Bernd-Wolfgang Lubbers Das etwas andere Rhetorik-Training oder „Frösche können nicht fliegen“ Bernd-Wolfgang Lubbers Das etwas andere Rhetorik-Training oder „Frösche können nicht fliegen“ Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich 1. Auflage September 2002 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr.Th.Gabler GmbH, Wiesbaden 2002 Lektorat: Jens Kreibaum Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhe- berrechtsgesetzesistohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzun- gen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. indiesem Werkberechtigtauchohnebesondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:Nina Faber de.sign,Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm &Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-409-11955-8 Inhalt „Frösche können nicht fliegen“.......................................... 7 Einleitung.............................................................................. 9 1. Reden muss Spaß machen – die authentische Rede................................................................................. 17 1.1 Authentizität – eine Frage der Einstellung........................ 18 1.2 Die Einstellung des Redners............................................ 21 1.3 Was Menschen zum Zuhören bewegt ............................ 31 1.4 Das „Drei-Ebenen-Konzept“ der Kongruenz.................... 34 2. Lampenfieber: Strategien gegen die Blamageangst.. 49 2.1 Was eigentlich ist „Lampenfieber“?.................................. 49 2.2 Die Hauptgründe für Lampenfieber.................................. 52 2.3 Wie Sie Ihr Lampenfieber abbauen ................................ 55 3. Botschaft, Ziel und Verständlichkeit............................ 61 3.1 Die Zuhörer mit auf die Reise nehmen............................ 61 3.2 Keine Rede ohne Botschaft.............................................. 65 4. Die Dramaturgie – Aufmacher, Zwischenreize, Redeschluss......................................... 71 4.1 Die Dramaturgie von Vorträgen....................................... 71 4.2 Die vier Zielpunkte einer spannenden Rede.................... 73 4.3 Die Zwischenreize – den Hauptteil der Rede attraktiv gestalten ............................................................. 78 4.4 Der Schluss der Rede – das „i-Tüpfelchen“..................... 94 5 5. Den roten Faden spinnen ............................................. 97 5.1 Wertorientiert argumentieren........................................... 97 5.2 Die Fünf-Satz-Technik .....................................................104 6. Die Rede Schritt für Schritt entwickeln........................123 6.1 Die Treppe zum Vortragsziel............................................123 7. Das Manuskript – Aufbau und praktische Einsatzbeispiele..............................................................131 7.1 Von der „freien Rede“.......................................................131 7.2 Die Manuskriptformen – Vor- und Nachteile....................133 8. Übung macht den Meister.............................................139 8.1 Eine Abschiedsrede..........................................................139 8.2 Eine Motivationsrede .......................................................149 8.3 Eine Rede, die Sie kennen müssten................................157 9. Mit Stolpersteinen, Störungen und Zwischenrufen richtig umgehen..............................................................161 9.1 Die Bewährungsprobe: Vermeiden Sie Stolpersteine in dramaturgisch wichtigen Redeabschnitten......................162 9.2 Beantworten Sie Zwischenrufe mit Schlagfertigkeit und Humor..............................................171 9.3 Entschärfen Sie Killerphrasen..........................................185 10. Die Rede mit Geschichten und Parabeln würzen.......191 Zum Abschluss ....................................................................201 Literaturverzeichnis ...............................................................203 Stichwortverzeichnis ..............................................................207 Der Autor ...............................................................................213 6 „Frösche können nicht fliegen“ Eines Tages im Frühling kommt ein kleiner Frosch von einer Wande- rung auf die nahe Wiese zurück ins Lager der Frösche. Er ist ganz aufgeregt und erklärt, er habe soeben am Himmel Störche gesehen. „Störche sind unsere Feinde; denn sie fressen Frösche“, sagt der älteste Frosch. „Wir müssen etwas tun, denn sonst werden wir alle verspeist!“ Die Gemeinde der Frösche stimmt zu und so beschließen sie, eine Delegation zur weisen Eule zu schicken, um sich Rat zu holen. So geschieht es. Die Delegation zieht los und schildert der weisen Eule das Problem. Diese nickt verständnisvoll, überlegt einen Augenblick und sagt: „Wenn die Störche euch fressen wollen und wenn ihr dagegen nichts tun könnt, dann müsst ihr dafür sorgen, dass ihr an einem ande- ren Ort seid als die Störche. Also: Ihr müsst wegfliegen, an einen Ort, wo die Störche euch nicht finden!“ Dankbar und begeistert über den guten Rat zieht sich die Delegation zurück und erklärt den übrigen Fröschen den Plan. „Genial“, rufen die Frösche begeistert, „wegfliegen! – Großartig – und so simpel! – Da hätten wir auch drauf kommen können!“ Die Frösche feiern begeistert ein großes Fest. Als die Stimmung auf dem Höhepunkt ist, meldet sich auf einmal der kleine Frosch, der die Störche gesehen hatte: „Leute, die Sache hört 7 sich zwar gut an, aber sie hat einen Haken“, sagt er ruhig. „Wir Frö- sche können nicht fliegen!“ „Nestbeschmutzer! – Quertreiber! – Einer angehenden Frosch- Führungskraft unwürdig!“, beschimpfen die übrigen Frösche ihn. Aber er bleibt bei seiner Meinung: „Frösche können nicht fliegen, also taugt der Rat der Eule nicht! Und Flugzeuge sind den Menschen vorbehal- ten!“ Ein greiser Frosch meldet sich schließlich zu Wort: „Er hat recht! Wir können tatsächlich nicht fliegen!“ Ein anderer stimmt gedanken- schwanger ein: „Es könnte zumindest was dran sein, wir sollten mal drüber nachdenken.“ Und so kommt es, dass sich der Rat der Frösche noch einmal zusammensetzt und beschließt, eine neue Delegation zur weisen Eule zu schicken, um dem neuen Problem auf den Grund zu gehen. Die Eule hört sich an, was die Frösche vorbringen, schließt bedächtig die Augen, öffnet nach einiger Zeit erst das linke Auge, dann das rech- te und sagt gedankenverloren: „Ich bin nur für die grundsätzlichen Überlegungen zuständig. Um die Details müsst ihr euch schon selbst kümmern!“ 8 Einleitung Als Klaus H. das Seminarhaus betritt, ist er gut gelaunt und aufge- räumt. Er bedankt sich herzlich, als ihm die Dame am Empfang den Tisch zeigt, an dem schon einige andere Teilnehmer des Trainings „Auftritt“ sitzen. Als ich dazu komme, erzählt Klaus H. gerade voller Begeisterung von einem Fahrtraining, das er vor wenigen Wochen auf dem Nürburgring absolviert hat. Alle lauschen voller Interesse seinen Ausführungen. Erzählstil, Mimik und Gestik machen deutlich: Klaus H. ist vom Fahrtraining noch ganz begeistert und versteht es, diese Begeisterung auf seine Zuhörer zu übertragen. Eine Stunde später: Nun sitzen wir im Seminarraum, wir, das Trainer- team, elf Teilnehmer und Klaus H. Besser gesagt: Klaus H. steht gera- de vorne am Tageslicht-Projektor, einen Zeigestab in der Hand, das verrutschte Bild einer Folie, auf der die Schleifen des Nürburgrings skizziert sind, auf der Leinwand. Verzweifelt und mit hochrotem Kopf versucht er, das Fahrertraining und dessen Vorzüge darzulegen. Im Prinzip erzählt er nichts anderes als das, was er vorhin bei der Begrü- ßung auch schon gesagt hat. Doch der Unterschied ist verblüffend: War er eben noch locker und amüsant, fehlt ihm jetzt jegliches Feuer. Er wirkt verunsichert, ängstlich gar, seine Worte stocken, ständig spricht er zur Leinwand statt zu den Teilnehmern, als erhoffe er sich von dort irgendeine Hilfe. Als er seinen Vortrag mit den Worten „Vie- len Dank für Ihre Aufmerksamkeit“ schließt, klingt dies wie eine Bitte, ihm dafür zu verzeihen, dass er den anderen die Zeit gestohlen hat. Wer nicht wüsste, dass er vorhin so begeistert gesprochen hat, der müsste nach diesen fünf Minuten Vortrag meinen, Klaus H. habe so- eben ein Lügenmärchen erzählt. Wie kommt dieser Wandel zustande? Klaus H. hatte sich doch zu Hause, vor Seminarbeginn, intensiv auf seinen Vortrag vorbereitet. Wie kommt es, dass er, der Motorsportfan, 9 Bernd-Wolfgang Lubbers, Das etwas andere Rhetorik-Training, DOI 10.1007/978-3-322-86708-7_1, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 2002 nun vor einer Gruppe stehend, zwölf Augenpaare und drei Kameras auf sich gerichtet – wie gelähmt wirkt? Als ich ihn danach frage, be- komme ich folgende Antwort: „Ich hatte Angst mich zu blamieren, nicht gut genug zu sein. Meine Gedanken kreisten ständig darum, dass mich die Zuhörer doch bitte verstehen mögen, begeistert von mir sind. Mich zu verhaspeln, stecken zu bleiben, wäre das Schlimmste, was mir hätte passieren können – und es ist passiert!“ Klaus H. ist kein Einzelfall. Sehr viele Teilnehmer an meinen Rheto- riktrainings haben anfangs solche oder ähnliche Gedanken. Sie denken an das, was schief gehen könnte, und in ihren Gedanken wird das Pub- likum zu einem Gegner, den es zu bezwingen gilt. Nun halte ich es zwar für wichtig, sich gut auf das Publikum und die Rede vorzuberei- ten, und dazu gehört auch, dass ich mir Gedanken über mögliche Schwierigkeiten mache. Problematisch wird es nur, wenn sich die Redner aufgrund dieser eindimensionalen Vorbereitungsstrategien selbst in einen Angst- und Stresszustand versetzen (was alles schief gehen kann) und dadurch ihre rhetorische Ausdrucksfähigkeit lähmen. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung wird Realität – es tritt das ein, wovor sie sich fürchten. Eine Kluft zwischen dem Wollen und dem Können tut sich auf, und das, worum es dem Redner wirklich geht, kommt nur teilweise zum Tragen. Die Folge: Der Funke springt nicht auf das Publikum über. Und das kommt so: Der Gedanke, „gut“, ein „idealer Redner“ sein zu müssen, versetzt uns in einen körperlichen und psychischen Stresszu- stand. Und genau das führt dazu, dass Menschen in eine Rolle schlüp- fen, um sich zu schützen. Wer jedoch die eigene Identität verdeckt, verliert an Glaubwürdigkeit. Und jedes Publikum spürt instinktiv, ob da jemand mehr oder weniger gekonnt schauspielert und manipulative Techniken anwendet, um sein Ziel zu erreichen. Ein anderes Beispiel: Dr. Ing. Ernst B. versucht verzweifelt, seinem Publikum den Aufbau eines „Cellular Networks“ zu erklären – oder einfacher: Wie funktioniert es, dass Menschen mit einem Handy tele- fonieren können. Ernst B. ist ein exzellenter Fachmann, voller Fach- wissen! Sein Vortrag ist gespickt von Fachbegriffen und Abkürzungen. 10 Wahrscheinlich stimmt alles, was er sagt. Aber er erntet bei seinem Publikum nur Kopfschütteln und Gähnen. Am Schluss verkündet der kurze und schlappe Applaus, dass es für das Publikum gut ist, nun nicht weiter gelangweilt zu werden. Woran Ernst B. nicht gedacht hat: Das Publikum – alles Ingenieure wie er, aber aus anderen Branchen – ist sehr interessiert an seinem Thema. Alle benutzen ein Handy, aber Fachbegriffe wie Vorgänge sind ihnen unbekannt. In der anschließen- den Videoanalyse zeigt sich Ernst B. nur eingeschränkt bereit zu ver- stehen, was er wohl falsch gemacht haben könnte. Zwar sieht er die Reaktionen des Publikums, aber „warum“ es so reagiert, will ihm nicht in den Kopf. „Das Thema ist halt trocken“, meint er, „das kann man einem solchen Publikum nicht erklären. Und ein paar Basiskenntnisse muss man ja voraussetzen können!“ Ganz ähnlich argumentiert auch Thomas W., ein Physiker, der nach seinem Vortrag über „Adiabati- sche Hochtemperaturkaloriemetrie“ auf mein „Nicht-Verstehen“ mit der Bemerkung reagiert: „Das nicht zu wissen ist doch Hilfsschulni- veau!“ Ernst B. und Thomas W. sind ganz typische Vertreter der „Fachthe- men-Fraktion“, die es zwar gut meint, aber leider allzu wenig Rück- sicht auf die Bedürfnisse der Zuhörer nimmt. Sie vergessen einen wichtigen Redegrundsatz: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ Deshalb scheitern sie immer wieder, wenn es dar- um geht, einen Vortrag, eine Präsentation oder eine Rede zu halten. Worin nun besteht die Parallele zwischen den Fröschen, die nicht flie- gen können, und meinen Seminarteilnehmern? Darin, dass meine Teil- nehmer zu mir kommen und von mir die Ratschläge erhoffen, die sie sofort zu perfekten Rednern machen. Vielleicht erwarten Sie das ja auch als Leser oder Leserin dieses Buches: Buch gelesen, Rede halten können! Die grobe Richtung kann ich Ihnen schon vermitteln, und das will ich auch gerne tun. Im ersten Kapitel, gleich nach dieser Einlei- tung, geht es damit los. Aber ich hoffe, Sie lesen dieses Buch kritisch genug, um herauszufinden, ob das, was ich schreibe, tatsächlich für Sie passt. Denn das ist das Credo dieses Buches: Es gibt nur Redner, nicht 11
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