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Anti-Aging als Form der Lebensführung PDF

222 Pages·2016·2.064 MB·German
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Larissa Pfaller Anti-Aging als Form der Lebensführung Anti-Aging als Form der Lebensführung Larissa Pfaller Anti-Aging als Form der Lebensführung Larissa Pfaller Erlangen, Deutschland Unter dem Titel: „Ich will nicht vor mich hinaltern“. Anti-Aging als Form der Lebensführung der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. phil. vorgelegt von Larissa Pfaller aus Roth. Als Dissertation genehmigt von der Philosophischen Fakultät der Friedrich-A lexander- Universität Erlangen-Nürnberg. Tag der mündlichen Prüfung: 05.05.2015 Vorsitzende des Promotionsorgans: Prof. Dr. Christine Lubkoll Gutachter: Prof. Dr. Frank Adloff Gutachter: Prof. Dr. Werner Schneider ISBN 978-3-658-13256-9 ISBN 978-3-658-13257-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-13257-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Diese Arbeit beruht auf der Auswertung narrativer Interviews und hätte nicht ent- stehen können ohne die Bereitschaft der Interviewpartner/innen, mir ausführlich aus ihrem Leben zu berichten. Ihnen gilt mein ausdrücklicher und aufrichtiger Dank für ihre Zeit und das Vertrauen, das sie mir entgegengebracht haben. Die vorliegende Arbeit entstand aus der Mitarbeit im vom BMBF geförderten in- terdisziplinären Verbundprojekt Biomedizinische Lebensplanung für das Altern. Werte zwischen individueller ethischer Reflexion und gesellschaftlicher Normie- rung (01GP1004), das zwischen 2010 und 2014 an der Abteilung Ethik und Ge- schichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen (Silke Schicktanz und Mark Schweda) und am Institut für Soziologie an der FAU Erlangen-Nürnberg (Frank Adloff, Kai Brauer und Larissa Pfaller) durchgeführt wurde. Siehe auch: www.biomedizinische-lebensplanung.uni-goettingen.de. „Stop Aging, Start Living“ (www.vitabasix.com) „Stop worrying about growing old. And think about growing up.“ (Philip Roth: The Dying Animal) Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Aufbau der Arbeit .................................................................. 11 2 Das Phänomen Anti-Aging ............................................................................ 15 2.1 Was ist Anti-Aging? .............................................................................. 17 2.2 Anti-Aging in Deutschland ................................................................... 23 2.3 Boom, Kritik und Krise des Anti-Agings .............................................. 35 3 Theoretischer Rahmen .................................................................................... 39 3.1 Anti-Aging als Gegenstand der Soziologie: Das Paradigma der kritischen Gerontologie ......................................................................... 39 3.1.1 Gesundes Altern – Anti-Aging als Symptom der Medikalisierung .......................................................................... 41 3.1.2 Aktives Altern – Anti-Aging als Symptom neoliberaler Aktivierung und Gouvernementalität .......................................... 43 3.2 Forschungsstand, Forschungsdesiderat und Fragestellung .................... 44 4 Material und Methode .................................................................................... 53 5 Die Bedeutung des Anti-Agings – empirische Ergebnisse ............................. 63 5.1 Anti-Aging als Praxis im Alltag ............................................................ 67 5.1.1 Intensität: Zäsur vs. Strukturgeber im Alltag .............................. 69 5.1.2 Habitualisierung: widerständige Praxis vs. Routine .................... 78 5.1.3 Epistemischer Status: Label vs. outside knowledge .................... 83 5.1.4 Fazit: Die alltagsstrukturierende Funktion des Anti-Agings ....... 89 5.2 Deutungsmuster (des) Anti-Aging(s) .................................................... 91 5.2.1 „habe eben aktiv an mir gearbeitet“ – Aktivität, Eigenverantwortung und Disziplin .............................................. 97 5.2.2 „irgendwann muss ja jeder draufkommen“ – Avantgarde und rationales Handeln ..................................................................... 105 10 Inhaltsverzeichnis 5.2.3 „unser ganzes Leben ist eigentlich ein Gegenstrom- schwimmen“ – der nie endende Kampf um das Bewahren des Status quo............................................................................ 110 5.2.4 „diese sensitive Wahrnehmung“ – Anti-Aging als Ausdruck eines besonderen ästhetischen Gespürs ..................................... 115 5.2.5 „bewusst das tun, was dem Körper und dem Geist gut tut“ – Selbstsorge und bewusstes Handeln .......................................... 122 5.2.6 Fazit: die identitätsstiftende Funktion des Anti-Agings ............ 129 5.3 Biographische Prozessstruktur des Anti-Agings ................................. 131 5.3.1 Basistypik: Kontinuität und Wandel ......................................... 134 5.3.2 Von der Verlaufskurve zum Handlungsschema ........................ 136 5.3.3 Die Anti-Aging-Biographie als Konversionserzählung ............ 143 5.3.4 Fazit: Die biographietragende Funktion des Anti-Agings ......... 150 5.4 Die Anziehungskraft des Anti-Agings verstehen ................................ 153 6 Anti-Aging als Form der Lebensführung ..................................................... 159 6.1 Zum Begriff der Lebensführung – eine Bestandsaufnahme ................ 159 6.1.1 Allgemeine Begriffsverwendung: Lebensführung als Phänomen .................................................................................. 159 6.1.2 Lebensführung als soziologische Kategorie .............................. 162 6.1.3 Fazit der Bestandsaufnahme ..................................................... 171 6.2 Theoretischer Anschluss und empirische Fundierung – ein integrativer Ansatz .............................................................................. 172 6.2.1 Lebensführung als (all-)tägliche Praxis ..................................... 173 6.2.2 Der Wert- und Wissensbezug der Lebensführung ..................... 177 6.2.3 Lebensführung als stimmige biographische Gestalt .................. 186 6.2.4 Dimensionen eines Begriffs von Anti-Aging als Lebensführung .......................................................................... 190 7 Zeitdiagnose Anti-Aging? Lebensführung zwischen Ethik und Moral ........ 197 Literatur ............................................................................................................ 207 Zusammenfassung ............................................................................................ 223 Anhang 1: Interviewpartner/innen .................................................................... 225 Anhang 2: Transkriptionsregeln ....................................................................... 227 1 Einleitung und Aufbau der Arbeit „Jetzt musst du halt erzählen, um was es da geht … dieses Anti-Aging.“ (Frau Neuner)1 „Google investiert ins ewige Leben“ – unter dieser Überschrift2 geriet 2013 das Thema Anti-Aging jenseits der Klatschpresse mit Meldungen über den Botox- Gebrauch von Prominenten in die Schlagzeilen. Google gab damals die Grün- dung der Tochterfirma Calico (kurz für: California Life Company) bekannt, wel- che sich der Untersuchung der biologischen Grundlagen des Alterungsprozesses widmen und mit der Bekämpfung alterskorrelierter Erkrankungen zur Verlänge- rung der menschlichen Lebensspanne beitragen soll.3 Gleiches Ziel verfolgt die 2014 von Craig Venter, einem der Mitwirkenden bei der ersten Entschlüsselung des menschlichen Erbguts, gegründete Human Longevity Inc. (HLI): Das eben- falls in Kalifornien ansässige Unternehmen sequenziert hierfür bis zu 100.000 menschliche Genome pro Jahr und stellt sie in einer gigantischen Datenbank zu- sammen, um hieraus die Zusammenhänge zwischen genetischer Anlage und Al- terungsprozess analysieren und Interventionsmaßahmen entwickeln zu können.4 Diese zwei Beispiele aktueller Unternehmensgründungen machen deutlich, dass sich Anti-Aging nicht nur – wie der alltägliche deutsche Sprachgebrauch nahe- legt – auf ein werbewirksames Label zur Vermarktung mehr oder minder effek- tiver Produkte zur Faltenbekämpfung reduzieren lässt. Vielmehr stellen sie An- ti-Aging mit Anti-Aging-Medizin als hochtechnologisiertes und innovatives Pro- jekt zur menschlichen Lebensverlängerung vor, welches auf der Grundlage bio- medizinischer Erkenntnisse gezielt in den Alterungsprozess einzugreifen ver- sucht, um ihn zu verlangsamen, aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen. Im deutlichen Gegensatz dazu stehen allerdings die konkreten Möglichkei- ten, die im freien Handel oder in der Arztpraxis als Anti-Aging angeboten wer- den: Abgesehen von den Produkten einer expandierenden Schönheitsindustrie er- reicht uns Anti-Aging überwiegend in Form von längst zum medizinischen Stan- 1 Originalzitate aus dem empirischen Material werden kursiv gesetzt. Abweichend von der sonst verwendeten Zitierweise werden die Referenzen für Webseiten aufgrund ihrer Länge in Fußno- ten angegeben. Das Datum des letzten Aufrufs findet sich hinter der Quellenangabe im Litera- turverzeichnis (Abschnitt Webseiten). 2 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/gesundheitsfirma-gegruendet-google- investiert-ins-ewige-leben/8814160.html 3 http://www.calicolabs.com 4 http://www.humanlongevity.com © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 L. Pfaller, Anti-Aging als Form der Lebensführung, DOI 10.1007/978-3-658-13257-6_1 12 1 Einleitung und Aufbau der Arbeit dard gehörenden Maßnahmen und Therapieformen, die lediglich unter dem La- bel „Anti-Aging“ neu zusammengefasst werden, oder als Gesundheitstipps aus Ratgebern und Tagespresse, die ein langes und gesundes Leben versprechen. Und auch diese sind kaum als wirklich neue, zukunftsweisende und innovative Erfindungen zu erkennen, beziehen sie sich doch meist auf allgemein bekannte Fragen eines gesunden Lebensstils (Ernährung, Sport etc.). Wer sich mit dem Phänomen Anti-Aging beschäftigen möchte, sieht sich damit nicht nur einer hochtechnologisierten Forschung und einer strategisch agierenden kommerziel- len Industrie gegenüber, sondern ebenso einer um die eigene Profession ringen- den Anti-Aging-Medizin sowie der Propagierung althergebrachter alltagsprakti- scher Lebensweisheiten („was Oma schon wusste“). Darüber hinaus ist die Evidenz angebotener Interventionen der Anti-Aging- Medizin sowie kommerzieller Anti-Aging-Produkte alles andere als unumstrit- ten. Doch bei aller Skepsis über deren Wirksamkeit: Der Anti-Aging-Markt boomt und expandiert. Dass es sich beim Anti-Aging um einen vielversprechen- den Wachstumsmarkt handelt, belegt nicht nur das Interesse weltweit strategisch operierender Großkonzerne wie Google, sondern schlägt sich auch quantifizier- bar in den Verkaufszahlen nieder: Das Marktforschungsunternehmen BCC Re- search verzeichnet seit Jahren wachsende Zahlen für den globalen Anti-Aging- Markt an Produkten und Dienstleistungen, zuletzt prognostizierte es einen Wert von 345,8 Milliarden Dollar für das Jahr 2018 – mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 5,7% zwischen 2013 und 2018 (BCC Research 2013). Anti-Aging ist damit keineswegs als vorübergehender Trend zu bezeich- nen, der aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Evidenz von selbst im Sande verlaufen wird – ganz im Gegenteil wird Anti-Aging als ökonomische Größe von den Analysten ernst genommen. Das Label „Anti-Aging“ verleiht den damit ausgezeichneten Produkten eine Wirkmacht, welche über eine messbare medizinische Wirkung hinausweist und damit eine fast unhintergehbare Anziehungskraft und Faszination für die An- wender/innen ausübt. Dieser Faszination möchte die vorliegende Arbeit nach- gehen. Hierbei schlägt sie – anders als bisher in der Soziologie vorliegende Stu- dien zum Thema Anti-Aging – einen konsequent Sinn rekonstruierend Weg ein. Bestehende soziologische Untersuchungen verhandeln Anti-Aging unter dem Pa- radigma einer kritischen bzw. „Foucauldian Gerontology“ als Effekt einer älter werdenden Gesellschaft, die gleichzeitig Alter(n) abwertet und Gesundheit und Aktivität postuliert, und ziehen daraus Rückschlüsse, welche Folgen die Anwen- dung des Anti-Agings mit sich bringen mag. Demgegenüber berücksichtigt die vorliegende Arbeit, dass die Bedeutung, die Anti-Aging für die Anwender/innen selbst einnimmt, immer auch von diesen in ihrem konkret gelebten Alltag her- gestellt wird. Diese Bedeutung des Anti-Agings im gelebten Alltag der Anwen-

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