Gerhard Habicht Care Sharing Von der Angehörigenpfl ege zur Selbsthilfe in sorgenden Gemeinschaften Care Sharing Gerhard Habicht Care Sharing Von der Angehörigenpflege zur Selbsthilfe in sorgenden Gemeinschaften Gerhard Habicht Allensbach, Deutschland ISBN 978-3-658-17844-4 ISBN 978-3-658-17845-1 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-17845-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 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Lektorat: Margit Schlomski Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Für Svetlana. Ohne sie gäbe es weder Care Sharing noch dieses Buch Warum dieses Buch? Die Familien stehen bei der Pflege ihrer Angehörigen mit dem Rücken zur Wand, weil sie immer kleiner und die Pflegebedürftigen immer zahlreicher werden. Die poli- tisch Verantwortlichen wissen das längst. Sie haben keinen Plan B, erwecken aber den Anschein, als hätten sie alles im Griff. Die Bürger leisten Bewundernswertes in ihren Familien, aber die demografische Entwicklung fordert ihren Tribut. Zeit, die aktuelle Situation unter die Lupe zu nehmen, bestehende Versorgungstrukturen zu hinterfragen und mögliche Perspektiven auszuloten. Mit Care Sharing möchte ich Ihnen ein Konzept vorstellen, das versucht, brachliegende gemeinschaftliche Strukturen mit den tech- nischen Neuerungen der Digitalisierung zu kombinieren. Care Sharing ist ein radikales Selbsthilfe-Konzept für eine runderneuerte Angehörigenpflege. Es besteht im Kern darin, das Helferpotenzial zu verbreitern und den VII VIII Warum dieses Buch? Pflegealltag für alle Beteiligten zu erleichtern. Die Auf- bauphase ist kurzfristig umsetzbar und besteht aus einer Internetplattform, die den Pflegealltag bestehender Hel- ferteams vereinfachen und es der Gesellschaft ermöglichen soll, zur Mitakteurin der Pflege-Selbsthilfe zu werden. In der zweiten Phase sollen sorgende Gemeinschaften aufge- baut werden, die verloren gegangene Solidarfunktionen der Familien ersetzen sollen. Die beiden Grundpfeiler von Care Sharing könnten innerhalb eines Zeitfensters von etwa 5 Jahren weitgehend errichtet sein. Die demografische Entwicklung verheißt nichts Gutes und es scheint, als kämpfe man hier gegen Windmühlen an. Aber ein statisches Fortschreiben vergangener Ent- wicklungen in die Zukunft verkennt den Charakter der Zeit, in der wir leben. Das Buch wird zeigen, dass wir vor großen Umwälzungen stehen, die alles um uns herum in Mitleidenschaft ziehen werden. Leider ist die Angehö- rigenpflege in keiner Weise darauf vorbereitet. Um den Familien zu helfen, muss man verstehen, wie sie ticken. Um das Helferpotenzial zu verbreitern, muss man es ken- nen und eine Vorstellung von den Herausforderungen haben. Das archaische Verständnis von Helfen muss in die Neuzeit transformiert und die vielen Stolpersteine, die uns am Helfen hindern, müssen identifiziert und überwunden werden. Mancher mag sich fragen, ob man für die Pflege von Angehörigen so abstrakte Themen wie die Gabenwirtschaft bemühen oder einen Bogen von der Industrialisierung zur Digitalisierung schlagen muss. Aber daran führt kein Weg vorbei – wer sich mit den kleinen privaten Gemeinschaften befasst, der landet überraschend schnell bei deren archaischen Ursprüngen. „Wir haben Warum dieses Buch? IX steinzeitliche Gefühle, mittelalterliche Institutionen und eine gottgleiche Technik.“ So bringt der Biologe Edward O. Wilson die Spannweite unserer alltäglichen Heraus- forderungen auf den Punkt. Das ist negativ und positiv zugleich. Das bedeutet: Wir schleppen sowohl das Prob- lem als auch die Lösung mit uns herum. Der vom Thema diktierte etwas ausladende Erzählbo- gen erfordert entweder ein ausladendes Buch oder gewisse Verkürzungen. Insofern könnte der Holzschnitt als Vor- bild für das vorliegende Buch dienen: Grobe Verbindungs- linien, die sich erst bei entsprechender Distanz zu einem facettenreichen und der Wirklichkeit nahekommenden Gesamtbild zusammenfügen. „Mache die Dinge so ein- fach wie möglich, aber nicht einfacher“ lautet eine Forde- rung von Albert Einstein. Dieses Buch versucht daher, die komplexe Realität auf ihren Wesenskern zu reduzieren und deren Grundbotschaften soweit es geht zu vereinfachen – eben bis zu jener Stelle, wo die die Aussagen drohen, in Simplifizierung umzuschlagen. Dieses Buch ist weder links noch rechts. Wenn man ihm etwas vorwerfen kann, dann seine Skrupellosigkeit, mit der es sich aus dem Fundus der Sozialwissenschaften bedient. Von Belang ist, was in den Kontext passt und aufgenommen wird, was zu Lösungsansätzen beitragen könnte. Aber die Vorgehensweise war alternativlos, denn die Privatsphäre und kleine Gemeinschaften sind von der Wissenschaft bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Es ist dem Autor nichts übrig geblieben, als Koryphäen aus verwandten Disziplinen in den Zeugenstand zu rufen, an denen man sich orientieren und reiben kann. Das Buch verlangt daher dem Leser einiges ab. Wer sich auf X Warum dieses Buch? Angehörigenpflege einlässt, muss auf einiges gefasst sein. Dies mag für manche überraschend sein, aber Beziehungs- geflechte, die in der Privatsphäre verwoben sind, sind wirklich schwer zu entwirren. Greift man einzelne Fäden auf und denkt sie zu Ende, landet man schnell an überra- schenden Orten. Was sich Care Sharing vorgenommen hat, ist alles andere als banal. Dass die Bürgergemeinschaft die Dinge wieder selbst in die Hand nimmt, ist natürlich schwer vor- stellbar. Aber die neue Angehörigenpflege im Sinne von Care Sharing hat zwei Pfunde, mit denen sie wuchern kann: Technik und gesunder Menschenverstand. Wir Men- schen sind die Großmeister der Anpassung. Wir werden wohl auch diese Herausforderung anzunehmen wissen. Teil I des Buches nennt die Fakten und versucht, die zentralen Herausforderungen für die Angehörigenpflege herauszuarbeiten. Teil II zeigt, dass in den Familien eine verdeckte Form von Geben und Nehmen praktiziert wird, deren Potenzial gehoben werden muss. Danach können wir die Hürden beseitigen, die uns bisher davon abgehal- ten haben, die demografische Herausforderung zu schul- tern. Teil III legt die Triebkräfte offen, die unsere nahe Zukunft prägen, und beschreibt, wie Care Sharing die künftige Angehörigenpflege gestalten wird. Teil IV nimmt unser Sozialsystem unter die Lupe und beschreibt, wie unsere Bürgergemeinschaft das Heft wieder in die Hand bekommen könnte. Inhaltsverzeichnis Teil I Sorglose Gemeinschaft 1 Warum wir uns sorgen sollten 3 1.1 Der demografische Wandel spitzt sich zu 4 1.2 Demografie und Pflege 7 1.3 Zur häuslichen Pflegesituation 11 2 Sorglos wirkende Gemeinschaften 19 2.1 Ratlose Verantwortungsträger 20 2.2 Wo bleibt die Gemeinschaft? 27 2.3 Der vergessene Bürger 37 2.4 In der Blase 42 XI