Arbeiten im Netz Kommunikationsstrukturen, Arbeitsabläufe, Wissensmanagement Michaela Goll Mannheim: Verlag für Gesprächsforschung 2008 ISBN 978 - 3 - 936656 - 31 - 2 http://www.verlag-gespraechsforschung.de Alle Rechte vorbehalten. © Verlag für Gesprächsforschung, Dr. Martin Hartung, Mannheim 2008 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt 1 Einleitung.................................................................................................9 2 Die Untersuchung netzbasierter Kommunikation in Unternehmen.........................................................................................12 2.1 Formen und Kontexte netzbasierter Kommunikation.............................12 2.2 Charakteristika netzbasierter Kommunikation.......................................16 2.3 Netzbasierte Kommunikation in Unternehmen......................................21 2.4 Resümee..................................................................................................26 3 Das methodische Instrumentarium.....................................................28 3.1 Die kulturell kontextualisierte Konversationsanalyse............................28 3.2 Der methodische Zugang zum Forschungsfeld......................................37 3.3 Das Datenmaterial...................................................................................39 4 Der Eintritt ins Untersuchungsfeld.....................................................46 5 Charakteristika der vernetzten Arbeitsorganisation........................62 5.1 Eine erste Kurzbeschreibung oder: „What's going on here?“.................62 5.2 Das Mitarbeiterprofil bei Communications: Zusammensetzung und Rekrutierung ....................................................63 5.3 Strukturen und Formen des räumlich verteilten Arbeitens.....................69 5.3.1 Netzbasierte Kommunikation unter Anwesenden: Das Arbeiten im Großraumbüro.............................................................70 5.3.2 Kundenzentrierte Arbeitsorganisation: Charakteristika der „On-Site“-Telearbeit...............................................79 5.3.3 „Unsichtbare“ Tätigkeiten: Telearbeit im Home-Office........................81 5.4 Die Organisation der Arbeit über vernetzte Projektteams......................82 5.4.1 Charakteristika der vernetzten Organisationsstruktur............................82 5.4.2 Kennzeichen des partizipativen und ergebnisorientierten Führungskonzeptes.................................................................................85 5.4.3 Managementkonzepte zur Sicherung der Koordination und Kooperation ............................................................................................89 6 Die Herstellung einer virtuellen Präsenz: Das Gruppenprogramm als interaktives Werkzeug für die tägliche Arbeit.............................94 6.1 Aufbau und Struktur des Gruppenprogramms........................................94 6.2 Der gezielte Rückgriff auf die „embodied practice“: Möglichkeiten 6 Inhalt und Grenzen einer elektronisch organisierten Terminverwaltung .........96 6.3 Die Vorstrukturiertheit der Kommunikationsform als Interaktionsproblem elektronischer Aufgabenanfragen.......................111 6.4 „Heavy user practice“: Charakteristika der innerbetrieblichen E-Mail-Kommunikation........................................................................115 7 Interne Diskussionslisten zwischen Dialog und Dokumentation....125 7.1 Der Beitrag der Verteilerlisten im vernetzten Wissensmanagement....125 7.2 Struktur und Funktion der internen Listen............................................127 7.2.1 Die Koordination der Projekte..............................................................133 7.2.2 Der gesicherte Zugang zu den interdisziplinären Themengebieten......138 7.2.3 Das Management interner Arbeitsabläufe............................................141 7.3 „Favoriten“ als individuelle Lösungsmuster einer zentralisierten Wissensverwaltung...............................................................................147 7.4 Die zentrale Organisation der Listen über individuelle „Pflegschaften“.....................................................................................150 7.5 Das Postingverhalten der MitarbeiterInnen und der Umgang mit der „Klönschnack“-Liste.............................................................................155 7.6 Das Leseverhalten der MitarbeiterInnen und der Umgang mit der strukturierten Unsicherheit....................................................................161 7.7 Resümee................................................................................................166 8 Die Konstruktion der Unternehmenswelt im Intranet....................168 8.1 Der Eintritt in „Bertie“ oder: Eine fiktive Romanwelt als Unternehmensmotto..............................................................................168 8.2 Die Funktion des Link- und Leitsystems für die Ausbildung einer (Firmen-) Identität.................................................................................170 8.3 Werben, Motivieren und Verpflichten: Die verschiedenen Codes des Intranets.................................................................................................175 8.4 Resümee................................................................................................182 9 Die funktionelle Integration der Medien..........................................184 9.1 Die Funktion der Homepage für die Ausbildung einer Firmenidentität......................................................................................184 9.2 Der häufige Rückgriff auf „alte“ Medien – Das Telefon zur Lösung interaktiver Problemsituationen.....................192 9.3 Der seltene Rückgriff auf „alte“ Medien – Das Fax als geduldete Zwischenlösung für die Kommunikation nach Außen.........197 9.4 Die wechselseitige Fokussierung verschiedener Aktivitätstypen: Zur Ökonomie der Arbeitsorganisation.................................................198 Inhalt 7 10 Die Ökonomisierung der Face-to-face-Treffen................................211 10.1 Der regelmäßige Austausch: Das monatliche Firmenmeeting.............211 10.2 Die unregelmäßige Lösung: Ad hoc organisierte Arbeitstreffen..........222 10.3 Von der Abwesenheit zur Anwesenheit: Der wöchentliche Bürotag...223 10.4 Wissensaustausch und Aufbau von Kollegialität durch Workshops....225 10.5 Resümee................................................................................................227 11 Multi-mediales Wissensmanagement: Die Aus- und Weiterbildung unter vernetzten Bedingungen........229 11.1 Der (mögliche) Verlauf einer Einarbeitung..........................................229 11.2 Das Intranet als Lösung für erwartbare Probleme................................234 11.3 Wissensgewinn und -vermittlung über interne Diskussionslisten........243 11.4 Wissenstransparenz als Motivationsfaktor: Die interne Koordination externer Weiterbildungsmöglichkeiten.......248 11.5 Vom Neuling zur KollegIn: Sozialisation in die innerbetriebliche Kommunikationspraxis.............251 12 Schmunzeln, Klönen, Jammern: Zur Pflege sozialer Beziehungen.......................................................260 12.1 „Cookies of the day and for the week“: Der Austausch informeller Nachrichten...............................................260 12.2 Virtuelle „Magnums“ als Belohnungen: Die Gestaltung der arbeitsbezogenen Nachrichten...............................267 12.3 Klönen in der „Klönschnack-Liste“: Die Konstitution als Gruppe......274 12.4 Die Funktion des „virtuellen Kummerkastens“: Zum Umgang mit technisch bedingten Handlungsproblemen.............280 12.5 Arbeitsbeziehungen und Beziehungsarbeiten.......................................288 13 Typen der Selbstinszenierung bei der Rekonstruktion der Arbeitswelt....................................................................................292 14 Die letzten Kontakte mit dem Untersuchungsfeld...........................305 15 Von der Avantgarde zum „Bastelmanagement“: Schlussbetrachtungen zum Ausstieg aus der Vernetzung..............313 16 Literaturverzeichnis...........................................................................320 17 Anhang.................................................................................................331 17.1 Trankriptionskonventionen...................................................................331 17.2 Glossar..................................................................................................333 1 Einleitung Die rasante Entwicklung neuer Informationstechnologien hat neben den Folgen für die Kommunikation im informellen Bereich auch erhebliche Auswirkungen auf die Strukturen und Arbeitsabläufe von Organisationen. So wird es zunehmend möglich, Arbeit von ihrer Bindung an eine fest vorgegebene räumlich-zeitliche Struktur zu lösen und von beliebigen Orten und zu beliebigen Zeiten zu erledigen. Durch diesen Mobilitätsgewinn werden Organisationen tendenziell zu Einrichtungen, die kein räumliches Zentrum mehr haben. Die Mitglieder einer Organisation treffen sich nicht mehr „face-to-face“ im Büro, bei einer Besprechung oder auf dem Gang, son- dern – elektronisch vermittelt – nur mehr „virtuell“. Aus Organisationen mit einer Firmenadresse werden Organisationen mit einer Internet-Adresse, aus Unternehmen werden vernetzte Unternehmen. Welche besonderen Qualitäten die elektronisch vermittelten Arbeits- und Kom- munikationsprozesse aufweisen und welche Implikationen sie für die organisatori- sche und die soziale Struktur eines Unternehmens haben, ist das Thema der vorlie- genden Fallstudie. Bei der untersuchten Organisation handelt es sich um eine Bera- tungsgesellschaft mit 12 MitarbeiterInnen, die Großunternehmen im Bereich IT- Strategien (IT steht für Informationstechnologien) und Technologien berät. Die zu verrichtenden Aufgaben – vorwiegend individuelle Arbeiten am Computer und/oder Beratungstätigkeiten für Kunden – ermöglichen bzw. erfordern die Arbeit an ver- schiedenen Orten und zu flexiblen Arbeitszeiten. So findet die Arbeit häufig beim Kunden vor Ort statt. MitarbeiterInnen, die nicht beim Kunden sind, können entwe- der im Großraumbüro oder an ihrem Arbeitsplatz zu Hause (Home-Office) arbeiten. Die Koordination der individuell, an unterschiedlichen Orten erbrachten Arbeitsleis- tungen und die Kooperation der MitarbeiterInnen untereinander für die gemeinsam zu erledigenden Aufgaben werden im beobachteten Unternehmen durch verschiede- ne Kommunikationsmedien und -formen gesichert: über ein asynchrones Gruppen- programm (mit den Grundfunktionen E-Mail und elektronische Diskussionslisten), ein auf HTML-Seiten basierendes firmeninternes Rechnernetz, das sogenannte Int- ranet, eine FTP-Verbindung, die einen Zugang zum Intranet und zum Internet er- möglicht, über Telefon und Fax sowie über Face-to-face-Treffen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem zentralen Problem vernetzter Unternehmen: Wie lassen sich die Orientierungen und Tätigkeiten räumlich verteilt arbeitender Organisationsmitglieder so koordinieren und füreinander transparent machen, dass Uninformiertheit, doppelte Arbeit, unklare Zuständigkeiten usw. ver- mieden und aus der Tatsache der Vernetzung ein Rationalitätsgewinn erzielt werden kann? So arbeitet die Studie zum einen heraus, welche spezifischen Software-Ein- richtungen in dem Unternehmen reziproke Informiertheit und Kooperation erleich- 10 1 Einleitung tern bzw. ermöglichen sollen. Zum anderen wird gezeigt, wie die MitarbeiterInnen des Unternehmens durch die spezifische Handhabung dieser Programme kontinuier- lich die soziale Ko-Orientierung und Synchronisierung untereinander zu erreichen versuchen. Dabei wird verdeutlicht, welche große Bedeutung gerade informelle Kommunikationsweisen für die Gruppenidentität und -loyalität der entfernt vonein- ander Arbeitenden haben. Besondere Aufmerksamkeit gilt auch den besonderen Kulturtechniken und Routinen, mit denen die Beteiligten die Medien für sich und ihre Bedürfnisse adaptieren, und der Frage, wie sie dabei mit Handlungsproblemen umgehen. Thematisch reicht die Arbeit damit in die Organisationssoziologie, die Techniksoziologie und Kommunikations- und Mediensoziologie sowie in die For- schung über Computer Supported Cooperative Work hinein. Die Kombination verschiedener Zugänge zum Untersuchungsfeld „elektronisch vermitteltes Arbeiten“ und der sich dadurch ergebende Datenkorpus stellen das Besondere der vorliegenden Arbeit dar. Die Gelegenheit zur Erhebung der Daten bot sich durch die Annahme einer mehr als ein Jahr dauernden Arbeitstätigkeit innerhalb des untersuchten Unternehmens. So war es möglich, sowohl Handlungspraktiken in ihrem Vollzug zu erfassen und Handlungsergebnisse – in Form der produzierten Texte – zu sammeln, um das räumlich verteilte Arbeiten über alle verwendeten Me- dien und Face-to-face-Gespräche hinweg zugänglich zu machen. Da sich der größte Teil der Arbeit in dem vernetzten Unternehmen am Computerbildschirm abspielt, besteht das Datenmaterial primär aus schriftsprachlich konstituierten Texten (E- Mails, HTML-Seiten und Bildschirmmitschnitte), die allerdings durch Gliederung und Design, durch farbige Markierungen und ikonographische Zusätze angereichert sind und sich damit einem einfachen gesprächsanalytischen Zugriff entziehen. Er- gänzt wird dieses Datenmaterial durch Video-Aufzeichnungen der Arbeit von Firmen- mitgliedern am Computerbildschirm sowie durch Feldnotizen, in denen vor allem über die Face-to-face-Interaktionen berichtet wird. Insgesamt ist festzuhalten, dass auf diese Weise ein detaillierter und umfangreicher Materialkorpus über ein nicht leicht zugäng- liches und bislang kaum erforschtes Feld zusammengetragen wurde, das von hohem organisations- und kommunikationssoziologischen Interesse ist. Die Studie zeigt, dass auch dort, wo es um elektronisch vermittelte Kommunika- tion geht, ein ethnographischer Ansatz geeignet ist, einen Zugang zu einem fremd- artigen Untersuchungsobjekt zu erschließen. Aus der „dichten Beschreibung“ der kommunikativen Ökologie des beobachteten Unternehmens konnten im Sinn einer ethnographisch erweiterten Konversationsanalyse erste Schritte im Hinblick auf die Identifizierung allgemeiner Kommunikationsstrukturen entwickelt werden. Der methodische Zugang der Fallanalyse sowie die Verwendung mikroethnographischer und interaktionsanalytischer Verfahren gewährleistete dabei eine realitätsnahe Er- fassung und Beschreibung. Im Sinne einer der Ethnomethodologie verpflichteten Herangehensweise geht es nicht um die Prüfung bzw. Formulierung weitreichender theoretischer Generalisierungen, sondern um eine detaillierte Beschreibung beobachte- ter Abläufe, die sich von der Frage leiten lässt: „What's going on here?“. Die Herange- 1 Einleitung 11 hensweise an das Thema war somit nicht von vorab aufgestellten Hypothesen gelei- tet. Auf dem Gebiet der Telekooperation erzielte Erkenntnisse wurden allerdings als Ansatzpunkt gewählt, um im Forschungsfeld erste Schritte zu machen. Diese For- schungsfragen blieben jedoch immer offen für Modifikationen, indem Datenzugang und -analyse iterativ erfolgten. Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis eines Teilprojektes des von 1996 bis 1998 an der Justus-Liebig-Universität Gießen durchgeführten Forschungsprojektes „Strukturen, Dynamik und Konsequenzen elektronisch vermittelter kooperativer Arbeit in Organisationen“, welches von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurde. Allgemeine Zielsetzung dieses Forschungsprojektes war es, den genuinen Charakter von elektronisch vermittelter kooperativer Arbeit empirisch zu bestimmen. Neben zwei Fallstudien, die die synchrone Kooperation via Videokonfe- renzen zum Thema hatten, war die hier durchgeführte Fallstudie ursprünglich auf die Untersuchung der asynchronen Kooperation via E-Mail und internen Diskussions- listen gerichtet. Aufgrund der besonderen Qualität des ethnographischen Feldzu- gangs verschob sich der Projektfokus hin zu einer Organisationsstudie, in deren Rahmen sich das Forschungsinteresse nicht nur auf den spezifischen Umgang der MitarbeiterInnen mit einem Gruppenprogramm, sondern auch auf den Stellenwert des Intranets und das Zusammenspiel der verschiedenen Medien und Kommunika- tionsformen richtete. Dem Leiter des Forschungsprojektes Jörg Bergmann sowie den Projektmitarbei- tern Christoph Meier, Holger Finke und Ralf Bundschuh danke ich in diesem Zu- sammenhang für die in der langjährigen Zusammenarbeit eingebrachten kritischen Anmerkungen und Kommentare. Dank gebührt auch allen MitarbeiterInnen des Unternehmens „Communications“, die bereit waren, sich 15 Monate von mir beo- bachten und aufzeichnen lassen. Ohne ihr Vertrauen und ihre Hilfsbereitschaft wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Allen TeilnehmerInnen des DoktorandInnen- colloquiums von Jörg Bergmann der letzten vier Jahren danke ich für ihre zahlrei- chen Kommentare und Anregungen. Ein besonderer Dank gilt Ruth Ayaß, Kirsten Nazarkiewicz und Virginia Schaal für die aufmerksame Lektüre der Rohfassung. Als Leseanleitung: Die Kapitel, in denen es um die sozialen Potentiale und „Lo- giken“ der im Unternehmen eingesetzten kommunikativen Medien und Konstel- lationen geht (Kap. 6-9), führen im jeweils ersten Unterpunkt den technisch eher uninformierten sozialwissenschaftlichen Normalleser deskriptiv an den Untersu- chungsgegenstand heran. Für Kurzerläuterungen kann in dem angehängten Glossar nach den gebräuchlichsten Begriffen aus dem Bereich der netzbasierten Kommuni- kation nachgeschlagen werden. 12 2 Die Untersuchung netzbasierter Kommunikation in Unternehmen 2 Die Untersuchung netzbasierter Kommunikation in Unternehmen 2.1 Formen und Kontexte netzbasierter Kommunikation Unter die Bezeichnung „elektronisch vermittelte Kommunikation“ bzw. „computer mediated communication“ werden sowohl asynchrone, d.h. zeitlich versetzte, als auch synchrone, d.h. zeitgleich ablaufende Kommunikationsprozesse subsumiert. Zu den ältesten und am meisten verbreiteten asynchronen Kommunikationsformen via Computer zählt die elektronische Post bzw. Electronic Mail, in der Kurzform E- Mail. Sie wird sowohl für lokale Netzwerke, Netzwerke mittlerer Reichweite als auch über lange Distanzen via Internet genutzt. Eine Definition von E-Mail aus einem rein technischen Verständnis heraus ist die von Rice (u.a.) (1990, S. 28): „the entry, storage, processing, distribution and reception from one [computer, M. G.] account to one or more other accounts, of digitized text“. Unter Miteinbeziehung der sozialen Bedeutung und damit auch der sozialen Impli- kationen elektronisch vermittelter Kommunikation verweist die Definition von Gar- ton/Wellmann (1995, S. 434) auf die drei Ebenen „Technik, Kommunikation und Gemeinschaft“: „E-mail is a communication network operating on a computer network that supports social net- works“. Schon 1964 nutzten Forscher des US-Verteidigungsministeriums erstmals eine Vor- form von E-Mail, um innerhalb des Netzes ihrer Großrechner Mitteilungen austau- schen zu können. Dabei wurden gewöhnliche Telefonleitungen benutzt, um eine Verbindung zwischen den TeilnehmerInnen herzustellen. Die erste elektronische Postzustellung zwischen zwei Computern fand im Jahr 1972 statt. Mit der Erfindung des ersten Dateitransferprotokolls CPYNET war es zudem möglich, die erste wech- selseitige Verbindung herzustellen.1 Der Großteil der netzbasierten Kommunikation findet heute über das bzw. im In- ternet statt. Das Internet ist ein Computernetz, das weltweit Millionen von Com- putern miteinander verbindet. Es fungiert gleichermaßen als Medium des Datenaus- tausches und der Kommunikation. Neben den Informationsmöglichkeiten gewinnt der Aspekt der Kommunikation immer mehr an Bedeutung, was sich beispielsweise an der Ausstattung von sogenannten Web-Browsern2 mit Kommunikationsmöglich- 1 Vgl. dazu Hafner/Lyon (1997). 2 Ein Browser ist ein Navigationsprogramm, um HTML-Dokumente auf dem lokalen Rechner darstel- 2.1 Formen und Kontexte netzbasierter Kommunikation 13 keiten zeigt. Eine E-Mail kann unabhängig davon, ob der Austausch nun in einem lokalen oder weltweiten Netzwerk stattfindet, individuell adressiert werden, indem im Rahmen einer Einzelkommunikation ein Nachrichtenaustausch zwischen einzel- nen Personen stattfindet. E-Mails können aber auch problemlos an mehrere Emp- fänger versandt werden, beispielsweise über eine Verteilerliste an alle Mitarbei- terInnen eines Projekts. Im Internet haben sich neben asynchronen Formen (Newsgroups, auch Bulletin Boards genannt, und Mailing- bzw. Diskussionslisten) auch synchrone Formen wie IRC-Channels (Internet Relay Chat), MUDS (Multi User Dungeons) oder ICQ (I seek you) etabliert, die sowohl Zweierkommunikation als auch eine simultane Kommunikation mehrerer Teilnehmer ermöglichen. Die verschiedenen Kommunikationsformen sollen im Folgenden kurz vorgestellt wer- den. An der öffentlich zugänglichen Kommunikation in den Newsgroups und Diskus- sionslisten kann jeder Interessent teilnehmen. Der Sender einer E-Mail hat dabei keinen Einfluss auf den Rezipientenkreis. Zumeist gelten bestimmte Kommunikati- onsregeln bzw. Normen, die in sogenannten „Netiquetten“ schriftlich festgehalten werden, während sich in kleinen Gruppen weniger formalisierte Diskurspraktiken etablieren. Der Großteil öffentlicher Kommunikationsräume wird (z.B. von soge- nannten Administratoren) betreut bzw. moderiert, das heißt, es kann regulierend in die Kommunikationssituation eingegriffen werden, indem beispielsweise eine Vor- auswahl bezüglich der veröffentlichten Nachrichten vorgenommen wird. Während es in den Newsgroups keine festen und schon gar keine identifizierbaren Mitglied- schaften gibt – jeder Netzbesucher kann Zugang zu diesen Nachrichten bekommen, die an einer Art elektronischem „Schwarzen Brett“ angeboten werden – ist der Zu- gang zu Diskussionslisten beschränkt bzw. an einen sogenannten „Subscribe“-An- trag beim Moderator der Liste gebunden. Als charakteristisch für Newsgroups kann die Anonymität der TeilnehmerInnen angesehen werden. Untersuchungen zu diesen Formen der Netzkommunikation stufen die soziale Beziehung unter den Teilneh- merInnen zumeist als egalitär ein. Der Grad der geteilten Interessen ist dabei im Allgemeinen recht hoch; der Grad des geteilten Wissens kann variieren, wird in der Regel jedoch ebenfalls als recht hoch eingeschätzt.3 An Teilnehmerrollen lassen sich die Sender einer E-Mail, die darin Adressierten bzw. direkt angesprochenen Emp- fänger sowie das rezipierende Publikum unterscheiden. Diese dreigeteilte Teilneh- merstruktur ähnelt am ehesten öffentlichen Interviews und Leserbriefen: Man ant- wortet dem Interviewer bzw. der Person, die eine Anfrage an die Newsgroup gestellt hat, die Antwort richtet sich aber prinzipiell an alle interessierten Teilnehmer. Mit Goffman (1981a) ließe sich diese Teilnehmerkonstellation auch anhand der Katego- rien „speaker“, „addressed recipient“ und „unaddressed recipients“ bzw. „by-stan- ders“ beschreiben. len zu können. 3 Vgl. dazu Collot/Belmore (1996).
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