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Antike Sujets und moderne Musik: Untersuchungen zur französischen Musik um 1900 PDF

353 Pages·2002·33.96 MB·German
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Antike Sujets und moderne Musik Kerstin Mira Schneider-Seidel Antike Sujets und moderne Musik Untersuchungen zur französischen Musik um 1900 Verlag J. B. Metzler Stuttgart . Weimar Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Schneider-Seidel, Kerstin Mira: Antike Sujets und moderne Musik: Untersuchungen zur französischen Musik um 1900/ Kerstin Mira Schneider-Seidel. -Stuttgart ; Weimar: Metzler, 2002 (M-&-P-Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung) ISBN 978-3-476-45294-8 ISBN 978-3-476-02871-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-02871-6 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtIich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. M & P Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung © 2002 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung und earl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2002 www.metzlerverlag.de [email protected] FÜR HELMUTH 'Beauty is truth, truth beauty' -that is all Ye know on earth, and alt ye need to know. lohn Keats Inhalt Vorwort 9 Einleitung 11 Kontexte der Musik um 1900 I. Zivilisation und Kultur des Fin de siede 19 1. Ästhetische Paradiese zwischen Dekadenz und Mythos 19 2. Die Weltausstellungen 27 11. Antikenrezeption als wirkungsgeschichtIiches Phänomen des 19. Jahrhunderts 29 1. Zum Begriff Rezeption 29 2. Die Antikenrezeption in Bildender Kunst und Literatur 33 3. Antike Sujets in der Musik im Zeitalter der Orientoper 50 4. Exkurs: Die musikhistorische Auseinandersetzung mit der Antike 62 III. Zu den Perspektiven der französischen Musik des Fin de siede und zur Selbstdefinition und Neuorientierung der französischen Komponisten in dieser Zeit 84 Ausgewählte musikalische Werke mit antiken Sujets I. Mythische Gestalten als Inkarnation der Natur 102 a 1. 'Prelude l'apres-midi d'un faune' von Claude Debussy 106 2. 'Sirenes' von Claude Debussy 118 3. 'Trois Chansons de Bilitis' von Claude Debussy -'La Flute de Pan' 123 4. 'Les Sirenes' von Lili Boulanger 131 5. 'Daphnis et Chloe' von Maurice Ravel 136 6. 'Syrinx' von Claude Debussy 145 11. Mythische Gestalten aus der antiken Literatur 149 1. 'Penelope' von Gabriel Faure 157 III. Antike Hymnen 170 a 1. 'Hymne ApolIon' von Gabriel Faure 172 2. Weitere Interpretationen dr-eHtymno:hrrler französischen Musik um 1900 183 IV. Die Antike -Geschichte und Dekadenz 192 1. Historische Gestalten 193 a) 'Caligula' von Gabriel Faun~, 'Neron' von Edouard Lalo und a 'Mort Neron!' von Jules Massenet 195 b) 'Socrate' von Erik Satie 205 2. Antike und Orient 215 a) 'Chansons de Bilitis' und 'Six Epigraphes antiques' von Claude Debussy 221 b) 'Khamma' von Claude Debussy 226 c) Der Salome-Stoff: 'Herodiade' von Jules Massenet und 'La Tragedie de Salome' von F10rent Schmitt 234 3. Antike und Christentum 246 a) 'ThaIs' von Jules Massenet 255 b) 'Le Martyre de Saint Sebastien' von Claude Debussy 264 V. Ausblick: Das antike Sujet in der Musik nach dem Ersten Weltkrieg 276 Die Antike -ein Mythos der Modeme: Zusammenfassung 289 Anhang Notenbeispiele 301 Abbildungen 319 Werke mit antiken Sujets von französischen Komponisten um 1900 325 Verzeichnis des verwendeten Notenmaterials 340 Literaturverzeichnis 343 Namensregister 355 Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die gekürzte und überarbeitete Fassung meiner Dis sertation, die am 22. Mai 2001 von dem Fachbereich Sprach-und Kulturwissen schaften der Johann Wolfg ang Goethe-Universität in Frankfurt am Main im Fachgebiet Musikwissenschaft angenommen worden ist. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. AdolfNowak, der diese Arbeit betreut und ihr Entstehen mit wertvollen Hinweisen, Anregungen und stets freundlicher und hilfreicher Kritik begleitet hat. Ferner möchte ich Herrn Profes sor Dr. Andreas Ballstaedt fur seine Unterstützung danken sowie den Teilneh mern des Examens- und Doktorandenkolloquiums des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Frankfurt fur ihre Diskussionsbeiträge. Dem Internationalen Musikinstitut Darmstadt verdanke ich die vertrauensvolle Bereitstellung von Partituren und Notenmaterial. Vor allem danke ich der Bi bliotheque nationale de France in Paris, Departement de la Musique, dafur, daß ich Manuskripte und seltene Notenausgaben einsehen durfte. Auch gebührt mein Dank dem Deutschen Archäologischen Institut in Rom, in dessen Bibliothek ich a fur die Untersuchung der delphischen 'Hymne ApolIon' von Gabriel Faure die entsprechenden Ausgrabungsberichte auswerten konnte. Zu danken habe ich der Fazit-Stiftung, die mich mit einem Promotionsstipendi um unterstützt hat. Schließlich möchte ich meinem Mann, Professor Dr. Helmuth Schneider, dafur danken, daß er mir in unseren zahlreichen Gesprächen über Kunst und Literatur viele Anregungen gab und mir vor allem bei Fragen zur Alten Geschichte und Antikenrezeption hilfreich zur Seite stand. Für seine Geduld und sein Verständ nis bin ich ihm zutiefst dankbar. In diesem Sinn sei ihm dieses Buch gewidmet. Kassel, im Dezember 2001 Kerstin Mira Schneider-Seidel 9 Einleitung Il me dit: «Que eherehes-tu? -Je suis la traee du satyre. Ses petits pas fourchus alternent eomme des trous dans un manteau blane. » Il me dit : « Les satyres sont morts. »Les satyres et les nyrnphes aussi. Depuis trente ans, il n'a pas fait un hiver aussi terrible. La traee que tu vois est eelle d'un boue. Mais restons iei, Oll est leur tombeau. >:J In der französischen Musik begegnen seit 1870/71 - in einer Phase der Erneue rung der französischen Musik - Stoffe, die aus der Antike stammen. Werke wie a 'Prelude l'apres-midi d'un faune' und 'Sirenes' von Debussy sowie 'Daphnis et Chloe' von Ravel sind hierfur bekannte Beispiele; bei dieser Rezeption antiker Stoffe handelt es sich nicht um eine mehr oder weniger zufallige Konstellation in der Themenwahl, sondern um einen Tatbestand, der als wichtiges Charakteristi kum der französischen Musik dieser Zeit anzusehen ist. Bei näherer Betrachtung zeigt es sich, daß viele französische Komponisten antike Stoffe aufgriffen. Dabei wurden allerdings völlig unterschiedliche Sujets gewählt, so daß die Antikenre zeption in der französischen Musik und die Formen ihrer musikalischen Umset zung und Interpretation nur schwer faßbar sind. Die Rezeption antiker Sujets um 1900 ist vornehmlich ein französisches Phänomen, es gibt weder in Deutschland, Skandinavien und England, noch in Rußland oder Italien eine vergleichbare Entwicklung, auch wenn etwa Strauss, Nielsen, Mussorgsky, Tcherepnin und Respighi in einzelnen ihrer Werke antike Stoffe aufgegriffen haben. Entscheidend ist dabei, daß die Wahl antiker Sujets in engem Zusam menhang mit der Erneuerung der französischen Musik stand. Während die Barockoper, in der antike Sujets vielfach verwendet wurden - etwa in Opern von Monteverdi, Lully, Rameau, Purcell bis hin zu Händel und später noch von Gluck und Mozart -, im musikalischen Ausdruck vorn Sujet unabhängig war, hat in Frankreich die inhaltliche Antikenrezeption zu einer neuen Formsprache in der Musik gefuhrt, wobei das antike Sujet nicht mehr notwendig an die Oper gebunden war, sondern nun auch fur andere musikalische Gattungen Verwen dung fand. In der Phase der Neuorientierung der französischen Musik war der Rückgriff auf antike Sujets außerordentlich folgenreich, denn die Antike stellte in der Musik ähnlich wie in anderen Bereichen der Kunst ein Ideal der Einfach heit und Naturverbundenheit dar. 1 P. Louys, Les Chansons de Bilitis, (1936), 22. 11 Ein gravierender Unterschied zwischen der Antikenrezeption in Architektur, Malerei und Literatur und in der Musik ist darin zu sehen, daß Künste und Literatur sich direkt auf antike Vorbilder beziehen konnten, während antike Kompositionen, an denen die modeme Musik sich hätte orientieren können, nicht überliefert sind. Deswegen bezog die Antikenrezeption in der Musik des Fin de siecle sich vorwiegend auf die Themen und nicht auf die musikalische Form; die modeme musikalische Interpretation eines antiken Themas war in erster Linie assoziativ und beruhte auf der Inspiration des Komponisten. Der Beginn der Modeme - sowohl in der Bildenden Kunst, Architektur und Literatur als auch in der Musik - wurde als eine Abkehr von tradierten Form vorstellungen und Inhalten, als eine Reflexion des Verlustes von Normen und kulturellen Verbindlichkeiten und nicht zuletzt als eine Begründung einer neuen Formsprache gesehen. In der älteren kunsthistorischen Literatur ist die Her ausbildung der Modeme in der französischen Kunst als eine folgerichtige Ent wicklung vom Realismus (Corot, Courbet) über die Schule von Barbizon bis hin zum Impressionismus beschrieben worden, wobei die impressionistischen Maler das bürgerliche Leben im großstädtischen Kontext und in der Provinz darstellten und sich außerdem der Landschaftsmalerei zuwandten; bewußt bevorzugten die Maler triviale Motive. Radikal gebrochen wurde hingegen mit der Tradition des Historienbildes, das in der älteren Malerei und in der zeitgenössischen Salonma lerei höchste Dignität beanspruchte. Die konventionellen Inhalte - religiöse sowie antike Motive und historische Szenen -, die mit dem Geschichtsbewußt sein des 19. Jahrhunderts fest verbunden waren, wurden im Impressionismus als Gegenstand der Kunst aufgegeben. Diese Sicht kunsthistorischer Entwicklung, die sich mit entsprechenden Modifikationen auch in der Literaturgeschichts schreibung findet, ist in neueren Arbeiten grundsätzlich in Zweifel gezogen worden. Durch die Herausbildung eines eng begrenzten Kanons moderner Kunst wurde eine Vielzahl von anderen künstlerischen Strömungen übersehen oder vernachlässigt, und die hohe Wertschätzung der in diesen Kanon aufge nommenen Werke hatte eine Abwertung der Kunst, die sich nicht in diesen Prozeß einordnen ließ, zur Folge. Außerdem ist zu beachten, daß in der impres sionistischen Malerei selbst - etwa bei Degas oder Renoir -formale oder inhalt liche Übernahmen aus der Antike gibt, deren Bedeutung tUr das (Euvre dieser Maler nicht unterschätzt werden sollte.2 Karina Türr hat zudem mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß in der französischen Skulptur des späten 19. Jahrhun derts antike Themen aufgegriffen wurden, wobei die Skulptur auch formal antiken Vorbildern gefolgt ist. Die Antikenrezeption, die tUr die Bildende Kunst 2 Vgl. B. Hinz, Aphrodite, Geschichte einer abendländischen Passion (1998),233. 12

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