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Beobachtung von Wetter und Klima und deren Auswirkungen in Nassau im 19. Jahrhundert PDF

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Jb. nass. Ver. Naturkde. 136 S. 43-52 2 Abb. Wiesbaden 2015 Beobachtung von Wetter und Klima und deren Auswirkungen in Nassau im 19. Jahrhundert JOHANNES HOFMEISTER Nassau, Klima, Wetter, Medizin, Landwirtschaft, Forstwirtschaft Kurzfassung: Bereits im späten 18. und frühen 19. Jh. und somit lange bevor sich die Meteorologie als eigenständige wissenschaftliche Disziplin etablieren konnte, gab es im ehe- maligen Herzogtum Nassau Einrichtungen, die sich mit meteorologischen und klimatischen Fragestellungen beschäftigten. Der Beitrag vermittelt anhand von Beispielen einen histori- schen Überblick über die Bemühungen im Bereich der Medizin, der Land- und der Forstwirt- schaft, systematisch Wetterdaten und -ereignisse zu sammeln und ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, auf die Ernteerträge oder auf die Forstbestände zu erfassen. Observations of weather and climate and their impacts in Nassau during the 19th century Nassau, climate, weather, medicine, agriculture, forestry Abstract: Already in the late 18th and the early 19th century and thus long before meteo- rology has been able to establish itself as an independent scientific discipline, in the former Duchy of Nassau facilities were concerned with meteorological and climatic questions. By means of examples this article provides a historical overview of efforts in medicine, agricul- ture and forestry to collect systematically weather data and events and to identify and esti- mate the impacts on human health, crop yield, and forests. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ........................................................................................ 43 2 Historischer Rückblick anhand von Beispielen ............................... 44 2.1 Medizinische Beobachtungen ......................................................... 44 2.2 Landwirtschaftliche Beobachtungen ............................................... 46 2.3 Forstwirtschaftliche Beobachtungen ............................................... 49 3 Literatur ........................................................................................... 51 1 Einleitung Der Verein für Naturkunde im Herzogtum Nassau hat im Jahr 1842 an Statio- nen in Wiesbaden, Kronberg und Neukirch mit regelmäßigen meteorologischen Instrumentenmessungen begonnen und die Ergebnisse ab 1844 in seinen Jahr- büchern veröffentlicht. Doch bereits zuvor haben sich im ehemaligen Herzog- 43 JOHANNES HOFMEISTER tum Nassau andere Einrichtungen wissenschaftlich mit meteorologischen und klimatologischen Fragen auseinandergesetzt, was regelmäßige Messungen mit einschließt. Bevor sich die Meteorologie als eigenständige Wissenschaft etab- lieren konnte, waren meteorologische und klimatologische Fragestellungen Ge- genstände anderer Disziplinen. Die folgenden Kapitel gewähren anhand mehre- rer Beispiele einen historischen Rückblick auf die Bemühungen der Medizin, Landwirtschaft und Forstwirtschaft, auf dem Territorium des früheren Herzog- tums Nassau Witterung und Klima sowie insbesondere deren Auswirkungen wissenschaftlich zu erfassen. 2 Historische Übersicht anhand von Beispielen 2.1 Medizinische Beobachtungen Eine systematische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Witterung und Klima aus medizinischer Sicht fand im deutschsprachigen Raum ab dem späten 18. Jh. statt. Bevor in der Medizin Erkenntnisse über Mikroorganismen als Krankheitserreger vorlagen und Einfluss bekamen, hatte man eine starke Ab- hängigkeit des Gesundheitszustands der Menschen von der Witterung ange- nommen. Daher waren bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. hinein regelmäßige meteorologische Beobachtungen durch Ärzte üblich, aus denen wiederum Rückschlüsse auf das lokale und regionale Klima gewonnen werden konnten. Auf eigene empirische Beobachtungen wurde hierbei großer Wert gelegt. Diese klimatischen Verhältnisse und der vermeintliche Einfluss von Witterung und Klima auf die Gesundheit wurden zusammen mit weiteren geographisch-lan- deskundlichen Fakten (z. B. Naturraum, Bevölkerung) eines Ortes oder einer Region in einer sogenannten "medizinischen Topographie" veröffentlicht (FI- SCHER 1928: 36 ff.; HENNIG 2010: 115 f., 132). Im Herzogtum Nassau regelte ein Edikt vom 14. März 1818 die verpflichtenden meteorologischen Beobach- tungen durch die Amtsärzte, welche ihre Aufzeichnungen in sogenannten "Sa- nitätsberichten" festhalten und halbjährlich einreichen sollten. In anderen Terri- torien war auch die Bezeichnung "Physikatsbericht" üblich, wobei mit "Physi- kat" der dem Amtsarzt zugeordnete Bezirk bezeichnet wurde. J. B. von Franque hat diese Sanitätsberichte aus dem gesamten Herzogtum für den Zeitraum bis 1841 ausgewertet und den Witterungsgang in den "Medicinischen Jahrbüchern für das Herzogthum Nassau" chronologisch geschildert. Diese deskriptive Rückschau ist jedoch für den Zeitraum ab 1831 wesentlich detaillierter als für den Zeitabschnitt davor. Franques Beschreibungen erwähnen das Auftreten von Niederschlagsereignissen, die vorherrschenden Windrichtungen und den Tem- peraturverlauf unter Berücksichtigung von Frosthäufigkeit und Flussvereisun- gen. Die regionalen Unterschiede innerhalb des Herzogtums werden dabei ebenfalls häufiger zur Sprache gebracht, insbesondere auf den Unterschied zwi- schen den Berg- und Tallagen bezogen (z. B. frühe oder späte Schneefälle in den Höhenlagen von Westerwald und Taunus). Messwerte werden in diesen 44 Beobachtung von Wetter und Klima und deren Auswirkungen in Nassau im 19. Jahrhundert Beschreibungen jedoch nur sehr selten erwähnt. Jedoch sind die monatlichen Extremwerte für Temperatur und Luftdruck in den Orten Dillenburg, Wiesba- den, Eltville und Idstein, wo seit 1822 (in letztgenanntem Ort seit 1824) meteo- rologische Beobachtungen angestellt wurden, in einer Tabelle zusammenge- fasst. Zugleich wird dabei bemängelt, dass diese Beobachtungen nicht nach einem standardisierten Messverfahren durchgeführt wurden. Die Temperaturen wurden in der Einheit Reaumur gemessen (1 °C = 0.8 °R), was im 19. Jh. im deutschsprachigen Raum sehr verbreitet war. Der Luftdruck wurde als Höhe der Quecksilbersäule im Längenmaß Zoll und Linien angegeben (FRANQUE 1843, 1847). Erwähnt wird außerdem, dass in Herborn, Hadamar, Limburg und Weilburg Messungen durchgeführt wurden (FRANQUE 1847: 176 f.). Es ist aber davon auszugehen, dass in jedem Bezirk, dem ein Amtsarzt zugeteilt war, re- gelmäßige meteorologische Beobachtungen angestellt wurden. Die originalen Sanitätsberichte aus dem Herzogtum Nassau, welche sehr wahrscheinlich diese Messreihen beinhalten, konnten nicht recherchiert werden. Jedoch liegen die Messreihen der Amtsärzte aus dem benachbarten Kurhessen in den Akten des kurhessischen Obermedizinalkollegs im Marburger Staatsarchiv vor. Aus die- sen Tabellen geht hervor, dass dort die Amtsärzte mehrmals täglich Temperatur und Luftdruck gemessen haben, Niederschlagsmengen wurden jedoch nicht re- gistriert. Es ist anzunehmen, dass im Herzogtum Nassau die meteorologischen Messungen von den Amtsärzten auf vergleichbare Weise durchgeführt wurden. Von den zuvor erwähnten medizinischen Topographien soll an dieser Stelle die von Heinrich Herz im Jahr 1841 veröffentlichte "Medicinische Topographie des Nassauischen Amtes und der Stadt Weilburg" als Beispiel betrachtet wer- den. In seiner Vorrede erwähnt Herz unter anderem die regionalklimatologische Heterogenität innerhalb des Herzogtums Nassau und bemängelt, dass seine Messreihen nicht lückenlos waren. Außerdem übt er Kritik an der Annahme, dass die Witterungsverhältnisse in hohem Maße für das Auftreten bestimmter Krankheitsbilder verantwortlich wären. Stattdessen misst er dem Einfluss der Witterung auf die Ernte eine höhere Bedeutung bei (HERZ 1841: VIII ff.). In seiner eigentlichen medizinischen Landesbeschreibung finden im Abschnitt zum Klima die Abhängigkeit der Windrichtung von der Orographie sowie die phänologischen Verhältnisse der Vegetation im Vergleich zu benachbarten Re- gionen Erwähnung, etwa dass die Reife und die Ernte der Sommerfrüchte im Amt Weilburg später erfolgte als im Rhein-Main-Gebiet. Dass innerhalb des Amtsbezirks das Lahntal gegenüber dem nördlichen, an den Westerwald gren- zenden Teil begünstigt war, wird ebenfalls berücksichtigt. Aufbauend auf sei- nen Wetterbeobachtungen ab 1830 schildert Herz den durchschnittlichen Witte- rungsgang der einzelnen Monate eines Jahres zusammenfassend (HERZ 1841: 3 ff.). Tabellen mit Messreihen beinhaltet diese medizinische Topographie ebenfalls. Neben einer tabellarischen Darstellung der monatlichen Extremwerte für Temperatur und der Windrichtung findet man auch einen Vergleich der Lufttemperaturen mit den Wassertemperaturen der Lahn. Für den Zeitraum vom 15. Juni bis zum 31. August 1837 und vom 18. Juni bis 31. August 1838 45 JOHANNES HOFMEISTER hatte die Schwimmschule des Herzoglichen Militärs die Temperatur des Was- sers dreimal täglich gemessen (HERZ 1841: 6ff.). Wenn Herz auch Zweifel an einer Abhängigkeit des Auftretens von Krankhei- ten von der Witterung äußerte, so veröffentlichte der Medizinalassistent Men- ges aus Wallau über zwanzig Jahre später eine sehr umfangreiche Abhandlung über den Einfluss der Witterung auf den Gesundheitszustand im Herzogtum Nassau. Betrachtet wurden hierbei zum einen die nasskalten Jahre 1827 bis 1829 und zum anderen die durch Dürre und heiße Sommer geprägten Jahre 1857 bis 1859. Seine Abhandlung beginnt mit einer ausführlichen Einleitung, in welcher u. a. das Weltklima und der Einfluss des Klimas auf Flora, Fauna und die Menschen thematisiert werden (MENGES 1863: 348-360). Der ver- meintliche Einfluss der Witterung auf die Geburten- und Sterberaten ist dabei ein bedeutender Gegenstand seiner Untersuchung (MENGES 1863: 367 ff.). Auf den durch Franque veröffentlichten langjährigen Witterungsgang wird ebenfalls Bezug genommen und dieser noch einmal zusammenfassend dargestellt. Da- rüber hinaus sind Tabellen mit meteorologischen Messwerten aus Cronberg und Straßebersbach (heute ein Ortsteil der Gemeinde Dietzhölztal) in seiner Ab- handlung abgedruckt (MENGES 1863: 429 ff.). 2.2 Landwirtschaftliche Beobachtungen In den landwirtschaftlichen Vereinen hatte man sich bereits im frühen 19. Jh. auf wissenschaftlichem Niveau mit Klima und Witterung beschäftigt. So hatte Wilhelm Albrecht innerhalb des landwirtschaftlichen Vereins im Herzogtum Nassau im Jahr 1821 folgenden Antrag zur Sprache gebracht: "Wenn wir Bele- bung des ländlichen Gewerbefleißes in allen einzelnen Theilen unseres Vater- landes für die Hauptaufgabe und nächste Pflicht unserer Verbindung erkannt haben, so werden wir eingestehen müssen, daß uns genaue, umfassende und zu- verlässige Kenntniß des Landes zur Erreichung dieses Zwecks unentbehrlich sey". Darauf folgt ein Leitfaden zur Erfassung der naturräumlichen Ausstattung der Landesteile, der auch Klima und Witterung mit einschließt (ALBRECHT 1821: 167, 171 f.). In späteren Jahrgängen des Jahrbuchs wurden für einzelne Ämter des Herzogtums sehr umfangreiche naturräumliche Landesbeschreibun- gen veröffentlicht, worin das regionale Klima teilweise detailliert beschrieben war. Beispielsweise wird in der landwirtschaftlichen Beschreibung des herzog- lichen Amtes Herborn die lokal- und regionalklimatische Heterogenität inner- halb dieses Territoriums thematisiert und dabei die phänologischen Aspekte hervorgehoben. Ebenso ist die Bedeutung der Vegetation und der Böden in Be- zug auf die Klimaverhältnisse ein Gegenstand. Es wird erwähnt, dass in den am höchsten gelegenen Ortschaften des Amtes kaum Obstbäume wachsen, wäh- rend im Dilltal Obst und sogar Wein gut gedeihen können. Außerdem werden die zeitlichen Unterschiede des Eintritts der Blüte und der Reife der Früchte an- gesprochen, etwa dass die Getreideernte in den hochgelegenen Regionen ge- genüber dem milden Dilltal um ungefähr einen Monat verzögert beginnt. Das 46 Beobachtung von Wetter und Klima und deren Auswirkungen in Nassau im 19. Jahrhundert Auftreten von Nachtfrösten, die für die Landwirtschaft eine bedeutende Gefahr darstellen können, findet ebenfalls Erwähnung (KLAAS 1836: 80-83). Eine recht detaillierte Schilderung der klimatischen Verhältnisse findet man in der landwirtschaftlichen Beschreibung für das benachbarte Amt Dillenburg. Der Autor dieser Landesbeschreibung war zu dieser Zeit Lehrer an der Real- schule zu Wiesbaden, kam jedoch gebürtig aus Fellerdilln bei Dillenburg. Unter anderem wird die Bedeutung der Orographie für die Klimaverhältnisse inner- halb des Territoriums hervorgehoben, z. B. Barrieren gegen raue Winde in für die Landwirtschaft klimatisch günstigen Teilregionen. Der Einfluss und das Auftreten bestimmter Windrichtungen, die Luftfeuchte (Nebel, Tau) und Nachtfröste kommen ebenso zur Sprache. Darüber hinaus widmet sich die Be- schreibung ausführlich den Temperaturverhältnissen und weist auf eine Mess- reihe des Landrats Meinhard hin, der von 1817 bis 1838 Temperaturmessungen durchgeführt hatte. Hierbei wird der Einfluss der Temperaturen auf Vegetation und Phänologie hervorgehoben. Noch wesentlich detaillierter wird hingegen der durchschnittliche Gang der Witterung im Laufe eines Jahres beschrieben, wobei insbesondere regionalklimatologische Phänomene innerhalb des Territo- riums stark berücksichtigt werden (BECKER 1842: 7-17). Der Verfasser der landwirtschaftlichen Beschreibung für das Amt Limburg kam aus Cronberg und war ebenfalls Lehrer von Beruf. Diese Beschreibung ist nach einem ähnlichen Muster wie für das Amt Dillenburg angefertigt worden und von ähnlichem Um- fang, weshalb an dieser Stelle auf Details verzichtet wird (BECKER 1847: 9-15). Der Hagel kann als eine der größten Bedrohungen für die Landwirtschaft ange- sehen werden, weshalb sich der landwirtschaftliche Verein für das Herzogtum Nassau diesem Wetterphänomen besonders intensiv gewidmet hatte. Hierzu gehört die Aufstellung einer Statistik über die Häufigkeit der Hagelschläge in den verschiedenen Landesteilen, die 1838 veröffentlicht wurde. Aus dieser Statistik geht hervor, dass mindestens seit dem späten 18. Jh. in zahlreichen Ge- meinden Nassaus Aufzeichnungen über Hagelereignisse angefertigt worden sein müssen. Es wurden hierfür die Anzahl der Hagelschläge für die vergange- nen fünfzig Jahre in den jeweiligen Ortschaften erfasst und zum einen in einer Tabelle zusammengefasst und zum anderen in einer Karte dargestellt (Abb. 1). Auf dieser Karte wurden Orte, welche in diesem Zeitraum keinen schädigenden Hagelschlag verzeichneten, mit einem roten Punkt dargestellt. Von den 825 nassauischen Ortschaften, aus denen Aufzeichnungen vorlagen, wurden 264 zwischen 1788 und 1838 von Hagelschäden verschont. Ein blauer Punkt auf der Karte stand für ein bis drei Hagelschläge und ein schwarzer Punkt für mehr als drei Hagelschläge. Letztgenanntes war in 70 nassauischen Orten der Fall. Be- trachtet man diese Karte, wird ersichtlich, dass die Tal- und Beckenlagen am wenigsten durch Hagel betroffen waren und die höher gelegenen Mittelgebirgs- lagen am stärksten. Diese Untersuchung über die regionale Hagelhäufigkeit im Herzogtum wurde vor dem Hintergrund durchgeführt, dass die Möglichkeit, sich gegen Hagelschäden zu versichern, bis dahin nur von einer Minderheit 47 JOHANNES HOFMEISTER unter den Landwirten genutzt wurde. 1819 hatte die herzogliche Regierung eine Hagelversicherung für Landwirte eingerichtet, jedoch erst nach verheerenden Hagelschäden im Rheingau im Jahr 1837 kam es zu einer größeren Nachfrage nach dieser Versicherung (ALBRECHT 1840: 223-228, Beilagen E3 u. E4). Abbildung 1: Karte der Hagelschläge im Herzogtum Nassau zwischen 1788 und 1838; Quelle: Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 3011/1 Nr. 6649, 1840. Figure 1: Map of hailstorms in the Duchy of Nassau between 1788 and 1838; reference: Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 3011/1 Nr. 6649, 1840. 48 Beobachtung von Wetter und Klima und deren Auswirkungen in Nassau im 19. Jahrhundert 2.3 Forstwirtschaftliche Beobachtungen In der forstwirtschaftlichen Auseinandersetzung mit der Witterung nehmen schädigende Sturmereignisse einen sehr breiten Raum ein. Nach der Annexion des Herzogtums Nassau durch das Königreich Preußen im Jahr 1866 fiel der nassauische Forst in den Zuständigkeitsbereich der sogenannten Abteilung für direkte Steuern, Domänen und Forsten, was dem Finanzministerium entsprach. Nachdem ein schwerer Sturm im Dezember 1868 enorme Schäden an den Forstbeständen verursacht hatte, führte die Abteilung eine Vorschrift ein, die bei schädigenden Wetterereignissen eine detaillierte Berichterstattung der Forstämter über den Witterungsablauf anhand eines Fragebogens vorsah. Ein Rundschreiben des Finanzministers vom 14. Februar 1872 an sämtliche Ober- förster im Königreich Preußen gab hierzu folgende Anweisungen: "Zu diesem Behufe haben die Herren Oberförster nach Eintritt erheblicher Sturm- und Schneebruch-, auch Eis- und Duftbruch-Schäden, abgesehen von der sofort zu machenden Anzeige, demnächst, sobald eine ausführliche Darstel- lung der Sachlage gegeben werden kann, der vorgesetzten Behörde einen Be- richt nach folgender Disposition zu erstatten: 1. Witterungs-Erscheinungen vor der Kalamität, während und nach derselben, namentlich in Bezug auf: a) Windrichtung und Stärke, b) Temperatur, c) Luftdruck nach Angabe des Barometerstandes, - Zeitangabe der Witterungs- Erscheinungen, - bei Sturmschaden mit Angabe der Zeit bei welcher das Bre- chen und Werfen des Holzes beobachtet ist." Darüber hinaus sah diese Anweisung eine Berichterstattung über die Ausmaße der Schäden am Forstbestand und über geographische Standortfaktoren des be- troffenen Gebietes vor (Hess. Staatsarchiv Marburg, Best. 186 Rauschenberg Nr. 24, 1867-1928). Über den Orkan vom 12. März 1876, der in den Forstbeständen enorme Schä- den verursacht hatte, liegen entsprechende Berichte aus nassauischen Oberförs- tereien vor. Beispielsweise gibt der Bericht aus der Oberförsterei Haiger die Windrichtung mit "Nordwestliche vor, während und nach der Kalamität" an. In der Spalte für Windstärke wurde "bedeutend vor, orkanartig während und auf- fallend gering, einer Windstille gleich, nach der Kalamität" vermerkt, wobei die größten Windstärken zwischen 20 und 23 Uhr beobachtet wurden. Die Tem- peratur wurde mit 6–7 °R (entspricht 7,25–8,5 °C) angegeben und der Luft- druck ist zwischen 16 und 20 Uhr von 26 Zoll und 9 Linien (= 932,6 hPa) auf 26 Zoll und 7,75 Linien (= 929 hPa, nicht auf Meeresspiegelniveau korrigiert) gefallen. Darüber hinaus wird in dem Bericht erwähnt, dass bereits in den Ta- gen zuvor große Niederschlagsmengen gefallen waren, was zu einer starken Durchweichung des Bodens geführt hatte. Daher hatten die Wurzeln während 49 JOHANNES HOFMEISTER des Orkans wenig Halt im Boden, was zu dem großen Ausmaß des Schadens mit beigetragen hatte. Alle Holzarten in dieser Oberförsterei waren gleicherma- ßen von Windwurf betroffen (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 456/8, Nr. 115, 1867-1929). Allerdings geht aus diesen Berichten nicht hervor, auf welche Weise diese meteorologischen Beobachtungen erhoben wurden und ob das Forstpersonal daran beteiligt war. Ab 1897 war es für die Forstämter verpflichtend, regelmäßig über Hagelschläge im Forst Bericht zu erstatten. Für diesen Zweck wurden vorgedruckte Formu- lare an das zuständige Forstpersonal verteilt (Abb. 2). Abbildung 2: Formular zur Erfassung der Hagelschläge durch das Forstpersonal; Quelle: Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 456/10 Nr. 289. Figure 2: Form for the registration of hailstorms by the forestry personnel; reference: Haupt- staatsarchiv Wiesbaden, Abt. 456/10 Nr. 289. Das entsprechende Formular für den jeweiligen Forstschutzbezirk enthielt unter anderem Felder zur Eintragung von Datum und Stunde sowie Stärke des Ha- gelschlags und zur Witterung, die zur Zeit des Hagelschlags herrschte. Darin wurden die Hagelschläge eines Jahres erfasst. So wurde z. B. im Merkblatt für den Forstschutzbezirk Offenbach im Westerwald sowohl für einen Hagelschlag am 20. April 1898 als auch am 21. Mai desselben Jahres vermerkt: "Hagelkör- ner in Stärke wie Erbsen Begleitung v. Gewitter von Süd nach Nord". Diese Merkblätter wurden an die Oberförstereien geschickt, wo die Hagelereignisse eines Jahres wiederum in ein größeres Formblatt für die gesamte Oberförsterei übernommen wurden (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 456/10, Nr. 189, 1876-1930). 50 Beobachtung von Wetter und Klima und deren Auswirkungen in Nassau im 19. Jahrhundert 3 Literatur ALBRECHT, W. (1840): Vortrag über Zweck u. Errichtung einer Hagelversicherungscasse für das Herzogthum Nassau. – In: Jahrbücher des landwirthschaftlichen Vereins im Herzogthum Nas- sau, 11: 221-241. BECKER, D. (1842): Landwirthschaftliche Beschreibung des Herzoglichen Amtes Dillenburg. – Jahrbücher des landwirthschaftlichen Vereins im Herzogthum Nassau, 12: 1-174. BECKER, J. (1847): Naturhistorisch-landwirthschaftliche Beschreibung des Herzoglichen Amtes Limburg. – Jahrbücher des landwirthschaftlichen Vereins im Herzogthum Nassau. 14: 1-110. FISCHER, A. (1928): Beiträge zur Kulturhygiene des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Deutschen Reiche. – Studien zur Geschichte der Medizin, 16; Leipzig. FRANQUE, J.B. V. (1843): Witterungsverhältnisse und allgemeiner Krankheitszustand von 1818-1830. Nach den Sanitätsberichten erarbeitet. – Medicinische Jahrbücher für das Herzogthum Nassau, 1: 1-33. FRANQUE, J.B. V. (1847): Witterungsverhältnisse und allgemeiner Krankheitszustand von 1831-1841. Nach den Sanitätsberichten erarbeitet. – Medicinische Jahrbücher für das Herzogthum Nassau, 6: 176-296. HERZ, H. (1841): Medicinische Topographie des Nassauischen Amtes und der Stadt Weilburg; Weilburg. HENNIG, A.-S. (2010): Ärztliche Blicke auf die Umwelt. Die medizinischen Topographien des 18. und 19. Jahrhunderts. – In: HOFMEISTER, J. (Hrsg.): Stadt, Land, Fluss. Landes-, Orts- und Rei- sebeschreibungen aus historischer und geographischer Perspektive. – 115-136; Norderstedt. KLAAS, C.W. (1836): Landwirthschaftliche Beschreibung des Herzoglichen Amtes Herborn. – Jahrbücher des landwirthschaftlichen Vereins im Herzogthum Nassau, 9: 75-196. MENGES, P. (1863): Der Einfluss der Witterung in den 3 nasskalten Jahren 1829 bis 1831 und in den 3 trockenwarmen Jahren 1857 bis 1859 auf den allgemeinen Gesundheitszustand in Nassau. Eine medicinalstatistische Monographie über die Gesundheitsverhältnisse des Herzogthums während dieser sechs Jahrgänge. – Medicinische Jahrbücher für das Herzogthum Nassau, 19/20: 348–718. DR. JOHANNES HOFMEISTER Bahnhofstraße 58 48301 Nottuln Tel.: 02059/2253049 E-Mail: [email protected] Manuskripteingang: 31. August 2015 51 JOHANNES HOFMEISTER 52

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