DEUTSCHES ARCHKOLOGISCHES INSTITUT ABTEILUNG BAGHDAD BAGHDADER MITTEILUNGEN BAND 6 · 1973 GEBR. MANN VERLAG · BERLIN DEUTSCHES ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT ABTEILUNG BAGHDAD BAGHDADER MITTEILUNGEN BAND 6 · 1973 GEBR. MANN VERLAG · BERLIN © 1973 Gehr. Mann Verlag, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Photomechanische Wiedergabe nur mit ausdrücldicher Genehmigung durch den Verlag Gesamtherstellung: Brüder Hartmannj Berlin Printed in Germany • ISBN 3-7861-2198-2 INHALT BARTHEL HROUDA, Ergebnisse einer Ruinenbesichtigung im südöstlichen Iraq . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 (Taf. 1-2) EVA STROM MENGE R, Kunststeinfragmente aus dem »Riemdiengebäude« in Warka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 (Taf. 3-6) HEINRICH OTTEN, Zu einer hethitischen Festbeschreibung aus dem Iraq-Museum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 RAINER MICHAEL BOEHMER, Zur Lage von Mu~a~ir 31 (Taf. 7-16) JUTTA BORKER-KLKHN, Verkannte neuassyrische Bronze-Statuetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (Taf. 17-26) RAINER MICHAEL BOEHMER - HUBERTUS VON GALL, Das Felsrelief bei Batas-Herir.. 65 (Taf. 27-32) HANS JORG NISSEN, Südbabylonien in parthischer und sasanidischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 SUBHI ANWAR RASHID, Umdatierungeiniger Terrakottareliefs mit Lautendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (Taf. 33-36) VOLKER POPP - HELMUT HUMBACH, Die Paikuli-Inschrift im Jahre 1971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (Taf. 37-45) BARTHEL HROUDA ERGEBNISSE EINER RUINENBESICHTIGUNG IM SÜDÖSTLICHEN IRAQ Im Frühjahr 1971 bot sich mir die Gelegenheit, die geographisch-archäologische Situation bei Badra (Bedre) näher zu erkunden. Die Kosten dieser Reise übernahm die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Eine weitere Unterstützung er fuhr ich durch das Deutsche Archäologische Institut in Baghdad, dessen I. Direktor, Prof. Dr. J. Schmidt, mich auch selbst auf den Fahrten am 24. 3. und 3. 4. beglei tete. Großes Entgegenkommen zeigten außerdem die zuständigen iraqischen Be hörden, so vor allem das Iraq-Department of Antiquities mit seinem Generaldirek tor Dr. Isa Salman und dem Generalinspektor für das Ausgrabungswesen, Prof. Fuad Safar. Ohne ihre Hilfe wäre natürlich die Durchführung des Unternehmens nicht möglich gewesen. Iraqischer Reisebegleiter war Herr Sa'ad Abdul Sattar Ayoub. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlichst gedankt. Der moderne Ort Badra (Bedre), der ca. 150 km ostsüdöstlich von Baghdad liegt (Abb. 1), besteht heute aus zwei Teilen, einem alten und einem erst in den fünfziger Jahren errichteten neuen Viertel. Ein zwischen beiden verlaufender Flußlauf wird durch eine lange Holzbrücke überspannt. Dieser Fluß oder besser dieses Wadi führt jedoch nur im Winter und Frühjahr Wasser, wenn in den benachbarten Bergen, die noch zu der Gebirgskette des Gebel I:Iamrin gezählt werden, die Schneeschmelze eingesetzt hat oder länger anhaltende Regenfälle niedergegangen sind. Der Sommer muß in dieser Gegend sehr heiß sein, wie die schornsteinähnlichen Luftschächte auf den Dächern der zwei-dreigeschossigen Lehmziegelhäuser ver muten lassen. Derartige Einrichtungen sind nur selten im Iraq zu beobachten. Ca. r km nw. vom neuen Badra entfernt erhebt sich ein großer Ruinenhügel, der Tell al-cAqar (Abb. 1). Seine Höhe beträgt ungefähr 20 m und seine Gesamtaus dehnung mißt etwa I qkm (Taf. I, x) . Von weitem wirkt er wie ein Tafelberg, d. h. seine Oberfläche scheint bei steil ansteigenden Seiten eine zusammenhängende, nahezu horizontal verlaufende Ebene zu bilden (Taf. 1,2). Dieser Eindruck täuscht jedoch; der gesamte Hügel ist im Gegenteil von oben bis unten und an vielen Stel len durch große breite Regenrinnen zerfurcht, also an der Oberfläche sehr stark zer stört (Taf. r,r). Unter Umständen hängt dieser Grad der Zerstörung mit der Tatsache zusammen, daß eine in jüngerer (seleukidischer?) Zeit entstandene oder zumindest erneuerte, kreisförmig verlaufende und noch verhältnismäßig hoch anstehende Stadtmauer an der Peripherie des Hügels den Ablauf der Regenwasser in die Ebene verhindert hat. 8 BARTHEL HRO D .. \ J RAN r„11"1-• r,u i!o~,- _., .................., , ',, ,, ' ',·~ ' ,, ; \, IRAK ', \! Abb. I Der Zugang ober besser die Zufahrt erfolgt heute von Norden durch einen zer störten bzw. ausgesparten Abschnitt (Tor?) der Stadtmauer zu einem verhältnis mäßig unversehrten Plateau in der Mitte der Ruine (Taf. 1,3). Die anderen Seiten sind recht steil und zerklü:A:et, lassen sich also nur zu Fuß und mit einigen Schwie rigkeiten erklimmen. Am Fuße des Südabhanges befindet sich außerdem eine klei nere Ansiedlung (Taf. 1,1). Die erste genauere Beschreibung von Tell aI-cAqar verdanken wir S. Smith, der dieser Ruine 1930 einen Besuch abgestattet hat1• Der Anlaß war ein dort gefunde ner, mit Inschri:A: und Ritzzeichnung versehener Ziegel (Taf. 2,1). Dieser Gegen stand erbrachte neben der Tatsache von dem Vorhandensein ägyptischer Gefan gener(?) im kassitischen Babylonien den endgültigen Beweis der Gleichsetzung von Tell al-0Aqar mit dem antiken Der, sumerisch BAD.ANki2• 1955 fand dann eine 1 JEA I8, I932, 28 ff. In diesem Bericht wird ebenfalls auf die oben erwähnte starke Ober flächenzerstörung hingewiesen. 2 Der Vorschlag zu dieser Lokalisierung geht auf E. Forrer zurück: Provinzeinteilung 47.97.13 5. Ihm folgten W. F. Albright, JAOS 45, 1925, 217. E. F. Weidner, AfO 9, 1933'34, 97 ff. und A. Goetze, JCS 4, 1950, 95 f. u. JNES 12, 1953, II7. Hingegen findet sich im RlA II, 1938, 199 ff. bei guter Zusammenstellung der bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Quellen eine falsche Lokalisierung. RUINE:\lBESICHTIGUNG IM SÜDÖSTLICHEN IRAQ 9 Besichtigung mit kleineren Untersuchungen auf benachbarten Ruinenhügeln, dar unter auch auf dem 1-2 km westlich von Tell al-'Aqar gelegenen TellBa!J,räm durch das Iraq-Department unter Leitung von Fuad Safar statt (Abb. 1)3• In jüngster Zeit statteten David und Joan Oates von Mandali kommend Badra und seiner Umgebung einen Besuch ab4 • Der/BAD.ANki spielte nach den schriftlichen Überlieferungen über eine lange Zeit, vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis zu den Seleukiden, eine wichtige Rolle in der Abb . .2 altorientalischen Geschichte, nicht zuletzt durch seine Lage an einer der wichtigen Verkehrsverbindungen zwischen Babylonien und Elam oder umgekehrt. Diese strategisch wie auch wirtschaftspolitisch wichtige Stellung von Der ist immer wie der bei den stärkeren Nachbarn der Anlaß gewesen, die Stadt unter eigene Kon trolle zu bringen, was bei den akkadischen Königen begann und erst in spät babylonischer Zeit endete. Danach entfiel durch die Gründung von Großreichen, die sich vom heutigen Iran bis an die Mittelmeerküste erstreckten, wohl der strate gische Wert von Der, wenn auch die unter den Seleukiden oder später errichtete Stadtmauer dagegen zu sprechen scheint. Was aber auf alle Fälle erhalten blieb, war die wirtschaftliche Schlüsselposition von Der aufgrund seiner Verkehrslage. Vor den Toren von Der/BAD.ANki fanden einige wichtige politische Ereig nisse statt, wie 720 die für Sargon II. unglücklich ausgegangene Schlacht gegen die 3 Ein Berid:tt darüber liegt in den Akten des Iraq-Department, die id:t dankenswerter Weise ein sehen konnte. Bei diesem Besuch wurden u. a. ein frühdynast. und ein a!tbabylon. Rollsiegel ge funden. Vgl. ferner F. Safar, Sumer 7 (r9p) 53 ff. (arab.). 4 Mündlid:te Mitteilung von D. u. J. Oates. 10 BARTHEL HROUDA Elamiter oder der Aufbruch des assyrischen Heeres unter Assurbanipal 6 53 zum zweiten entscheidenden Kriegszug gegen Te-Umman. Zu den hier residierenden Statthaltern oder Militärgouverneuren, die eine relativ selbständige Politik betreiben konnten, gehörte der von einem der Ur III Könige eingesetzte, in den Inschriften mehrfach erwähnte Anum(m)ut(t)ab(b)il5• Auch auf dem religiösen Gebiet scheint diese Stadt mit ihren vielen überlieferten Tempeln eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Einer der Hauptgötter scheint neben Anu der Gott Sataran gewesen zu sein, der von dem frühdynastischen König von Kis, Mesalim, besonders verehrt worden ist. Es läßt sich daher nicht von der Hand weisen, daß zwischen diesem Herrscher und Der/BAD.ANki unter Umstän den eine enge Verbindung bestanden, ja, daß vielleicht sogar diese Stadt in der Geschichte der Semiten eine bedeutende Position eingenommen hat. Analog zu den Wegen, die moderne Beduinen bei ihrer Absicht, in das südliche Zweistromland einzudringen, genommen haben - sie führten häufig erst über den Tigris hinaus nach Osten6 - dürfen wir wohl auch für bestimmte »Völkerwanderungen« im Al tertum, insbesondere für die der semitischen Stämme, eine ähnliche Richtung po stulieren. Von einer solchen wäre dann natürlich auch Der berührt worden, bevor der Einbruch in die babylonische »T iefebene« erfolgte. Von verschiedenen Seiten scheint sich also eine nähere Untersuchung dieser historisch eminent wichtigen Ruinenstelle und ihrer Umgebung mit den Mitteln einer Ausgrabung trotz der durch starke Oberflächenzerstörung bedingten tech nischen Schwierigkeiten nahezu aufzudrängen. Oder anders ausgedrückt, die Wis senschaft vom Alten Orient ist jetzt fast verpflichtet, in Der/BAD.ANki = Tell al-cAqar den Spaten anzusetzen. Die bei unserem Besuch im Frühjahr 1971 auf dem Tell al-cAqar aufgelesenen Oberflächenfunde bestehen mit Ausnahme von zwei Terrakotta-Bruchstücken aus Gefäßscherben. Andere bedeutendere Kleinfunde, wie z. B. Rollsiegel oder be schriftete Ziegel, sind leider nicht darunter. Die Scherben wurden sowohl auf den höchstgelegenen Stellen aufg elesen, als auch »Profilen« in den Wadis (Regenrinnen) entnommen. Trotz dieser unterschiedlichen Fundlage von ganz oben bis ganz unten erwies sich der Charakter der Keramikbeispiele als äußerst homogen. Die in der Regel geritzten, gestempelten oder plastisch verzierten Scherben, von denen einige auch mit einer grünen Glasur überzogen sind7, datieren in die Spätzeit der altorienta lischen Geschichte, in die seleukidische/parthische und in die sasanidische Periode (Abb. 3.4). Der gleiche Ansatz gilt ebenfalls für die beiden in Abb. 4, 18 und 19 s RlA I, r928, 117. D. 0. Edzard, Die »Zweite Zwischenzeit« Babyloniens, 1957, 71 ff. 6 M. Frh. v. Oppenheim, Die Beduinen I, r939, u. D. 0. Edzard, Fischer Weltgeschichte 2, 1965, 169. 7 Mit grüner Glasur sind folgende Scherben überzogen: Abb. 3, 4. 7. 9. ro. 7 10 Abb. 3