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Das Auge des Adlers PDF

131 Pages·2007·0.8 MB·German
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C. H. GUENTER Das Auge Des Adlers Erich Pabel Verlag GmbH, 7500 Rastatt 1. Die Werkstatt telefonierte, daß die Reparatur des Rolls-Royce drei Tage dauern würde, also nahm er den Mercedes. Obwohl er erst von einer schweren Lebensmittelvergiftung genesen war – seine Leber schmerzte und er fühlte sich noch recht matt – ließ er sich nicht vom Chauffeur nach Paris brin­ gen, sondern fuhr selbst. Es war nicht Härte gegen sich selbst, sondern reine Notwendigkeit. Sein Leben war immer Kampf gewesen, mit ein paar Pausen dazwischen. Die Pause war zu Ende, der Kampf ging weiter. Als Maurice Bergman von seinem Landgut kommend auf die Hauptstraße einbog, schmerzte seine entzündete Leber erneut bei jeder Berührung der Rippen. Es kam daher, daß sich die Hauptstraße in schlechterem Zu­ stand befand als sein Privatweg. Wie so oft in den letzten Wochen fragte er sich, wie es zu dieser Lebensmittelvergiftung kommen konnte. Er hatte eine erstklassige Köchin, die nur beste Zutaten verwendete, und wenn er auswärts essen ging, dann stets nur in Luxusrestau­ rants. Außerdem stammte er aus einer Gegend, von der allge­ mein behauptet wurde, die Menschen dort hätten die besten Innereien, sprächen aber auch das schlechteste Französisch. Und ausgerechnet ihn hatte es erwischt. Das ging nicht mit rechten Dingen zu. Wurde höchste Zeit, daß er gegen diese Anschläge etwas un­ ternahm. Es war schließlich nicht das erste Mal, daß er haar­ scharf am Tode vorbeischlitterte. Und immer kam es unver­ hofft, wenn man nicht damit rechnete. Man konnte nichts da­ gegen tun, es traf einen wie aus heiterem Himmel. Der späte Winter zwang dem Land seine harten Konturen auf. Kahle, schwarze Bäume ragten in den frostigen Himmel Ein Trost, daß es die letzten kalten Tage sein würden. Man müßte eine Frau haben, dachte Maurice Bergman, dann wäre alles halb so schwer. Aber er hatte die richtige nicht ge­ 3 funden. Einmal hatte er erklärt; Ich würde sogar Tarzan heira­ ten, wenn ich wüßte, daß er mich liebt. Das war es. Nie hatte er einer Frau vertraut. Nie war er sicher gewesen, daß sie nicht nur sein Geld wollten. Und wenn ihre Augen strahlten wie blaue Kornblumen, keine hatte ihn je überzeugt. Der Tacho zeigte 110 an. Die Automatic hatte in Stufe vier geschaltet Die Reifen schmatzten auf dem feuchten Asphalt. Bergman überholte einen uralten R 4. Mit einem noch älteren Citroën und einem winzigen Kellerlabor hatte er angefangen. Das war vor 30 Jahren gewesen. Jetzt besaß er Vermögen. Aber was er nicht hatte, war Ruhm. Den hatte man ihm abgekauft, wie man anderen Leuten den Schneid abkaufte. Millionen, aber keinen Nobelpreis. Nun, er hatte sich daran gewöhnt. Doch wenn er es genau nahm, dann lebte er in seinem Schloß auf seinem Landgut in all dem Luxus auch nur wie ein Maul­ wurf. Und das machte wenig Spaß auf die Dauer. An seiner Unzufriedenheit lag es. Die machte alles noch schwerer. Mit seinem Geld wären andere vor Freude an die Decke gesprungen, trotz der Leberentzündung. Du bist unverbesserlich, schalt sich Maurice Bergman. Du bist stur, und Sturheit kann so schädlich sein wie Labilität. Warum fliegst du nicht nach Hawaii oder nach Rio, dort ist jetzt Karneval, Warum fährst du nach Paris. Du bist ein Idiot, Mann! Eh bien, wenn es dich glücklich macht, dann sei einer! In der Ferne tauchte die Landspitze von Hoc auf. Als die Deutschen 1944 die Invasion erwarteten, hatten sie hoch oben auf den Klippen sechs Langrohrgeschütze installiert. Unerreichbar für Bomben wurden sie als die gefährlichsten der ganzen Küste bezeichnet. Sie reichten 33 Kilometer weit und konnten die von den Alliierten vorgesehenen Landungsab­ schnitte Omaha und Utah bestreichen. Was hatten sie nicht alles unternommen, um die Batterie auszuschalten. Der Kreu­ zer Texas hatte sie beschossen. Vergebens. 4 Ein Colonel James E. Rudder hatte sein Rangerbataillon wo­ chenlang trainiert. Zwischen den Klippen, deren Fuß bei Ebbe frei lag, hatte er seine Männer an Land geführt. Mit Harpunen, mit Seilen und den großen Schiebeleitern der New Yorker Feuerwehr hatten sie sich unter ungeheuren Verlusten an der senkrechten Wand hochgearbeitet. Endlich oben angekommen, stellten sie fest, daß die Deutschen ihre Geschütze zurückge­ nommen hatten. Wofür sie ihr Blut vergossen hatten, war nichts anderes als ein paar Baumstämme unter Tarnnetzen. Daran mußte Maurice Bergman denken, als er an Hoc vorbei­ fuhr. Das ganze Leben war ein Trickspiel. Wohin man sah, überall die alten Kniffe. Liebe, Glück, Unglück, Macht Religi­ on, alles nur Tricks. Eh bien, jetzt würde auch er tief in die Kiste greifen. Ein Hinweisschild tauchte auf. Bayeux-Caen Autoroute nach Paris. 248 Kilometer. Er ging vom Gas und bog ab. * An der Place de la Muette hatte Bergman eine elegante Woh­ nung. Er stellte den Mercedes in die Tiefgarage und fuhr mit dem Lift hinauf. Droben nahm er erst eine Tablette, verbotenerweise mit einem Glas Cognac, dann legte er sich hin. Kurz vor Mittag telefonierte er. Die Nummer war lange be­ legt. Als er endlich durchkam, meldete sich eine Frau mit einer Stimme, die sofort Klarheit darüber schaffte, daß sie noch im Bett lag und für vierhundert Franc zu haben war. Sie nannte nicht etwa ihre Nummer, sondern sagte nur: „Ja bitte, mon Cher?“ Auch Bergman hatte im Umgang mit der Dame einige Si­ cherheitsriegel vorgelegt. Er verwendete einen anderen Namen. „Nora, hier spricht Pierre.“ „Pierre Dunal, mein reicher Onkel vom Lande?“ 5 Das war Noras Art von Humor, ihre Freier zu klassifizieren. „Erinnerst du dich an meinen letzten Besuch?“ Sie kicherte. „Hatte noch tagelang gewisse Probleme. Du warst ganz schön ausgehungert, mon ami“ „Daran dachte ich im Moment nicht“ „Verstehe.“ Sie reagierte rasch. „Du meinst das andere. Ich habe es nicht vergessen. Ich vergesse nie einen Wohltäter, der mir tausend Franc für einen kleinen Dienst spendiert“ Bergman wollte zur Sache kommen und drängte. „Hattest du Erfolg?“ „Wer so viele Freunde hat wie ich.“ „Versteht er etwas von Feinmechanik?“ erkundigte sich Bergman vorsichtig. Nora schmatzte laut, als lutsche sie Bonbons. „Er hat sie erfunden. Er ist wie ein Düsenflugzeug. Qualität hoch zehn. Als Experte, meine ich.“ Wenn Nora das behauptete, dann mußte etwas dran sein. Man konnte ihr manches nachsagen, aber nicht, daß sie übertrieb. Bergman wollte es jedoch genau wissen. „Ich suche zwei Mitarbeiter. Sie sollen nicht wie Algerier aussehen. Sie brauchen nicht gebildet, sollen aber furchtlos sein. Und sie müssen ihre Arbeit tun, perfekt ohne zu fragen.“ Das Callgirl lachte, aber es lachte Bergman nicht aus. „Reichlich viel verlangt.“ „Das weiß ich.“ „Du willst nicht nur von der Königin zum Tee eingeladen werden, die Königin soll auch noch einen Striptease aufführen, he?“ „Wenn möglich.“ „Komm vorbei, bei mir kannst du alles haben. Tee und das übrige.“ Maurice Bergman war im Moment auf nichts erpicht, was nicht sein Projekt betraf. „Wann treffe ich ihn wo?“ 6 „Melde dich wieder. In einer Stunde.“ Das tat er. Nora nannte Bergman ein Bistro in der Innenstadt und eine Uhrzeit. „Wie erkenne ich ihn?“ „Er wird dich erkennen. Einen eleganten Monsieur wie dich findet man im Dunklen, mein Schatz.“ „Täusche dich nicht in dem Onkel vom Lande“, sagte Berg- man. Wie er das gemeint hatte, wurde deutlich, als er das Schlaf­ zimmer verließ und sich im großen Barockspiegel betrachtete. Seine Mutter hätte ihn nicht wiedererkannt. Aus dem teuer gekleideten Millionär, der nur Maßanzüge trug, war ein ameri­ kanischer Tourist geworden. Ohne große Hilfsmittel, nur mit schwarzen Jeans, einem schwarzen Baumwollhemd, Lederjak­ ke in der beigen Farbe der Stiefel und einer Drahtrandbrille hatte er sein Aussehen stark verändert. Statt der Mercedes-Schlüssel nahm er die des Citroën Visa, der schon seit Wochen in der Garage bereitstand. * Der Bursche im Bistro war so unauffällig wie ein Senfglas auf einem deutschen Speisetisch. Aber er hatte flinke Augen. Nachdem er alle Gäste gemustert hatte, pirschte er sich an Bergman heran. „Du mußt es sein“, sagte er, „du bist Pierre Dunal.“ „Und was macht dich so sicher?“ Der andere musterte ihn von oben bis unten, dann lächelte er. „Ein Mann, der Straßenanzuge von einer gewissen Eleganz trägt, der kann gar nicht anders, als immer nach dem Teuersten zu greifen. Pucci-Jeans, handgearbeitete Stiefel, die verraten dich.“ Sie tranken ein Glas, Dabei tasteten sie einander ab, Bergman 7 diesen blassen, aber kräftigen und vertrauenerweckenden Bur­ schen im Duffle-Coat, und der andere ihn. „Mein Name ist Edmond.“ „Wie weit, Edmond“, fragte Bergman, „bist du bereit zu ge­ hen?“ „Kommt auf das Verhältnis von Risiko zur Bezahlung an, Monsieur.“ „Arbeit gering, Risiko mittelgroß, Bezahlung gut.“ „Viel Kohle für wenig Mühe, das gefällt mir nicht, Mann. Wo liegt da der Hund begraben?“ „Es gibt keinen“, versicherte Bergman. Der Mann, der gegen Franc seine Talente verkaufte, hob die linke Braue. „Die Löhnung erfolgt erst nach Absatz der Beute. Stimmt’s? Dann bin ich nicht dein Mann, Pierre.“ „Fünfzigtausend Vorkasse“, lockte Bergman. „Die andere Hälfte bei Aushändigung der Ware.“ „Klingt schon besser.“ Edmond trank rasch. „Was für Ware?“ Bergman deutete einen Gegenstand vom Format einer Zigar­ renkiste an. „So klein.“ „Inhalt bedeutend.“ „Nur für mich. Für andere weniger.“ „Wo liegt das Ding?“ wollte Edmond wissen. Bergman zahlte. Sie gingen hinaus und ein Stück die Rue Düpier hinauf bis zur Place Pigalle. „Nicht in Paris“, sagte Bergman. j „Schon besser.“ „In einer Bank.“ „Das ist leider ganz schlecht“ „In einer kleinen Privatbank.“ „Im Safe natürlich. Die kleinen Banken haben oft die abge­ feimtesten Sicherheitsanlagen.“ „Das ist richtig“, räumte Bergman ein. „Aber das Haus ne­ benan ist von mir gemietet“ 8 Edmond gab einen Grunzlaut von sich. „Das bewegt die Sache wieder ein Stück zum Vorteil hin. Der Keller des Hauses grenzt an den Saferaum der Bank. Richtig?“ „Die Wände sind nicht besonders eindrucksvoll.“ „Woher willst du das Wissen?“ „Man hört den Schall durch.“ „Mit welchen Ohren? Mit deinen, mit denen eines Luchses oder mit elektronischer Verstärkung?“ „Nun, taub darfst du nicht gerade sein. Die Hauswand ist eine Ziegelmauer. Dann kommt Beton. Nicht einmal armiert“ „Bist du Baumeister?“ „Ich besorgte mir ein Metallsuchgerät und tastete die Mauer damit ab. Eindeutig Schüttbeton ohne Stahlarmierung.“ Plötzlich nahm Edmond Bergman beim Arm und zog ihn hin­ ter einen Lastwagen, der Getränke ablud, und weiter in einen Hausgang. „Ein Freund, der uns nicht zu sehen braucht“ „Von der Polizei?“ „Muß Ja nicht sein, oder?“ Als die Luft rein war, verließen sie das Haus und setzten sich weiter oben in Bergmans Citroën Visa. „Riecht nagelneu“, bemerkte Edmond. „Würdest du lieber einen alten klauen?“ „Würdest du überhaupt einen klauen?“ fragte Edmond und kam zurück zum Thema. „Beschreib mir den Safe.“ Bergman nannte den Herstellernamen, das Modell, die Seri­ ennummer bis zur letzten Ziffer mit Schräg- und Bindestrichen. Edmond gab zu, daß er das Fabrikat kenne, sich jedoch über das Modell erst erkundigen müsse. Zu öffnen sei der Safe na­ türlich in jedem Fall. Es gebe keinen Safe, der nicht zu öffnen sei. „Ein Tresor, der nicht aufgeht, ist so sinnlos wie ein Feuerlö­ scher im Schlafzimmer, verstehst du.“ Bergman nickte. „Du brauchst noch einen Mann, Edmond.“ 9 Edmond hob zwei Finger. „Einen Helfer und einen, der Schmiere steht und gut Auto fährt.“ Stumm deutete Bergman auf sich selbst. Doch Edmond lach­ te. „Mit der müden Karre da?“ „Ich würde es nicht unter einen Vierhundertfünfziger Merce­ des tun. Der ist schnell, sicher, stabil und hat einen Tank, der groß genug ist für hohe Reichweiten.“ „Damit machst du jeden Polizei-Citroën naß.“ „Leicht“, stimmte ihm Bergman zu. Edmond bat um Bedenkzeit. Wahrscheinlich würde er einsteigen, und nach einem dritten Mann wollte er sich auch umsehen. Er habe schon einen im Auge. „Bonso“, sagte er, „unauffälliger Typ wie ich. Hat nur einen Tick. Bei dem Wort Polizei muß er jedesmal husten. Und fal­ sche Zähne hat er auch. Statt Sonntag sagt er Zonntag. Man darf aber nicht darüber lachen. Sonst ist er okay.“ „Einverstanden“, erklärte Bergman. „Ruf ihn an.“ „Er bekommt dreißig. D’accord? Dreißig voraus, dreißig hin­ terher. Dreißig ist genug, um die Mauer durchzubrechen und für Unvorhergesehenes.“ „Was“, fragte Bergman, „ist Unvorhergesehenes?“ „Ein Wächter zum Beispiel.“ Bergman winkte ab. „Keine Gewalt Damit möchte ich nichts zu tun haben. Waf­ fen werden gar nicht erst mitgeführt“ „Das ist natürlich ein Märchen“, äußerte, Edmond, „daß Sa­ feknacker nicht schießen. Reines Geschwafel von Kriminal­ psychologen ist das. Wenn ich einen Bruch mache, will ich Erfolg haben. Unter Erfolg verstehe ich, ungehindert mit der Beute fortzukommen. Wenn sich da einer querstellt, muß ich ihn wegputzen. Doch sonnenklar, oder?“ „Keine Waffe!“ forderte Bergman erneut „Kleiner Besserwisser“, höhnte Edmond. 10

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