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Daniel PDF

90 Pages·1952·33.218 MB·German
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HANDBUCH ZUM ALTEN TESTAMENT HERAUSGEGEBEN VON OTTO EISSFELDT ERSTE REIHE 19 bamtl ÜOtt Jtage Bensen Pcofefjoc an ôer Unioer/ität fiopcnfjagen Zweite, occbejfectc Auflage VERLAG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK) TUBINGEN 1952 AlleR echvtoer behalten PrinitnGe edr many DruHc.kLa upjprT übingen eISBN 978-3-16-160470-6 unveränderte eBook-Ausgabe 2022 üortDorf In den Jakren 1654 und 1666 veröffentlichte der gelehrte, aber auch - z. B. bei der Einführung der absoluten Monarchie in Dänemark 1660 - politisch tätige Bischof von Kopenhagen, Hans Svane (Joannes Svaningius) einen Riesenkommentar (im ganzen 2200 Folioseiten) zum Buche Daniel. Auch nach ihm ist in Dänemark viel über Daniel gearbeitet worden. So haben um 1900 die beiden Kopenhagener Professoren Buhl und Jacobsen bedeutsame Abhandlungen über die Sprache des Buches geschrieben. Der vor- liegende Kommentar ist nicht nur hinsichtlich des Umfangs von dem Hans Svanes ver- schieden. Aber ich hoffe doch, daß ich den Traditionen meiner Vorgänger treu geblieben bin. Dem Herausgeber des Handbuchs zum AltenTestament, Herrn Prof. Eißfeldt, danke ich für die Aufforderung, den Kommentar zu schreiben, und für unermüdliche Hilfe bei seiner Ausarbeitung, die nicht nur in der Glättung des deutschen Ausdrucks, sondern auch in Ratschlägen hinsichtlich der Anordnung des Stoffs und der Beantwortung wichtiger Einzelfragen bestanden hat. Kopenhagen, Februar 1937 Aage Bentzen 3uc groeiten Auflage Im wesentlichen ist das Buch dasselbe geblieben. Ich habe mich bemüht, das in den vergangenen Jahren Erlernte einzuarbeiten und die Literaturbenutzung ä jour zu führen. Viele Kollegen haben mir dabei geholfen, vor allem H. H. Rowley, Manchester, und Baum- gartner, Basel. Die Widmung ist verdoppelt worden. Die erste Auflage war meinem Lehrer J. C. Ja- cobsen zu seinem 75. Geburtstag dargebracht, und ich konnte es nicht übers Herz brin- gen, den Namen des 1948 verstorbenen Gerechten in Vergessenheit geraten zu lassen. Aber damit habe ich meinen Dank an die Fakultät Basel, deren Lehrer des Alten Testaments, Eichrodt und Baumgartner, mir durch viele Jahre eine treue Freundschaft, auch in der Kritik meiner Arbeit, bewahrt haben, verbunden. Ich weiß, daß die Ehrung, die mir aus Basel zuteil geworden ist, auch meinem verstorbenen Lehrer und Vorgänger J. C. Jacob- sen zukommt. Kopenhagen, Februar 1952 Äage Bentzen Anleitung 1. Die Stellung des Buches Daniel im Kanon des Alten Testaments. Im palästinensischen Kanon der Juden gehört das Buch Da nicht der Sammlung der nebi'im, sondern der der Hagiographen an. In der griechischen (d.h. kirchlichen, s. meine Introduction I, S. 37 und die Zitate aus Kahle) Tradition wird es zu den Propheten ge- rechnet, cf. auch die Vulgata und die Bibelübersetzungen aus der Reformationszeit. Die Stellung unter den Hagiographen wird (z. B. noch von Young, S. 20f.; 49f.) damit er- klärt, daß Daniel nicht munus, sondern nur donum, propheticum besaß (cf. dazu Kuenen, Einleitung II, S. 582; Mich. Friedländer, Die jüdische Religion [Frankfurt/M. 1922], S. 94; Guillaume, Prophecy and Divination [London 1938], S. 196). Diese Distinktion ist ganz und gar künstlich. Das Buch vertritt die gewöhnliche prophetische Auffassung vom Welt- plan Gottes und dessen bevorstehender Realisierung; auch scheint der Verfasser zu wis- sen, was Ekstase ist (vgl. unten). Aber von den Propheten unterscheidet sich das Buch durch die ungewöhnlich große Menge traditionellen Materials. Der Verfasser ist ein Ge- lehrter, der die alten Propheten studiert und sie mit Hilfe seiner Kenntnisse alter Tra- ditionen erläutert (cf. Introduction II, S. 204). - Zu bemerken ist, daß auch von Juden Da zunächst zu den Propheten gerechnet worden ist und daß sich seine Einreihung in die Hagiographen erst später durchgesetzt hat. In den Evangelien (Mt 24 15) und bei Josephus (C. Ap. I, 40; Ant. X, 267 ff.) gilt Daniel offenbar als Prophet. Diese Auffas- sung hat also nach dem Zeugnis derBaraitha zuTalm. Babl., Baba bathra 14b-15a im 2. Jahrhundert eine Änderung erfahren (cf. Audet, JThSt 1950, S. 145, mitVerw. auf R. D. Wilson, Princeton Theol. Rev. XIII [1915], S. 352-408), wo eine sehr alte hebr.- aram.-griechische Kanonsliste untersucht wird, in welcher Da wie in © unter den Prophe- ten steht). Es wäre möglich, daß die Baraitha von der Abneigung der Rabbinen gegen die Apokalyptik beeinflußt ist. Wahrscheinlicher ist aber, daß es im Judentum verschie- dene Auffassungen über die Stellung von Da im Kanon gegeben und daß schließlich die vom Talmud vertretene gesiegt hat. 2. Übersicht über das Buch. Das Buch Da zerfällt in zwei Hälften, die Legenden von Daniel und seinen Freun- den (1-6) und die Gesichte Daniels (7-12). Bei den Erzählungen von 1-6, die - wenn man von ihrer jüdisch-legendären Färbung absieht - alle der literarischen Gattung der orientalischen „Hofgeschichten" angehören (Baumgartner, Das Buch Da [1926], S. 9), weisen Inkonse- quenzen der Darstellung (S. 17.19. 25. 41) auf, und das Nichtvorkommen Daniels in c. 3 (S. 34) zeigt, daß die Legenden einmal als selbständige Einzelerzählungen umgelaufen sind, wie denn c. 2 und c. 4, c. 3 und c. 6 (cf. zu c. 3 und 6 auch „Bei und Drache") Variationen desselben Motivs darstellen. Anderseits werden c. 1-6 durch eine Reihe von Erscheinungen 6 Einleitung doch als eine Einheit ausgewiesen: c. 5 blickt auf c. 4 zurück (5 20, cf auch 4 6 [S. 41]); in c. 2, wo im übrigen Daniel allein der Handelnde ist, werden die Freunde wenigstens nebenbei erwähnt (S. 19); im Unterschied von der überwiegend hebräisch geschriebenen zweiten Hälfte des Buches ist der Hauptteil der Legenden, 2 4 b-6 aramäisch abgefaßt ; c. 1, das offenbar nachträglich den Erzählungen von c. 2-6 als Einleitung vorangestellt ist und zum Unterschied von diesen die hebräische Sprache aufweist, setzt c. 2-6 voraus, c. 1-6 stellt also einen Legendenkranz dar, der zur Treue gegen die jüdische Religion er- mahnen will (S. 17 ff. 29. 33. 39. 55). In hellenistischer Zeit entstanden (S. 29ff. 37 f. 39) und wohl zuerst mündlich über- liefert, sind die Legenden unter Antiochos IV. Epiphanes (175-163) durch Erweiterungen (S. 31) aktualisiert und von dem Sammler im jetzigen - trotz stehengebliebener Uneben- heiten doch letztlich einheitb'chen - Buche vereinigt worden. Im übrigen weisen sie zu der Zeit dieses Königs keine besonderen Beziehungen auf, freilich auch nicht zu der Zeit, in der sie spielen, dem Exil und den ersten Jahren nach dem Exil. Einen „historischen Kern" aus ihnen herauszuschälen, gelingt nicht. Personen- und Ortsnamen, Beamtentitel und Eechtsbräuche, Datierungen und Altersangaben und ähnliche Züge, die zunächst den Eindruck zuverlässiger Erinnerung machen und von manchen auch dafür gehalten wer- den (S. 17. 34), erklären sich in Wahrheit aus dem Bestreben des oder der Verfasser, den Erzählungen Anschaulichkeit und damit den Anschein der Glaubwürdigkeit zu verleihen (S. 17). © hat denn auch neue derartige Angaben hinzugefügt (cf zu 3i, 4i). Zu diesem „Aufzählungsstil" cf A. Kapelrud,The Question of Authorship in the Ezra-Narrative [Oslo 1944], S. 26). Anders als die Legenden stellen die Gesichte von c. 9-12 Ich-Berichte Daniels dar („Ich, Daniel": 7 28 82.15.27 92 12s); nur die sie verbindenden Verse (7i lOi) reden von ihm in der dritten Person. Die Gesichte oder - denn diese Unterscheidung wird gemacht - der Traum von c. 7 und die Gesichte von c. 8-12 sind datiert, c. 7 in das erste, c. 8 in das dritte Jahr Belsazars, c. 9 in das erste Jahr des Darius und c. 10-12 in das dritte Jahr des Kyros. Wenn der Zeit des Nebukadnezar, unter dem nach c. 1-4 Daniel doch lange gelebt hat und tätig gewesen ist, kein Gesicht Daniels zugeschrieben wird, so erklärt sich das daraus, daß Nebukadnezars Traum von c. 2 eine sachlich mit den Gesichten Daniels von c. 7-12 identische Weissagung enthält, daß also tatsächlich auch unter diesem König von Gott eine entsprechende Offenbarung ergangen ist, die zudem von Daniel erraten und gedeutet worden ist. Die Gesichte, besonders c. 8 und c. 10, zeigen, daß ihr Verfasser ge- wußt hat, was Ekstase ist (G. Hölscher, Die Propheten, 1914, S. 15. 26 ff., aber auchTor Andrae, Mystikens Psykologi, Stockholm 1926, S. 249 ff.). Das besagt aber nicht, daß wir es hier mit wirklichen Visionen zu tun hätten. Vielmehr weist die Tatsache, daß sie tra- ditionelle Motive in einem solchen Umfang enthalten, wie es für echte Visionen kaum denk- bar ist, sie als fingiert aus (H. Mosbech, Fortolkningen af Johannes Aabenbaring [Uni- versitätsprogramm Kopenhagen, November 1934], S. 105f.; J. Lindblom, Studia Theo- logica I, Riga 1935, S. 16.27). F. Torm, Die Psychologie der Pseudonymität (Studien der Lutherakademie 2), 1932, S. 20 ff. (cf. Steinmann, S. 138 f.) glaubt freilich doch eine starke visionäre Begabung unseres Verfassers annehmen zu müssen. Ähnliches scheint aber auch anderswo vorzuliegen (cf die Charakteristik des ersten hermetischen Traktates bei Prümm, Religionsgesch. Handbuch, S. 550 ; und im Ganzen die Beschreibung bei Festugière, Les Révélations d'Hermès Trismégiste I [Paris 1944], S. 312 ff.). Bei der Deutung der Visionen will beachtet sein, daß sie einen gemeinsamen Hori- zont haben (cf A. Kamphausen, Daniel und die neuere Geschichtsforschung, 1893, 'S. 12, gegen P. de Lagarde, GGA 1891, S. 506): sie alle, einschließlich von c. 2, führen die Ge- schichte bis zu demselben Punkte herab, nämlich bis zu dem Augenblick, da die letzte Drangsal und der endgültige Sieg der Herrschaft Gottes unmittelbar bevorsteht. Dabei Einleitung 7 stellen sich c. 7 und c. 8, die beide von dem kleinen Horn zu sagen wissen und es in ganz ähnlicher Weise schildern, so nahe, daß man c. 8 geradezu als Erläuterung von c. 7 be- trachten kann (S. 73). c. 8 - und damit mittelbar auch c. 7 und das diesem ähnliche e r- weist zugleich Beziehungen zu c. 9-12 auf, vor allem darin, daß hier wie dort von dem „Greuel der Verwüstung" die Rede ist. Es setzen also alle Visionen den ins Jahr 167 v. Chr. fallenden Beginn der Verfolgung des jüdischen Kultus durch Antiochos Epiphanes vor- aus und haben anderseits deren, durch die Wiedereinweihung des Tempels (164 v. Chr.) markiertes Ende noch vor sich, müssen also zwischen diesen beiden Zeitpunkten entstan- den sein (cf weiter S. 8). 3. Die Gestalt des Daniel. Ez 1414.20 2 8 3 setzen Bekanntschaft mit einem als besonders gerecht und besonders weise geltenden Daniel voraus. Man hat wohl gemeint, dieser Daniel sei Zeitgenosse Hese- kiels und von ihm werde unser Buch hergeleitet. Aber Daniel wird hier neben Noah und Hiob genannt und ist offenbar wie diese als eine ferner Vergangenheit angehörende Ge- stalt gedacht. Wahrscheinlich ist er identisch mit dem Danel der Ras-Schamra-Texte (Ch. Virolleaud, La légende phénicienne de Danel, Paris 1936), der die Orakel zu hand- haben weiß und als gerechter Richter den Witwen und Waisen beisteht. Dieser Urkönig könnte hinter den atl. Traditionen, jedenfalls bei Ez, stehen. Daß eine Gestalt der Ur- zeit zum Sprachrohr der Apokalyptik wird, ist wohlbekannt (Nyberg, in Svenskt Bibliskt Uppslagsverk, Gävle 1948,1, Sp. 344). Da aber der Name auch anderswo im AT als Per- sonenname vorkommt (cf Kcehler,Lex.), wird man daneben die Möglichkeit erwägen müs- sen, daß eine Person aus der Exilszeit das Sprachrohr des Apokalyptikers ist. Dagegen spricht freilich die Gewohnheit der Apokalyptiker, berühmte Namen aufzusuchen und zu gebrauchen. Jedenfalls enthält das Buch keine historischen Nachrichten von einer solchen Person. Für die erstere Möglichkeit spricht die Erwähnung Daniels in den Ezechielstel- len. Zu den „königsideologischen" Zügen der Danielfigur (cf Nyberg a. a. 0.) könnten z. B. die Weisheit (cf dazu Introd. I, S. 170 ff.), die Bezeichnung ala'îshamûdôtJi (923, cf 10ii. 19), die griechisch überlieferten Traditionen über Daniel als Richter (Susanna) und Drachen- töter (Bei und Drache), vielleicht auch traditionelle Züge in c. 6 (cf. meine Abh. in der Bertholet-Festschrift 1950) gehören. Das alles bleiben indes einstweilen Fragen, welche gestellt werden müssen und zunächst weder mit Nein, noch mit Ja beantwortet werden dürfen (Mariani, Danel ,,il patriarca sapiente" nella Biblia, nella tradizione, nella leggenda [1945], ist mir leider nicht zugänglich gewesen; cf zuled sowie M. Noth, Noah, Daniel und Hiob in Ez XIV [Vet. Test. 1, 1951], S. 251 ff.). Daniel ist ein Ideal der „Weisheit", c. S. 21 ff. 25.29.41.51.73, cf II13. 123. Dazu gehören auch Ekstase und Inspiration (S. 73 und c. 9; meine Introd. I, S. 257—60). 4. Zeit und Ort der Abfassung des Buches. Das Buch erhebt den Anspruch, aus den ersten Jahren nach dem Exil herzustam- men, und so schreibt es die synagogal-kirchliche Tradition auch dieser Zeit zu. Aber eine damals entstandene Prophetenschrift hätte gewiß in dem erst um 200 v. Chr. abgeschlos- senen Prophetenkanon Aufnahme gefunden und wäre von dem bald nach 200 abgefaß- ten „Preis der Väter" (Sir 44-49) berücksichtigt worden. Daß beides nicht geschehen, das Buch vielmehr bei den Juden unter die Hagiographen gestellt und von Jesus Sirach mit Stillschweigen übergangen wird, erklärt sich nur, wenn das Buch damals noch nicht vorhanden war. Eine Reihe von Irrtümern über den Verlauf der babylonischen und per- sischen Geschichte (S. 19. 47 ff), die erst in den letzten Jahrhunderten v. Chr. aufgekom- mene Angelologie (cf 8 15 ff. 10) und das späte, aramaisierende und mit persischen und 8 Einleitung griechischen Fremdwörtern durchsetzte Hebräisch, des Buches (S. 38, cf. auch Steinmann, S. 26) verstärken die Zweifel an der Richtigkeit der Tradition. Die wirkliche Abfassungszeit des Buches ist durch das, was über die Bearbeitung der Legenden von c. 1-6 unter Antiochos Epiphanes (S. 6) und über das Alter der Visionen von c. 7-12 gesagt ist (S. 7), schon bestimmt. Terminus a quo ist die Rückkehr des An- tiochos von dem ägyptischen Feldzug des Jahres 168 oder genauer - denn dies Ereignis scheint 1134 schon vorauszusetzen (S. 83) - der Beginn des makkabäischen Aufstandes im Jahre 167; terminus ad quem der Tod des Antiochos im April 163 oder, da c. 11 von diesem Ereignis noch nichts weiß, wohl richtiger die Wiedereinweihung des Tempels im De- zember 164 (v. Gall, Einheitlichkeit, S. 78 ff., gegen Cornill, Die siebzig Wochen Daniels, S. 30). Diese Ansetzung wird, wie Hölscher einleuchtend gezeigt hat (ThStKr 92 [1919], S. 132 f.) durch die Zahlangaben von 814 9 27 1211.12 (S. 71.75.86) aufs schönste bestätigt. Nach den Untersuchungen Bickermanns (Der Gott der Makkabäer, S. 144) könnte die Zeit der Abfassung noch genauer bestimmt werden. Das 2 Makk 1130 zitierte Edikt der syrischen Regierung vom April 164 ist Da unbekannt, und Da 11 kennt auch nicht den Anfang 165 begonnenen Feldzug Antiochos' IV. im Osten, da 1144 keine zuverlässigen Nachrichten hi- storischer Begebenheiten gibt, sondern apokalyptische Phantasien enthält. Terminus ad quem der Abfassung des Buches würde demnach Sommer 165 sein, und das Buch wäre dann 166 oder 165 redigiert worden. Die aramäische Sprache von c. 2-7 bleibt bei der Ansetzung des Buches besser außer Betracht, da neuere Untersuchungen (Baumgartner, ZAW 45 [1927], S. 123-33; Schae- der, Iranische Beiträge I, 1930) ergeben haben, daß sich ihre Zeit nicht eindeutig bestim- men läßt. Ebenso läßt man bei der Frage nach der Heimat des Buches das Aramäische besser aus dem Spiel. Denn die frühere Annahme, die uns erhaltenen aramäischen Texte ließen sich mit Sicherheit auf einen west- und einen ostaramäischen Sprachzweig auftei- len, hat sich als undurchführbar erwiesen (cf. außer Baumgartner und Schaeder noch Gins- berg, AJSL 50 [1933/34], S. lff.; 52 [1935/36], S. 95 ff. und Rosenthal, Die aramaistische Forschung, S. 24ff.). Nach den obigen Ausführungen bedarf es aber auch für die zeitliche Ansetzung des Buches der Berücksichtigung des Aramäischen nicht, und dasselbe gilt von der Bestimmung seiner Heimat. Höchstens könnte die Theorie vom „Reichsaramäischen" gegen die traditionelle Datierung in der Zeit vor Darius I. ins Feld geführt werden (gegen Young, S. 22 f.). Ich würde doch meinen, daß S. R. Drivers bekanntes Urteil über diese Frage in seiner Introduction, S. 508 in der Hauptsache noch gültig ist. Die am baby- lonischen und persischen Hof spielenden Legenden von c. 1-6 zeigen mit aller Deut- lichkeit, daß diese mindestens dem Stoffe nach aus der jüdischen Diaspora des Ostens stammen (cf. Baumgartner, ThR, S. 125 f.). Anderseits weisen die Visionen, die das Ge- schick der palästinischen Judenschaft zur Zeit des Antiochos zum Gegenstand haben, ohne Zweifel auf Palästina als ihre Heimat hin, wie sie dies denn auch „Land der Pracht" nen- nen (89 II16.41), und hier hat gewiß auch die ja auf dasselbe Geschick hinzielende Be- arbeitung der Legenden (S. 6) stattgefunden. Das Buch als ganzes ist also sicher in Palästina entstanden. 5. Form, Sprachwechsel und Einheitlichkeit des Buches. Das Buch ist_ hauptsächlich in Prosa geschrieben. Die metrischen Analysen, welche aus der ersten Auflage dieses Kommentars beibehalten worden sind, dürfen nur als Ver- suche betrachtet werden. Ich habe den Eindruck, daß der Erzähler - wie andere Erzähler des AT - die Gewohnheit hat, an geeigneten Stellen in gehobene rhythmische Prosa über- zugehen. Ein trotz aller daran gewendeten Mühe immer noch ungelöstes Rätsel bleibt der Einleitung 9 Sprach Wechsel, also dieTatsache, daß 11-2 4 a und c. 8-12 hebräisch, 2 4 b-7 aber aramäisch abgefaßt sind. Sehr verbreitet ist die Annahme, daß der zur Zeit des Antiochos Epiphanes lebende Verfasser unseres Buches c. 1-7 in der Tradition aramäisch vorgefunden und sie - mit Ausnahme des ins Hebräische umgesetzten c. 1 - so belassen hat, um dann die auf ihn selbst zurückgehenden Stücke (c. 8-12) in hebräischer Sprache hinzuzufügen (cf. Duhm, Israels Propheten2, 1922, S. 412; Rowley, ZAW 50 [1932], S. 256ff.; Eißfeldt, Einleitung, S. 581). Dabei könnte sich dieTatsache, daß er selbst hebräisch und nicht aramäisch schrieb, aus der seine Zeit und ihn selbst beseelenden nationalen Hochstimmung erklären (Noth, ThStKr 98 [1926], S. 160), eine Erklärung, die auch wohl die Umsetzung des Anfangs der Legenden (c. 1) ins Hebräische verständlich machen könnte. - Aber auch andere Er- klärungsmöglichkeiten sind vorgeschlagen. Young erklärt z. B. den Sprachwechsel so, daß Aramäisch in den Abschnitten verwendet wird, wo die Schicksale der Heiden offen- bart werden, weil diese Sprache ihnen geläufig war, während Hebräisch in den Kapiteln erscheint, wo der Inhalt der aramäischen Kapitel den Juden erläutert wird. Auch Über- setzungstheorien sind in mehreren Gestaltungen vorgelegt worden. Wenn Ps 14513 ein Zitat aus 333 4 31 enthalten sollte, wäre Hebräisch als die Originalsprache der Legenden anzunehmen. Aber der Psalmvers stellt eine gangbare hymnische Wendung dar und kann daher nicht als ein Zitat aus einem Prosazusammenhang gelten. In neuester Zeit wird für c. 8-12 vielfach eine ursprünglich aramäische Form angenommen (Charles; Zimmermann, JBL 57 [1938], S. 255ff.; 58 [1939], S. 349ff.; L. Ginsberg, Studies in Daniel [New York 1948], cf. Studies in Koheleth [1950], S. 41 f.; Steinmann, S. 26; aber cf. Baumgartner, ThR, S. 65 u. 79 und Rowley, JBL 1949, S. 173 ff. u. 1950, S. 201 ff.). Diese scharfsinnigen Untersuchungen haben jedenfalls darin recht, daß sie den starken aramäischen Charak- ter des Da-Hebräischen unterstreichen und damit die späte Entstehungszeit des Buches dartun. Ob sie aber mehr zeigen können, als daß der Verfasser aramäisch dachte, muß vorläufig dahingestellt bleiben. Zu erwägen wäre, ob nicht eine Art von „Fragmenten- theorie" hier die Lösung bringen könnte. Die sprachliche Buntscheckigkeit des Buches könnte eine Folge der verwirrten Verhältnisse während der Verfolgungszeit sein. Diese hät- ten es mit sich gebracht, daß einige Teile des Buches aramäisch, andere in einem aramai- sierenden Hebräisch umliefen, und die verschiedenen Stücke wären dann, so gut es ging, zusammengeflickt worden. Dabei muß auch daran erinnert werden, daß einige Elemente der Danieltraditionen sogar nur in griechischem Gewand erhalten sind. Diese Auffassung würde bedeuten, daß wir das Buch nicht mehr in seiner ursprünglichen Gestalt haben, sondern nur in einer auf Grund mangelhafter Exemplare vorgenommenen Rekonstruk- tion. Die Annahme der Rückübersetzung einiger Teile des Buches ins Hebräische zwecks Kanonisierung (so noch Ginsberg, Studies, S. 38) ist unwahrscheinlich. Das Buch ist aber trotz aller mit seiner Vorgeschichte gegebenen Unebenheiten eine Einheit und will als solche sowohl nach der formal-literarischen, als auch nach der inhaltlich- religiösen Seite hin gewürdigt sein (cf. v. Gall, Einheitlichkeit; Rowley, Darius, S. 175ff.; HUCA Anniv. Publ. 1950/51, S. 233 ff; Pfeiffer, Introd. S. 760ff.). Hinsichtlich der ersteren schließt die Annahme der wesentlichen Einheit des Buches eine - wohl meist mündliche - Vorgeschichte der Legenden ebensowenig aus, wie sie das Vorliegen von Anzeichen ver- schiedenen Alters in den einzelnen Geschichten bestreitet. So nötigen die von Rowley, JThSt (1937), S. 426 gemachten Einwände gegen die in der ersten Aufl. dieses Kommen- tars vertretene Auffassung von sümpönjäh gewiß zu einer späteren Datierung (cf. unten S. 38). Aber sie erzwingen nicht die Makkabäerzeit als Abfassungsdatum und schließen auch die Annahme yon Aktualisierungen wie die von 2 4i b-43 nicht aus (cf. Baumgartner, ThR, S. 76 und Eißfeldt, Einleitung, S. 574ff., deren Betrachtungen doch wohl auch gegen- über Rowleys neuesten scharfsinnigen Überlegungen ihre Geltung behalten; cf. auch Ny- berg, Svenskt Bibl. Uppslagsverk I, S. 345). Die Einheit des Buches (die von Rowley, 10 Einleitung HUCA 1950/51 eindrücklich unterstrichen wird) ist von dem makkabäischen Sammler und Bearbeiter des älteren Materials geschaffen; seine Hand spürt man überall, sein Geist hat das Werk belebt. - Was die inhaltlich-religiöse Einheitlichkeit des Buches angeht, so trifft es gewiß zu, daß sich seine auf genaue Berechnungen gestützten Erwartungen von dem unmittelbar bevorstehenden Anbruch der Herrschaft Gottes nicht erfüllt haben, und Baumgartner hat recht (Das Buch Daniel S. 40), wenn er derartige Rechenkunststücke als einen Irrweg des Gottvertrauens bezeichnet, den man Phantasten wie den „Zeugen Jehovas" überlassen kann (E. W. Heaton, His Servants the Prophets, London 1949, S. 12). Das einzig Positive, was man über die Berechnungen sagen kann, ist wohl, daß sie ein zeitbedingter Ausdruck des Glaubens an den Weltplan des gerechten Gottes sind, der ein packendes Gegenstück gibt zu dem zerfahrenen W eltbild des Hellenismus mit seiner ner- venzerreißenden Resignation gegenüber dem schicksalsbeherrschten Zufall, der Tyche, welche, ,1a Désordre personnifiée' ' ist (Festugière, Hist. Générale des Religions, ed. Gorce et Mortier, Grèce-Rome [Paris 1944], S. 124-126; cf. La Sainteté Paris [1942], S. 58 ff. [My- thes et Religions, herausg. v. Couchoud, Bd. 9] über griechisch-römische Reaktionen da- gegen, welche das christliche Märtyrerbild vorbereiten). Die Gefahr einer eschatologisch gerichteten Geschichtsauffassung, so berechtigt und so notwendig sie auch ist, ist immer, daß sie sich leicht in einem „Escapismus" verwandelt, in eine Flucht in die Zukunft und in die Welt der Wunschträume, die „den Gott der Wünsche" über „den Gott der ge- schichtlichen Notwendigkeit" (Wellhausen zu Arnos 9) triumphieren läßt. Diese Gefahr liegt auch den Geschichten nicht fern, die von der wunderbaren Rettung der Märtyrer aus allen Gefahren handeln: Hier sieht man nur selten und andeutungsweise der Mög- lichkeit in die Augen, daß die äußere Rettung nicht eintreten könnte (cf. aber 3is), aber Gott dennoch Gott bleibt. Das ist erst in der synoptischen Leidensgeschichte, besonders bei Markus, in voller Klarheit ausgesprochen. Aber es bleibt doch wahr, daß es echtes Gott- vertrauen ist (cf. Ed. Meyer am Schluß seiner Abhandlung über die demotische Chronik in SAB 1915), das unseren Verfasser und sein Buch beseelt. Insofern setzt er trotz aller von ihm aufgewendeten Gelehrsamkeit und trotz seiner Zufluchtnahme zu einem Pseu- donym - beides den alten Propheten fremde Züge (cf. Eißfeldt, Einleitung, S. 582) - die Höhenlinie der alten Prophetie fort. 6. Die Septuaginta-Übersetzung. Die Septuaginta-Übersetzung, in der unser Buch unter den Propheten steht, bietet der Forschung schwierige Probleme. Während hier c. 1-3. 7-12 - abgesehen von den apo- kryphen Zusätzen (cf. Eißfeldt, Einleitung, S. 644 ff.) - einigermaßen mit dem Urtext über- einstimmen, sind in c. 4-6 sehr erhebliche Unterschiede vorhanden (cf. Jahn und dazu Nestle, ThLZ 1906, Sp. 97 ff.). Wir finden in diesen Kapiteln der @ eine Auffassung der Daniel gegenüberstehenden Heiden, die mehr der Betrachtung der Makkabäerzeit ent- spricht, wo die heidnischen Könige deutlich als Feinde betrachtet (cf. S. 32. 39. 44. 53) und die anderen Gegner Daniels noch mehr angeschwärzt werden. Die Kapitel scheinen hier in einer Fassung vorzuliegen, welche stärker von den Gegensätzen der Makkabäerzeit geprägt sind. Uberhaupt hat es den Anschein, daß © eine Textform repräsentiert, deren Abweichun- gen von der „Hebraica Veritas" vielfach auf mündliche Überlieferung zurückgehen könnte. Eben wegen dieser Abweichungen der © von der Hebraica Veritas ist sie bald von der Übersetzung des Theodotion (0) verdrängt worden, so daß uns © bisher nur in einer dem 11. Jahrhundert entstammenden Handschrift, dem codex Chisianus, einer Wiedergabe des Textes der Hexapla des Origenes, und - mittelbar - in der von Paulus von Telia 'gefer- tigten syrischen Übersetzung des hexaplarischen Textes erhalten war. Die in vieler Hin- sicht so bedeutsamen Chester-Beatty-Papyri haben nun dieser späten und mittelbaren

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