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Das Feld des Zeichens: 1945–1966 PDF

618 Pages·1996·7.837 MB·German
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François Dosse Geschichte des Strukturalismus Band 1 : Das Feld des Zeichens, 1945-1966 Aus dem Französischen von Stefan Barmann JUNIUS Die Publikation des vorliegenden Werkes wurde gefördert vom Ministère français de la Culture et de la Francophonie. Junius Verlag GmbH Stresemannstraße 375 22761 Hamburg © der deutschen Ausgabe 1996 by Junius Verlag GmbH © der französischen Ausgabe 1991 by Éditions La Découverte Alle Rechte vorbehalten Aus dem Französischen von Stefan Barmann Lektorat : Frauke Hamann Umschlaggestaltung : Florian Zietz Satz : H & G Herstellung, Hamburg Druck : Druckhaus Dresden Printed in Germany 1996 ISBN 3-88506-266-6 1. Auflage November 1996 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dosse, François : Geschichte des Strukturalismus / François Dosse [Aus dem Franz. von Stefan Barmann]. - Hamburg : Junius. Einheitssacht.: Histoire du structuralisme <dt.> ISBN 3-88506-268-2 Bd. 1. Das Feld des Zeichens : 1945 - 1966. - 1. Aufl. - 1996 ISBN 3-88506-266-6 Für Florence, Antoine, Chloé und Aurélien »Der Strukturalismus ist keine Methode, er ist das erwachte und unruhige Bewußtsein des modernen Wissens. « Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge Inhalt Einführung 9 Teil I : Die fünfziger Jahre : die epische Epoche Die Verfinsterung eines Sterns : Jean-Paul Sartre 23 Die Geburt eines Helden: Claude Levi-Strauss 32 An der Nahtstelle von Natur und Kultur: der Inzest 43 Fragen Sie nach dem Programm : Mauss 54 Ein Freischärler: Georges Dumézil 62 Die phänomenologische Brücke 69 Der Saussuresche Schnitt 77 Inspirator und Wegbereiter: Roman Jakobson 90 Eine heimatlose Disziplin: die Linguistik 100 Die Tore von Alexandria 111 Die »Mutter« des Strukturalismus: Roland Barthes 117 Die epistemische Herausforderung 127 Der Rebell: Jacques Lacan 145 Der Appell von Rom (1953): zurück zu Freud 156 Das Unbewußte: ein symbolisches Universum 173 RSI: die Häresie 185 Der Ruf der Tropen 195 Die Vernunft verrückt: das Werk von Michel Foucault.... 217 Die Krise des Marxismus : Tauwetter oder Frost ? 239 Der strukturale Weg der französischen Ökonomieschule . . 249 Wie schön ist die Struktur! 258 Teil II: Die sechziger Jahre 1963-1966: die Belle Époque Die Anfechtung der Sorbonne: Alt und Neu im Widerstreit 281 1964: der Durchbruch für das semiologische Abenteuer 296 Das Goldene Zeitalter des formalen Denkens 308 Die großen Zweikämpfe 327 Die signifikanten Ketten 350 Das mythologische Universum 366 Afrika: ein Prüfstein des Strukturalismus 386 Die Zeitschriften 399 Ulm oder Saint-Cloud: Althu oder Touki? 414 Althussers Sprengsatz 425 Die Erneuerung des Marxismus 447 Das Lichtjahr 1966: I. Das strukturale Jahr 456 Das Lichtjahr 1966: II. Faszination Foucault 475 Das Lichtjahr 1966: III. Die Ankunft der Kristeva 493 Teil III: Ein französisches Fieber Zur Stunde der Postmodernität 503 Der Einfluß Nietzsches und Heideggers 522 Die Wachstumskrise der Sozialwissenschaften 544 Dank 563 Anmerkungen 567 Personenregister 609 Einführung Der Strukturalismus hat in Frankreich während der fünfziger und sechziger Jahre einen in der Geistesgeschichte dieses Landes bei spiellosen Erfolg erlebt. Das Phänomen Strukturalismus hat den größten Teil der Intelligenzija in solchem Maße an sich binden können, daß die wenigen Widerstände oder Einwände, die sich während des — wie man ihn nennen könnte — strukturalistischen Moments regten, zunichte gemacht wurden. Die Gründe für diesen spektakulären Erfolg liegen hauptsäch lich darin, daß der Strukturalismus sich zugleich als eine strenge Methode darstellte, die Anlaß zu Hoffnungen auf manche ent scheidende Vorstöße in Richtung Wissenschaft geben konnte, aber auch und grundlegender noch in der Tatsache, daß der Strukturalismus ein besonderer Moment in der Geschichte des Denkens war, den man als Hochzeit des kritischen Bewußtseins bezeichnen kann. Erst aus dieser Verbindung heraus ist zu begrei fen, warum so viele Intellektuelle sich im selben Programm wie dererkannten. Ein Programm, das so vielstimmige Begeisterung auslöste, daß sogar der Trainer der Fußballnationalmannschaft in den sechziger Jahren eine »Strukturalistische« Umorganisierung seiner Mannschaft ankündigte, um ihre Ergebnisse zu verbes sern. Der Triumph des strukturalistischen Paradigmas ergibt sich zunächst aus einem besonderen historischen Kontext, der seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch das allmähliche Ein schwenken des Abendlandes auf eine erkaltete Zeitlichkeit gekennzeichnet ist. Er ist aber auch das Ergebnis des bemer kenswerten Aufschwungs der Sozialwissenschaften, der mit der 10 Einführung Vormachtstellung der Sorbonne als Sachwalterin der Lehre und Spenderin der klassischen humanistischen Wissenschaften in Wi derstreit geriet. Eine regelrechte unbewußte Strategie der Ent grenzung des herrschenden Akademismus schien damals in ei nem strukturalistischen Programm auf, das eine Doppelfunktion als Protest und als Gegenkultur versah. Es ist die Leistung des strukturalen Paradigmas gewesen, unterdrücktem Wissen am Rande der kanonischen Institutionen Raum zu geben. Als Ausdruck eines gewissen Maßes an Selbsthaß, der Ableh nung der traditionellen abendländischen Kultur wie des Drangs zur Modernisierung bei der Suche nach neuen Modellen korre spondiert die Protestäußerung des Strukturalismus deutlich ei nem Moment der abendländischen Geschichte. Entgegen der Glorifizierung der alten Werte zeigte sich der Strukturalismus ex trem empfänglich für alles, was in dieser abendländischen Ge schichte verdrängt worden war, und es ist kein Zufall, wenn die beiden richtungweisenden Wissenschaften dieser Zeit — Anthro pologie und Psychoanalyse — sich vorrangig dem Unbewußten, der Kehrseite des manifesten Sinnes, dem unzugänglichen Ver drängten in der abendländischen Geschichte zuwenden. Zu diesem Zeitpunkt fungiert die Linguistik als führende Wis senschaft, sie gibt in der wissenschaftlichen Erkenntnis den Ton für die Sozialwissenschaften ganz allgemein an. Der Strukturalis mus ist auf diesem Gebiet Bannerträger der Modernen in ihrem Kampf gegen die Alten. Auch war er für zahlreiche engagierte In tellektuelle das Instrument einer Entideologisierung, die mit den Enttäuschungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein herging. Eine besondere, von Ernüchterung gekennzeichnete politische Konjunktur und der Zustand einer Wissenschaft, die einer Revolution bedurfte, um eine Reform zum Erfolg zu bringen : beides ermöglichte es dem Strukturalismus, eine ganze Generation zu versammeln, die hinter dem strukturalen Raster die Welt entdeckte. Diese großangelegte Suche nach einem Ausweg aus der exi- Einführung 11 stentiellen Verzweiflung bewirkte eine Tendenz zur Ontologisie- rung der Struktur, die sich nun im Namen der Wissenschaft, der Theorie als Alternative zur alten abendländischen Metaphysik darstellte. Darin bestand der maßlose Ehrgeiz einer Periode, in der man die Grenzlinien, die Schwellen des Vorgegebenen ver schob, um sich auf die neuesten, durch den Aufschwung der So zialwissenschaften eröffneten Wege vorzuwagen. Dann plötzlich schlug all dies um : Anfang der achtziger Jahre ereilte den Strukturalismus ein unheilvolles Schicksal. Die mei sten französischen Heroen dieses Epos traten von der Bühne der Lebenden ab, als hätten die Theoretiker vom Tode des Menschen sich alle gleichzeitig um eines spektakulären Abgangs willen da hinraffen lassen. Nicos Poulantzas begeht am 3. Oktober 1979 Selbstmord durch einen Sprung aus seinem Fenster, nachdem er sich gegen den Vorwurf verwahrt hat, Pierre Goldmann verra ten zu haben. Roland Barthes wird nach einem Mittagessen mit Jacques Berque und François Mitterrand, damals Erster Sekretär der Sozialistischen Partei, in der Rue des Ecoles von einem Wä schereilieferwagen angefahren. Er trägt nur ein leichtes Schädel trauma davon, läßt sich aber sterben, wie die Zeugen berichten, die ihn im Hôpital de la Pitié-Salpêtrière besucht haben; er schei det am 26. März 1980. In der Nacht des 16. Novembers 1980 erwürgt Louis Althusser seine treue Gattin Helene. Der heraus ragende Vertreter des strengsten Rationalismus wird für unzu rechnungsfähig erklärt und in die Nervenheilanstalt Saint-Anne eingeliefert, ehe ihn auf Betreiben seines damaligen philosophi schen Lehrmeisters Jean Guitton eine Klinik bei Paris aufnimmt. Der Mann des Wortes, der große Schamane der modernen Zei ten, Jacques Lacan, verstirbt, an Aphasie leidend, am 9. September 1981. Nur wenige Jahre später wird Michel Foucault, auf dem Höhepunkt der Popularität und mitten in der Studienarbeit, da hingerafft. Er schrieb an einer Geschichte der Sexualität, und diese schlug ihn schonungslos mit der neuen Krankheit des Jahr hunderts: Aids. Er stirbt am 25. Juni 1984. 12 Einführung Durch diese außergewöhnlichen Tode innerhalb weniger Jahre hat sich der Eindruck vom Ende einer Epoche verstärkt. Manche gehen sogar so weit, die Begebenheiten im Zusammenhang zu se hen und hinter der Verbindung dieser tragischen Schicksale die Offenbarung der Ausweglosigkeit eines gemeinsamen und ge meinhin strukturalistisch genannten Denkens zu erkennen. Das Sichentfernen eines spekulativen Denkens von der Wirklichkeit habe in die Selbstzerstörung geführt. Eine solche Verknüpfung ist natürlich in noch stärkerem Maße konstruiert als diejenige der sechziger Jahre, die das strukturalistische Gespann der vier bzw. diesmal fünf Musketiere Michel Foucault, Louis Althusser, Ro land Barthes, Jacques Lacan und ihrer aller Leitfigur, Claude Lévi-Strauss, zum Medienruhm führte. Nichtsdestoweniger stellt dieser kollektive Untergang eine Wendemarke in der französischen Geisteslandschaft dar. Der Abgang der Meisterdenker, dem noch der von Jean-Paul Sartre hinzuzufügen ist, läutete eine neue Periode der Infragestellung ein. Ein Hauch von Nostalgie kam bereits Anfang der achtziger Jahre auf, als man gerne von neuem an diese Denker erinnerte, wobei die Mischung aus Distanz und Faszination sich gerade dem Ausnahmecharakter ihres Schicksals verdankt. Während man mancherorts dem Strukturalismus bereitwillig den Toten schein ausstellte, regte sich der Leichnam noch mächtig, schenkt man der Erhebung Glauben, die die Zeitschrift Lire im April 1981 durchführte. Einigen hundert Schriftstellern, Journalisten, Leh rern und Professoren, Studenten und Politikern wurde die Frage gestellt: »Welches sind die drei lebenden Intellektuellen französi scher Sprache, deren Schriften Ihrer Meinung nach den tiefsten Einfluß auf die Entwicklung der Ideen, der Literatur, der Künste, der Wissenschaften usw. ausüben?« Bei den Antworten stand an erster Stelle Claude Lévi-Strauss (101), an zweiter Stelle Ray mond Aron (84), an dritter Stelle Michel Foucault (83) und an vierter Stelle Jacques Lacan (51). Woher kommt der Begriff des Strukturalismus, der so viel

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