ebook img

Aristoteles Werke: Band 13 Über die Seele PDF

157 Pages·1960·41.399 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Aristoteles Werke: Band 13 Über die Seele

ARISTOTELES Ü B ER D IE S E E LE ARISTOTELES WERKE IN DEUTSCHER ÜBERSETZUNG HERAUSGEGEBEN VON ERNST GRUMACH BAND 13 ÜBER DIE SEELE A K A D E M I E - V E R L A G • B E R L IN 19 5 9 ARISTOTELES ÜBER DIE SEELE ÜBERSETZT VON WILLY THEILER A K A D E M I E - V E R L A G • B E R L IN 19 5 9 Copyright 1959 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 1, Leipziger Straße 3-4 Lizenz-Nr. 202 • 100/183/59 Satz, Druck und Bindung: IV/2/14 . VEB Werkdruck Gräfenhainichen >1054 Bestellnummer: 3022/13 Printed in Germany ES 3 B/4 BUCH I 1. Wenn wir die Wissenschaft für etwas Hohes und Ehrwürdiges 402 a erachten und die eine mehr als die andere entweder nach ihrer Strenge, oder weil ihr Gegenstand vorzüglicher oder erstaunlicher ist, müssen wir aus den beiden Gründen die Erforschung der Seele füglich obenan 5 stellen. Aber auch zum Blick in das gesamte Sein scheint ihre Kenntnis 5 Wichtiges beizutragen, am meisten zum Blick in die Natur. Denn die Seele ist gewissermaßen der Grund der Lebewesen. Wir suchen ein- mal ihre Natur und ihr Wesen zu betrachten und zu erkennen, weiter die sie begleitenden Eigenschaften. Von diesen scheinen die einen der 10 Seele eigentümliche Affektionen zu sein, die anderen von ihr aus auch 10 den Lebewesen zuzukommen. Ganz im allgemeinen gehört es zum Schwierigsten, eine feste Meinung über sie zu gewinnen. Aus folgendem Grunde: da die Frage die gleiche ist für vieles andere, ich meine die Frage nach dem Wesen und dem Sein, so könnte es einem scheinen, 15 es gäbe ein Verfahren für alle Seinserkenntnisse, so wie auch einen 15 Nachweis für die begleitenden Eigentümlichkeiten, und dieses Ver- fahren sei zu suchen. Wenn es aber kein einheitliches und gleiches Verfahren in der Frage nach dem Sein gibt, wird die Untersuchung noch schwieriger. Man wird nämlich für jedes einzelne Gebiet das 20 Vorgehen festlegen müssen. Und wenn Klarheit darüber besteht, ob Beweis oder Einteilung oder sonst irgendein Verfahren in Betracht 20 kommt, gibt es noch viele Zweifelsfragen und Bedenken, von welchem Ausgangspunkte aus die Untersuchung zu führen sei. Denn die Prin- zipien sind verschieden für die verschiedenen Dinge, wie z.B. für Zahlen 25 und Flächen. Zuerst ist es wohl nötig auseinanderzusetzen, zu welcher Gattung die Seele gehört und was sie ist, ob sie ein bestimmtes Etwas und eine Wesenheit ist, oder ob sie eine Qualität oder eine Quantität oder sonst eine der unterschiedenen Kategorien ist, ferner ob sie zum Mög- 25 30 liehen gehört, oder ob sie eher eine Art Erfüllung ist. Das macht nämlich keinen geringen Unterschied | aus. Auch ist zu untersuchen, 402b ob sie teilbar oder teillos ist, und ob jede Seele gleichartig ist oder nicht; 6 Buchi wenn nicht gleichartig, ob ein Art- oder Gattungsunterschied besteht. Jetzt nämlich scheinen jene, die über die Seele reden und forschen, 5 allein die menschliche Seele im Auge zu behalten; es darf aber nicht verborgen sein, ob ihr Begriff einheitlich ist wie der des Lebewesens oder für jede Seele verschieden, z. B. für die eines Pferdes, Hundes, 5 Menschen, Gottes, und ob das Lebewesen als Allgemeines ein Nichts ist oder ein Nachträgliches — ebenso wenn sonst etwas Allgemeines von ihr ausgesagt wird; ferner aber, wenn nicht viele Seelen, sondern 10 viele Seelenteile vorhanden sind, ob man zuerst die ganze Seele zu untersuchen hat oder die Teile. Schwer ist auch, bei diesen zu be- 10 stimmen, welche voneinander unterscheidbar sind, und ob man zuerst die Teile untersuchen muß oder ihre Leistungen; z. B. das Denken oder den denkenden Geist und das Wahrnehmen oder das Wahrnehmungs- vermögen; und so auch bei den übrigen Teilen und Leistungen. Falls man zuerst die Leistungen untersuchen muß, wird man wieder 15 15 fragen, ob man vor ihnen die zugehörigen Objekte untersuchen muß, z. B. das Wahrnehmbare vor dem Wahrnehmungsvermögen, das Denkbare vor dem denkenden Geist. Es scheint weiter, daß nicht nur die Kenntnis des Wesens nützlich ist zur Betrachtung der Gründe für die begleitenden Eigenschaften der Wesenheiten, wie z. B. in der 20 Mathematik die des Wesen des Geraden und Krummen oder der 20 Linie und der Fläche, um festzustellen, wie vielen rechten Winkeln die Winkelsumme in einem Dreieck gleich ist, sondern umgekehrt tragen auch die begleitenden Eigenschaften ein großes Stück zur Ein- sicht in das Wesen bei. Wenn wir nämlich imstande sind, auf Grund 25 der Anschauung über die begleitenden Eigenschaften, alle oder die 25 meisten, zu urteilen, dann werden wir uns auch über die Wesenheit am besten äußern können. Denn den Ausgangspunkt für jeden Beweis bildet das Wesen, so daß offenbar die Definitionen, auf Grund deren 403« es nicht nur zu keinem| Erkennen der begleitenden Eigenschaften 30 kommt,, sondern auch nicht leicht ist, Vermutungen darüber auf- zustellen, allesamt rein formales und leeres Gerede sind. Schwierigkeit machen auch die Affektionen der Seele: Betreffen sie alle gemeinsam auch den Träger der Seele, oder gibt es eine Affek- 5 tion, die der Seele allein eigentümlich ist ? Dies zu erfassen ist not- 35 wendig, aber nicht leicht. Sie scheint in der Regel nichts ohne den Körper zu erleiden oder zu tun, z. B. zu erzürnen, wagemutig zu sein, zu begehren, überhaupt zu empfinden (wahrzunehmen). Am ehesten ist noch das Denken etwas wie eine eigene Affektion. Wenn aber auch Kapitel 1 7 dieses eine Vorstellung ist oder nicht ohne Vorstellung, kann auch dieses nicht ohne Körper sein. Wenn nun eine von den Leistungen 10 oder Affektionen der Seele ihr eigen ist, dann ist es möglich, daß sie sich abtrennt. Wenn ihr aber nichts eigen ist, ist sie nicht abtrennbar, 5 sondern es steht mit ihr wie mit der Geraden (Linie), der als Geraden vieles, zukommt, z. B. daß sie die eherne Kugel in einem Punkt berührt, aber in der Tat wird die Gerade nicht als abgetrennte sie so berühren; sie ist unabgetrennt, da sie immer mit irgendeinem Körper 15 verbunden ist. Auch die Affektionen und Affekte der Seele scheinen 10 alle mit dem Körper verbunden zu sein: Zorn, Milde, Furcht, Mit- leid, Wagemut, dazu Freude und Lieben wie Hassen. Denn von ihnen wird auch der Körper in Mitleidenschaft gezogen. Ein Zeichen dafür ist, daß man manchmal beim Vorliegen von starken und deutlichen Einwirkungen nicht in Erregung oder Furcht gerät, zuweilen aber 20 15 von geringen und schwachen bewegt wird, wenn der Körper in Schwel- lung ist und es mit ihm so steht, wie wenn man im Zorne aufwallt. Noch auffälliger ist folgendes: Ohne daß etwas Furchterregendes vorliegt, gerät man in den Zustand dessen, der sich fürchtet. Wenn dem so ist, so ist es klar, daß die Affekte materiegebundene Begriffe sind. Es 25 20 sehen dann die Definitionen z. B. so aus: Zorn ist eine Art Bewegung des so und so beschaffenen Körpers oder Körperteiles oder Vermögens unter der und der Einwirkung zu dem und dem Zweck. Und deswegen kommt es ohne weiteres dem Naturforscher zu, Betrachtungen über die Seele anzustellen, über jede Seele oder doch eine bestimmte Art 25 Seele. Auf verschiedene Weise definiert der Naturforscher und der Dialektiker jeden der Affekte, z. B. den Zorn; der eine wird ihn 30 definieren als Streben nach Vergeltung einer Kränkung oder etwas derartiges, der andere als Sieden des Blutes, das um das Herz liegt | und 403 b heiß ist. Von diesen gibt der eine die Materie wieder, der andere die 30 Form und den Begriff. Denn der Begriff der Sache ist der und der, notwendig ist dieser in einer so und so beschaffenen Materie, wenn er überhaupt sein soll. So ist z.B. der Begriff eines Hauses folgender: Es ist ein Schutzmittel, das Schädigung durch Wind, Regen und 5 Hitze verhütet; ein anderer wird von Steinen, Ziegeln und Holz 35 sprechen; ein dritter von der Form in der und der Materie zu dem und dem Zweck. Wer ist nun unter diesen der Naturforscher? Wer sich mit der Materie abgibt und den Begriff nicht kennt oder wer sich nur mit dem Begriffe befaßt? Oder eher, wer beides verbindet? Wer sind aber beide zuerst Genannten? Oder es gibt am Ende niemanden 8 Buch I 10 (anderen), der sich mit den Affektionen der Materie abgibt, die un- trennbar sind und insofern sie untrennbar sind, sondern der Natur- forscher befaßt sich mit allen Leistungen und Affektionen des so und so beschaffenen Körpers und der so und so beschaffenen Materie. Alle (Affektionen), die nicht als derartige der Beurteilung unterliegen, 5 über diese urteilt ein anderer und zwar über einige gegebenenfalls der Techniker, der Architekt oder der Arzt; über die Affektionen aber, die nicht abtrennbar sind, insofern sie nicht einem so und so be- 15 schaffenen Körper angehören und durch Abstraktion gewonnen sind, der Mathematiker; insofern sie aber abgetrennt sind, der Erste Philo- 10 soph. Aber wir müssen zum Ausgangspunkt der Erörterung zurück- kehren. Wir sagten, die Affekte der Seele seien nicht irgendwie abtrennbar von der natürlichen Materie der Lebewesen, insofern eben Zorn und Furcht derartige Affektionen sind und nicht so wie Linie und Fläche. 15 20 2. Bei unserer Betrachtung über die Seele müssen wir zugleich mit der Aufweisung der Weglosigkeit (Schwierigkeit), aus der wir im Fortgang den Ausweg finden sollen, die Ansichten der Früheren mit- heranziehen, die sich über sie geäußert haben, um das Zutreffende zu übernehmen und dem Nichtzutreffenden zu entgehen. Ausgang der 20 25 Untersuchung ist die Anführung dessen, was der Seele ihrer Natur nach hauptsächlich zuzukommen scheint: Das Beseelte scheint sich vom Unbeseelten durch zweierlei hauptsächlich zu unterscheiden, durch Bewegung und Wahrnehmung. Wir haben auch von unseren Vor- gängern im wesentlichen dies beides überkommen. So sagen einige, 25 hauptsächlich und zu allererst sei Seele das Bewegende. In der Mei- 30 nung, was sich nicht fortbewege, vermöge nicht ein anderes zu be- wegen, faßten sie die Seele als ein Bewegtes. Deshalb sagt Demokrit, | 404 a sie sei eine Art Feuer und Warmes. Angesichts einer unendlichen Zahl von Gestalten und Atomen <(heißt er die kugelförmigen Feuer und 30 Seele)> — wie in der Luft die sogenannten Sonnenstäubchen, die 'in den durch die Fenster einfallenden Strahlen sichtbar werden —, 5 deren Samenmasse er Elemente der ganzen Natur heißt — desgleichen auch Leukipp —, von diesen die kugelförmigen Seele, weil die so be- schaffenen Formen am ehesten alles durchdringen und das übrige 35 bewegen können, indem sie selber bewegt sind; beide meinen, die Seele sei das, was in den Lebewesen die Bewegung bewirke. Deswegen sei 10 auch bestimmend für das Leben die Atmung. Indem das umgebende All einen Druck auf die Körper (der Lebewesen) ausübe und diejenigen Kapitel 1-2 9 unter den Formen herauspresse, die in den Lebewesen dadurch, daß sie selbst nie ruhen, die Bewegung bewirken, biete sich diesen eine Hilfe dar, insofern beim Einatmen von außen andere solche (Atom- formen) hineingelangten; sie hinderten auch die in den Lebewesen vor- 5 handenen sich auszusondern, indem sie dem Druck und der Pressung 15 entgegenwirken. Auch lebten die Wesen, so lange sie das zu tun vermöchten. <Es scheint auch die Lehre der Pythagoreer denselben Sinn zu haben. Einige von ihnen sagen, Seele seien die Sonnen- stäubchen in der Luft; andere das, was sie bewege. Auf sie verfiel man, 10 weil sie sich in dauernder Bewegung zeigen, auch wenn vollständige 20 Windstille herrscht.) Auf dasselbe kommen die heraus, die unter der Seele das sich selbst Bewegende verstehen, denn diese alle scheinen anzunehmen, die Bewegung sei der Seele am eigentümlichsten und alles andere bewege sich wegen der Seele, diese aber von sich selbst; 15 sie sahen eben nichts eine Bewegung bewirken, was nicht sich selbst 25 bewegt. Desgleichen sagt auch Anaxagoras, die Seele sei das Bewegende, und wenn sonst jemand erklärte, daß der denkende Geist das All bewege. Freilich nicht genau wie Demokrit. Dieser setzte schlechthin Seele und Geist gleich; denn was wahrgenommen werde, sei das Wahre. 20 Deshalb habe Homer treffend gedichtet: Hektor lag da anders denkend. 30 Denn Demokrit verwendet den Geist nicht als ein Vermögen zur Wahr- heitserkenntnis, sondern setzt Seele und Geist gleich. | Anaxagoras aber 404b drückt sich darüber weniger deutlich aus. Oft nennt er den Geist die Ursache von Schönheit und Ordnung; anderswo sagt er, dieser sei 25 die Seele, denn er sei in allen Lebewesen vorhanden, großen wie kleinen, wertvollen wie wertlosen. Es scheint aber der Geist, als Denk- 5 kraft verstanden, nicht gleicherweise allen Lebewesen innezuwohnen, nicht einmal allen Menschen. Die nun, die auf die Bewegung des Beseelten achteten, hielten die 30 Seele für das Bewegungsfähigste; die, die auf das Erkennen und Wahr- nehmen der Dinge, setzen Seele und Urgründe gleich; wenn sie mehrere 10 annehmen, diese; wenn nur einen, diesen, Empedokles z.B.läßt sie aus allen Elementen bestehen, meint aber, es sei auch jedes von ihnen Seele, indem er sich folgendermaßen ausdrückt: 35 Erde gewiss denn mit Erde erschauen wir, Wasser mit Wasser, Himmlischen Aether mit Aether, doch fressendes Feuer mit Feuer, Liebe hinwieder mit Liebe und Streit mit betrüblichem Streite. 15

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.