global Liberalism«, in: ders. (Hg.), International vielfältigen subnationalen oder transnationalen Akti- Regimes, Ithaca/London 1983, S. 1–22. vitäten mit dem globalen Regime herzustellen.5 4 Vgl. Oliver Geden, Die Modifikation des 2-Grad-Ziels. Klimapolitische Zielmarken im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Beratung, politi- schen Präferenzen und ansteigenden Emissionen, Berlin: Stiftung Wis- 5 Vgl. Michele Betsill/Navroz K. Dubash/Matthew Paterson/Harro senschaft und Politik, Juni 2012 (SWP-Studie 12/2012). van Asselt/Antto Vihma/Harald Winkler, »Building Productive Links SWP Berlin Das Pariser Abkommen 2015: Weichenstellung für das Klimaregime November 2015 8 Wovon wird der Erfolg der internationalen Klimaverhandlungen 2015 abhängen? Wovon wird der Erfolg der internationalen des Jahrhunderts.7 Die Schätzungen des UNFCCC- Klimaverhandlungen 2015 abhängen? Sekretariats liegen bei 3,3 Grad Celsius. Zweitens muss eine Einigung über die Klimafinanzie- Die Klimaverhandlungen im Jahr 2015 verfolgen das rung erreicht werden. Dass den Entwicklungsländern Ziel, ab 2020 einen verbindlichen globalen Rahmen bis 2020 100 Milliarden US-Dollar jährlich bereit- für eine umfassende Klimapolitik zu setzen. Dazu gestellt werden sollen, wurde bereits 2010 in Cancún muss ein Konsens zwischen allen 195 Vertragsstaaten beschlossen; die bisherigen Zusagen summierten sich erreicht werden. Unabhängig vom Grad der Verbind- 2014 auf rund 61 Milliarden US-Dollar (vgl. das Unter- lichkeit oder von der Substanz wäre ein Konsens kapitel »Finanzierung der Klimapolitik«, S. 28f). Aller- bereits ein diplomatischer Durchbruch. Denn die dings ist offen, wie dies nach 2020 gewährleistet wer- Interessen der Vertragsparteien liegen in Detailfragen den soll und ob mehr Mittel fließen werden. Ebenso sehr weit auseinander. unklar ist, wie ein Umlenken der Investitionen global Mit dem neuen Abkommen wird der Anspruch bewerkstelligt werden kann. Viele INDCs der Entwick- verbunden, dass es erstens Wege aufzeigt, die natio- lungsländer sind zudem an die Zusagen von Unter- nalen klimapolitischen Aktivitäten zu koordinieren stützung für die Zeit nach 2020 gebunden. und auf das langfristige Ziel der Begrenzung der Treib- Neben den parallel auf nationaler und internatio- hausgasemissionen auszurichten, so dass das Zwei- naler Ebene laufenden Vorhaben, zum Beispiel die Grad-Ziel erreichbar ist. Dazu müssen Informationen Energiewende Deutschlands, hat auch die Agenda 2030 bereitgestellt, Ziele überprüft und im Laufe der Zeit (die VN-Nachhaltigkeitsziele, SDGs) Signalwirkung für neu verhandelt werden. Zweitens muss das Abkom- Paris. Mit der Verabschiedung der 17 SDGs am 25. Sep- men die Risiken zuordnen bzw. verteilen, die sowohl tember 2015 wurde ähnlich wie im UNFCCC-Prozess mit der Klimapolitik als auch mit dem fortschreitenden eine neue Basis für die Zusammenarbeit von Industrie-, Klimawandel einhergehen. Dazu müssen Vereinbarun- Schwellen- und Entwicklungsländern bei der Bewäl- gen über Anpassungsmaßnahmen, die Regulierung tigung globaler Herausforderungen geschaffen. Denn von Verlusten und Schäden sowie Unterstützungsleis- dabei haben alle Staaten zugesagt, sich mit eigenen tungen (Finanzen und Technologie) getroffen werden. Beiträgen unter anderem an der Armutsbekämpfung, Um einen Konsens zu erzielen, sind substantielle am Umwelt- und Ressourcenschutz und an der Aus- Punkte ausreichend zu klären oder es muss andern- gestaltung nachhaltiger Entwicklungspfade zu betei- falls für die Klärung in weiteren Verhandlungen ein ligen. Fahrplan aufgestellt werden. Zu diesen Punkten gehört einerseits, wie mit den eingereichten INDCs umzu- gehen ist, also ob sie Teil des Abkommens werden und Deutschlands Rolle in den Verhandlungen wie sie künftig überprüft und erneuert werden sollen. Die Auswertung des UNFCCC-Sekretariats vom Novem- Deutschland hat nur begrenzten Einfluss auf die glo- ber 20156 zeigt, dass der Zuwachs der Emissionen bis balen Treibhausgasemissionen, weil sein Anteil an die- 2030 aufgrund der bisher eingereichten INDCs zurück- sen Emissionen mit 2,4 Prozent (vgl. Tabelle 1, S. 11, gehen, dass es aber keineswegs zu der erforderlichen Wert für 2012) gering ist. Allerdings ist die deutsche Trendumkehr bei den globalen Emissionen kommen Volkswirtschaft in verschiedener Hinsicht über die wird (Abbildung 2, S. 10), die für das Zwei-Grad-Ziel nationalen Grenzen hinaus bedeutsam für die Ent- entscheidend ist. Laut Analysen des Climate Action wicklung der globalen Emissionen. Sogenannte Spill- Tracker bewirken die vorliegenden INDCs eine Begren- over-Effekte, die für mehr Klimaschutz in anderen zung auf durchschnittlich 2,7 Grad Celsius bis Ende Ländern sorgen, gehen aus vom deutschen Export effizienter Technologien und innovativer Prozesse, politischer Instrumente und sektoraler Regulierungs- ansätze (wie die Energiewende). between the UNFCCC and the Broader Global Climate Governance Landscape«, in: Global Environmental Politics, 15 (Mai 2015) 2, S. 1–10. 6 Vgl. United Nations Framework Convention (UNFCCC), Synthesis Report on the Aggregate Effect of Intended Nationally Determined Contribu- tions (INDCs), 30.10.2015, S. 10ff, <http://unfccc.int/resource/docs/ 7 Vgl. Climate Action Tracker, Tracking INDCs, Stand: 23.10.2015, 2015/cop21/eng/07.pdf> (abgerufen am 6.11.2015). Ausgewertet <http://climateactiontracker.org/indcs.html> (abgerufen am wurden INDCs, die bis 1.10.2015 eingereicht worden sind. 27.10.2015). SWP Berlin Das Pariser Abkommen 2015: Weichenstellung für das Klimaregime November 2015 9 Einleitung: Neuer Anlauf zu einem Klimaabkommen Abbildung 2 Verlangsamung des Emissionswachstums aufgrund der bis 1. Oktober 2015 eingereichten INDCs (147 Vertragsstaaten) Wachstumsrate 1990–2010 fortgeschriebenes Wachstum 2010–2030 geschätztes Wachstum der Emissionen mit INDCs 2010–2030 (Median und Schwankungsbereich/-breite) Quelle: UNFCC, Synthesis Report on the Aggregate Effect of Intended Nationally Determined Contributions (INDCs), Oktober 2015, S. 2, <http://unfccc.int/files/focus/indc_portal/application/pdf/synthesis_report_-_brief_overview.pdf> (abgerufen am 10.11.2015). Andererseits verursacht Deutschlands stark verflochte- bilateralen Gesprächen, die die US-Regierung seit 2014 ne Volkswirtschaft auch Emissionen im Ausland, weil mit China und Indien führt, wurden wichtige Anreize Haushalte und Unternehmen importierte Güter und für die klimapolitische Zusammenarbeit dieser Schwel- Dienstleistungen konsumieren. Diese gehen aber nicht lenländer gegeben. Nach 2015 muss die Kooperation in Deutschlands Emissionsdaten ein. Das deutsche mit den großen Verhandlungsmächten aber fortgesetzt Klimaziel, die CO -Emissionen (gegenüber dem Wert und vertieft werden, um das neue Klimaregime zu 2 von 1990) bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, stärken. bezieht sich nur auf die Zurechnung der Emissionen, die innerhalb der deutschen Staatsgrenzen anfallen. In dieser Studie werden die klimapolitischen Inter- Weder die international noch die EU-weit erzeugten essen der EU, der USA, Chinas, Indiens und deren Hin- Emissionseffekte werden einbezogen. Das deutsche tergründe ebenso erläutert wie die Positionen, die Ziel ist zudem untrennbar mit der Umsetzung der diese Staaten um den Pariser Gipfel beziehen. Zu un- europäischen Klimapolitik verbunden, denn die deut- terscheiden sind dabei externe wirtschaftliche und sche Klimabilanz wird zu über 40 Prozent von den energiepolitische Trends, es geht aber auch um die Festlegungen des europäischen Emissionshandels Entwicklung der UNFCCC-Verhandlungen. Daraus bestimmt – eine Senkung der Emissionen der Industrie lassen sich Anknüpfungspunkte für die künftige und der Stromerzeugung in Deutschland hat keinen klimapolitische Kooperation ableiten. Effekt auf die EU-weite Bilanz. Will Deutschland beim In einem weiteren Schritt werden die Grundlagen Klimaschutz vorankommen, geht dies nicht ohne eine und Elemente der UNFCCC und der laufenden Ver- entsprechende Stärkung der EU-weiten Klimaagenda. handlungen dargelegt. Um das Klimaregime nach Um die Pariser Verhandlungen vorzubereiten, hat 2020 mit einem effektiven Klimaschutz auszustatten die Bundesregierung 2015 den Vorsitz der G7 erfolg- und eine glaubwürdige Umverteilung der Lasten zu reich nutzen können. Im Juni ist es beim G7-Gipfel in erreichen, müssen in Paris wichtige Rahmensetzun- Elmau gelungen, auch die zögerlichen Partner Kanada gen erfolgen bzw. noch zu regelnde Details im und Japan auf ein langfristiges Ziel der Dekarbonisie- Anschluss an die Konferenz zügig weiterverhandelt rung bis Mitte des Jahrhunderts einzuschwören, das werden. vor allem den Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Die Studie schließt mit einem Ausblick auf die Zeit Energieträger beinhaltet.8 In Kombination mit den nach dem Gipfel und auf die Rolle Deutschlands und der EU im gesamten Prozess. 8 Vgl. G7 Germany, Think Ahead. Act Together. An morgen denken. Gemeinsam handeln, Abschlusserklärung G7-Gipfel, 7.–8.6.2015, _Anlagen/G8_G20/2015-06-08-g7-abschluss-deu.pdf?__blob= Schloss Elmau, S. 17f, <www.bundesregierung.de/Content/DE/ publicationFile&v=4> (abgerufen am 28.10.2015). SWP Berlin Das Pariser Abkommen 2015: Weichenstellung für das Klimaregime November 2015 10