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Artenschutzprogramm Adler PDF

95 Pages·2005·8.37 MB·German
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Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MLUV) Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Naturschutz Heinrich-Mann-Allee 103 14473 Potsdam Tel: (03 31) 8 66-72 37 und -70 17 Fax: (03 31) 8 66-70 18 E-Mail: [email protected] www.mluv.brandenburg.de ARTENSCHUTZPROGRAMM ADLER 5511224477__880088__AAddlleerr__UUSS..iinndddd 11 1199..1100..22000055 99::2299::5522 UUhhrr Impressum Artenschutzprogramm Adler Herausgeber: Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MLUV) Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Heinrich-Mann-Allee 103 14473 Potsdam Tel: (03 31) 8 66-72 37 und -70 17 Fax: (03 31) 8 66-70 18 E-Mail: [email protected] www.mluv.brandenburg.de Text .............................Thomas Müller (Berlin), Dr. Torsten Langgemach (Buckow), ..............................................Kerstin Sulzberg (Berlin), Dr. Dieter Köhler (Potsdam) Layout, Grafik, Satz und Tabellensatz ...................crossmedia gmbh, Benedikt Roller Grafik der Jahreszyklen ...........................................................Nikolai Kraneis (Berlin) Umschlaggestaltung, Diagramme, Litho ............................................................MLUV Titelfoto (rufender junger Schreiadler) .....................................................Dietmar Nill Herstellung .....................................................möller druck und verlag GmbH, Berlin Potsdam, Oktober 2005 Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung Brandenburg herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. | ADLER_ASPrg_neuRo.indd 2 26.10.2005 12:32:48 Uhr Vorwort „Steige hoch, du roter Adler“ stimmt das berühmte Brandenburg-Lied von Gustav Büchsenschütz an. Das Wappentier erfreut sich im Land zwischen Oder und Elbe, zwischen Stepenitz und Schwarzer Elster geradezu einer inflationären Existenz – allerdings vor allem steingemeißelt an Gebäuden, Torbögen und Mauern, auf Fahnenstoff und Schildern, auf Briefpa- pier, amtlichen Urkunden, Zeitungen und Broschüren. Echte Adler sieht man dagegen selten. Jahrzehnte lan- ge Schutzbemühungen um die Könige der Lüfte haben immerhin dazu geführt, dass Brandenburg heute überhaupt noch zu den Län- dern gehört, in denen Adler heimisch sind. Drei Arten werden hier gesichtet: See-, Schrei- und Fischadler. Im 19. Jahrhundert zählten noch Stein- und Schlan- genadler zu den Bewohnern der Mark. Der Brandenburger Seeadlerbestand mit 116 Paaren im Jahr 2003 entspricht etwa 26 Prozent des deutschen Vorkommens und beim Fischadler mit 276 Paa- ren sogar 60 Prozent der gesamtdeutschen Population. Beim Schreiadler wurden jedoch nur noch 29 besetzte Reviere gezählt. Die Zahlen belegen, dass Brandenburg eine besondere Verantwortung für den Schutz der Adler hat, auf der anderen Seite dürfen Prozentanteile nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bedrohung für Adler immer noch hoch ist. Es ist den zahlreichen Horstbetreuern im Land zu danken – viele sind seit DDR- Zeiten aktiv -, dass wir heute mehr über wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz der brandenburgischen Adlerarten wissen. Ihnen möchte ich an dieser Stelle für ihren ehrenamtlichen Einsatz ausdrücklich danken. Ihr Wissen ist auch in das Artenschutzprogramm Adler eingeflossen, das Fachleuten und Laien als Leitfa- den dienen soll. Neben den konkreten Schutzmaßnahmen, die dieses Programm vorschlägt, soll insgesamt das Interesse für die berühmten Großvögel geweckt werden, von de- nen viele nur symbolisch zugeschriebene Eigenschaften wie majestätisch, kühn oder kämpferisch kennen. Das Agrar- und Umweltministerium unterstreicht mit diesem Programm, dass der Schutz der Adler besondere Priorität genießt. Angesprochen werden sollen insbesondere Waldbesitzer, Jäger, Fischer, Landschaftsplaner und Verkehrspla- ner. So kann durch die Berücksichtigung der hier vorgeschlagenen Maßnahmen jeder in seinem Wirkungsbereich etwas tun, um den Adlerarten weiter eine Heimstatt in Brandenburg zu geben. || Dietmar Woidke Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Brandenburg MLUV | Artenschutzprogramm Adler | 3 | ADLER_ASPrg_neuRo.indd 3 26.10.2005 12:32:52 Uhr Inhaltsverzeichnis 0 Vorwort ................................................................................................5 1 Einleitung .............................................................................................6 2 Grundlagen ...........................................................................................7 2.1 Seeadler (Haliaeetus albicilla) .........................................................7 2.1.1 Biologie ...........................................................................................7 2.1.2 Verbreitung und Bestandssituation ..................................................9 2.1.2.1 Gesamtareal ....................................................................................9 2.1.2.2 Brandenburg ..................................................................................10 2.1.3 Lebensraum ....................................................................................11 2.1.4 Gefährdungsursachen ....................................................................13 2.1.4.1 Störungen des Brutgeschehens .......................................................13 2.1.4.2 Beeinträchtigungen des Lebensraumes ...........................................14 2.1.4.3 Verluste an Individuen ....................................................................15 2.1.4.4 Schadstoffbelastung .......................................................................16 2.2 Schreiadler (Aquila pomarina) ........................................................19 2.2.1 Biologie ..........................................................................................19 2.2.2 Verbreitung und Bestandssituation .................................................21 2.2.2.1 Gesamtareal ...................................................................................21 2.2.2.2 Brandenburg .................................................................................22 2.2.3 Lebensraum ...................................................................................25 2.2.4 Gefährdungsursachen ...................................................................29 2.2.4.1 Störungen des Brutgeschehens ......................................................29 2.2.4.2 Beeinträchtigungen des Lebensraumes ..........................................30 2.2.4.3 Verluste an Individuen ....................................................................32 2.2.4.4 Schadstoffbelastung .......................................................................33 2.3 Fischadler (Pandion haliaetus) .......................................................35 2.3.1 Biologie .........................................................................................35 2.3.2 Verbreitung und Bestandssituation .................................................37 2.3.2.1 Gesamtareal ...................................................................................37 2.3.2.2 Brandenburg .................................................................................38 2.3.3 Lebensraum ...................................................................................40 2.3.4 Gefährdungsursachen ...................................................................43 2.3.4.1 Störungen des Brutgeschehens ......................................................43 2.3.4.2 Beeinträchtigungen des Lebensraumes ..........................................43 2.3.4.3 Verluste an Individuen ...................................................................44 2.3.4.4 Schadstoffbelastung ......................................................................45 3 Schutzkonzeption ...............................................................................47 3.1 Schutzstatus ...................................................................................47 3.2 Schutzziel und Bestandsprognose ..................................................49 3.2.1 Seeadler ........................................................................................49 | ADLER_ASPrg_neuRo.indd 4 26.10.2005 12:32:53 Uhr 3.2.2 Schreiadler .....................................................................................50 3.2.3 Fischadler ......................................................................................52 3.3 Schutzmaßnahmen ........................................................................53 3.3.1 Seeadler ........................................................................................53 3.3.1.1 Horstschutz ...................................................................................53 3.3.1.2 Lebensraumschutz .........................................................................54 3.3.1.3 Beseitigung von Verlustursachen ...................................................56 3.3.1.4 Besondere Schutzmaßnahmen ......................................................57 3.3.2 Schreiadler .....................................................................................58 3.3.2.1 Horstschutz ...................................................................................58 3.3.2.2 Lebensraumschutz .........................................................................60 3.3.2.3 Beseitigung von Verlustursachen ...................................................63 3.3.2.4 Besondere Schutzmaßnahmen ......................................................63 3.3.3 Fischadler ......................................................................................64 3.3.3.1 Horstschutz ...................................................................................64 3.3.3.2 Lebensraumschutz .........................................................................66 3.3.3.3 Beseitigung von Verlustursachen ...................................................66 3.3.3.4 Besondere Schutzmaßnahmen ......................................................68 3.3.4 Behandlung verletzter Adler und Totfundanalyse ..........................69 3.4 Bestandsüberwachung / Monitoring .............................................70 3.4.1 Seeadler .........................................................................................71 3.4.2 Schreiadler ......................................................................................71 3.4.3 Fischadler ......................................................................................72 3.5 Forschungsbedarf ..........................................................................73 3.5.1 Seeadler ........................................................................................73 3.5.2 Schreiadler .....................................................................................73 3.5.3 Fischadler .......................................................................................74 4 Umsetzung .........................................................................................75 4.1 Zuständigkeiten und Organisation.................................................75 4.2 Inhaltliche Prioritäten .....................................................................76 4.3 Zeitplan ..........................................................................................76 4.4 Finanzierungsbedarf ......................................................................78 4.5 Effizienzkontrolle ...........................................................................78 4.6 Öffentlichkeitsarbeit .....................................................................79 5 Anhang ...............................................................................................80 5.1 Bauanleitungen .............................................................................80 5.2 Literatur ........................................................................................82 5.3 Gesetze, Verordnungen, Richtlinien ...............................................88 6 Adressen .............................................................................................92 | ADLER_ASPrg_neuRo.indd 5 26.10.2005 12:32:53 Uhr 1 Einleitung Die Adler Brandenburgs haben eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Zeiten der Achtung und der Verehrung wurden abgelöst von Phasen gnadenloser Verfolgung durch den Menschen. Steinadler und Schlangenadler, die wohl von jeher selten in der Mark waren, mussten schon am Ende des 19. Jahrhun- derts als ausgestorben gelten. Richtiger wäre wohl, von Aus- rottung zu reden, denn es waren weniger Veränderungen des Lebensraumes, die zum Verschwinden führten, als viel- mehr gezielte Nachstellung, die sowohl die Vögel selbst als auch deren Nester betraf. Die vielleicht letzten Gelege von Stein- und Schlangenadlern fielen Eiersammlern in die Hän- den die sich vornehm Oologen nannten und ihrem unter Seeadler, rufend Foto: Peter Wernicke allem die Veränderungen seines Lebensraumes waren und sind, die aus einer häufigen Vogelart innerhalb von hundert Jahren eine äußerst seltene Spezies gemacht haben, die nur noch auf einem Bruchteil der Landesfläche vorkommt. Menschliche Nachstellung auf dem Zugweg trägt bis heute zusätzlich zur Bestandsabnahme bei. Aus der Sicht der Systematiker gibt es den Begriff der „Ad- ler“ eigentlich gar nicht, da es sich um eine sehr heterogene Greifvogelgruppe handelt. So hat sich der Fischadler schon vor etwa dreißig Millionen Jahren von den übrigen Greifvö- geln abgetrennt und wird heute aufgrund morphologischer Besonderheiten in eine eigene Familie „Pandionidae“ ge- Fischadler Foto: Dietmar Nill stellt. Die übrigen Arten einschließlich des eigentümlichen Vogelkundlern damals schon beargwöhnten Tun wissen- Schlangenadlers gehören zu den Habichtartigen, den „Ac- schaftliche Beweggründe zuschrieben. Von Abschuss, Fang, cipitridae“. Der Seeadler ist mit dem Mäusebussard näher Vergiftung und anderen Formen der Verfolgung waren auch verwandt als mit den sogenannten „echten Adlern“, zu Schreiadler, Fischadler und Seeadler betroffen. Die letzten denen alle Vögel der Gattung „Aquila“ gezählt werden. In Brutpaare überlebten in abgelegenen und ungestörten Brandenburg sind dies der Schreiadler und der nur noch als Waldungen. Als sich zunehmend die Einsicht durchsetzte, Gastvogel vorkommende Steinadler. || dass die letzten Adler wegen ihrer Seltenheit und Schönheit schutzwürdig sind und sich eine allmähliche Erholung des Bestandes abzeichnete, erwuchsen mit Lebensraumverän- derungen, Umweltschadstoffen und neuerdings mit Wind- kraftanlagen neue Gefahren. Vor allem beim Seeadler kam die Reproduktion durch die Nebenwirkungen von DDT und anderen Pflanzenschutzmitteln fast völlig zum Erliegen. Die schlimmsten Umweltgifte sind inzwischen aus dem Verkehr gezogen worden und die Bestände haben sich erholt. Heute können Fisch- und Seeadler wieder überall in Brandenburg beobachtet werden. Der Schreiadler litt nach dem bisherigen Kenntnissstand weniger unter den direkten Auswirkungen von Umweltchemikalien. Es spricht viel dafür, dass es vor Schreiadler Foto: Wolfgang Scheller | 6 | Artenschutzprogramm Adler | MLUV ADLER_ASPrg_neuRo.indd 6 26.10.2005 12:33:07 Uhr 2. Grundlagen 2.1 Seeadler (Haliaeetus albicilla) 2.1.1. Biologie Brutbiologie Seeadler halten sich fast das ganze Jahr über im Brut- gebiet auf. Zwischen Oktober und Februar festigt sich die Paarbindung. Gleichzeitig wird mit dem Ausbau des Horstes und der Vorbereitung der Brutperiode begonnen. Die Horste werden im Regelfall mehrjährig genutzt. Der Brutbeginn liegt zwischen Mitte Februar und Anfang April. Im Abstand von 2 bis 5 Tagen werden 1–2, gelegentlich 3 Eier gelegt. Die Brutzeit beträgt 38–42 Tage. Im Alter von etwa zehn Wochen machen die Jungen ihre ersten Flugver- suche. Dies fällt meist in die Zeit von Ende Juni bis Anfang Seeadler am Horst Foto: Peter Wernicke Juli. Die Phase zwischen Flüggewerden und Auflösung des Familienverbandes zieht sich bis in den September hinein (MEYBURG & SCHELLER 2001). Mit vier bis fünf Jahren ist der Seeadler geschlechtsreif. Nahrung Der Seeadler ist ein Nahrungsgeneralist, der Tiere von der Größe kleiner Singvögel und Mäuse bis hin zu Gänsen und jungen Robben erbeuten kann. Ausnahmsweise werden auch Störche, Kraniche und Rehe gejagt (LANGGEMACH & HENNE 2001). Wasservögel, vor allem Blessrallen, und Fi- sche stehen jedoch an erster Stelle. Seine Beute schlägt der Seeadler auf dem Wasser, zu Lande und in der Luft oder er schmarotzt bei anderen Vögeln wie z. B. Kormoranen. Im Winter nimmt er regelmäßig Aas auf. Die Nahrungszusam- mensetzung variiert dementsprechend lokal und saisonal erheblich. Zur Brutzeit und während der Jungenaufzucht machen Fische den Hauptteil (58–75%) der Beute aus. Im Winterhalbjahr dominieren in der Nahrung die Vögel mit einem Anteil von rund 80% (HAUFF 1999). Seeadler mit erbeuteter Stockente Foto: Sönke Morsch Feinde und Konkurrenten kämpfen zwischen Altvögeln kann es durchaus zu schweren Ausgewachsene Seeadler haben keine natürlichen Feinde. Verletzungen bis zum Tod des Unterlegenen kommen. Nicht UTTENDÖRFER (1952) erwähnt lediglich einen Jungadler verpaarte Adler können durch häufiges Stören Brutausfälle als Beute eines Artgenossen. Ein Prädationsrisiko besteht bei bei den Revierinhabern verursachen. Junge Adler werden von den Nestlingen, wenn die Altvögel abwesend sind (FISCHER den Brutpaaren in den Nahrungsrevieren, bisweilen auch am 1982). Gelegentlich werden Baummarder und Waschbären Rand der Brutreviere geduldet. Zumindest episodisch werden in Horsten beobachtet, ohne dass bisher direkte Brutverlus- Fischotter und Füchse als Nahrungskonkurrenten des Seead- te nachweisbar waren. Insgesamt spielen natürliche Feinde lers beschrieben: WERNICKE (1996) beobachtete an einem in Deutschland kaum eine Rolle. Innerartliche Konkurrenz Luderplatz mehrfach Füchse, die Seeadlern die ausgelegten tritt beim Seeadler vor allem im Brutrevier auf. Bei Revier- Fische entwendeten. MLUV | Artenschutzprogramm Adler | 7 | ADLER_ASPrg_neuRo.indd 7 26.10.2005 12:33:12 Uhr Jahreszyklus des Seeadlers | 8 | Artenschutzprogramm Adler | MLUV ADLER_ASPrg_neuRo.indd 8 26.10.2005 12:33:16 Uhr 2.1.2 Verbreitung und Bestandssituation 2.1.2.1 Gesamtareal Ursprünglich war der Seeadler in der nördlichen Paläarktis weit verbreitet. Er brütete entlang der Küsten, der Flüsse und an den Seen des Tieflandes in ganz Europa und in großen Teilen Asiens. Immer intensivere Verfolgung durch den Menschen und die zunehmende Urbanisierung hatten bereits im 19. Jahrhundert große Arealverluste zur Folge. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit toxischen Ne- benwirkungen (vor allem DDT) in den 1960er und 1970er Jahren führte zu weiteren Bestandseinbußen (OEHME 1987). Besonders in Europa entstanden große Lücken im einst geschlossenen Verbreitungsbild. Das heutige Areal Erwachsener Seeadler im Flug, deutlich ist der charakteristische wei- des Seeadlers umfasst Südgrönland, weite Teile Europas, ße Schwanz sichtbar Foto: Andreas Schulz-Benick Asiens bis hin zu den Kurilen im Pazifik (GLUTZ et al. 1989, Wanderungen BAUER & BERTHOLD 1996). Mitteleuropäische Altvögel verbleiben gewöhnlich ganz- Seit Ende der 1970er Jahre wurden keine großflächigen Are- jährig in der weiteren Umgebung ihres Brutgebietes. alverluste mehr verzeichnet. Die verbliebenen Vorkommen Noch nicht geschlechtsreife Individuen können allerdings begannen sich zu erholen. Seitdem entwickelt sich der See- weiträumig umherstreifen. Die über ein Jahr geführte adlerbestand in weiten Teilen Europas kontinuierlich positiv. Verfolgung eines Jungadlers aus der Uckermark mit Hil- Nur einige Reliktvorkommen im Balkangebiet sind weiterhin fe der Satelliten-Telemetrie zeigte ein unerwartet großes rückläufig und akut gefährdet. Als Ursachen für die positive Streifgebiet zwischen der Schorfheide und Teilen Meck- Entwicklung des Bestandes sind weitgehend weggefallene lenburg-Vorpommerns. Abstecher zur Ostseeküste bis menschliche Verfolgung, der Verzicht auf den Einsatz von östlich von Szczecin (Polen) und anschließende Rückkehr DDT, intensiver Horstplatzschutz und ein gewachsenes in Geburtsortnähe wurden registriert (MEYBURG et al. 1994). Zwei Fernfunde von in der Schorfheide nestjung beringten Seeadlern belegen weite Abwanderungen ein- zelner mitteleuropäischer Jungvögel (FEILER 1987). Die Wiederfunde erfolgten nach ca. drei bis fünf Monaten an der französischen Atlantikküste (1.520 km) sowie im Neli- dowski-Rayon in Russland (>1.200 km). Die Auswertung aller Ringfunde und Farbringablesungen bietet jedoch ein anderes Gesamtbild. So wandern nur wenige geschlechts- reife Seeadler aus und tragen zur Besiedlung benachbarter Gebiete bei. Viele Adler bleiben ihr Leben lang in einem Radius von unter 50 km um ihren Geburtsort. In Brandenburg kommen gelegentlich Ansammlungen von über zwanzig Adlern vor; maximale Konzentrationen lagen bei etwa vierzig Individuen (LANGGEMACH & MEYBURG 2001). Im unteren Odertal korreliert der Durchzug von Seeadlern mit dem Wasservogelzug. So ist im März gegen- über dem Februar eine deutliche Zunahme von Jungadlern zu beobachten (DITTBERNER & DITTBERNER 1986). Nach den Ergebnissen des internationalen Farbberingungspro- gramms Seeadler spielt der Nordosten Deutschlands eine wichtige Rolle als Überwinterungsraum für nord- und ost- europäische Seeadler (KÖPPEN 1996). Rastender Seeadler Foto: Dietmar Nill MLUV | Artenschutzprogramm Adler | 9 | ADLER_ASPrg_neuRo.indd 9 26.10.2005 12:33:18 Uhr Bestand des Seeadlers in Deutschland 2003 (Quelle: Staatliche Vogelschutzwarten der Länder) Bundesland Revierpaare Mecklenburg-Vorpommern 194 Brandenburg 116 Sachsen 56 Schleswig-Holstein 39 Sachsen-Anhalt 20 Niedersachsen 16 Bayern 1 Berlin 1 Thüringen 1 Nahrungsangebot in einer weitläufig eutrophierten Land- schaft zu nennen (MEYBURG & SCHELLER 2001). Verbunden mit der erfreulichen Zunahme des Seeadlerbe- standes ist es zu Arealerweiterungen in Richtung Westen, Süden und Norden (z. B. Dänemark) gekommen. Der er- Brutvorkommen des Seeadlers in Deutschland 2003 höhte Populationsdruck in den skandinavischen und mit- (nach GEDEON et. al. 2004) teleuropäischen Vorkommen ermöglicht die Wiederbesied- lung von europäischen Regionen, in denen der Seeadler erholen begann, kam es zu einer erneuten Stagnation bei ausgerottet oder verdrängt wurde. der Zunahme um die Mitte des 20. Jahrhunderts und zu einem deutlichen Rückgang der Nachwuchsrate infolge der Europa beherbergt 4.000 bis 4.700 Revierpaare, wobei großflächigen Ausbringung von DDT. Anfang der 1970er Norwegen mit 1.600-1.800 Paaren den größten Bestand Jahre wurde dieses Pestizid in beiden deutschen Staaten aufweist (HEATH et al. 2000). Betrachtet man die Anga- verboten. In der DDR kam es bei Nonnenkalamitäten noch ben für die einzelnen europäischen Länder, ergeben sich bis Mitte der 1980er Jahre in großer Menge zum Einsatz. drei Verbreitungsschwerpunkte: Ende der 1970er Jahre wurde der Brandenburger Bestand • rund 50% der europäischen Seeadler besiedeln Skandina- mit 22-25 Brutpaaren und 1980 mit 30 Brutpaaren ange- vien und Karelien, geben. Seitdem konnte ein anhaltender Anstieg dokumen- • rund 20% das europäische Russland und tiert werden, dessen Dynamik nach 1990 noch zunahm. • rund 20% Mitteleuropa. Mittlerweile wurde auch der Großraum von Berlin besiedelt. Das Zentrum der mitteleuropäischen Population liegt in Auf der Gesamtfläche des Landes Brandenburg beträgt Nordostdeutschland und in Polen, wobei die deutschen die Siedlungsdichte 0,35 Revierpaare/100 km². In Meck- Bestände die westliche Arealgrenze auf dem europäischen lenburg-Vorpommern ist sie doppelt so hoch. Aufgrund Festland bilden. In Deutschland beträgt der Bestand des ähnlicher Habitatvoraussetzungen und Bestandsentwick- Seeadlers gegenwärtig (2003) 444 Revierpaare. Davon lungen in beiden Ländern kann man davon ausgehen, dass siedeln in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gegenwärtig noch nicht alle potenziellen Seeadlerreviere in 310 Paare (70%). Sie bilden den Kern des deutschen Brut- Brandenburg besetzt sind. Regionale Unterschiede in der bestandes. Somit tragen Brandenburg und Mecklenburg- Siedlungsdichte ergeben sich aus Differenzen bei den na- Vorpommern die größte Verantwortung für den Schutz des turräumlichen Gegebenheiten, der Bevölkerungsdichte und Seeadlers in Deutschland. der Landschaftsnutzung. Der Verbreitungsschwerpunkt in 2.1.2.2 Brandenburg Brandenburg liegt in der wald- und seenreichen, gering Die historische Bestandsentwicklung des Seeadlers, der vom Menschen besiedelten und großräumig wenig gestör- nach SCHALOW (1919) in der Mark schon einmal als ten Uckermark. Mit Abstand folgen die Niederlausitz so- regelmäßiger Brutvogel verschwunden war, beschreiben wie die Elbtalaue im Übergang zum Havelland. Insgesamt FEILER (1987) und HAUFF (1998). Nachdem sich der Be- hat die Bestandszunahme gleichermaßen durch Verdich- stand in Deutschland zwischen 1930 und 1940 wieder zu tung in bisherigen Brutgebieten und durch Schließung von | 10 | Artenschutzprogramm Adler | MLUV ADLER_ASPrg_neuRo.indd 10 26.10.2005 12:33:20 Uhr

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