Das Gesicht als „Spiegel der Seele“? – Problematiken der Bildnisinterpretation am Beispiel der Wissenschaftsgeschichte des Caesar- und Trajansporträts* Lisa Jureczko, Düsseldorf Gaius Iulius Caesar und Marcus Ulpius Traianus gelten – neben Kai- ser Augustus – bis in die heutige Zeit als die zwei wichtigsten männ- lichen Persönlichkeiten der römischen Antike. Beschäftigt man sich mit den Lebensereignissen beider Personen, so wird schnell deutlich, dass der Fokus der Wissenschaft nicht nur auf politischen Entschei- dungen, gewonnenen Kriegen oder Eroberungsfeldzügen liegt, son- dern insbesondere auch Charaktereigenschaften und physiognomi- sche Charakteristika thematisiert und mit persönlichen sowie politi- schen Entscheidungen der Staatsmänner in Zusammenhang ge- bracht werden. Dies zeigt sich vor allem in der Porträtforschung. Relevant ist im Falle der antiken Bildnisse politisch aktiver Personen sowie auch von Privatbildnissen, dass diese zwar eine positive Wirkung auf den Be- trachter haben sollten, jedoch keine Charaktereigenschaften, Tugen- den oder gar Schwächen und Makel der dargestellten Person wider- spiegeln. * Der Schwerpunkt der vorliegenden Ausführungen liegt auf der Beschäftigung mit den Porträts Gaius Iulius Caesars sowie der Rezeption des Caesarbildes, während die Rezeption des Trajansbildes vor allem zum Vergleich der beiden Entwicklungsstränge dienen soll. www.visualpast.de 408 Visual Past 2015 Physiognomie und Charakter Caesars und Trajans in der antiken Literatur Einzig zeitgenössische literarische Quellen können als authentische Beschreibungen des jeweiligen Charakters dienen, doch auch diese müssen als Propagandamittel angesehen werden. Was die Persönlichkeit und das Äußere Caesars betrifft, erschlie- ßen sich diese Aspekte anhand einer Vielzahl an literarischen Quel- len: zum einen aus Caesars eigenen Werken, zum anderen aus Tex- ten, die Caesars Anhänger und Gegner verfassten. Caesar betätigte sich schon früh literarisch,1 später schrieb er über seine militärischen Siege und Eroberungsfeldzüge in den Provinzen.2 Interessant ist sowohl im Falle Caesars als auch Trajans, dass die antiken Quellen ein ambivalentes Bild der jeweiligen Persönlichkeit zeichnen, und sich das positive „Image“ der Kaiser erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelte. Eine besonders wichtige caesarische Quelle sind die Briefe Ciceros, die einen Einblick in die amicitia ge- ben, die sich seit circa 55–54 v. Chr. zwischen Caesar und Cicero entwickelte.3 Doch besonders diese Briefe zeigen, dass das Caesar- bild bei Cicero sehr stark schwankt und „von politischen Rücksich- ten bestimmt“4 ist. So kritisiert er in seinem späten Werk Caesars grausame Kriegsführung, seine Politik sowie die ihm zugeschriebene insidiosa clementia5. In anderen Werken aus den Jahren um 46–45 v. 1 Canfora 2008, 33. 2 Caes. civ.; Caes. Gall. – Die von Caesar genannte Begründung seiner Taten war vor allem der Wunsch nach einer Wiederherstellung der libertas des römischen Volkes. Dies resul- tierte in der Verleihung des Titels liberator sowie einem Tempel der libertas (siehe Caes. civ. 1, 22, 5 sowie Cass. Dio 43, 44, 1 und Raaflaub 2003, 36. 52. 56; Raaflaub 2007, 229. 231). Die Nutzung des Begriffes geht jedoch im Laufe der Zeit zurück und wird durch die Betonung der Milde in den Hintergrund gerückt (Raaflaub 2003, 56 f. 61. 66 f.). Caesar selbst beschreibt sich zudem als vindex libertatis populi Romani (Caes. civ. 1, 22, 5; Raaflaub 2007, 239). 3 Lederbogen 1969, 4. 4 Lederbogen 1969, 6. – Collins (1955, 449 f.) spricht in Bezug auf Cicero von einer Phase der Hoffnung, gefolgt von Phasen der Desillusion sowie der Ablehnung Caesars. 5 Strasburger 1968, 21–24. 33. 40. 45; Griffin 2007, 226; Cic. Att. 8, 16, 2; Cic. Lig. 7; Cic. off. 1, 26; Cic. prov. 32. Jureczko, Das Gesicht als „Spiegel der Seele“? 409 Chr. wiederum betont er Caesars gute Eigenschaften humanitas6, libe- ralitas7 und seine Milde8, übersteigert dies sogar, indem er Caesar als clementissimus dux9 bezeichnet.10 Eine ausführliche Beschreibung der Persönlichkeit sowie Kritik der Politik Caesars ist in den Philippini- schen Reden zu finden.11 Ebenfalls in den 50er Jahren v. Chr. verfasst Sallust sein Werk De coniuratione Catilinae, in dem er Caesar und Cato einander gegenüber stellt, negative und positive Eigenschaften auf- listet und Caesars ingenium, misericordia und mansuetudo betont.12 Über das Äußere Caesars gibt es kaum ausführliche literarische Quellen. Durch Cassius Dio ist bekannt, dass Marcus Antonius Caesar als schönsten aller Männer beschrieben habe.13 Ähnlich sind die zeitgenössischen Quellen, die über Trajans Tu- genden und Laster berichten. Interessant ist hier vor allen Plinius’ Panegyricus, der Trajans militärische und politische Taten sowie seine Charaktereigenschaften thematisiert und diese von den Untaten des Pessimus princeps Domitian abhebt.14 So wie auch aufgrund seines Bei- namens ein automatischer Vergleich Trajans mit Jupiter stattfindet, 6 Cic. fam. 13, 15, 3. 7 Cic. fam. 7, 17, 2. 8 Cic. fam. 6, 6, 8 f.; 6, 13, 2; 6, 14, 2. 9 Cic. Deiot. 12, 33 f. 10 Dahlmann 1967, 38–42. 11 „Fuit in illo ingenium, ratio, memoria, litterae, cura, cogitatio, diligentia; res bello gesserat, quamvis rei publicae calamitosas, at tamen magnas; multos annos regnare meditatus, magno labore, magnis periculis, quod cogitarat effecerat; muneribus, monumentis, con- giariis, epulis multitudinem imperitam delenierat; suos praemiis, adversarios clementiae specie devinxerat; quid multa? Attulerat iam liberae civitati partim metu, partim patientia consuetudinem serviendi.“ (Cic. Phil. 2, 116). Cicero nutzt Caesar hier als „positives Kontrastbild zu Antonius“ (Lederbogen 1969, 89). 12 Sall. Cat.; Christ 1996, 67. 69–71. 84–86; Griffin 2007, 226. Laut Collins (1955, 448) hat Sallust Caesar zuletzt als „the God that failed“ angesehen. 13 Cass. Dio 44, 38, 2. 14 Strobel 1999, 18. Strobel betont, dass diese Rede keine einheitliche Meinung des Senats widerspiegelt und Plinius nur den ideologischen und propagandistischen Regeln Trajans folge. Zwar kann man davon ausgehen, dass nicht alle Senatsmitglieder einer Meinung waren, dennoch muss die Verleihung des Ehrentitels Optimus princeps einige Jahre später im Einvernehmen mit einer Mehrheit der Senatsmitglieder stattgefunden haben. Mit der Frage, ob Plinius die Rede freiwillig verfasst habe, beschäftigt sich Ronning, der feststellt, dass die Rede zu einem „Fürstenspiegel und damit zu einem politischen Akt“ werde, dessen Wahrheitsgehalt an den drei von Plinius selbst genannten Kategorien ermessen werden könne, die eine solche Rede erfüllen müsse: das Lob müsse wahr sein (veris 410 Visual Past 2015 wird Trajan schon zu Beginn des Panegyricus mit den Göttern vergli- chen.15 Die erste genaue Beschreibung des Charakters sowie des Äu- ßeren Trajans folgen kurz darauf.16 Trajans Körpergröße wird in ei- ner späteren Textstelle nochmals erwähnt.17 Eine Abgrenzung der trajanischen Politik von der des Domitian erfolgt an mehreren Stellen des Textes. Beispielhaft für das Verhalten Trajans gegenüber dem Senat ist eine Textstelle, in der von der neuen Meinungsfreiheit die Rede ist und das Verhalten früherer Kaiser stark kritisiert wird.18 Des Weiteren werden Trajan im gesamten Werk ae- ternitas19, iustitia20, virtus21, modestia22, moderatio23 und veritas24 zugeschrie- ben, also genau die Eigenschaften, die einen Optimus princeps ausma- chen und die das Trajansbild der folgenden Jahrhunderte prägen soll- ten. laudibus), der Kaiser müsse ein optimus princeps sein und der Redner müsse die Rede freiwillig verfasst haben (Ronning 2007, 37). 15 „Quod enim praestabilius est aut pulchrius munus deorum, quam castus et sanctus et dis simillimus princeps?“ (Plin. paneg. 1, 3). 16 „At principi nostro quanta concordia quantusque concentus omnium laudum omnisque gloriae contigit! Ut nihil severitati eius hilaritate, nihil gravitati simplicitate, nihil maiestati humanitate detrahitur! Iam firmitas iam proceritas corporis, iam honor capitis et dignitas oris, ad hoc aetatis indeflexa maturitas, nec sine quodam munere deum festinatis senectutis insignibus ad augendam maiestatem ornata caesaries, nonne longe lateque principem ostentant?“ (Plin. paneg. 4, 6 f.). 17 „Tu sola corporis proceritate elatior aliis et excelsior, non de patientia nostra quendam triumphum, sed de superbia principum egisti.“ (Plin. paneg. 22, 2). 18 „Inluxerat primus consulatus tui dies, quo tu curiam ingressus nunc singulos, nunc universos adhortatus es resumere libertatem, capessere quasi communis imperii curas, invigilare publicis utilitatibus et insurgere. Omnes ante te eadem ista dixerunt, nemini tamen ante te creditum est. Erant sub oculis naufragia multorum, quos insidiosa tranquillitate provectos improvius turbo perculerat. Quod enim tam infidum mare quam blanditiae principum illorum, quibus tanta levitas tanta fraus, ut facilius esset iratos quam propitios cavere? Te vero securi et alacres quo vocas sequimur. Iubes esse liberos: erimus; iubes quae sentimus promere in medium: proferemus. Neque enim adhuc ignavia quadam et insito torpore cessavimus: terror et metus et misera illa ex periculis facta prudentia monebat, ut a re publica (erat autem omnino res publica?) oculos aures animos averteremus.“ (Plin. paneg. 66, 2–4). 19 Plin. paneg. 26, 4. 20 Plin. paneg. 25, 3. 21 Plin. paneg. 16, 5. 22 Plin. paneg. 21, 1. 23 Plin. paneg. 16, 1. 24 Plin. paneg. 84, 1. Jureczko, Das Gesicht als „Spiegel der Seele“? 411 Um 98 n. Chr. wird dann Tacitus’ Werk Agricola veröffentlicht, in dem dieser Trajans Regierungsstil mit dem Domitians vergleicht.25 Nachdem Nerva also für einen freiheitlichen Staat gesorgt hat, er- hofft man sich ebenso friedvolle Zeiten unter dem zukünftigen Kai- ser Trajan. Die Hoffnung, Trajan möge ein besserer Herrscher sein, als Domitian es gewesen ist, wird auch gegen Ende des Werkes be- tont.26 Es wird also deutlich, wie ambivalent die Beschreibung der beiden Persönlichkeiten ist: während Caesar aufgrund seiner clementia, huma- nitas und liberalitas positiv gewertet wird, kritisiert man ihn postum insbesondere aufgrund seiner Kriegsführung als schlechten Men- schen, ehrt ihn jedoch zugleich als Gott. Dies führt dazu, dass sich Augustus von Caesars Kriegsführung distanzieren, seine Herrschaft aber dennoch legitimieren kann. In neronischer Zeit betont man ins- besondere Caesars ira und furor, in der Spätantike wiederum wird Caesar zum Exemplum eines guten Herrschers. Ebenso wird Trajan aufgrund seines Vorgängers, des pessimus princeps Domitian, als guter Kaiser angesehen, mit Gott verglichen und mit iustitia, virtus und mo- destia in Zusammenhang gebracht. Julian Apostata beschreibt ihn im 4. Jahrhundert dann als arroganten und untalentierten Redner, wäh- rend Cassius Dio zudem Trajans homosexuelle Neigungen sowie seine Trinksucht kritisiert. Dennoch entwickelt sich die sogenannte imitatio Traiani, die unter Theodosius und Konstantin dem Großen einen Höhepunkt erreicht.27 25 „Nunc demum redit animu; set quamquam primo statim beatissimi saeculi ortu Nerva Caesar res olim dissociabiles miscuerit, principatum ac libertatem, augeatque quotidie felicitatem temporum Nerva Traianus, nec spem modo ac votum securitas publica, sed ipsius voti fiduciam ac robur adsumpserit, natura tamen infirmitatis humanae tardiora sunt remedia quam mala.“ (Tac. Agr. 3). 26 „[…] nam sicut iuvaret durare in hanc beatissimi saeculi lucem ac principem Traianum videre, quod qugurio votisque apud nostras auris ominabatur, ita festinatae mortis grande solacium tulit evasisse postremum illud tempus, quo Domitianus non iam per intervalla ac spiramenta temporum, sed continuo et velut uno ictu rem publicam exhausit.“ (Tac. Agr. 44). 27 Schäfer 1999, 301–303. Beispielhaft ist ein Auszug aus den Epitome de Caesaribus (Epit. Caes. 48, 8): „Fuit autem Theodosius moribus et corpore Traiano similis,quantum scripta veterum et picturae docent […]“. 412 Visual Past 2015 Numismatische und glyptische Bildnisse Caesars Ein weiterer wichtiger Aspekt der Porträtinterpretation sowie der Identifikation bestimmter Persönlichkeiten sind numismatische so- wie glyptische Bildnisse. Betrachtet man die Vielzahl und Varietät der Münzbildnisse, wird bewusst, wie Caesar sich vermutlich selbst sah und wie er dieses propagandistische Mittel nutzte, um ein bestimmtes Herrscherbild zu manifestieren.28 Caesar scheint vor allem Wert da- rauf gelegt zu haben, die göttliche Herkunft seiner Familie zu beto- nen. Ebendiese wird symbolisiert durch den meist neben seinem Por- trät gezeigten lituus sowie die auf der Rückseite der Münzen abgebil- dete Venus. Das bekränzte Haupt wiederum erinnert ebenso wie die samt Venus abgebildete Viktoria an die siegreichen Feldzüge und Er- oberungen.29 Während seine Anhänger ihn schon zu Lebzeiten als einen Gott darstellten, scheint er sich selbst bevorzugt als triumphie- render Kriegsherr zeigen zu wollen, der seine Siege durch die Her- kunft von Venus legitimiert.30 Zudem betont er weniger die libertas, häufiger wiederum salus und clementia.31 Unterschieden wird zwischen drei caesarischen Münzporträt-Ty- pen:32 Münzen der Kategorie A zeigen veristische Porträts Caesars, die Bildnisse der Kategorie B sind idealisiert, während diejenigen der Kategorie C eine Mischung aus beiden Porträttypen zu sein schei- nen.33 Der Großteil dieser Münzen wurde in Rom geprägt, einige we- nige stammen aus den Provinzen. Vor allem eine Vielzahl der Mün- zen der Kategorie A und C scheinen noch während Caesars Lebzei- ten geprägt worden zu sein. Die einzelnen Münzgruppen werden zu- dem in Typen unterteilt: Gruppe A und B in jeweils vier Typen, Gruppe C in nur zwei. Zu Typus I der Gruppe A zählen Münzen des M. Mettius aus dem Jahr 44 v. Chr., die ein bekränztes Caesarbildnis 28 Das Prägen der Münzen mit seinem Bildnis wurde Caesar vermutlich 45 v. Chr., einige wenige Monate vor seinem Tod, durch den Senat gewährt (Cass. Dio 44, 4, 4; Woytek 2003, 414; Rieckesmann 2013, 4. 19 Anm. 84 f.). 29 Alföldi 1999, 37 f. 30 Zanker 2008b, 77. 31 Raaflaub 2007, 251. 32 Vessberg 1941, 139; Toynbee 1978, 30–33. 33 Toynbee 1978, 30. Jureczko, Das Gesicht als „Spiegel der Seele“? 413 auf der Vorderseite tragen, welches markante Altersmerkmale auf- weist und beispielhaft für die Charakteristika der caesarischen Physi- ognomie ist.34 Auffällig sind vor allem der magere Hals sowie die gro- ßen Augen und die Vielzahl an Falten.35 Ähnliche, jedoch leicht ab- geschwächte physiognomische Charakteristika sind bei den Bildnis- sen der durch L. Aemilius Buca geprägten Münze zu sehen (Abb. 1). Hier erscheint das Gesicht jedoch etwas fülliger und weniger ausge- zehrt. Die greisenhaften Gesichtszüge des erstgenannten Münzbild- nisses erscheinen nun idealisierter und abgemilderter. Typus III, ge- prägt durch C. Cossotius Maridianus um 44 v. Chr., zeigt Caesar ebenfalls in nach rechts gewandter Profilansicht. Das Gesicht wirkt rundlicher, Altersmerkmale sind auch hier angedeutet, zudem ist das Haupt des Herrschers verdeckt (capite velato) sowie mit einem Kranz geschmückt (Abb. 2). Auf allen drei Münztypen erscheint eine Venus auf der Rückseite. Abb. 1 (links): Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, R. Saczewski, <http://www.smb. museum/ikmk/object.php?id=18217189> (02.10.2014). Abb. 2 (rechts): Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, R. Saczewski, <http://www.smb. museum/ikmk/object.php?id=18217223> (02.10.2014). Als eines der ältesten Münzbildnisse Caesars gilt jenes der korinthi- schen Münzen des L. Certus Aeficius, die vermutlich zwischen 46 34 Vessberg 1941, 139. 144 Taf. VI.4; Toynbee 1957, 5 Taf. 1.5; Kent u. a. 1973, 20 Taf. 23 Abb. 90. 35 Parisi Presicce 2011, 134. 414 Visual Past 2015 und 44 v. Chr. entstanden.36 Das Bildnis unterscheidet sich von den- jenigen der römischen Münzen: es wirkt etwas fülliger, die Alters- merkmale sind zurückgenommen, dennoch fallen Gemeinsamkeiten wie der lange Hals und die großen Augen auf. Ebenfalls zur Gruppe der ältesten Münzbildnisse Caesars wird jenes des ersten Typus’ der Kategorie B gezählt.37 Geprägt durch C. Vibius Pansa in Nicaea um 48–47 v. Chr. zeigen diese Münzen ein idealisiert wirkendes Bildnis mit wenigen Altersanzeichen, vollem Haar, jedoch ebenfalls mit ei- nem langen Hals, großen Augen und auffälligem Adamsapfel. Der zweite Typus zeigt ein Bildnis Caesars, welches ebenfalls idealisiert ist, dennoch wirkt es veristischer als das nicaeische Porträt. Das Ge- sicht scheint kantiger zu sein, auffällig sind besonders die große Nase sowie die länglichen Ohren. Das bekränzte Haupt weist zudem eine volle Haarpracht auf (Abb. 3). Abb. 3 (links): Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, R. Saczewski, <http://www.smb. museum/ikmk/object.php?id=18217297> (02.10.2014). Abb. 4 (mitte): Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, R. Saczewski, <http://www.smb. museum/ikmk/object.php?id=18202179> (02.10.2014). Abb. 5 (rechts): Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, R. Saczewski, <http://www.smb. museum/ikmk/object.php?id=18202181> (02.10.2014). Ebenfalls in caesarischer Zeit entstehen die Münztypen I und II der Gruppe C, geprägt zum einen durch C. Cossotius Maridianus (Abb. 4) und L. Flaminius Chilo (Abb. 5). Beide wurden in Rom ge- prägt und zeigen ein Caesarbildnis mit ähnlichen physiognomischen Merkmalen. Der Kopf weist ein kantiges Kinn auf, volle Lippen, eine 36 Vessberg 1941, 141 Taf. VI.9. 37 Vessberg 1941, Taf. VIII.1. Jureczko, Das Gesicht als „Spiegel der Seele“? 415 markante Nase sowie große Augen und von Falten durchzogene Stirn und Wangen. Auf beiden Bildnissen trägt Caesar einen Kranz, jedoch wird er auf der Münze des Maridianus capite velato abgebildet. Seltener erhalten als Münzbildnisse sind zeitgenössische Gem- menbildnisse Caesars.38 Caesar selbst hat laut Plinius fünf Gemmen- sammlungen angelegt, die sogar für das Volk öffentlich zugänglich gewesen seien. Dies bezeugt den Wert der Daktyliotheken und die Beliebtheit von Gemmen, welche durchaus vergleichbar zu sein scheint mit der Relevanz einiger Werke der Malerei und Skulptur.39 Die Vielzahl republikanischer Gemmenbildnisse deutet ebenso auf eine Beliebtheit dieser Gattung hin, zudem weisen viele dieser repub- likanischen Porträtgemmen Bildnisse mit caesarischen Charakteris- tika auf.40 Zu den zeitgenössischen und authentischen Bildnissen ge- hört vermutlich eine sich in Paris befindende ägyptische Gemme aus grauem Chalzedon, die ein Bildnis zeigt, welches denen ägyptisch- ptolemäischer Herrscher ähnelt und vermutlich zwischen 50 und 47 v. Chr. entstand.41 Rundplastische Bildnisse Caesars Tatsächlich ist umstritten, ob die wenigen rundplastischen Caesar- bildnisse mit veristischen Zügen auch zeitgenössische Abbildungen des Herrschers sind. Vermutet wird zumindest für das zwischen 1809 und 1810 in Tusculum entdeckte und 1940 von Borda im Castello di Agliè wiedergefundene Bildnis (Abb. 6–7) eine Datierung in republi- kanische Zeit, da es den Bildnissen der Denare des Mettius am ähn- lichsten sei.42 Möglicherweise handelt es sich um eine Kopie eines 38 Verbreitung und Popularität fanden die caesarischen Gemmen als ein „inoffizielles Pro- pagandamittel“ v. a. dank Augustus (siehe Zwierlein-Diehl 2007, 12. 126). 39 Plin. nat. 37; Chiesa 2008, 84. Panegyrische Themen finden sich v. a. auf großen Gemmen. Für ein breiteres Publikum waren Glasgemmen sowie im Allgemeinen Gemmen kleinen Formats gedacht (siehe Zwierlein-Diehl 2007, 126). 40 Vollenweider 1974, 147-151. Vollenweider listet hier eine Vielzahl an Gemmenbildnis- sen mit caesarischen Porträtzügen auf und erläutert die Charakteristika republikanischer Gemmen. 41 Avisseau-Broustet 2008, 214 f.; Chiesa 2008, 86 Abb. 7; Vollenweider 1974, 234. 42 Johansen 1967, 23 f.; Toynbee 1978, 37; Pantò 2008, 126. 416 Visual Past 2015 Bronzeoriginals, welches in der letzten Lebensphase Caesars ent- stand und auch auf Münzen kopiert wurde.43 Das Porträt wird dem sogenannten Typus Agliè zugeordnet und zeigt ein auf einem langen Hals sitzendes Gesicht samt markanter, asymmetrischer Gesichts- züge und auffälligen Altersanzeichen.44 Abb. 6 (links): Deutsches Archäologisches Institut (Abteilung Rom), Koppermann, <http://ara- chne.uni-koeln.de/item/marbilder/148683> (30.10.2013). Abb. 7 (rechts): Deutsches Archäologisches Institut (Abteilung Rom), Koppermann, <http://a- rachne.uni-koeln.de/item/marbilder/1486837> (30.10.2013). Im Allgemeinen scheint der den divus Iulius zeigende Typus Campo- santo-Chiaramonti in augusteischer Zeit seine größte Verbreitung ge- funden zu haben.45 Johansen vermutet für das Pisaner Bildnis (Abb. 8) aufgrund der vergleichsweise veristischen Züge, es handele 43 Ghisellini 2008, 67; Pantò 2008, 126; Johansen 1967, 23. Inan 1979, 54 Anm. 8 äußert sich wiederum kritisch: für sie sei das Bildnis nicht qualitätvoll genug, als dass es sich um ein Caesarbildnis handeln könne. 44 Toynbee 1978, 37 Abb. 34. 45 Rieckesmann 2013, 95.
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