Valerie Moser Bildende Kunst als soziales Feld Kultur und soziale Praxis Valerie Moser (Dr. phil.) ist Soziologin und lebt in Berlin. Ihre Forschungs schwerpunkte sind Kunst-und Kultursoziologie, Arbeitssoziologie, Feldanalyse und qualitative Sozialforschung. VALERlE MosER Bildende Kunst als soziales Feld Eine Studie über die Berliner Szene [ transcript] Diese Publikation wurde gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung. Dissertation der Technischen Universität Darmstadt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deut schen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ jdnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Sielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages ur heberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfaltigungen, Überset zungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Sys temen. Umschlagkonzept Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © Nihad Nino Pusija, www.fotofabrika.de Lektorat: Valerie Moser Satz: Ulf Heidel, Berlin (www.lektorat-ulf-heidel.de) Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2331-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http:j jwww.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected] Inhalt I Vorwort 7 AUSGANGSPUNKT: FORSCHUNGSKONTEXT, METHODOLOGIE UND METHODIK Einleitung I 13 Kunstsoziologie heute I 19 Empirisches Forschen mit Pierre Bourdieu I 33 Das Konzept der sozialen Felder und das künstlerische Feld 134 Die praxeologische Erkenntnisweise I 39 Das qualitative Interview I 44 Das Forschungsdesign I 47 Die Fragestellung I 47 Das Datenmaterial I 49 Das Erhebungsinstrument I 53 Das Untersuchungsfeld I 56 DIE EMPIRISCHE STUDIE: DAS SOZIALE FELD DER BILDENDEN KUNST IN BERLIN Die Strukturdaten I 63 Die staatliche Kunstförderung I 64 Die Ausstellungsorte zeitgenössischer Kunst I 85 Der Kunstmarkt I 90 Bildende Kunst als Beruf I 96 Die Akteure 1105 Max Corbach: Der staatliche Museumsleiter I 105 Matthias Claas: Der staatliche Kurator I 111 Gustav Emmerich: Der Galerist mit Startkapital I 119 Gita Eshwar: Die Künstlerin als Galeristin 1127 Patricia Falkenstein: Die freie Kunstwissenschaftlerin 1135 Paul Fadani: Der kritische Intellektuelle 1144 Viola Brenner: Die Geschäftsführerin eines Kunstvereins 1150 I Ruben Dietlich: Der Kunstraumleiter I 57 I Karin Appl: Die Malerin und ihr Geist 164 Karohne Aigner: Die Malerin und ihr Körper I I 72 Kathrin Amling: Die intellektuelle Künstlerin 1180 Karsten Aschenbach: Der gesellschaftskritische Künstler 1186 I Kendra Aurich: Die politische Künstlerin 194 I Klemens Adler: Der Performancekünstler 203 Klaus Arnold: Der Kunst-Handwerker 1211 I Khadir Amar: Der afrikanische Künstler 222 I Die »Positionen« 231 I Das staatliche Museum 231 Der primäre Kunstmarkt I 239 I Die institutionelle Freiheit 245 I Der öffentliche Raum 253 I Der soziale Raum 260 I Die »Positionen« in der bürgerlichen Gesellschaft 269 I Das staatliche Museum und sein Bildungsauftrag 269 Der primäre Kunstmarkt und seine Repräsentationsfunktion I 280 I Das Streben nach Freiheit 285 I Die Kunstvereine und ihre aufklärende Mission 293 Die Ökonomisierung staatlicher Kunstförderung I 299 I Der »Glaube« 305 5CHLUSSBETRACHTUNG: DIE STRUKTUR DES BERLINER KUNSTFELDES I Die Differenzierungslinien 315 I Die staatliche Strukturförderung und die Kultur Deutschlands 316 I Das Galeriengeschäft und das großbürgerliche Selbstverständnis 319 Die staatliche Wirtschaftsförderung und die Idee I vom kreativen Menschen 320 I Die Autonomie der Kunst und die akademische Elite 323 I Die Ökonomisierung und der Kampf um kulturelle Werte 327 I Literaturverzeichnis 331 Vorwort Ausgangspunkt der vorliegenden Studie sind Erkenntnisse und Erfahrungen, die ich in meiner qualitativen Untersuchung eines Wiener Kunstfestivals gewonnen habe. Diese weckten bei mir das Interesse, die gesamte Kunstszene einer Stadt soziolo gisch zu erfassen, zu begreifen und zu beschreiben. Für diese Forschung wählte ich als Untersuchungsfeld das Kunstgeschehen in Berlin. Die Perspektive, die ich dabei einnehme, resultiert aus Beobachtungen, die ich entlang der folgenden Aussage ei ner Wiener Künstlerin skizzieren möchte. Am Beginn habe ich mir gedacht, quasi als Experiment, etwas zu versuchen an einem Ort, an dem in dem Sinne keine Kunst stattfindet, also vor allem sehr stark abseits von etablierten Or ten. Bereits im ersten Jahr hatte ich quasi als Zugpferde verschiedene Galerien eingeladen teilzunehmen. Und ich war ziemlich überrascht, dass die Galerien so starke Bereitschaft ge zeigt haben mitzumachen. Zunächst hatte ich nicht wirklich vor, das Festival weiterzuführen, aber es kam dann der Wunsch vor Ort von den Kaufleuten und von der Wirtschaftskammer, die natürlich wiederum andere Interessen verfolgt haben. Aber daraus ist eine relativ gute Kooperation entstanden. Die Wirtschaftskammer hat geholfen, die Basis des Projektes zu fi nanzieren und auch teilweise mitzuorganisieren, was mir sehr stark entgegengekommen ist. Na ja und so hat sich das von einem Jahr zum anderen weiterentwickelt und wurde immer stärker zu einem sogenannten >Public Art Projekt<. Die Yernetzungen vor Ort, zum Beispiel mit der Gebietsbetreuung oder mit den Wiener Kinderfreunden, haben sich gut entwickelt. Ich habe auch immer mehr versucht, die Kaufleute und die Geschäftsleute einzubeziehen, was ein recht schwieriger Prozess ist. Dieses Jahr ist es ganz gut gelaufen, weil wirklich was los war und alle ein gutes Geschäft gemacht haben. Und langsam bauen wir auch Kontakt zu tür kischen Marktverkäufern auf. Das ist auch ziemlich schwierig teilweise, weil es doch so ver schiedene Welten sind, die kaum miteinander in Berührung kommen. Aber es gab so einen Aufwertungsprozess, an dem auch Marktbetreiber beteiligt waren und so sukzessive erreicht man dann auch andere Leute. (Krista Albrecht, K22: 1) I 8 BILDENDE KUNST ALS SOZIALES FELD Die lnitiatorin des Festivals erwähnt sowohl Kooperationen und Vernetzungen, als auch Abgrenzungen und »verschiedene Welten«. Die Wahl des Ortes ist für sie eine bewusst vollzogene Abgrenzung zu Orten, an denen etablierte Kunst ihren Platz, ih re Institutionen im städtischen Raum hat. Als verbindendes Element zwischen ei nem Ort, an dem »keine Kunst stattfindet«, und der Kunstszene lädt sie Galerien ein. Die Kooperationen mit der Wirtschaftskammer und den Betreiber/-innen von Geschäften und Marktständen und die Vemetzung mit ansässigen sozialen Einrich tungen zeigen, dass ihre primäre Intention auf den städtischen Raum bezogen ist. Sie spricht von einem »Aufwertungsprozess«, führt das Festival fort, weil der an sässige Einzelhandel davon profitiert und das Festival als »Stadtentwicklungspro jekt« von der Wirtschaftskammer und der Stadt Wien finanziell unterstützt wird. Neben dem zweiwöchigen >Event< fördert sie vor allem langfristige Kunstprojekte in Zusammenarbeit mit lokal agierenden Sozialarbeiter/-innen. Nicht zuletzt spricht sie von den »verschiedenen Welten«, in denen die »türkischen Marktverkäufer« und sie leben und betont ihre Bemühungen, die Hemmschwelle und Grenze zwi schen diesen Welten zu überwinden. In der Selbstdefinition ihres Festivals werden Grenzziehungen, werden gesell schaftliche Strukturen sichtbar. Sie markiert soziale Gruppen und »verschiedene Welten«, benennt Institutionen und Einrichtungen, unterscheidet etablierte Kunstor te von kunstfreien Orten und positioniert sich als aktive Gestalterin dieser Struktu ren. Vehikel ihrer Gestaltungskraft ist die Kunst, die für sie das Potential in sich trägt, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessem. Es zeigt sich, dass die Sichtweisen dieser Künstlerin Aufschluss geben über ihren Kunstbegriff, ihr Selbstverständnis als Künstlerin, aber auch über die Grenzen zwischen Kunst und Nicht-Kunst und die sozialen wie strukturellen Einflüsse auf die künstlerische Pra xis. Ferner wird deutlich, dass -will man das Kunstgeschehen soziologisch begrei fen - sowohl die Menschen und ihre Weltsichten und Handlungen als auch die Struktur, Funktion und Bedeutung von Institutionen und Einrichtungen erfasst wer den müssen. Mit dieser Forschungsperspektive beziehe ich mich auf Pierre Bourdi eus Konzept der sozialen Felder. In seinem Sinne begreife ich das Kunstgeschehen als eigene »soziale Welt«, deren Struktur von den Menschen aktiv gelebt wird, ge nauso wie sie in den Institutionen und Dingen verankert ist. Ziel meiner Forschung ist, diese »soziale Welt«- das soziale Feld der Kunst-als eine Welt zu ergründen, die genauso spezifisch ist wie sie stets mit den anderen Welten verwoben und Teil der Gesellschaft bleibt. Deshalb wählte ich als Untersuchungsgegenstand für die vorliegende Studie keinen Teilbereich der Kunstszene. Vielmehr analysiere ich das Kunstgeschehen in Berlin. Ich stelle mir die Frage, was das Berliner soziale Feld der Kunst ist. Wo liegen die Grenzen? Was gilt als Kunst und was nicht? Was und wer gehört dazu, was und wer nicht? Wer grenzt sich von wem ab und wer fühlt sich zu wem oder was zugehörig? Wie ist ein solches Feld strukturiert? Welche Machtverhältnisse herrschen vor? 19 VORWORT Ein Promotionsstipendium der Hans-Böckler-Stiftung bot mir die Freiheit nach Berlin zu ziehen und dieses Vorhaben umzusetzen, weshalb ich der Stiftung zu gro ßem Dank verpflichtet bin. Eine qualitative Studie lebt vom Vertrauen und der Of fenheit der Interviewpartnerl-innen. An nächster Stelle gilt daher mein Dank den Künstlerl-innen und Kunstakteuren, die mir Einblicke in ihre Welt ermöglichten. Die vorliegende Arbeit wurde an der Technischen Universität Dam1stadt als Disser tation angenommen. Mein ganz besonderer Dank kommt meiner wissenschaftlichen Betreuerirr Beate Krais zu, die sich immer wieder intensiv mit meiner Arbeit ausei nandersetzte und sich mit mir in vielen Stunden darüber austauschte. Martina Löw danke ich für ihr engagiertes Gutachten. Sandra Beaufays hat mich nicht nur ermu tigt, diese Dissertation zu schreiben, sie hat auch maßgeblich zu ihrem Verlauf und ihrer Fertigstellung beigetragen, wofllr ich ihr außerordentlich dankbar bin. Nicht nur die finanzielle Absicherung, sondern auch das ideelle Förderangebot der Hans Böckler-Stiftung und der Austausch mit anderen Stipendiaten und Stipendiatinnen trugen entscheidend zum erfolgreichen Abschluss bei. Insbesondere Mare Gärtner, Jana Günter, Anja Pannewitz und Victoria Schnier danke ich für ihre stets konstruk tive Kritik und unsere aufmunternden und ermutigenden Arbeitstreffen. Silke Feld hoff und Carla Ortheu warfen vor dem Hintergrund ihres kunstspezifischen Exper tenwissens immer wieder einen genauso kritischen wie interessierten Blick auf meine Arbeit, woflir ich ihnen sehr dankbar bin. Meine Teilnahme an den Kolloqui en von Beate Krais und von Hildegard Maria Nickel sorgte für die notwendige wis senschaftliche Einbettung meiner Studie. In den darin stattfindenden Diskussionen habe ich viel gelernt, weshalb ich allen Teilnehmerl-innen zu Dank verpflichtet bin. Dem Team von audiotranskription.de und dem Lektor Ulf Heide! danke ich für ihre professionelle Arbeit. Rudolf Richter möchte ich an dieser Stelle nochmals für mei ne soziologischen Leh1jahre an der Universität Wien danken. Das Fundament mei ner Promotionszeit bildet die Unterstützung von Seiten meiner Familie. Von gan zem Herzen danke ich Alexander Haas, der nicht nur jeden Gesprächs-und Diskus sionsbedarf geduldig und voll ungebrochenem Interesse an meiner Arbeit erwidert hat, sondern auch die Betreuung unseres Sohnes übernommen und mir damit die nötige Arbeitszeit em1öglicht hat. Meinen Eltern Ingrid Moser und Gerhard Carl Moser danke ich herzlich, dass sie mir in vielerlei Hinsicht den Rücken freigehalten und immer wieder von neuem gestärkt haben. Nicht zuletzt möchte ich Gerlinde Haas und Herbert Haas für ihre vielseitige und umfangreiche Hilfe danken. Valerie Moser