ebook img

Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea: MTFLZ 19 (1968), 162-203, Origen of Alexandria PDF

22 Pages·02.719 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea: MTFLZ 19 (1968), 162-203, Origen of Alexandria

Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea*) Von Adolf Knauber, Freiburg »Über die altkirchlichen >Didaskaleia< herrscht noch mancherlei Unklarheit.« Dieses Geständnis, das bereits vor nahezu 30 Jahren abgelegt worden ist1), spricht offen den Mangel an Sicherheit aus, der auch heute noch in der kirchengeschicht lichen und patrologischen Literatur unvermindert anhält. Ein Beitrag wie der unsere zur vorsichtigen Aufhellung der Frage muß sich be wußt von vornherein beschränken. Es soll nur das konkrete Unternehmen eines einzelnen christlichen Lehrers untersucht werden, der allerdings in unserem Falle die berühmteste und repräsentativste Gestalt im Schulleben der Alten Kirche gewe sen ist: Origenes und seine »Schule« von Cäsarea. Was wollte Origenes, nachdem er seine Lehrtätigkeit in Alexandrien aufgegeben und im palästinensischen Cäsarea eine neue Bleibe gefunden hatte, mit der Schule, die er dort um 233 eröffnete? Zwei zusätzlich einschränkende Bemerkungen seien noch vorausgeschickt. Die erste versteht sich eigentlich von selbst. Beim Wort »Schule« darf man nicht an eine förmliche Institution denken, wie sie der modernen Pädagogik seit Jahrhunderten geläufig ist. Gemeint ist vielmehr ein konkreter Personenkreis: die Lehrer-Schüler- Gemeinschaft, die sich in Cäsarea um Origenes gebildet hat. Sein Schüler G r e g o- rios, damals noch Theodoros genannt, bezeichnet sie schlicht als f) TCQOQ TÖV avöoa TOI'TOV xoivcovia bzw. als f] y.oivtovicx i]öe2). Den personalen Unterton, der dieser Ausdrucksweise eigen ist, sollte man von vornherein nicht überhören. Damit ist bereits das eigentlich Formgebende der »Schule« ausgesagt, demgegenüber ge wisse hinterher sichtbar werdende sachliche - um nicht zu sagen: organisatorische - Elemente von sekundärer Bedeutung sind;]). Eine zweite Vorbemerkung ist vonnöten, um die Tragweite der Fragestellung nicht überzubewerten. Gerade weil es um diese eine spezifische Lehrbetätigung des Origenes geht - und nicht um ein Urteil über ihn als Gesamtpersönlichkeit, nicht über seine Tätigkeit als »Bibeltheologe«, als Prediger, als Mann des Gebets und der Christusfrömmigkeit -, weil es also nicht um all das, was wir an Origenes vorzüglich bewundern, sondern lediglich um sein »Schulunternehmen« von Cäsa rea (im angedeuteten konkreten Sinne) geht, darf man von unserer Beantwortung der Frage keinerlei Vorentscheidung und Gesamtentscheidung über die geistige Ge stalt dieses Mannes, keine letzte Charakteristik erwarten oder gar befürchten. Es geht vielmehr um eine Seite seines Wesens, die bislang noch zu wenig Beachtung gefunden hat. *) Erweiterte Fassung einer Oxforder »Master Themcs--•-Vorlesung bei der V. International Confe rence on Patristic Studies (Oxford 18.-23. Sept. 1967). J) K. P r ü m m, Christentum als Neuheitserlebnis. Durchblick durch die christlich-antike Be gegnung, Freiburg 1939, S. 324 Anm. 28. 2) Dankrede V 70 (= 14, 12 f Koetschau) bzw. XI 142 (= 27, 14 Koctschau). Wir zitieren nach der Ausgabe: Des Gregorios Thaumaturgos Dankrede an Origenes, hg. von P. Koctschau (= Sammlung ausgewählter kirchen- u. dogmengeschichtl. Quellenschriften 9), Freiburg u. Leipzig 1894. - Die deutsche Übersetzung von H. B o u r i e r, Kempten u. München 1911 (= Bibl. d. Kirchenväter), wird nur kritisch benutzt; sie ist wenig zuverlässig in Bezug auf die Widergabc der spezifischen Schultermini. Die bisher ausführlichste Monographie über den »theologischen« Gehalt der Dankrede ist die von FI. C r o u z e 1, Le »Remerdement ä Origcne« de samt Grcgoire le Thau- maturge. Son contenu doctrinal, in: Sciences Ecclesiastiqucs 16 (1964) 59-91 (Lit.). 3) Vgl. ähnlich Clemens von Alexandrien, / Strom 6, 1: fj zoivcovict TOV köyov (II 5, 30 Stählin). Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea 183 Eine gewisse Besorgnis in dieser Richtung ist verständlich von der heutigen pa- trologischen Forschungslage her. Die letzten 30 Jahre haben eine regelrechte Ori- genesrenaissance gebracht. Im Unterschied zu der dogmengeschichtlichen Verein seitigung, mit der die Zeit eines A. v. H a r n a ck und E. de F a y e Origenes und die frühen Alexandriner überhaupt fehlgezeichnet hat (man wollte in ihnen mehr oder weniger die ersten christlichen Religionsphilosophen sehen), kennen wir heute sehr wohl den rehabilitierten Origenes: den geistlichen Interpreten der Hei ligen Schrift, den Verkünder der Inkarnation, den Herold der Christusliebe, den Prediger und Praktiker des Gebetslebens und der frommen Aszese; ja, man spricht geradezu vom Mystiker Origenes1). Aber gerade in diesem Umschwung der Urteile stellt sich unsere Frage neu ak zentuiert. Um was für ein Schulunternehmen handelt es sich in Cäsarea? Dient es vielleicht einer höheren wissenschaftlichen philosophisch-theologischen oder spiri tuellen Bildung im innerchristlichen Bereich? Für die Origenesschule von Cäsarea wiederholen sich - mit allen Fragezeichen! - noch einmal die Schlagworte, mit denen man seinerzeit die frühe alexandrinische Schule (des Pantainos und des Cle mens) belegt hat: Katechetenschule, Akademie christlicher Bildung, Hochschule kirchlich orthodoxer Gnosis usw.5). Hier muß also von neuem exakt gefragt werden: Welches Ziel verfolgt Origenes eigentlich mit dieser Schule von Cäsarea, welche »Bildungs«-Aufgaben betreibt er dort mit seinen Schülern, wer sind überhaupt angesichts dieses Zieles und dieser Aufgaben seine erstintendierten Adressaten? Es ist von vornherein klar, daß mit einer übereilten Vorentscheidung gerade der letztgenannten Frage das rechte Ur teil über die Schule bedenklich blockiert und einseitig festgelegt sein könnte. So ist es leider in der Tat. Viel zu schnell und unkontrolliert spricht man in der einschlägigen Literatur von einer »christlichen Jugend« als Schülerschaft0)- Flier hätte man ebensogut an die andere naheliegende (sogar noch näherliegende) Mög lichkeit denken müssen (zum mindesten als Arbeitshypothese), daß die Schule dar auf abzielen konnte (auch ohne direkte Hinordnung auf die Taufe oder die Auf nahme in ein kirchliches Katechumenat), bildungsuchende und bildungswillige Weisheitsjünger der hellenistischen paganen oder auch synkretistischen Umwelt für die - modern formuliert - neue »Weltanschauung« und Lebensauffassung des Chri stentums zu gewinnen und schulisch vorzubereiten. Konnte sich nicht ein derartiger von einem christlichen Lehrer geführter Kreis von »philosophierenden«, d.h. (im ethisch-religiösen Sinne der Spätantike) nach »Weisheit« strebenden, »Erkenntnis« suchenden und an religiösem Geheimwissen interessierten »Schülern« als eine der vielen zeitgenössischen philosophischen Schulgemeinschaften darstellen? Konnte nicht ein christlicher Didaskalos in solcher Form die Lehre und Lebensweise des Christentums anbieten und dafür werben, diesmal nicht in der schlichten Vulgär sprache der gewöhnlichen Bekehrungspredigt, sondern bewußt und gekonnt im »wissenschaftlich« aufgeputzten Sprachgewand der zeitgenössischen philosophi schen Fachterminologie mit der üblichen didaktischen Problemstellung und dem Learstufenprogramm der Popularphilosophen bzw. der geradezu modisch gewor denen mystisch-intellektuellen Konventikel der Zeit? •) W. V ö 1 k e r, Das Vollkommenheitsideal des Origenes, Tübingen 1931, spricht von »Logos- my.tik« (98-116) und »Gottesmystik« (117-144). *) Vgl. A. K n a u b e r, Katechetenschule oder Schulka!echu?nenat? Um die rechte Deutung des »Unternehmens« der ersten großen Alexandriner, in: Trierer Thcol. Zeitschr. 60 (1951) 243-266. ') So z.B. E. d e F a y e, Origene. Sa vie, son oeuvre, sa pensee (— Bibl. de l'Ecole des Hajtes Etudes, Sc. rel. 37), Paris 1923, I 45; auch Koctschau a. a. O. S. X Anm. 1. 184 Adolf Knauber Doch wir wollen dem in Richtung solcher Fragestellung möglichen Ergebnis nicht vorgreifen, sondern daraufhin erst einmal die Quellen befragen. Die Hauptquelle für unsere Untersuchung ist die sogenannte »Dankrede« des Gregorios Thaumatur- gos, der Aoyog jtQoacpcovrjxixoq eic 5QQIY£VT|V7). Vom ersten allgemeinen Eindruck (I) ausgehend, fragen wir exakt nach der Terminologie (II) und nach den Adres saten (III) der Rede und damit nach dem Charakter dieses Lehrer-Schüler-Kreises selbst, der dahinter sichtbar wird; des weiteren nach der eigentlichen Grundten denz des hier geschilderten Schulbetriebs und nach seinem etwaigen thematischen Aufbau (IV), schließlich nach dem geistigen Porträt des Schülers Gregor selbst (V), soweit er über sich spricht. Dazu konsultieren wir noch besonders den Brief, den Origenes an ihn nach seinem Weggang geschrieben hat und der einiges über den seelischen Zustand des Schülers durchblicken läßt. Erst dann sollen zum abschlie ßenden Urteil über das ganze Schulunternehmen die bekannten mehr allgemeinen Zeugnisse des Origenes über seine Schultätigkeit (VI) erneut herangezogen8) und von ihrer ersten Fehldeutung abgehoben werden (VII). Leider ist das eigene spezifische Schulschrifttum des »Lehrers« Origenes zum größten Teil untergegangen. Besäßen wir noch seine 10 Bücher Stromata und stünde deren Fortsetzung, die 5 Bücher Fleoi aoxcov, in einem zuverlässigen Text zustand uns zur Verfügung, so könnte die Dankrede des Gregor (die nun einmal doch stark rhetorisch gefärbt ist9) und deren Schilderung des Schulbetriebs nicht vom Lehrer selbst stammt, sondern die Darstellung eines Schülers ist) ein noch wesentlich konkreteres Relief bekommen. Aber auch so gibt sie uns kostbare sach liche Aufschlüsse; sie ist eine der wichtigsten Quellen des christlichen Altertums für die Kenntnis der Beziehungen zwischen Lehrer und Schüler überhaupt. Sie gibt insbesondere eine konkrete Vorstellung davon, wieviel Wärme, wieviel Ansporn und bleibender Lebensgewinn von diesem Manne - Origenes - ausgegangen sind10). I.Die Dankrede des Gregorios - Gesamteindruck Unter »Dankrede« - Gregorios nennt sie wiederholt selber so (Aöyog xagiaxi]- Qiog11)); die spätere Bezeichnung »Panegyrikos« ist irreführend - haben wir eine dem Lehrer gewidmete feierliche »Adresse« zu verstehen12), die im Schülerkreis in Gegenwart des Meisters vorgelesen und danach ihm als dem Hauptadressaten schriftlich überreicht wurde13). Die Spuren solch konkreten Anlasses (es handelt 7) Vgl. oben Anm. 2. - Außerdem konsultieren wir den (in der Philokalie erhalten gebliebenen) Brief des Origenes an Gregor (Koetschau a. a. O. 40-44) und des weiteren: Origenes' Contra Celsum, Eusebius' Kirchengeschichte und Hieronymus. 8) Eine Aufgabe für sich wäre der überaus verlockende Vergleich mit dem Schulbetrieb des Clemens von Alexandrien; wir geben dazu nur gelegentlich Hinweise (vgl. oben Anm. 4). 9) Vgl. die rhetorische Wortkaskade III 21-30 (= 6,1-7,17 Koetschau), innerhalb deren sich Gregors Reminiszenz an das Scherflein der Witwe merkwürdig ausnimmt. 10) Bei Clemens liegt der Fall umgekehrt. Von seinen beiden Schulschriften besitzen wir wenig stens die Stromateis, leider nicht deren Fortsetzung, die Hypotyposen. Dafür fehlt aber gänzlich ein so kostbares Zeugnis aus dem Schülerkreis, wie es für Origenes in der Dankrede des Gregor vorliegt. ") Vgl. Dankrede III 31 (= 7, 18); IV 40 (= 9,16). 12) H. Crouzel schlägt mit Recht die Bezeichnung vor (»Adresse Solennelle«: a.a.O. 60 Anm. 3). Hieronymus nennt sie bereits »panegyricum eu'/aoiaxiag« in De vir. inlustr. LXV (TU 14,1, S. 37,20 Richardson). 13) So ist es verständlich, daß die Dankrede mit der Origenesschrift Contra Celsum erhalten geblieben ist; sie spielte, nachdem Pamphilos sie seiner Apologie für Origenes beigefügt hatte, zur Ehrenrettung des Origenes eine wichtige Rolle. Hieronymus hat den sachlichen Zusammenhang in De vir. inlustr. LXV richtig wiedergegeben: ». . . panegyricum eir/agiaxiag scripsit Origeni et Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea 185 sich zugleich um den Abschied des Schülers aus diesem Kreise) sind durch den gan zen Text hindurch deutlich zu erkennen. Der Gefeierte - gelegentlich nur als 6 ävr\Q bezeichnet14) - wird im Hinweis ofixog unverkennbar als anwesend vorausge setzt15); er wird angeredet mit der in Philosophenzirkeln üblichen Anrede to qpibi xecpcdV]16). Von hier aus erklärt sich auch der durchgängige Wir-Stil der persönli chen Bekenntnisse; Gregor spricht nicht bloß (wie gelegentlich ausnahmsweise) zu gleich im Namen seines (ebenso Abschied nehmenden) Bruders, sondern als Spre cher der ganzen Schülergemeinschaft17). Die näheren Umstände der Rede - bis hin zu einer ziemlich zuverlässigen Datie rung - gehen großenteils aus dem Text selbst hervor. Es dürfte das Jahr 238 gewe sen sein, da Gregor seinen Abschied von Origenes nahm, nachdem er 5 Jahre zuvor mit seinem Bruder Athenodoros zu ihm gekommen war18). Durch göttliche Fü gung, wie Gregor fromm sich ausdrückt, war damals ungefähr gleichzeitig Orige nes von Alexandrien nach Cäsarea »ihnen entgegen« gekommen19). Gregor und sein Bruder gehörten also zum Gründungsstamm der neuen Schule des Origenes (wohl der geradlinigen Fortsetzung der in Alexandrien aufgegebenen)20). Der überragende Eindruck, den der damals schon berühmte Lehrer auf die jungen Leute gemacht hat, und seine Pädagogik, in die Gregor halb interessiert, halb wi derstrebend sich begab, haben ihn schließlich 5 Jahre von seiner bisherigen Lebens bahn abgezogen und auf ein für ihn völlig neues Feld geistiger Betätigung geführt. Was verrät nun die Dankrede über die Grundzüge dieser intensiven geistigen Schulung? Der Gesamteindruck, den die Schilderung der Dankrede auf den heuti gen wissenschaftlichen Leser und Kritiker macht, ist verwunderlich - um nicht zu sagen: deprimierend - unbefriedigend. So meint der Herausgeber des Textes, Paul Koetschau : »Die Lehrzeit bei Origenes hatte zwar zu ausgedehnten philosophischen Studien, aber nicht zu einem tieferen Eindringen in die christlichen Wahrheiten ausgereicht«21). Walther Völ ker, dem kein geringes Verdienst zukommt, Origenes wieder als den Mann der spirituellen Theologie herausgestellt zu haben, urteilt noch schärfer über den Schü ler: Gregor habe die Größe des Meisters nicht erfaßt; er reduziere die Gedanken des Origenes auf die ihm (Gregor) vertrauten hellenisch-philosophischen Elemente, er entstelle sie und lasse, was daran spezifisch christlich sei, aus22). convocata grandi frequentia ipso quoque Origene praesente recitavit, qui usque hodie extat (37, 20 ff Richardson). 14) X 127 (= 24,29); 129 ( = 25,9); 131 (= 25, 19). 15) XI 133 ( = 25, 23); 135 (= 25, 30); XII 147 (= 28, 9); XV 181 (= 34, 20); letztere Stelle übersetzt H. Bouri er (Bibl. d. Kirchenväter) Münster 1911, S. 43 geradezu mit: »Der Mann, den wir feiern« (vgl. auch V 70 = 14, 12 f). Hingegen dürfte sich das Wort ezeivog in IV 41 (= 9, 22) auf den Patriarchen Jakob beziehen und nicht, wie C r o u z e 1 a. a. O. 69 und 86 meint, auf Origenes. Dieser hinwiederum ist besonders stark apostrophiert als OUTO; 6 ftelog ävdocüjro? in VI 84 (= 17, 10). 16) II 15 (= 5, 6); XIV 204 (= 39,12). 17) Leider hat H. B o u r i e r diese Sinngebung in seiner Übersetzung völlig verwischt, da er statt »wir« durchweg »ich« einsetzt; vgl. z. B. XV 182-183 (BKV 43). 18) Gregor war damals 20 Jahre alt; nach seinem 14. Lebensjahr hatte er 3 Jahre Rhetorik und danach 3 Jahre Römisches Recht studiert; vgl. den ausführlichen chronologischen Nachweis in der Einleitung der Ausgabe von Koetschau, S. XI-XV. 19) V. 63 (= 13, 9 f): COOKEQ djtavxr|aovTa f)ulv. 20) Vgl. dazu M. Hornschuh, Das Lehen des Origenes und die Entstehung der alexandri- nischen Schule, in: Zeitschr. f. Kirchengesch. 71 (1960) 1-25; 193-214. 21) Koetschau, Einleitung S. X. i2) W. V ö 1 k e r a. a. O. 230-233. 186 Adolf Knauber Henry Crouzel ist zwar aufgrund seiner gründlichen Vergleichung des »Lehrgehalts« der Dankrede mit dem anderweitig bekannten Gedankengut des Origenes bedeutend milder in seinem Urteil über Gregor, bekennt aber doch auch am Ende seiner Untersuchung: Gregors Darstellung lasse ein gewisses »malaise« zurück; hier liege zwar ein »christianisme authentique« vor, der aber sei »grave- ment incomplet«23). Crouzel versucht, dafür mehrere Erklärungsgründe geltend zu machen. Eine zweistündige Rede könne eben nicht alles aussagen. Gregor wähle nur die in philosophische Termini faßbaren (für ihn!) Aspekte aus, d.h. lediglich das, was seine von früher mitgebrachte Bildung ihm unmittelbar zu assimilieren ermöglicht habe24). Möglicherweise nehme er auch noch besonders Rücksicht auf etwa von außerhalb geladene heidnische Gäste der Veranstaltung25). Vor diesem Auditorium drücke sich der Schüler nach Möglichkeit in der Terminologie der zeit genössischen hellenischen Bildung aus, um verstanden zu werden und um das Chri stentum akzeptabel zu machen. Offenbar habe Gregor auch die Schule vorzeitig verlassen müssen, noch ehe er das vollständige Programm absolviert hatte26). Nach Crouzel ist es also der Schüler Gregor, nicht der Meister Origenes selbst, der diese geradezu diplomatisch geschickte Höchstleistung von didaktischer Anpassung voll bracht haben soll. Was sagt dazu der Text der Dankrede? Ist es Gregor oder ist es Origenes, auf den die »starke Verkürzung und . .. Umbiegung ins Hellenistische«27) zurückzu führen ist? Wir geben, um zunächst den allgemeinen Eindruck zu beleuchten, zwei Kostproben für die Art und Weise, wie Gregor den Unterrichtsbetrieb des Orige nes darstellt; die eine mehr für die »philosophische« Diktion charakteristisch, die andere als Musterbeispiel für die fremdartig wirkende Zitationsweise von Beispie len aus der Bibel. a) Dankrede XI 135-138 (2.5, 30-26,22): »Dieser (= Origenes) hat mich als erster angetrieben - auch mit seinen Reden Philosoph zu werden (xai xoiq Aoyoi; cpi/.oaocrsiv jrooiTQjhj'aTo), nachdem er der jTooioojni öia /.670JV mit der Tat zuvorgekommen war. Er gab nicht wohldurch dachte Redensarten zum besten, vielmehr achtete er es für unwürdig, überhaupt etwas zu sagen, wenn man es nicht mit lauterer Gesinnung und mit der Bereitschaft, das Gesagte auch zu tun, ausführte; ja, er war bemüht, sich so zu geben, wie er mit Worten den Gut-leben-wollenden (TOV V.U/.OJ; ßicoaouevov) entwarf, gerne hätte ich gesagt . . .: er stellte sich selbst als n-aoafti-ivua eines aoqo; vor . . .« (hier folgt eine umständliche rhetorische Entschuldigung), »als einen Mann jedenfalls, der einem solchen (= öoepoe) sich gleichzugestalten trachtete . .. Auch uns wollte er zu solchen (= aoepot) formen (jd&Txeiv), damit wir nicht nur Lehraussagen über die Gemütsregungen beherrschten und verstünden, sondern auch die Gemiitsregungen selbst. Er drang nämlich auf Taten und Worte zugleich, indem er uns bei der Be trachtung selbst (ev ai'if] ir\ flccoQia) einen nicht geringen Teil jeder Tugend - vielleicht sogar, wenn wir es erfaßt hätten - sie ganz herzubrachte. Er hat uns ge- 23) H. Crouzel a. a. O. 88. 24) Vgl. auch H. Crouzel, Gregoire lc Tbaumaturgc, in: Dict. Spir. VI (1967) 1016: »Le christianisme authentique du Remerciement a Origenc sc prösente sous u:ie forme trop philosophique a notre gre: il ne retient que ce qui est susccptible d'ctre exprime en termes de philosophie hellenique et ne parle pas de l'incamation«. 25) H. C r o u z e 1, Le Remerciement (vgl. oben Anm. 2) 88. 26) Ebd. 90. 27) W. Völker a. a. O. 230. Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea 187 radezu zum öixaiOTtocxYEiv genötigt (wenn man so sagen darf) durch die h\.Ku\oxQaym seiner Seele, der er aufforderte uns anzuschließen (jtooai)EaOai EJIEIGEV). Er zog uns ab von der no\mQWi\\,o<5vvy\ des Lebens und von dem Auftreten auf dem Markt, Indem er uns aneiferte, uns selbst in den Blick zu bekommen (jceQioxojieiv) und das Eigene wirklich und wesentlich zu tun (td COJXOJV ÖVXOK jrodxxEiv) ...« usw. Hier drängt sich unwillkürlich die Frage auf: Ist das lediglich Gregors (unbe wußte oder vielleicht sogar bewußt angewandte) »philosophische« Schülerdiktion oder spiegelt sich darin die besondere, hic et nunc gewählte Sprechweise dieses Lehrers in diesem besonderen Schülerkreis? Die Frage stellt sich noch dringlicher, wenn man damit die relativ wenigen Beispiele für Schriftverwendung bei Gregor vergleicht. b) D a n k r e de XVI 195 (= 37,14-19): »Feinde drangen einmal, so wird erzählt, in eine große und heilige Stadt, in der die Gottheit verehrt wurde (ev fj TO ÜEIOV eflegajteiJETo). Sie schleppten als Gefan gene die Einwohner und die fyivcoöoug v.ai fleokoyoug mit sich fort in ihr Land; das war Babylon. Die aber dorthin Verbrachten hätten, von ihren Bezwingern auf gefordert, noch nicht einmal Lust gehabt, die Gottheit zu besingen (mtvEiv ... xö ftetov), noch auf den Saiten zu spielen im unheiligen Land.« Welch merkwürdig vage, verfremdete Bibelzitation, welch vorchristlich unscharfe »philosophische« Gottesprädikation27a)! II. Die »philosophische« T e r m i n o l o g ie der Dankrede Das ist kein Einzelfall. Gregors ganze Wiedergabe der Origenesschule von Cä sarea ist in dieser Terminologie gehalten. Für Gott steht in der Dankrede 7 mal TO iklov; man vergleiche zu der oben zitierten Stelle X VI 195 noch II 10; 13; VI 82; XIII 150; XIV 16528). Daneben treten in der Gottesprädikation Termini, wie sie auch bei paganen Philosophen der Zeit gebräuchlich sind: ö xcov ö?icov bzw. xäv- xo)v aixiog (IV 38; XIII 150; XV 183)29), 6 xcov jcdvxojv fjYEjxcbv %ai aixiog (III 32)30), 6 xcov OXCDV öeajtoxrig (VI 79)31), 6 xcov LUoov fteog bzw. JtaxYjQ (III 31; IV, 36 37)32), 6 jrdvTOJv ßamlsug xat y-rjösjxcbv (IV 35 )3 3). Noch philosophischer klingt die Formel ö Ttpwxog voüg im Zusammenhang mit Aussagen über den Logos (IV 39): TOV jtocbxou vov Xoyog £iu|wxog34). Gregors ?-.oYog-Terminologie selbst ist überaus vage und schillert vielfach an ein und derselben Stelle in mehreren Bedeutungen. Eindeutig vom göttlichen Logos handelt der Anfang des IV. Kapitels. Den Pas sus IV 35-39 könnte man geradezu als einen Hymnus auf das »vollendetste, leben dige, beseelte Wort der Urvernunft« bezeichnen3'). Er ist im ganzen so stark von 27a) Die Sprechweise xö -öelov ist offensichtlich hellenisch-philosophisch eingefärbt. Interessante Belege dafür bietet auch Athenagoras, Bittschrift n. 6-7, wo mehrfach betont unterschieden v.ird: die Heiden sprechen von xo 'ÖELOV, der Christ sagt dafür 6 üeog, (PG 6, 904 AB); vgl. dazu E. von Ivanka, Plato Christianus, Übernahme und Umgestaltung des Piatonismus durch die Väter, Einsiedeln 1964, S. 97. 2S) 4, 4. 21; 16, 23; 29, 2; 32, 1 Koetschau. 2CJ) 9, 10; 29, 4 f; 35, 8 Koetschau. 3Ö) 7, 28 Koetschau. 31) 16, 6 Koetschau. 3-) 7, 18 f; 8, 19. 26 f Koetschau. 38) 8, 10 f Koetschau. 34) 9, 14 f Koetschau. 35) IV 39 = 9, 14 f Koctschau. 188 Adolf Knauber zeitphilosophischen Termini geprägt, daß Benennungen wie dXfjfteia, aocpia, övvajHg kaum als bewußt biblische Zitate gewertet werden können. Eindeutig bezieht sich auf den göttlichen Logos die Stelle XVII 20036), während V 3 737) nur auf grund der ähnlich lautenden Epitheta klar wird. Der Logos ist der ÖCOTTJO, der ftetog Jiouöaycoyog, der wahre xrjÖEjicüv und urroog, der ayo-imvog cpvlaE, aller Men schen, der JtQoaxdtrig der Seelen, der örmiouoyog und xußEQvrjTng von allem. Das sind alles gut philosophisch klingende und im stoisierenden Piatonismus der Zeit ebenso wie etwa bei Clemens von Alexandrien beheimatete Dikta38). Wenn man danach aber im gleichen Sinne von diesem höchsten Logos alle Stellen verstehen wollte, wo von aooxfjQiog Xoyog oder frsiog Aoyog oder lEQog ),6yog ge sprochen wird - oft im gleichen Atemzuge -, käme man in nicht geringe Verlegen heit. Was für VI 82 f 16, 25-17, 3) noch zutrifft und allenfalls auch noch Gel tung beanspruchen kann für V 50 (= 11, 3-6), V 52 f (= 11,14 ff), VI 89 (= 18, 7), XV 180 (= 34,19 f), das stimmt schon nicht mehr ebenso eindeutig für Stellen wie II 18 (= 5,18 ff) und besonders XV 174-176 (= 33,21-34,4) und XV 182 (= 34,27). Hier ist vielmehr augenscheinlich mit §£tog ?.6yog in erster Linie das (biblische) Offenbarungswort gemeint, wofür denn auch im Zusammenhang ebenso gut Xoyia ft£ia bzw. Xoyoi TOV f)eoi3 als Varianten eingesetzt werden (vgl. 34,1. 4. 8. 16. 17. 22; 35, 25). Das Wort Xoyog sebst bzw. 'ÖEiog oder legög Xoyog oszilliert also des öfteren (was die bisherigen Texteditionen und Übersetzungen kaum beachten) zwischen der Groß- und Kleinschreibung hin und her. Wenn Gregor die bei Origenes genossene xoivcovia als eine von ihm in den uaü%iaxa TOV Xoyov erhaltene seelische tbcpE?i£ia eig öwxrjQiav feiert (V 70 = 14, 13), so weiß man immer noch nicht, ob darunter am Ende nicht auch einfachhin »das Wort« im Sinne von »geistlicher Lehre« oder von »Lehre« überhaupt ver standen sein soll (vgl. XIV 169 = 32,28). Jedenfalls sind seine gelegentlich ge äußerten Bemerkungen über das Verhältnis von dvftQcojuvog und ÜEiog Xoyog ziemlich von der Art der zeitgenössischen stoisierend-platonischen Vorstellungen, so z.B. V 50 ( = 11, 5 ff), wo er sagt, daß der lEQÖg ööe Xoyog ihm von seinem 14. Lebensjahr an sogleich näherzukommen angefangen habe39), »wie wenn ge rade jetzt (darin?) der allgemeine Xoyog aller Menschen zu seiner Fülle gelangte (oia öf] doxi jrXrjQODLievoi) TOV XOIVOÜ Jtdvxcov dvi^QWJicov Xoyov)«. Da diese ziemlich dunkle Stelle40) auch im Hinblick auf die Frage, ob Gregor - wie oft schnellfertig behauptet wird41) - bereits damals Christ geworden sei, von Bedeutung ist, sei in diesem Zusammenhang gleich die Fortsetzung seines persönli- 38) 38, 18 Koetschau. 37) 12, 11 f Koetschau. 38) Vgl. bes. Clemens Alex., VII Strom 7,4-9,2; 16,5-6; V Strom 6, 3; / Paid 6, 2; / Paid 1, 3; 65, 3; die Ähnlichkeit des Wortmaterials ist frappant. 30) Der hier angewandte Ausdruck ejtiör|iieTv läßt noch durchklingen, daß ihm bis dahin der ?i6yog fremd war. 40) Die Frage ist, was hier mit der Formel Jt?.r)QOim£vou TO\5 XOIVOIJ )v6you gemeint ist. Eine entwicklungspsychologische Feststellung im modernen Sinne bezüglich der jugendlichen Verständ nisreife (= »da ja eben zu diesem Zeitpunkt der xoivö? Xoyog zu seiner Entwicklungsfülle ge langt«) ist schwer akzeptabel für den Historiker, der sich den zeitgenössischen Gebrauch von xotvog Xoyog vor Augen hält (vgl. dazu Clemens Alex., /// Paid 120, 3; / Strom 94, 2). - Die Ubersetzung von H. Bourier (BKV Seite 15: ». . . weil in ihm eben die allgemeine Vernunft der Menschheit zum vollen Ausdrucke gelangt«) stellt das Verhältnis von Xöyog (klein geschrieben) und Aoyoc (groß geschrieben) auf den Kopf. 41) H. Crouzel, Gregorios der Wundertäter, in: LThK IV (1960) 1216; vgl. auch A. M. M a 1 i n g r e y, »Philosophia«, Etüde d'un groupe de mots dans la litterature grecque, des Pre- Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea 189 chen Bekenntnisses angefügt (V 52-54 = 11,14-22). Gregor sieht in dieser CTUVÖQOUT) <ein »nicht geringes Kennzeichen der heiligen Vorsehung«: es sollte »der heilige Aoyog nicht unsinnigerweise einer Seele, die noch nicht loyixi} war, übergeben ^werden, sondern erst nachdem sie nunmehr loyiui) geworden ist und, wenn auch micht mit dem heiligen und reinen Xoyog ausgestattet, so doch wenigstens nicht bar der Furcht gegenüber diesem Xoyog. Es sollte vielmehr zugleich der menschliche und der göttliche >.6yog in mir anfangen, der eine Hilfe bringend - mit der für mich zwar unaussprechlichen, ihm aber eigentümlichen Kraft -, der andere hinge gen Hilfe empfangend«. Gregor gesteht abschließend, der Gedanke an diese Füh rung erfülle ihn mit Freude, andererseits verspüre er aber auch Furcht, er könnte i rgendwie, nachdem er solcher Führung gewürdigt worden sei, gleichwohl das Ziel verfehlen (jir) JXT| KCLI TOIO'ÜTOOV d|ico'6veig toxi XEXOVC, öjioicog aqpaXco)42). Im Zeitpunkt der Dankrede selbst ist sich Gregor seiner Unfertigkeit als Schüler (das ist sicherlich mehr als ein bloß rhetorisches Lippenbekenntnis) wohl bewußt. Er weiß, daß er den göttlichen Logos im Unterschied zum Lehrer noch nicht besitzt: »>Wir wagen es, mit ungewaschenen Füßen - das ist hier vom Xoyog gesagt43) - ein zutreten in Ohren, in denen der göttliche loyog selbst Eingang hält und Umgang pflegt«; zu Origenes nämlich, so führt er den Gedanken fort, kommt der göttliche Logos »offen und klar mit unbedeckten, könnte man sagen, nicht mit - unter der Lederhülle änigmatischer und verdeckter Ausdrücke - verhüllten Füßen, wie das bei der großen Masse der Menschen der Fall ist44). Wir tragen wie eine Art Schmutz und Schlamm unsere menschlichen Xoyoi (Worte, Gedanken) mit uns herum und haben das Wagnis unternommen, sie in Ohren einzugießen, die auf gött liche und reine Laute (frEicov xai xadagcov qpcovcav) zu hören geübt sind« (II 18 = 5, 17-25). Gregors beständiger Zwischengedanke, der solchen Überlegungen zugrunde liegt (in Kap. XV kommt das am ausführlichsten zum Vorschein), ist: Nicht jedem teilt sich der Xoyog unverhüllt mit. »Vieles in den heiligen Verlautbarungen (ev xalq leoaig cpoovoug) ist änigmatisch und dunkelsinnig, sei es daß Gott so mit den Men schen zu verkehren beliebt, damit der fteiog Xoyog nicht unverhüllt und unbedeckt auch in eine unwürdige Seele, wie die meisten sind, eingehe, sei es daß jedes ftetov Xoyiov von Natur aus zwar höchst klar und einfach ist, für uns aber, die wir von Gott abgefallen sind und wegen der Zeit und des Altertums es verlernt haben zu hören, änigmatisch und dunkelsinnig ist« (XV 174 = 33,18-24). Nach solch grundsätzlichen Reflexionen über Gott und den ftaog },6yog44a), die zu allem durch eigenartige, ähnlich formulierte Parallelaussagen über die »Vorse- socratiques au IVe siede apres Jesus-Christ, Paris 1961, 181; A. M e h a t, Etüde sur les >Stroma- tes< de Clement d'Alexandrie (= Patristica Sorbonensia 7), Paris 1966, 490. - U. W. Knorr, Gregor der Wundertäter als Missionar, in: Evangelisches Missionsmagazin 110 (Basel 1966) 70-84, hält eine solche Auslegung der Stelle Dankrede V 50 (= 11, 5 ff) für »fraglos überinterpretiert« (S. 82, Anm. 42). 42) 11,21 f Koetschau. 43) Vielleicht ist der Sinn der Stelle auch nur: »ich meine jetzt diese meine Rede«; vgl. H. C r o u z e 1, Le Remerciement 67, Anm. 65. 44) P. Koetschau hat in der Einleitung seiner Edition S. XIII f auf die hierzu (II 18 = 5, 17-22) bisher unbeachtet gebliebene Parallele des Johannes-Kommentars des Origenes hinge wiesen (dessen spätere tomi um die gleiche Zeit zu Cäsarea geschrieben sein dürften). Zur Stelle vgl. Origenes, ]oh.-Kommentar XXXII 8, 87 f (= GCS Origenes IV 438, 1-8 Preuschen). 44a) Alles, was Gregor über Gott und den göttlichen Logos sagt, hält sich in den Grenzen sol cher religiös-epistemologischer Prolegomena; das hätte der von H. Crouzel durchgeführte Vergleich mit der Logos-Theologie der erhaltenen Origenesschriften zugeben müssen (Crouzel a. a. O. 62-73). 190 Adolf Knauber hung« seines »Engels« noch verschwommener werden (IV 40-46 — 9, 17-10, 22)15), möchte man nun auch deutlichere spezifisch biblisch-christliche bzw. christologisch konkrete Aussagen erwarten. Diese aber werden in auffallender Weise völlig ver schwiegen. Was soll man dazu sagen, daß in der ganzen Rede noch nicht einmal eine An spielung fällt auf die Menschwerdung, auf den Namen Jesus, auf Pascha und Wie derkunft des Herrn, auf die Unheilsgeschichte und den Kampf gegen Sünde und Teufel46)? Die Worte XCHÖXOC, exKAnaia, epomauog, niaxig, dyc'crr] kommen in der Dankrede überhaupt nicht vor, ßajtxiteiv nur an einer Stelle in einer gänzlich (nahezu schockierend) profanen Bedeutung47), ebenso in ausschließlich profanem Sinne das - im übrigen häufig, nämlich 11 mal, aufklingende - Wort Ei^aoiaxia48). Ein einziges Mal (XV 178 = 34,11) begegnet uns ;uoxeiVav mit einem, viel leicht möglicherweise christlichen Zungenschlag49) (.. .naga TOUTOU jiaüibv xai öuvelvcn xai jriai£i)£iv e^eaftai dvayzdi,oixo XQOJTOV xivd xai ejteaüai X)EU)), im übrigen immer nur (4 mal) im Vulgärsinne50). Für yvtoaig und yivwaxav gilt Ähnliches. Nur zwei mal heißt es f) xoi3 jt-avteov aixiou yvwaig (XIII 150 = 29, 5) bzw. i) XEQI XO -ÖEIOV yvcoaig v.cd eüaeßeux (XIV 165 = 32,1). In dieser natürlichen Sprechweise enthält das Wort nichts von dem spezifisch alexandrinischen Sinn, den man sonst von Origenes (und Clemens) gewohnt ist. Der Tod des Vaters ist für Gregor, wie er sich selbst ausdrückt, ägyj') xfjg xoti dXiii)oi3g ejuyvcbaecog geworden (V49 — 11,2). Wem diese religiös-ethische Sprache der Zeitgenossen vertraut ist, der weiß, daß auch eine Ausdrucksweise wie die folgende keineswegs biblisch verstanden zu wer den braucht, sondern »gut philosophisch« klingt: xo ydo jidvxcov xEAog oir/ £XEOOV XI oijiai f] xaüaQcp xtp vcp e^ououDDevxa JCQOÖEMIEIV TCO {IECO xai UEVEIV EV avixb (XII 149 = 28,26 f)51). In der Tat, hier ist so gut wie nichts von der eigentlichen Theologie und Chri stusspiritualität des Origenes zu Wort gekommen, nichts, was der spezifisch orige- nianischen Schriftauslegung auch nur einigermaßen entspräche. Überhaupt sind die Allusionen und Vergleichsbeispiele aus der Schrift, die Gre gor bringt, äußerst spärlich; die von Koetschau angeführten Stellen schrumpfen, bei Licht besehen, auf 9 zusammen52). Zu ihrer Einführung sind jeweils Wendun- 45) Gregors Vorstellung über die Pädagogie und Führung des Engels und des Logos gehen ziemlich ineinander über; vgl. die Ausdrücke rraiöaycoyog, xQOcpeijg, y.rjÖEuwv (10, 3. 5. 10 Koct schau) mit den andercrorts (s. oben zu Anm. 38) vom Logos gemachten Aussagen. Zu Aoyog ayye>*og vgl. auch Clemens Alex., / Paid 59, 1. 46) Vgl. W.Völker a.a.O. 231. 47) H. Bouricr a.a.O. 41 versteht die Stelle vom Herausziehen solcher, die »ins Wasser gefallen sind«. Selbstverständlich kann hier auch eine verdeckte Anspielung auf den Ritus der Taufe vorliegen. 48) Vgl. den Wortindex bei Koetschau 62. 49) Die Wortgruppe mang im alexandrinischen Schulschrifttum bedürfte einer eigenen Unter suchung. Es würde sich herausstellen, daß damit keineswegs immer der kirchlich-christliche Glaube gemeint ist; vgl. A. Knauber a. a. O. 264 Anm. 59. 50) Vgl. Wortindex Koetschau 69. 51) W. Völker a.a.O. 232 nennt die Stelle ». . . nur eine ganz allgemein gehaltene Be schreibung . . ., die in dieser Form auch Plato hätte unterschreiben können«. Auch Clemens von Alexandrien pflegt diese Sprache in seinen Stromateis. 52) Es handelt sich durchweg nicht um wörtliche Zitate, sondern um inhaltliche Anspielungen: auf Gen 3, 17 ff; 48, 15; 1 Sam 18; 4 Kön 24 f; Job 12, 14; Is 9, 25; Mk 12, 41; Lk 10 u. 15; vgl. Register Koetschau 51 (der dort gleichfalls aufgeschlüsselte Brief des Origenes, der gegenüber der Dankrede höchstens ein Zehntel des Textes darstellt, weist bezeichnenderweise bedeutend mehr Schriftzitate auf). Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea 191 gen gewählt, die merkwürdig unbeholfen und geradezu fremd anmuten: ev itooig ßiß/iioig q)£Q£xai (III 8 = 6, 27), leyexai xig mog . . . (XVI 190 = 36, 15), vivoinaxai avöoi jiQocpfjTTi .. . (XVI 193 = 37, 6 f), jtoÄiuioi JIOTE "kkyovxai (XVI 195 = 37, 14); sonst heißt es einfach lakonisch: TÖ fleiov 7Qdj.1j.1cx oder £v xoig koolg yoduuaaiv. Alles das läßt die übliche christliche Sprechweise - von innerkirchlicher Termi nologie ganz zu schweigen - in außergewöhnlichem Maße vermissen. Der erste, mehr an der Oberfläche gewonnene Eindruck von der »Schule von Cäsarea«, wie Gregors Rede sie darstellt, weist nicht in die Programmrichtung einer innerkirchlich-christlichen Glaubensunterweisung, geschweige denn eines dar auf aufbauenden theologischen Bildungsunternehmens. III. Die Adressaten der Dankrede und der Schule des Origenes Bezeichnenderweise wird denn auch der Gegenstand des Unterrichts als 11 ^al\\ ^doaocpia bezeichnet - genau im typischen, ethisch-religiösen Sinne des zeitge nössischen Sprachgebrauchs; seine Teilnehmer (zugleich Zuhörer der Schulrede!) sind OL ftouLidaioi outoi avöoeg, 01 rrrv %akr\v cpdoaocpiav aajtaaajievoi (13 = 2, 4 f)53). Origenes selbst wird zwar nicht ausdrücklich cpdoaocpog genannt, wohl aber als aocpog gefeiert54). Hingegen wird der ganze Schulbetrieb vielfach mit dem anderer zeitgenössischer Lehrer in Vergleich gesetzt und diesen gegenübergestellt; auf sie wird kühl mit den im Schulbetrieb üblichen anonymen Formeln ol vuv övteg, ol eHü), ol XotJtoi, oiöe xiveg u. ä. angespielt55). Hier geht die in der Schule des Orige nes geübte Kritik offensichtlich Hand in Hand mit der von Klugheit gebotenen Rücksichtnahme auf die konkrete Situation der Schule. Gleichzeitig jedoch spricht sich darin unüberhörbar das Bewußtsein aus, eine eigene »philosophische Schule« darzustellen, deren Leiter denn auch (wie üblich) von Gregor mit qpib] xecpcdfj angeredet wird (II 15 - 5, 6; X IX 204 = 39,14). Was soll und will diese Schule mit ihren Schülern näherhin? Wie stellt Gregor ihr didaktisches Anliegen dar? Stellvertretend für eine ganze Reihe bezeichnender Aussagen soll hier nur ein Zitat herausgegriffen werden. In Zusammenfassung seiner Schilderung der Lehr weise des Meisters, der als öiöaaxaXog gleichzeitig selber der azooarng Ü£o£> ist (XV 174 = 33, 26), sagt Gregor: Auf diese Weise sollte der Schüler, »mochte nun einer seelenverstockt (ay-Arjoög xrjv \|nr/r)v) °der ungläubig (ckiaxog) oder auch lernwillig (cpdo}xa{hqg) daherkommen, irgendwie gezwungen werden, bei diesem zu lernen (xagä xovxov |iaM>v), sowohl Schüler sein als auch gläubig sein zu erwäh len (xai, o"uv£ivoa xou maxeiJEiv eXeafrai) und Gott zu folgen (Lteadai fteto)«56). Das ist also das Ziel. Anderswo wird es mit dem beliebten Wort Evokfaia bzw. stheßelv umschrieben, z.B. IV 38 (= 9,8f): \iiav ööov eiiaeßeiag xai)xr|v slvai 6j.u?.07r)aavxEg; XIII 152 (= 29, 16): nag' avöoaaiv Euaeßeiv EJtaveXoijivoig; XIII 152 (= 29,12): i|n)xr) etjaeßetv \IE\IOVOOL (vgl. VI 79 = 16, 6.10). Aus den ersten Tagen, die er mit seinem Bruder Athenodoros in der Schule des Origenes verbrachte, erzählt Gregor (VI 78-79 = 15, 26-16,11): »Ich kann jetzt >3) Vgl. dazu avöoeg evaeßEiv ejiaYY^öjiEvoi (XIII 152 = 29, 16 Koctschau); 01 cpiXoaocpiag eocatai (VI 75 = 15, 8 Koetschau); siehe auch VI 81 = 16, 22 Koetschau. M) XI 135 f =26, 7 Koetschau; vgl. oben S. 187. ;5) Vgl. X 127 (= 24, 25. 29); 129 (= 25, 10); XI 134 (= 25, 26); XIV 169 (= 32, 28). •6) XV 178 = 34, 9-12 Koetschau; man beachte die aus dem platonischen Schulbctrieb geläufi ger Ausdrücke.

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.