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Das Haus der Angst PDF

109 Pages·2010·0.4 MB·German
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Manuela Jensen Das Haus der Angst Irrlicht Band 034 (Deutscher Hefterstdruck) Anemone duckte sich ganz tief in ihrem Versteck und hielt sich die Ohren zu. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie hörte nicht, was die beiden Verschwörer noch besprachen – wie sollte sie es ertragen, ihnen wieder zu begegnen? Sie wußte nur eines: daß sie über dieses furchtbare Erlebnis niemals sprechen würde! Silvia Reidler kam von ihrem morgendlichen Spaziergang mit der Setterhündin Dusty zurück. An der schmiedeeisernen Gartenpforte ließ sie die Hündin von der Leine. »Hopp, Dusty, lauf. Gleich gibt es Frühstück.« Dusty spurtete auf das Haus zu. Sie liebte dieses Spiel. Auf halbem Weg pflegte sie kehrtzumachen, umkreiste Silvia einmal und lief erneut auf das Haus zu. Das wiederholte sich ein halbes dutzendmal, bis sie endlich gemeinsam am Haus waren. Heute jedoch war es anders. Dusty blieb ungefähr fünf Meter vom Haus entfernt stehen, duckte sich und klemmte die Rute zwischen die Hinterläufe. In dieser Haltung verharrte sie, bis Silvia herangekommen war, dann begann sie jämmerlich zu winseln. »Was hast du? Ist irgendwo eine Katze? Darüber sind wir doch erhaben«, sprach Silvia beruhigend auf die Hündin ein und wollte sie streicheln. Im selben Moment erhielt sie einen Schlag gegen die Schulter. Erschrocken wandte sie sich um. Niemand war zu sehen. Kein Baum war in der Nähe, dessen Zweig sie gestreift haben könnte. Sie wollte ins Haus gehen, aber ihre Beine waren plötzlich schwer wie Blei. Nur mit Mühe gelang es ihr, bis an die Haustür zu gelangen und sie aufzuschließen. Dusty rührte sich nicht von der Stelle. Erst nach langem Zureden schlich sie ins Haus, immer noch mit gesenkter Rute und gesträubten Nackenhaaren. Sie sah aus, als müsse sie die Mühsal der ganzen Welt tragen. Silvia ging in die Küche. Das Frühstück hatte sie bereits vorbereitet, der Kaffee war in der Thermoskanne, die Leckerbissen für Dusty standen bereit. Nur das Brot mußte noch getoastet werden. Als Silvia den Toaster betätigte, schaltete sich gleichzeitig der Kühlschrank ein. Sein leicht surrendes Geräusch begleitete sie, während sie das Frühstückstablett auf die Terrasse trug. Es war ein herrlich warmer Sommertag, dazu noch Sonntag, so richtig geschaffen für ein genießerisches Frühstück im Freien, wenn da nicht diese innere Unruhe gewesen wäre, die sie unentwegt auf irgend etwas Ungewöhnliches lauschen ließ. Der Toast war inzwischen fertig, der Kühlschrank surrte immer noch. Silvia machte es sich auf der Terrasse bequem und zwang sich, den Kühlschrank zu ignorieren. Irgendwann mußte er sich schließlich wieder ausschalten. Dusty knabberte lustlos an ihrem Hundekuchen. Jetzt hob sie witternd die Schnauze, stupste aber gleich darauf ihren Hundekuchen gelangweilt von sich. Es gab also nichts Bemerkenswertes. Die Gartenpforte war betätigt worden, Schritte näherten sich auf dem Kiesweg. Jemand ging auf den ins Souterrain führenden Hintereingang des Hauses zu. Das konnte nur Anemone Herbst sein, die Mieterin der kleinen Souterrainwohnung. »Guten Morgen, Fräulein Herbst«, rief Silvia spontan. Hier auf der Terrasse konnte sie von Anemone zwar nicht gesehen werden, aber zu hören war sie allemal. »Guten Morgen, Frau Reidler«, rief Anemone zurück und ging zögernd weiter. »Lassen Sie mich nicht so schreien. Kommen Sie her und trinken Sie eine Tasse Kaffee mit. Ich frühstücke gerade.« »Gern.« Anemone ging um das Haus herum auf die Terrasse. Ein wenig verlegen blieb sie neben einem der Gartenstühle stehen. Dusty schlug nur lässig zweimal mit der Rute auf den Boden. Mehr Aufwand lohne sich nicht, ihre Streicheleinheiten würde sie ohnehin bekommen. Genauso war es dann auch. Anemone streichelte die Hündin, und Silvia sah wohlgefällig zu. Sie mochte ihre junge Mieterin, wie sie überhaupt jeden mochte, der von Dusty akzeptiert wurde. Dusty war zwar noch kein Jahr alt, also fast noch im Babyalter, aber sie war bereits überaus wählerisch mit ihren Sympathiebezeugungen. Flüchtig mußte Silvia an ihre Nichte Annette und ihren Neffen Udo denken, mit denen Dusty nicht das geringste im Sinn hatte. »Nun reicht’s«, meinte sie schließlich. »Setzen Sie sich. Möchten Sie auch etwas essen?« »Nein danke, ich habe schon gefrühstückt.« Gehorsam nahm Anemone Platz. Silvia ging in die Küche, von dem surrenden Geräusch begleitet, auf das sie ein paar Minuten nicht mehr geachtet hatte. Ärgerlich steuerte sie auf den Kühlschrank zu, um festzustellen, warum er sich nicht ausschalten wollte. Doch der Kühlschrank lief gar nicht. Zwar war er betriebsbereit, wie die Kontrollampe anzeigte, doch für das Surren war er eindeutig nicht verantwortlich. Irritiert nahm Silvia eine Tasse vom Geschirrbord und kehrte auf die Terrasse zurück. Anemone saß schüchtern lächelnd auf ihrem Gartenstuhl, Dusty knabberte etwas eifriger an ihrem Kuchen. Wahrscheinlich befürchtete sie, daß die Besucherin sich dafür interessieren könnte. Irgendwelche Unruhe war ihr nicht anzumerken. »Haben Sie Wäsche in der Waschmaschine?« fragte Silvia, während sie den Kaffee einschenkte. »Natürlich nicht«, sagte Anemone zutiefst erschrocken. »Ohne Ihre Erlaubnis würde ich die Maschine nie benutzen, schon gar nicht, wenn ich das Haus verlasse.« »Entschuldigen Sie, es war nur eine Frage. Haben Sie sich irgendein neues elektrisches Gerät zugelegt?« »Nein, bestimmt nicht.« »Irgend etwas surrt hier, es macht mich ganz nervös. Können Sie es hören?« Doch kaum hatte Silvia die Frage gestellt, da war das störende Geräusch wie abgeschnitten. »Merkwürdig, jetzt ist es vorbei. Nun gut, vergessen wir es.« Silvia deutete auf die Badetasche, die Anemone am Rande der Terrasse abgestellt hatte. »Sie waren zum Schwimmen?« »Ja, eine Kollegin hatte mich mitgenommen. Das ist natürlich bequemer als mit dem Rad. Immerhin sind es sechs Kilometer bis zum Hallenbad. Allerdings ist Radfahren gesünder.« »Was ist nicht alles gesund«, lachte Silvia. »Heutzutage wird uns auf Schritt und Tritt vorgebetet, was wir alles für unsere Gesundheit tun könnten und sollten. Manchmal finde ich es übertrieben.« »Da ich den ganzen Tag sitze, sollte ich schon ein wenig auf Bewegung achten«, wagte Anemone ihre Bemerkung zu begründen. »Ich kann mir schon vorstellen, daß Ihre Tätigkeit als Kassiererin hier im Supermarkt anstrengend ist«, sagte Silvia begütigend. »Früher war ich auch oft genug im Streß, heute verläuft mein Leben in ruhigeren Bahnen.« »Sie haben das Haus, das große Grundstück, Dusty. Das macht doch viel Arbeit.« »Ach, wissen Sie, das ist mehr eine Frage der Organisation. Das Grundstück hält Paul in Ordnung. Er ist Rentner, sehr rüstig, und es macht ihm Spaß. Und im Haus lasse ich manches Mal fünf gerade sein. Was soll’s? Ein gutes Buch zu lesen ist mir wichtiger als Staub wischen.« Anemone warf einen Blick auf Dusty, sagte aber nichts. »Jetzt haben Sie sich die Frage verkniffen, warum ich täglich zweimal mit Dusty spazierengehe, obwohl das Grundstück doch wahrhaftig groß genug als Auslauf für sie wäre. Stimmt es?« fragte Silvia erheitert. »Aber nein«, leugnete Anemone blutübergossen. »Sie können es ruhig zugeben. Ich werde es Ihnen erklären. Natürlich kosten diese Spaziergänge viel Zeit, aber sie sind für einen Hund wichtig. Für Dusty ist das so wie für uns die tägliche Nachrichteninformation. Und für mich ist es eine nette Abwechslung. Dusty ist oft genug der Anlaß, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.« »Sie haben früher in der Stadt gewohnt. Finden Sie das Leben auf dem Lande sehr einsam?« »Einsam ist nicht das richtige Wort. In der Stadt kann man auch einsam sein, obwohl das für mich nicht zutraf. Im Gegenteil, manchmal war es geradezu hektisch. Sagen wir, das Leben hier ist beschaulicher.« »Ich habe noch nie in der Großstadt gelebt.« »Sie haben nichts versäumt, Fräulein Herbst. Sehnen Sie sich danach?« »Nein, ich glaube nicht.« »Warum sind Sie eigentlich so schüchtern, Anemone? – Ich darf Sie doch Anemone nennen? – Wenn ich Sie so an der Kasse beobachte, habe ich richtig Respekt vor Ihnen. Aber privat wagen Sie kaum den Mund aufzumachen. Oder liegt es an mir?« »Nein, nein, Frau Reidler«, wehrte Anemone erschrocken ab. »Ich bin richtig stolz, wenn Sie mich mit meinem Vornamen anreden, und ich bin so dankbar, daß ich wohnen bleiben durfte, als Sie das Haus übernahmen.« »Warum hätte ich es nicht tun sollen? Das alte Ehepaar, von dem ich das Haus kaufte, hat Sie mir als ruhige Mieterin geschildert. Da ich nicht die Absicht hätte, die Souterrainwohnung selbst zu nutzen, hatte ich keinen Grund, Ihnen zu kündigen.« »Ihre Nichte – ich dachte – es hätte doch sein können…« »Stottern Sie langsam«, sagte Silvia unwillig. »Hat meine Nichte Annette Ihnen gegenüber irgendeine Bemerkung in dieser Richtung gemacht?« »Wau, wauwau«, antwortete Dusty, weil Anemone beharrlich schwieg. »Verstanden, Dusty«, sagte Silvia sarkastisch und wieder zu Anemone gewandt: »Ein für allemal, Anemone, das ist kein Thema für mich. Ich könnte mir keine angenehmere Mieterin als Sie wünschen. Sie dürfen die Waschmaschine im Keller benützen, ohne mich jedesmal vorher zu fragen, und Sie können die Wäsche im Garten aufhängen. Sonnen Sie sich auf dem Rasen, so oft Sie wollen, und fühlen Sie sich einfach wohl. Wie ist es – noch eine Tasse Kaffee?« »Ja, gern. Ich danke Ihnen, Frau Reidler – für alles.« Anemone strahlte, und Silvia dachte, daß sie richtig entschieden hatte, als sie diese Mieterin von den Vorbesitzern des Hauses mit übernommen hatte. Anemone Herbst war ein ganz bezauberndes junges Mädchen. Silvia begann mit den Vorbereitungen für das Mittagessen. Immer wieder ertappte sie sich dabei, daß sie den Kühlschrank kritisch beobachtete, doch er verhielt sich völlig normal. Hin und wieder sprang er an, schaltete sich nach kurzer Zeit wieder aus, und genaugenommen war sein surrendes Geräusch auch viel gedämpfter als das, das sie vorher so sehr gestört hatte. Aber was war mit dem Schlag gegen die Schulter, wieso waren ihre Beine plötzlich so schwer wie Blei gewesen? Hatte sie sich das alles nur eingebildet? Dagegen sprach, daß auch Dusty auffällig auf irgend etwas reagiert hatte, das nicht näher bestimmbar war. Und Dusty war ganz sicher nicht hysterisch. »Lassen wir uns die gute Laune nicht verderben, Dusty«, sagte sie. Wie schon so oft belächelte sie sich selbst. Sie hatte sich angewöhnt, mit der Hündin ganze Gespräche zu führen, und sah darin nicht einmal eine Verrücktheit. Dusty war eine gute Zuhörerin und widersprach niemals. »Heute nachmittag werden wir etwas besonders Schönes unternehmen.« Doch Dusty erfuhr nicht, was dieses besonders Schöne sein würde, denn ein Auto war auf das Grundstück gefahren. Gleich darauf wurde die Klingel an der Haustür betätigt. »Vorbei mit der guten Laune, Dusty«, murrte Silvia. »Ich werde in Zukunft die Gartenpforte auch tagsüber abschließen, dann müssen sie draußen klingeln und können nicht einfach hier vorfahren. Jetzt ist es zu spät. Wir können nicht mehr so tun, als ob wir nicht zu Hause wären.« Sie öffnete die Haustür, und, wie erwartet, waren die unangemeldeten Besucher ihr Neffe Udo und ihre Nichte Annette Kampen. »Guten Tag, liebe Tante Silvia.« Überschwenglich umarmte Annette die Tante, während Udo sich mit einem Händedruck und einem gebrummelten »Hallo« begnügte. »Da sind wir mal wieder.« »Es ist nicht zu übersehen«, entgegnete Silvia mäßig freundlich. »Was führt euch in die von euch so verpönte Einsamkeit der Heide?« »Du tust, als wären wir nicht naturverbunden«, schmollte Annette. »Wir hatten damals nur Bedenken, ob du die Großstadt nicht doch vermissen würdest, als du dir plötzlich dieses Haus auf dem Lande kauftest.« »Plötzlich dürfte etwas übertrieben sein«, berichtigte Silvia kühl. »Ich habe lange gesucht, bis ich das Passende fand. Aber lassen wir das. Immerhin lebe ich hier inzwischen ein halbes Jahr, und es ist mir ausgezeichnet bekommen. – Nun bleibt nicht zwischen Tür und Angel stehen, kommt endlich herein. Am besten setzen wir uns auf die Terrasse. Das Wetter ist viel zu schön, um im Zimmer zu hocken.«

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