ebook img

Das Antike Kreta (Beck Wissen) PDF

131 Pages·2004·1.19 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Das Antike Kreta (Beck Wissen)

Der Gründungsmythos unseres Kontinents ist unauflöslich mit der sagenumwobenen griechischen Insel Kreta verbunden: In Gestalt eines weißen Stiers entführt der verliebte Göttervater Zeus die phönizische Königstochter Europa über das Meer und setzt sie erst wieder an der Küste Kretas ab. Sie gebiert ihm drei Söhne - Minos, Rhadamanthys und Sarpedon -, die ihrerseits als bedeutende Gestalten der griechischen Mythologie auftre- ten. Vom Namen des Minos, der als König auf Kreta herrscht, leitet sich jener der minoischen Hochkultur ab (3000-1450 v. Chr.), deren reiches archäologisches Erbe noch heute auf Kreta zu bewundern ist. Die Paläste der Minoer werden schließ- lich von mykenischen Griechen eingenommen. Doch auch ihre Herrschaft versinkt gegen Ende des 2. Jt. v. Chr. in schriftloses Dunkel, ehe sich seit dem 8. Jh. v. Chr. eine neue Kultur in einer Vielzahl von Gemeinden mit differenzierter Gesellschaftsstruk- tur und bald auch einem entwickelten Rechtswesen herausbil- det. Auch wenn die Vorherrschaft einzelner Städte auf Kreta in den folgenden Jahrhunderten mehrfach wechselt und schließ- lich die Insel unter den Römern - nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal - zum Objekt einer Fremdherrschaft wird, so bleibt sie doch stets ein bedeutender Faktor der antiken Welt. Kretas wechselvolle Ereignisgeschichte und seine kultur- geschichtliche Vielfalt läßt Angelos Chaniotis in diesem Buch wieder lebendig werden. Angelos Chaniotis lehrt als Professor für Alte Geschichte an der Universität Heidelberg. Die Erforschung der Geschichte Kretas bildet einen seiner Arbeitsschwerpunkte, zu dem er zahlreiche einschlägige Publikationen vorgelegt hat. Angelos Chaniotis DAS ANTIKE KRETA Verlag C.H.Beck Mit zwei Karten auf den Umschlaginnenseiten sowie 15 Abbildungen im Text Originalausgabe © Verlag C.H.Beck oHG, München 2004 Gesamtherstellung: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen Umschlagmotiv: Knossos, Insel Kreta, Griechenland, minoischer Palast, um 1900/1700 v. Chr.; Delphinfresko aus dem Thronsaal der Königin. Photo: AKG-images, Berlin Umschlagentwurf: Uwe Göbel, München Printed in Germany ISBN 3 406 50850 2 www.beck.de Inhalt Einleitung 7 1. «Ein Berg im Meer»: Die geographischen Grundlagen der Geschichte Kretas 9 2. Im Morgenlicht der Geschichte: Die minoische Hochkultur (ca. 3000-ca. 1450 v. Chr.) 17 3. Die Einwanderung der griechischen Stämme (ca. 1450-900 v. Chr.) 35 4. Brücke zwischen Orient und Hellas: Die kretische Renaissance (ca. 900-630 v. Chr.) 48 5. Die erstarrte Insel: Staat und Gesellschaft in Kreta zwischen Utopie und Wirklichkeit (ca. 630-300 v. Chr.) 58 6. Die Pirateninsel: Kreta in der hellenistischen Welt (ca. 300-67 v. Chr.) 78 7. Kreta in der römischen Welt (ca. 67 v. Chr.-ca. 640 n. Chr.) 100 Ausgewählte Literatur 123 Abbildungsnachweise 125 Register 126 Abb. 1: Grundriß des Palastes von Knossos Einleitung Verlieren wir uns in einem großen Gebäude, so sprechen wir in allen europäischen Sprachen von einem Labyrinth; will ein Fran- zose, Deutscher, Italiener oder Grieche seinen Atem für den be- vorstehenden oder erhofften Kuß erfrischen und steckt eine Minze, mentodermenta in den Mund, so verwendet er ein Wort, das älter ist als die Ankunft der ersten Indogermanen in Europa; kauft er eine Hyazinthe, so nennt er den Namen einer Blume, die seit mindestens viertausend Jahren so heißt. Die ältesten erkenn- baren europäischen Wörter hat uns das minoische Kreta vererbt. In diesem selten wahrgenommenen Tatbestand bewahrheitet sich in indirekter Weise ein Gemeinplatz: Kreta ist die Wiege der europäischen Kultur, seine Geschichte ein kleines Paradigma der komplexen Wege europäischer Geschichte. Schon die alten Grie- chen waren sich der Bedeutung Kretas für ihre Kultur bewußt - bewußter als der moderne Europäer. Auf Kreta war ihr größter Gott, Zeus, geboren worden und gestorben. Den Kretern schrie- ben sie die Entdeckung vieler kultureller Errungenschaften zu, von der Viehzucht bis zur Metallbearbeitung. Und wenn sie star- ben, erwarteten sie, daß ein Kreter in der Unterwelt über sie rich- ten würde: Minos oder sein Bruder Rhadamanthys. Kreta hat Platon als Schauplatz seines Dialogs Nomoi gewählt, um die Ge- setze seines Idealstaates darzustellen. Den gebildeten Opernfan erinnert Kreta an Mozarts Idome- neo. Dem nüchterneren Historiker bietet sich Kreta als der Ort an, an dem man die Vielfalt der Institutionen der Griechen auf en- gem Raum studieren kann, der Ort mit den fast hundert unab- hängigen Stadtstaaten, der Ort, von dem mehr archaische Ge- setze erhalten sind als vom restlichen Griechenland zusammen- genommen. Schauplatz der griechischen Geschichte sind immer überschaubare Landschaften gewesen, mit ihren geographischen Besonderheiten, kulturellen Grenzen und spezifischen Eigen- 8 Einleitung Schäften, mit ihren Kontinuitäten und Diskontinuitäten. Die Be- trachtung des Mikrokosmos einer Region erlaubt uns, die ver- schiedenen Phänomene in ihrem wechselseitigen Verhältnis bes- ser zu erfassen. Einige griechische Landschaften bieten sich für derartige Untersuchungen an, aber keine andere läßt sich mit Hilfe schriftlicher Quellen seit dem 3. Jt. v. Chr. fast ohne Unter- brechung studieren. Texte in der ägyptischen Hieroglyphen- schrift erwähnen eine Insel im «großen grünen Meer», deren Be- völkerung (in der ägyptischen Sprache Kefti bzw. Keftiu) mit den minoischen Kretern identifiziert wird. Seit dem frühen zweiten Millenium verwenden die Kreter ihre eigene Schrift; die in ihrer letzten Entwicklungsform geschriebenen Dokumente (Linear-B- Schrift) stammen von Sprechern einer frühen Form der griechi- schen Sprache. Ihre Texte geben uns Informationen über Wirt- schaft, Religion, Gesellschaft und Ortsnamen (ca. 1400-1300 v. Chr.). Es folgt eine schriftlose Periode von etwa fünf Jahrhun- derten, die aber durch in griechischen Mythen erhaltene Rück- erinnerungen und durch schriftliche Quellen aus anderen Gebie- ten einigermaßen mit Leben gefüllt wird. Die Kreter übernahmen vom Orient die Alphabetschrift um 800 v. Chr., und seither gibt es kontinuierlich schriftliche Zeugnisse. Als Insel im Zentrum des östlichen Mittelmeerraums ist Kreta eine geschlossene geogra- phische Landschaft, von Griechenland, Kleinasien, Zypern und Ägypten aus leicht erreichbar. So ist Kreta bald kosmopolitisch, bald isoliert, mal die größte Macht in der Ägäis, mal vergessen in ihrer Peripherie, bald Initiator großer Innovationen, bald der konservativste Ort, mal als Ort der Gerechtigkeit berühmt, dann wieder als die Insel der Piraten und der Lügner verrufen. Meine Kollegen Wolf-Dieter Niemeier und Diamantis Pan- agiotopoulos berieten mich, was die Entstehung dieses Büch- leins betrifft, für die Abschnitte über das bronzezeitliche Kreta. Mein Mitarbeiter Volker Schmidt trug wesentlich zur Verbesse- rung des Textes bei. Die Unterstützung von Dr. Stefan von der Lahr bei der Gestaltung des Manuskripts war unschätzbar. Al- len gilt mein herzlicher Dank. Vor allem danke ich Jannis Sakel- larakis, der mein wissenschaftliches Interesse an Kreta wie ein Hierophant geweckt hat. 1. «Ein Berg im Meer»: Die geographischen Grundlagen der Geschichte Kretas Gegensätze charakterisieren das geographische Bild Kretas: Auf der einen Seite liegt die Insel an einer strategisch wichtigen Posi- tion im östlichen Mittelmeer; Aristoteles betrachtete diese Lage sogar als eine ideale Voraussetzung für die Ausübung der Herr- schaft über alle Griechen. Auf der anderen Seite liegt Kreta jedoch am Rande des Ägäisbeckens, 100km vom europäischen und 180km vom asiatischen Festland entfernt, von den Haupt- siedlungsplätzen der Griechen isoliert. Die Kreter hielten sich oft von den wichtigsten Ereignissen der griechischen Geschichte - wie den Perserkriegen, dem Peloponnesischen Krieg, den Feld- zügen Alexanders - fern. Kretas relative Isolation wird durch den Mangel an natürlichen Häfen verstärkt. Doch nicht die geographische Lage allein bestimmte die kretische Geschichte. Während die zahlreichen archäologischen und schriftlichen Zeugnisse die intensiven Außenbeziehungen der Kreter in mino- ischer Zeit (im 2. Jt. v. Chr.) und dann wieder zwischen 900 und 600 verraten, zeigt sich in anderen Perioden der introvertierte Charakter der kretischen Politik, vor allem aber in klassischer und hellenistischer Zeit (ca. 500-67 v. Chr.) mit ihren zahllosen lokalen Konflikten. Ein weiterer auch geographisch bedingter Gegensatz Kretas liegt einerseits in der Tendenz zur Einheit und andererseits der Zersplitterung in zahlreiche Gemeinden. Die Tendenz zur Ein- heit ist der Insel immanent und drückt sich heute noch im aus- geprägten gesamtkretischen Patriotismus aus. Doch eine fast durchlaufende Kette von Bergen teilt die Insel vom Westen nach Osten. Das Bild dieser Insel prägen die Gebirge, die 4281 km2 von 8259 km2 Gesamtfläche einnehmen. Die Verbindung zwi- schen den wenigen großen Ebenen, den kleinen Küstenebenen

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.